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»Okay, weisst du was, ich werde es tun. Ich nehme ihn mit!«, rief Kevin entschlossen und sprang von der Couch auf. Er hatte bestimmt den halben Nachmittag hier gelegen und vor sich hin gegrübelt, doch am Ende war er immer wieder zum selben Ergebnis gekommen. Alles was er jetzt noch brauchte war ein Flugticket.

Stella sah sichtlich verwirrt aus, als er an ihr vorbeiflitzte und sich dann in der Küche den Laptop krallte, den seine Schwester zuletzt dort abgestellt hatte. Sie liess die Tasse mit Tee sinken, an der sie bis gerade eben immer mal wieder genippt hatte und starrte ihn an. »Wovon zur Hölle sprichst du bitte?«, fragte sie ihn, doch Kevin hörte ihr gar nicht richtig zu.

»Dann sind alle glücklich! Mom ist glücklich, weil ich ihr endlich meinen Freund vorstelle, Sunwoo ist glücklich, weil er doch nicht alleine feiern muss – was übrigens echt traurig gewesen wäre, kannst du dir das vorstellen? Weihnachten so komplett alleine zu verbringen, dass muss furchtbar sein, das kann ich unmöglich verantworten. Oh und ich habe dann über die Feiertage meine Ruhe und muss mir nicht ständig anhören, dass mich doch bitte auch endlich mal zu verlieben habe, als ob ich das beeinflussen könnte.« Er stoppte in seinem Monolog, weil er zum wiederholten Mal das Passwort falsch eingegeben hatte. Er fluchte leise.

»Bist du es?«, fragte Stella mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht, worauf Kevin vom Bildschirm aufsah und ihr einen irritierten Blick zu warf. »Bin ich was?«, erwiderte er, weil er nicht wusste, worauf seine Schwester hinauswollte. »Verliebt. In Sunwoo«, gab diese schmunzelnd zurück, so als wäre es völlig logisch. Kevin riss die Augen auf. »Wie bitte?«, rief er entgeistert, weil er nicht nachvollziehen konnte, wie seine Schwester jetzt ausgerechnet auf diese Idee kam. Er mochte Sunwoo vielleicht und er mochte es auch von ihm geküsst zu werden, wie er seit ein paar Tagen wusste, doch er war bestimmt nicht in ihn verliebt.

»Ob du–«, setzte Stella erneut an, doch Kevin unterbrach sie gleich wieder. »Ich habe dich schon verstanden«, sagte er schnell worauf seine Schwester leicht angenervt mit den Augen rollte. »Aber du interpretierst das völlig falsch«, fuhr er schnell fort, bevor sie etwas hätte sagen können. »Sunwoo hat angeboten, dass er für die Feiertage die Rolle von meinem imaginären Freund spielen könnte, wenn er im Gegenzug dafür nicht alleine sein muss, das Ganze ist also eigentlich auf seinem Mist gewachsen«, erklärte er die Situation, wie sie wirklich war, nicht dass Stella, das Ganze schon wieder falsch auffasste.

Sie runzelte die Stirn. »Und damit warst du einverstanden?«, fragte sie ungläubig. Kevin zuckte mit den Schultern. »Erst nicht«, gestand er, worauf Stella heftig nickte. »Weil es auch eine unglaublich dumme Idee ist. Glaubst du ernsthaft, dass Mom darauf hereinfallen wird?«

Kevin lachte leise. Er erinnerte sich an seine eigenen Zweifel am Anfang. »Oh glaub mir, Sunwoo kann sehr überzeugend sein«, versicherte er ihr, während seine Gedanken wie von selbst zu ihrem Kuss letztens wanderten. Er dachte an Sunwoos Lippen, daran wie weich sie sich auf seinen eigenen angefühlt hatten.

»Klingt als hättest du dich bereits selbst davon überzeugt«, meinte Stella und diesmal wirkte ihr Grinsen noch breiter. Kevin fühlte wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Schnell widmete er sich wieder dem Bildschirm. Diese Frage würde er seiner Schwester ganz sicher nicht beantworten. Musste er auch nicht.

