◂◂◂◄ 2 ►▸▸▸
Auch am Tag darauf war Kevin noch immer angefressen, wenn er an die Ereignisse des Vortages zurückdachte. Es ärgerte ihn, dass er doch tatsächlich auf die Masche des Jungen hereingefallen war und er sich so leicht hatte beklauen lassen. Andererseits, woher hätte er denn auch wissen sollen, dass er es mit einem Taschendieb zu tun hatte. Daran hatte er ja schliesslich keinen Gedanken verschwendet, vielmehr war er damit beschäftigt gewesen, sich das hübsche Gesicht des Jungen einzuprägen. Das allerdings könnte ihm jetzt doch noch zu Gute kommen, wenn er den Jungen später bei der Polizei anzeigen lassen wollte.
Er hatte beschlossen, dass er direkt nach der Arbeit auf einem Polizeirevier vorbeischauen würde. Seine Kreditkarte hatte er bereits sperren lassen und auch wenn sich in dem Geldbeutel nicht sonderlich viel Bargeld befunden hatte, so wollte er den Jungen trotzdem nicht so einfach davonkommen lassen. Hoffnung, dass sie ihn finden würden, machte er sich trotzdem nicht zu grosse, immerhin war die Stadt riesig, er könnte überall sein.
Er seufzte tief und wischte dann seine Finger an dem ohnehin schon mit Öl und Schmierfett besudelten Lappen ab, ehe er wieder nach dem Schraubenschlüssel griff und damit auch noch die verbleibenden Schrauben anzog.
Heute war mal wieder so ein Tag, der scheinbar nie vorüber gehen wollte. Ob dies nun daran lag, dass Kevins Gedanken ständig wo anders waren oder dass er auch nach fast einem Jahr noch immer nicht so wirklich von seinem Job überzeugt war, konnte er nicht so genau sagen. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem, jedoch ging ihm Letzteres derzeit wieder öfter durch den Kopf.
Eigentlich hatte es anfangs nur eine Übergangslösung sein sollen. Es war ihm damals gelegen gekommen hier zu arbeiten, nachdem er sein Studium nach gerade mal vier Monaten abgebrochen hatte, auch wenn er nicht sonderlich viel von Autos verstanden hatte, aber sein Chef war erstaunlich geduldig mit ihm gewesen und mittlerweile erledigte Kevin einfachere Dinge auch alleine.
Allerdings war es nicht wirklich das, was er auf längere Sicht mit seinem Leben anfangen wollte. Er konnte es sich nicht vorstellen, in Zukunft nichts anderes zu tun, als an Autos herumzuschrauben, bis spät abends in der Werkstatt zu hocken und stets mit, von der Arbeit schwarz verfärbten Fingern nach Hause zu kommen. Das war einfach nicht seine Welt.
Natürlich empfand Kevin aber nicht alles als schlecht. Er hatte eine Menge gelernt in der Zeit, in der er bisher hier gearbeitet hatte, ausserdem mochte er die Leute ganz gerne. Allen voran natürlich sein Chef, aber auch beispielsweise seine beiden Mitarbeiter Younghoon und Jaehyun, die beide nur ein paar Jahre älter waren als er selbst. Sie alle hatten ihn von Anfang an in ihrer Mitte willkommen geheissen und keiner von ihnen wäre auch nur auf die Idee gekommen, ihn zu verurteilen, wie es anderswo oftmals der Fall gewesen war, wenn er sein abgebrochenes Studium erwähnt hatte.
Vielleicht waren sie auch der Grund dafür, wieso Kevin tatsächlich so lange hier ausgeharrt hatte. Heute war ihm allerdings nicht danach, mit ihnen allen noch etwas Trinken zu gehen, wie sie es sonst manchmal nach der Arbeit taten. Auch hier stellten sie keine Fragen oder drängten ihn gar dazu, sie trotzdem zu begleiten, sondern winkten ihm bloss fröhlich zum Abschied zu, ehe sie verschwanden.
Kevin selbst verzog sich in den hinteren Bereich der Werkstatt und trat an einen Wagen heran, der definitiv auch schon mal bessere Zeiten gesehen hatte. Sanft fuhr er mit den Fingern über den teils bereits abblätternden Lack, dessen Farbe man nur noch erahnen konnte, weil sie mit den Jahren immer mehr verblichen war. Der Wagen war vor einigen Monaten in die Werkstatt gekommen und Kevin hatte sich sofort in den alten Mustang verliebt. Zumindest bis man ihm mittgeteilt hatte, dass der Wagen lediglich als Ersatzteillager herhalten sollte.
