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Gegen Abend kehrte Ruhe im Hause der Moons ein. Die meisten ihrer Verwandten zogen sich in ihre Zimmer zurück und man traf nur noch selten jemanden auf dem Flur an. Kevin war froh darüber, er mochte den ganzen Trubel nicht, auch wenn der dieses Jahr längst nicht das stressigste für ihn war. Nicht dass er es mit seinen unbedachten Handlungen unbedingt besser machte.

Er wusste wirklich nicht, was da vorhin in ihn gefahren war. Er war eigentlich nicht so, wirklich nicht, doch Sunwoo hatte ihn provoziert und er hatte schon viel zu lange keinen Sex mehr gehabt, aber das war in seinen Augen eigentlich keine Entschuldigung. Verdammt er musste sich wirklich in den Griff bekommen, sonst würde er die Zeit in Kanada wahrscheinlich nicht unbeschadet überstehen.

Glücklicherweise schien Sunwoo beschlossen zu haben, dass es das Beste war, das Thema gar nicht erst anzusprechen, als Kevin vorhin mit einem furchtbar schlechten Gewissen zurück in sein Zimmer gekommen war. Ihm sollte es Recht sein, auch wenn er so nicht einschätzen konnte, was der Jüngere nun von ihm dachte. Er würde sich allerdings hüten, auch nur ein Wort zu dem Vorfall zu verlieren.

Stattdessen hatten sie über unverfänglicheres geredet, sich gleichzeitig über Kevins Verwandtschaft amüsiert als auch aufgeregt und ausserdem hatten sie jetzt eine Wette darüber laufen, wann wohl der erste Schnee fiel. Sunwoo war felsenfest davon überzeugt, dass sie dieses Jahr weisse Weihnachten bekommen würden, während Kevin nicht mehr daran glaubte, dass es noch in diesem Jahr schneien würde.

Sie hatten gar nicht gemerkt, wie die Zeit verflog, vielleicht waren sie aber auch wegen der Zeitverschiebung noch etwas durcheinander. Trotzdem konnte Kevin irgendwann ein Gähnen nur noch schwer zurückhalten, dem er sich schliesslich auch ergab und sich auf den Weg zum Bad machte, wo er sich nur noch kurz die Zähne putzen wollte, ehe er sich ins Bett legte.

Natürlich schaffte er es nicht ungesehen wieder zurück, doch es war glücklicherweise nur seine Mutter, die ihm auf dem Flur entgegenkam, als er gerade das Badezimmer verlassen hatte. »Alles in Ordnung? Ich habe dich heute kaum gesehen, tut mir leid das hier alles gerade ein wenig stressig ist«, entschuldigte sie sich, doch Kevin winkte bloss ab. »So war es doch noch jedes Jahr«, erwiderte er und grinste schief. Ihre Familienfeiern waren in der Tat immer ein wenig chaotisch, weil dafür meistens die gesamte Verwandtschaft anreiste und dann in der Regel auch gleich für ein paar Tage blieb.

Seine Mutter lächelte ebenfalls. »Ich freue mich übrigens, dass du dieses Jahr endlich mal jemanden mitgebracht hast und dann erst noch ein solches Goldstück!« Kevin verkniff es sich bei ihren Worten eine Grimasse zu ziehen, denn Sunwoo war sicherlich viel, doch ganz bestimmt kein Goldstück. Wenn sie bloss wüsste, wie faustdick der Junge es hinter den Ohren hatte.

»Ich wollte euch übrigens noch eine zusätzliche Matratze in dein Zimmer stellen, aber dann waren schon alle anderweitig vergeben. Euch macht das doch nichts aus? Dein Bett ist ja doch ein wenig klein«, meinte sie grinsend und Kevin verdrehte die Augen. Was sollte er darauf schon antworten? Wahrscheinlich käme es ein wenig seltsam herüber, wenn er ihr sagte, dass er nicht mit seinem Freund gemeinsam in dem viel zu kleinen Bett schlafen wollte. Es würde schon irgendwie gehen, notfalls schlief Kevin eben auf dem Boden.

»Mach dir keine Sorgen, wir werden einfach ein wenig näher zusammenrücken«, gab er mit einem scheinheiligen Lächeln zurück, was seine Mutter zu erleichtern schien. »Das ist gut, dann schlaft schön, richte Sunwoo eine gute Nacht von mir aus!« Sie drückte ihm einen leichten Kuss auf seinen Haaransatz, ehe sie ebenfalls im Badezimmer verschwand.