»Ich fasse das mal als ein Ja auf«, meinte fröhlich sie und stellte die noch immer dampfende Tasse auf dem Küchentresen ab, ehe sie mit schnellen Schritten den Esstisch umrundete und sich dann ebenfalls über den Laptop beugte. »Gib mal her«, murmelte sie, bevor Kevin jedoch irgendwie darauf reagieren konnte, hatte sie ihm das Gerät schon abgenommen und liess sich dann damit auf den Stuhl direkt neben ihm gleiten.

Aus dem Augenwinkel konnte Kevin sehen, wie sie etwas in die Suchleiste eintippte, ehe sie mit verbissenem Gesichtsausdruck ein paar Mal auf der Seite herumklickte, die sie soeben geöffnet hatte. Kurz darauf drehte sie den Laptop mit zufriedener Miene wieder zu ihm hin. »Et voilà!«

Kevin sah sie aus grossen Augen an. »Also bist du einverstanden?«, fragte er ungläubig und starrte dann wieder auf das eben gebuchte Flugticket. Nach ihrer vorherigen Reaktion hatte er angenommen, dass sie strikt dagegen sein würde, dass der Junge mitkam (was Kevin egal gewesen wäre, er hätte ihn trotzdem mitgenommen), aber offenbar hatte er sich geirrt.

Sie lächelte. »Oh Kevin, du scheinst ganz offensichtlich etwas für den Jungen übrigzuhaben und ich weiss, dass du das jetzt gleich wieder abstreiten wirst, aber hör mir erst zu.« Kevin klappte seinen Mund wieder zu. »Du sagst zwar ständig etwas anderes, aber wenn er dir wirklich so egal wäre, wie du behauptest, dann wäre dir auch egal, ob er jetzt an Weihnachten alleine ist oder nicht, okay? Ist es aber nicht, Himmel, du willst ihn deswegen sogar mit nach Kanada nehmen!«, sie schüttelte den Kopf, so als könne sie es noch immer nicht fassen, doch sie lächelte ihm dabei aufmunternd zu, ehe sie fortfuhr. »Ich nehme also an, dass du ihn zumindest ein kleines Bisschen magst und das ist genug für mich. Wir nehmen ihn mit.«

Kevin fiel seiner Schwester dankbar um den Hals, vielleicht ein wenig zu stürmisch, denn sie wären beide beinahe vom Stuhl gefallen, doch Stella lachte nur und wuschelte ihm dabei durch seine Haare. »Danke«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wenn du auffliegst wusste ich von nichts«, gab seine Schwester zurück und Kevin verdrehte die Augen. Er konnte nicht glauben, dass das ihre geringste Sorge war, immerhin hatte sie gerade zugestimmt, ein ihr völlig fremde Person mit zu ihnen nach Hause zu nehmen, Kevin würde sich da an ihrer Stelle ganz andere Gedanken machen.

Als er sich später in sein Zimmer verzog, klopfte sein Herz wie verrückt, als er den Chat mit Sunwoo aufrief. Sie hatten irgendwann in den vergangenen Wochen ihre Handynummern ausgetauscht, doch bisher hatte er noch nie einen Grund gehabt, dem Jüngeren zu schreiben, während von dem immer nur irgendwelche dummen Memes gekommen waren, über die Kevin zwar geschmunzelt hatte, sie dann aber in der Regel doch unkommentiert gelassen hatte. Es war also das erste Mal, dass er Sunwoo von sich aus schrieb und das machte ihn nervöser, als ihm lieb war.

Die Antwort kam prompt und bestand hauptsächlich aus einer Unmenge an glücklichen und heulenden Emojis und einer unsinnigen Aneinanderreihung von Buchstaben, die Kevin nicht entziffern konnte, doch er ging davon aus, dass Sunwoo sich freute. Er lächelte zufrieden. Mission erfüllt.

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