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»Hast du nachher schon etwas vor?«, wollte Sunwoo mit einem Blick zur Uhr wissen. Sie hatten heute früher Feierabend, weil Jaesang das mit den Arbeitszeiten immer ein wenig schleifen liess, sobald es auf Weihnachten zuging, doch wenn Kevin ehrlich war, dann hatte er sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was er mit dem angebrochenen Nachmittag anstellen wollte.

Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht, vielleicht nehme ich mich mal wieder diesem Schätzchen hier an«, er deutete mit dem ausgestreckten Daumen hinter sich, wo einsam und schon viel zu lange unberührt der alte Mustang stand, den Kevin in letzter Zeit deutlich vernachlässigt hatte. So würde er den Wagen nie sein Eigen nennen können.

Die Mundwinkel des Jungen sanken nach unten. »Ach so«, murmelte er und sprang dann von der verbeulten Motorhaube eines verbeulten Audi A8's, auf dem er es sich zuvor bequem gemacht hatte, während er Kevin bei der Arbeit zugesehen hatte. »Na dann, nicht so wichtig.« Er wandte sich von ihm ab, doch Kevin hielt ihn am Arm zurück.

Er sah ihn an. Hatte er ihn fragen wollen, ob er noch etwas mit ihm unternehmen wollte und Kevin war zu blöd gewesen um das zu schnallen? Es sah ganz danach aus, immerhin stand die Enttäuschung dem Jüngeren deutlich ins Gesicht geschrieben.

»Ich muss das aber auch nicht unbedingt heute machen«, beeilte er sich zu sagen. »Wenn du mir sagst was du vorhast, komme ich vielleicht mit.« Er lächelte ihm aufmunternd zu und sofort kehrte das altbekannte Grinsen auf das Gesicht des Jungen zurück. »Das hat besser funktioniert, als ich angenommen habe«, meinte er gut gelaunt und streckte Kevin leicht die Zunge raus. Dieser realisierte noch im selben Moment, dass er mal wieder reingelegt worden war.

Er schnaubte, Sunwoo ignorierte ihn. »Ich brauche noch ein paar Klamotten, alles was ich derzeit in meinem Schrank habe schreit entweder nach Ich bin super reich oder Ich wurde von meinem Vater rausgeschmissen und trage jetzt aus Trotz Sachen, die er ganz bestimmt hassen würde. Beides eignet sich wirklich schlecht um deinen Eltern gegenüberzutreten. Ich dachte du könntest mich begleiten«, sagte er.

Kevin zog eine Augenbraue nach oben. »Also erstens wirst du meinen Eltern nicht gegenübertreten, kein Grund sich also Sorgen zu machen und zweitens warst du doch letztens erst einkaufen«, erwiderte er während er den anderen durchdringend musterte. Dieser zuckte ertappt zusammen und grinste dann verlegen. »Naja, ich dachte nur für den Fall, dass du es dir doch noch anders überlegst«, sagte er mit schief gelegtem Kopf. »Du weisst, dass mein Angebot noch immer steht«, fügte er ernst hinzu und Kevin seufzte tief. Er wollte nicht, dass Sunwoo erfuhr, wie oft er sich dieses tatsächlich schon durch den Kopf hatte gehen lassen, doch er kam immer wieder zu demselben Schluss: Es war verrückt. Er konnte nicht einfach einen fremden Jungen mit nach Kanada nehmen und ihn seinen Verwandten als seinen Freund präsentieren.

Er wusste nicht, als was der Junge sein Schweigen deutete, doch irgendwann gab er es wohl auf, auf eine Antwort von Kevin zu hoffen. »Im Ernst, ich brauche wirklich ein paar Neue Sachen, als ich letztens etwas klauen wollte, wurde ich von jemandem dazu gezwungen, sie wieder zurückzuhängen.« Er sah Kevin mit anklagendem Gesicht an. Dieser brauchte ein paar Sekunden, bis die Bedeutung von Sunwoos Worten zu ihm durchdrangen, dann lachte er leise auf. »Du hättest sie auch einfach bezahlen können«, gab er zurück und schüttelte amüsiert den Kopf.

Sunwoo zog eine Grimasse. »Hatte kein Geld dabei«, erwiderte er. »Aber dieses Mal würde ich sogar welches mitnehmen«, versprach er hoch und heilig und Kevin nickte. »Na wenn das so ist«, stimmte er zu und Sunwoo lächelte selig, weil er am Ende doch noch seinen Willen bekommen hatte.

Sie zogen sich um und machten sich gleich darauf auf den Weg. Es war mittlerweile ziemlich kalt geworden draussen, weshalb Kevin seine Hände tief in den Hosentaschen vergraben hatte. Vor ihren Gesichtern bildete ihr Atem kleine Wölkchen und Kevin bereute, dass er nicht wie der Junge eine Mütze mitgenommen hatte.

Wenigstens dauerte es nicht lange, bis sie ihr Ziel erreicht hatten und sie wieder ins Warme konnten. Sunwoo war ziemlich zielstrebig, als er einen Laden nach dem anderen ansteuerte, während Kevin ihm einfach nur vertrauensvoll hinterher trottete und brav alles abnickte, das Sunwoo anprobierte. Es sah aber auch alles gut an ihm aus, wie Kevin sich heimlich eingestand, ausserdem hatte Sunwoo wirklich Geschmack. Nichts von dem was er anzog hätte er als schrecklich abstempeln müssen – er war sich von seinen Freunden anderes gewohnt.

