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Aufgeregt drückte sich Sunwoo die Nase an der kleinen Fensterscheibe des Flugzeuges platt und das obwohl sich das Flugzeug gerade mal zur Startbahn bewegt hatte und nun aber wieder komplett stillstand. Er hatte ihm vor ein paar Tagen gestanden, dass er tatsächlich noch nie in seinem Leben geflogen war, seine jetzige Reaktion war also nicht weiter verwunderlich, trotzdem fand Kevin es ganz witzig mitanzusehen.
Er war auch froh, dass Stella angeboten hatte, auf dem Platz zu sitzen, den sie eigentlich für den Jungen gebucht hatten und der ein paar Reihen weiter hinten im Flugzeug lag, damit Kevin und Sunwoo nebeneinandersitzen konnten. Er hatte bis dahin nicht sicher gewusst, wie der Jüngere zum Fliegen stand und ob sich er gar etwa davor fürchtete, aber diese Sorge war scheinbar unbegründet gewesen. Viel eher konnte er es gar nicht erwarten, dass es endlich losging.
Kevin selbst konnte sich nicht mehr an sein erstes Mal erinnern, seine Familie war nach Kanada gezogen als er gerade mal vier Jahre alt war und dann aber immer mal wieder nach Korea geflogen, um dort Urlaub zu machen. Für ihn war das alles also längst nicht mehr so aufregend und wäre da nicht Sunwoo, würde er vermutlich bereits friedlich vor sich hinschlummern. Er verschlief den Flug gerne, viel Gescheites gab es sowieso nicht was er tun konnte und sie waren immerhin nahezu elf Stunden unterwegs.
Sunwoo hingegen sah eher danach aus, als würde er den ganzen Flug über kein Auge zu tun, so übermütig wie er gerade noch war. Kevin war sich nicht sicher, ob er damit versuchte seine Nervosität zu überspielen oder ob er tatsächlich so fasziniert von der Idee des Fliegens war, dass die baldige Aussicht darauf ihn derart hibbelig werden liess.
Er seufzte und liess sich dann in seinen Sitz zurücksinken. Auf dem kleinen Bildschirm vor ihm wurde gerade ein Video über sämtliche Sicherheitsmassnahmen, die ihm Falle eines Notfalls zu treffen waren, abgespielt, dass Kevin mittlerweile bereits in und auswendig kannte. Er schloss die Augen und versuchte sich innerlich auf das Zusammentreffen mit seiner Mutter vorzubereiten.
Kurz darauf rüttelte Sunwoo ihn an der Schulter. »Ich glaube es geht los«, flüsterte er mit vor Aufregung funkelnden Augen. Tatsächlich setzte sich die Maschine kurz darauf in Bewegung. Sunwoo riss die Augen auf, als sie in die Sitze gedrückt wurden und griff schnell nach Kevins Hand. Dieser konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. Er verschränkte ihre Finger miteinander und drehte den Kopf so, dass er Sunwoo besser im Blick hatte.
Der Ausdruck auf dessen Gesicht wechselte von anfänglicher Sorge zu wachsender Begeisterung, sobald sie sich erstmal in der Höhe befanden. Kevin lächelte. »Gefällt dir was du siehst?«, fragte er leise, worauf der Junge heftig mit dem Kopf nickte. »Es ist wunderschön«, erwiderte er verträumt und Kevin konnte dem nur zustimmen. Seine Aussicht war ebenfalls atemberaubend. Ob Sunwoo eine Ahnung hatte, wie schön er war? Irgendwann würde er es ihm sagen, beschloss er noch, bevor ihm die Augen zufielen.
Als Kevin wieder aufwachte, wusste er nicht, ob es jetzt wegen dem leichten Ruckeln des Flugzeugs war oder doch eher an Sunwoo lag, der beinahe schon panisch seine Hand umklammert hielt. Seine Fingernägel gruben sich ohne Rücksicht in Kevins Handrücken, wo später ganz bestimmt Abdrücke zu sehen waren.