Er wusste bis heute nicht, ob man ihm die Enttäuschung so deutlich angesehen hatte, doch noch bevor irgendwer von seinen Mitarbeitern hatte damit beginnen können, den Mustang voneinander zu schrauben, hatte sein Chef ihn zur Seite genommen und ihn gefragt, ob er es sich zutraute, den Wagen wieder zum Laufen zu bringen – natürlich mit ein wenig Unterstützung seinerseits. Kevin hatte erst nicht gewusst, worauf Jaesang herauswollte und ob er seine Worte überhaupt ernst meinte. Sie hatten anschliessend einen Deal ausgehandelt: Sollte Kevin tatsächlich erfolgreich sein, dann gehörte der Wagen ihm.
Wann immer er jetzt also ein wenig freie Zeit hatte, widmete er sich seinem Mustang, denn es gab noch eine Menge zu tun. Kevin war bei diesem Projekt sogar zuversichtlicher, als er es sonst von sich selbst gewohnt war, vielleicht weil er den Mustang wirklich gerne wieder zum Laufen bringen würde.
Kevin war sich nicht sicher, wie viel Zeit er über der geöffneten Motorhaube verbracht hatte, als er auf einmal die schweren Schritte, die eindeutig auf Jaesang zuzuweisen waren vernahm. Er hob den Kopf und entdeckte auch sogleich seinen Chef, der ihm breit lächelnd entgegenkam.
»Hyungseo, ich wusste doch, dass ich dich hier noch antreffen würde«, meinte er mit einem wissenden Ausdruck im Gesicht. Kevin fühlte wie eine leichte Röte sich über seine Wangen legte. Er war wirklich durchschaubar geworden in den letzten Monaten und alles nur wegen einem Auto, welches er ein wenig zu sehr liebte.
»Nun das sieht doch schon ganz gut aus«, meinte er, nachdem er neben Kevin getreten war und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Nicht mehr lange und du fährst damit durch die Gegend.« Das hingegen wagte Kevin zu bezweifeln. Wahrscheinlich würde es noch Jahre dauern, bis es soweit war, doch diese Vermutung behielt er lieber für sich.
»Worüber ich eigentlich mit dir reden wollte«, fuhr Jaesang ohne grosse Umschweife fort. »Ein guter Freund von mir hat mich darum gebeten, dass ich seinen Sohn ein wenig unter meine Fittiche zu nehmen. Der Junge ist nicht ganz... sagen wir mal einfach und er dachte wohl, dass ihm ein wenig körperliche Arbeit gar nicht schaden würde.«
Kevin blickte ihn abwartend an. Er verstand noch nicht ganz, was das Ganze jetzt mit ihm zu tun hatte. Jaesang kratzte sich verlegen am Kopf. »Ich dachte nur, da ihr ungefähr im selben Alter seid...«, er zuckte bloss ein wenig hilflos mit den Schultern. Kevin biss sich unschlüssig auf die Unterlippe. Er wusste genau was jetzt kam und eigentlich hatte er wirklich keine Lust, fortan einen bockigen Teenager an seiner Seite zu haben, der ihn mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit von der Arbeit ablenkte.
»Denk darüber nach, okay? Ich meine ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du dich ihm ein wenig annehmen könntest. Aber du musst natürlich nicht«, fügte er schnell hinzu. Kevin seufzte und nickte dann. »Ich werde es mir überlegen«, versprach er, auch wenn er gerne gleich abgelehnt hatte, allerdings hatte er mal wieder das Gefühl, dass er Jaesang etwas schuldig war – wie immer übrigens wenn dieser ihn um etwas bat.
»Wunderbar!« Sein Chef klatschte begeistert in die Hände, worauf Kevin bloss das Gesicht zu einer Grimasse verzog, was Jaesang allerdings bloss ein amüsiertes Lachen entlockte. »Mach auch bald fertig, okay?«, meinte er grinsend und Kevin nickte als Antwort. Er hatte gar nicht mehr an die Zeit gedacht, erst jetzt wo sein Chef es erwähnte, merkte er wie spät es bereits wieder geworden war.
Er räumte sein Werkzeug zusammen, ehe er sich von Jaesang verabschiedete. Erst als er nach draussen trat, wo es bereits dunkel geworden war, fiel ihm wieder ein, dass er doch eigentlich noch zur Polizei hatte gehen wollen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top