Kevin selbst stiess die Tür zu seinem eigenen Zimmer auf, wo Sunwoo sich offenbar ebenfalls bettfertig gemacht hatte. Er trug jetzt ein übergrosses Shirt, auf dem eine grinsende Katze abgebildet war und eine ausgeleierte Jogginghose, die ihm locker auf der Hüfte hing. Er hockte auf dem Bett und spielte mit seinem Handy herum, doch als er Kevin bemerkte sah er auf.

»Ich habe dich mit deiner Eomma reden gehört, wir werden uns also heute Nacht zu zweit in dein Bett kuscheln?«, fragte er und wackelte dabei anzüglich mit den Augenbrauen. Kevin rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht, ich werde auf dem Boden schlafen«, antwortete er bissiger als beabsichtigt.

Sunwoo starrte ihn überrascht an. »Und dir damit deinen Rücken zerstören, kommt nicht in Frage!«, rief er empört, doch Kevin hatte sich bereits entschieden. Wenn ihm die Wahl zwischen dem harten Boden oder Sunwoo, der nur wenige Zentimeter von ihm entfernt lag und ihn damit in den Wahnsinn trieb, dann musste er nicht lange überlegen. Er würde kein Auge zu tun, wenn er wusste, dass der Jüngere ihm so nahe war.

Er griff nach einem der Kissen und suchte sich im Schrank eine dünne Decke heraus. »Keine Diskussion«, bestimmte er und legte sich hin. Mit dem dicken Teppich unter sich, war es gar nicht so unbequem, wie man vielleicht denken konnte. Er zog sich die Decke bis zum Kinn und wartete dann gebannt darauf, dass sich der Junge ebenfalls ins Bett legte und anschliessend die kleine Nachttischlampe löschte, die mittlerweile das Einzige war, was das Zimmer noch erhellte.

Es raschelte, dann setzte sich Sunwoo plötzlich neben ihn auf den Boden. »Was machst du da?«, fragte Kevin entsetzt, als er realisierte, dass der Jüngere gerade dabei war, sich ebenfalls sein Nachtlager auf dem Boden einzurichten. Er klopfte sein Kissen zurecht und legte dann seinen Kopf darauf, sodass sie nun ungefähr auf derselben Höhe lagen und sich somit direkt in die Augen sahen.

Sunwoo grinste. »Geteiltes Leid, ist halbes Leid«, erwiderte er und zwinkerte ihm dabei zu. Kevin sog scharf die Luft ein. Was denn für halbes Leid, er litt hier eher doppelt, alleine durch das Wissen, dass der Jüngere, direkt neben ihm lag. Er drehte sich auf den Rücken und starrte die Decke an. So war das aber nicht ausgemacht. Sunwoo hätte in seinem Bett schlafen sollen, weit weg von ihm.

»Ich werde auch nichts versuchen, falls dir das Sorgen bereitet«, sagte der Jüngere nach einem unangenehmen Moment der Stille. Kevin schloss die Augen. »Nein, das ist es nicht«, erwiderte er leise und drehte sich wieder zu ihm hin. Das war ehrlich gesagt nicht das, worum er sich Gedanken machte, er hatte eher Angst vor dem, was er eventuell tun könnte.

Sunwoo rutschte ein wenig näher an ihn heran und griff dann nach seiner Hand. »Und was ist es dann?«, fragte er und hob ihre beiden Hände hoch, um sie nachdenklich zu betrachten. Kevins Aufmerksam lag dabei jedoch die ganze Zeit über auf Sunwoos Gesicht. Selbst jetzt im schummrigen Licht der Nachttischlampe sah er wunderschön aus.

»Ach nichts«, sagte er schläfrig. Wenn er es sich recht überlegte, dann war das hier eigentlich gar nicht so schlecht. Ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, während er Sunwoo noch immer betrachtete. Auch diesem entwich ein herzhaftes Gähnen und er hatte plötzlich alle Mühe, seine Augen noch offenzuhalten. Immer wieder fielen sie ihm zu, bis er schliesslich vollends ins Land der Träume abdriftete, diesmal jedoch nahm er Kevin mit.

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