Kevin rieb sich müde mit der anderen Hand über die Augen. Sunwoo sass stocksteif auf dem Sitz neben ihm und die Sorge war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Er richtete sich alarmiert auf. »Alles in Ordnung?«, wollte er wissen, worauf der Junge angsterfüllt den Kopf schüttelte. »Das war eine verdammt dumme Idee«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während er immer wieder sorgenvoll aus dem Fenster blickte.
Kevin blickte ihn überrascht an. Bisher war er immer davon ausgegangen, dass er derjenige von ihnen beiden war, der sich zu viele Gedanken deswegen machte. Sunwoo hatte immer davon geredet, als wäre es ein leichtes, Kevins Eltern etwas vorzuspielen. Dass ihn nun doch Zweifel überkamen, ausgerechnet jetzt, liess auch Kevin wieder unruhig werden. Er hatte sich voll und ganz auf den Jüngeren verlassen, wenn der jetzt plötzlich kalte Füsse bekam, dann hatten sie ein ziemliches Problem.
»Hey, es wird schon alles gutgehen«, versuchte er den Jungen zu beruhigen, erntete dafür aber bloss einen argwöhnischen Blick von diesem. Kevin zwang sich zu einem nicht allzu aufgesetzten Lächeln und strich ihm gleichzeitig beschwichtigend mit dem Daumen über seinen Handrücken. »Ich verspreche dir, meine Eltern sind toll, du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, versuchte er es erneut und dieses Mal schien es zumindest ansatzweise zu funktionieren. Wenigstens der klammernde Griff um seine Hand löste sich ein kleines bisschen.
Er grinste schwach. »Süss, dass du glaubst, das ist es worum ich mir Gedanken mache, aber ich fürchte im Moment eher, dass ich nie die Chance bekommen werde, um sie überhaupt kennenzulernen«, erwiderte er verbissen und Kevin sah ihn verständnislos an. Er zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
»Spürst du das denn nicht? Das ist doch nicht normal«, rief Sunwoo wild gestikulierend aus, sobald das Flugzeug das nächste Mal unruhig hin und her ruckelte. Kevin brauchte ein paar Sekunden bis er verstand, dann lachte er vergnügt auf. »Das sind bloss Turbulenzen, die gibt es auf jedem Flug.« Er grinste in sich hinein, gleichzeitig hatte er allerdings ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil er wusste, dass Sunwoo sich gerade echte Sorgen gemacht hatte.
Der blickte ihn an als hätte er ihm gerade das siebte Weltwunder verkündet. »Oh echt?« Er errötete und wandte schnell den Kopf ab. Er starrte auf seine Knie, dann wanderte sein Blick auf ihre Hände. Schnell wollte er die seine zurückziehen, doch Kevin hielt ihn zurück und legte stattdessen seine zweite Hand auch noch auf die von Sunwoo.
Dieser schniefte leise auf. »Lass mich«, jammerte er und Kevin musste sich wirklich sehr zurückhalten, um nicht er laut loszuprusten. »Das ist ja so peinlich«, klagte er, doch Kevin schüttelte bloss den Kopf. »Ist es nicht«, widersprach er. Eher irgendwie niedlich, dachte er, doch das laut auszusprechen traute er sich nicht. Er beobachtete Sunwoo eine Weile, wie er vor sich hinflennte und hob dann seine Hand an seinen Mund, um einen vorsichtigen Kuss daraufzuhauchen.
»Ich werde es niemandem erzählen, versprochen«, versicherte er ihm augenzwinkernd. Sunwoo warf ihm einen bösen Blick zu. »Das will ich für dich hoffen«, knurrte er und wandte sich dann demonstrativ von ihm ab. (Dass ihre Hände noch immer ineinander verschränkt, schien ihm jedoch nichts weiter auszumachen.)
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