Er wartete gerade darauf, dass der Vorhang der Umkleidekabine erneut zur Seite schwang und Sunwoo ihm das nächste Kleidungsstück präsentierte, als dieser plötzlich den Kopf herausstreckte. »Könntest du mir... ehm, eventuell kurz helfen?«, fragte er und warf ihm einen flehenden Hundeblick zu. Kevin grinste kurz und schlüpfte dann ohne gross nachzudenken zu dem Jüngeren in die Kabine hinein. Der zupfte gerade sichtlich unglücklich am Saum des enganliegenden Pullovers herum.

»Ich komm da nicht raus«, gestand er verlegen. Kevin lachte leise, worauf der Junge seine Lippen zu einem beleidigten Schmollmund verzog. »Sag bloss, das ist dir noch nie selbst passiert«, maulte er ihn an, nur um kurz darauf ebenfalls loszuprusten. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder eingekriegt hatten. Sunwoo strich sich atemlos eine Haarsträhne aus der Stirn. Sein Blick lag dabei die ganze Zeit unabdingbar auf Kevin.

Er hob eine Hand und legte sie vorsichtig auf Kevins Wange. Er hielt den Atem an, während er darauf wartete, was der andere als Nächstes tat. »Darf ich dich küssen?«, flüsterte dieser mit rauer Stimme. Kevin sah ihn aus geweiteten Augen an. »Hier?«, fragte er verdattert, weil er mit dieser Bitte nicht gerechnet hatte. Ausserdem erschien es ihm auch nicht als der richtige Ort dafür, doch Sunwoo schien da anderer Meinung zu sein.

Er nickte. »Ich möchte es gerne, aber ich will dich auch nicht so überfallen, wie beim letzten Mal«, sagte er und wirkte auf einmal ganz scheu. Seine Wangen hatten sichtlich Farbe angenommen und irgendwie fand Kevin das niedlich. Und aufmerksam. Und wenn er vor ein paar Sekunden noch geglaubt hatte, dass dies hier nicht der Zeitpunkt dafür war, so erschien es ihm mittlerweile mehr als nur perfekt.

Er nickte, erst kaum merklich, dann energischer. »Okay«, hauchte er zustimmend, worauf Sunwoos Augen überrascht aufblitzten. Er schien nicht wirklich damit gerechnet zu haben, dass Kevin ihn tatsächlich gewähren liess. Er sah ihn durchdringend an, so als würde er in seinem Gesicht nach so etwas wie Zweifel suchen, doch die fand er nicht. Kevin war sich sicher. Er wollte das.

Als Sunwoo noch immer zögerte, beugte er sich nach vorne und überbrückte damit den letzten Abstand zwischen ihnen. Ganz vorsichtig legte er seine Lippen auf die des Jüngeren. Sie waren warm und weich und schmeckten nach schwarzem Kaffee und Sunwoo selbst und liessen die Schmetterlinge in Kevins Innerem auseinanderstieben.

Sunwoo zögerte nur kurz, dann erwiderte er den sanften Druck von Kevins Lippen und fing an seine eigenen zaghaft dagegen zu bewegen. Kevin stieg rasch in seinen Rhythmus mit ein, liess ihn führen, weil er selbst ein wenig aus der Übung war, doch es fühlte sich trotz allem fantastisch an. Er hatte keine Ahnung gehabt, wie sehr ihm dieses Gefühl gefehlt hatte, von jemandem geküsst zu werden.

Mit der Zeit wurden sie beide mutiger. Sunwoo liess seine Hand zu seinem Hinterkopf wandern, wo sie sich in seine Haare vergrub und dann dort verweilte. Kevin legte ihm im Gegenzug die Arme um den Hals und presste seinen Körper gegen den von Sunwoo, sodass dieser nach hinten stolperte und mit der Wand der Kabine kollidierte. Er keuchte leise an seinem Mund auf und Kevin erschauderte. Er wollte mehr davon.

Als sie sich irgendwann aufgrund von akutem Luftmangel voneinander lösen mussten, war ihm schwindelig, seine Wangen heiss und seine Lippen wund vom Küssen, doch Kevin fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Schwer atmend lehnte er seine Stirn gegen die von Sunwoo, doch der drehte seinen Kopf weg.

»Ich bin schwul, deshalb hat mein Vater mich rausgeworfen«, sagte er leise und vermied es dabei, Kevin anzusehen. »Er glaubt es ist nur eine Phase und dass ich schon wieder zur Vernunft komme.« Er lachte bitter auf und dann, endlich, fand sein Blick den von Kevin. »Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass es da draussen irgendwo ein Mädchen gibt, dass ich gerade lieber küssen würde als dich.« Auf einmal war er wieder verlegen und Kevin vollkommen überfordert. »Wieso tust du es dann nicht einfach?«, fragte er schüchtern und schlug sich beinahe zeitgleich die Hand vor den Mund. Wieso sagte er sowas?

Sunwoo grinste leicht und schüttelte dann jedoch den Kopf. »Ein anderes Mal«, meinte er und zwinkerte ihm dabei zu. Kevins Herz schlug alleine schon bei der Aussicht darauf deutlich schneller, als es das eigentlich sollte.

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