Kapitel 9 - Seto Kaibas Sicht

Die Tränen rannen meinem Gesicht hinab und ich krallte mich förmlich in das Oberteil des Blonden. Ich gab es nicht zu, aber ich brauchte diese Nähe einfach, auch wenn sie von diesem Köter war. Mir fehlte mein Bruder, sein Lachen, seine Stimme, sein Dasein, einfach alles an ihm. Es fehlte mir, wie er mich immer zum Lachen brachte, auch wenn ich es im Beisein von anderen nicht zeigte. Ich vermisste ihn. Es war schwer für mich. Ich kam mit dieser Einsamkeit nicht klar. Immer war mein kleiner Bruder bei mir. Immer. Jeden Tag. Doch von heute auf morgen... Es war alles so leer ohne ihn.

Ich zog Joey enger an mich und schluckte leise. Mit der Zeit merkte ich, wie die Tränen nachließen. Lag es daran, dass er bei mir war oder dass ich einfach keine Tränen mehr hatte? Im Moment war es mir sogar egal, dass er gesehen hatte, wie ich weinte.

„Bleib bei mir", hauchte ich nach einer ganzen Weile und drückte ihn langsam von mir.

Ich hatte Angst, dass ich erneut verlassen wurde, dass ich erneut mit der Trauer kämpfen musste und ich gab zu, ich hatte diesen Blonden eigentlich ganz gern. Aber ich würde es ihm nie sagen.

„Was ist denn los, Seto?", fragt er noch einmal, dieses Mal ließ er sich nicht abwimmeln und wollte eine Antwort von mir haben.

Doch ich schüttelte nur mit dem Kopf. Ich wollte nicht reden, nicht jetzt. Ich wollte einfach nur nicht allein sein.

„Sag mir doch, was los ist... Vielleicht kann ich dir helfen", meinte er weiter und streichelte mir mit den Fingern durch das Haar.

Ich öffnete die Augen, sah durch die Dunkelheit nach oben und überlegte, wie ich mich ablenken könnte. Doch alles was mir einfiel, war, dass ich Joey gerne küssen wollte, aber durfte ich denn? Würde er es zulassen?

„Komm her...", flüsterte ich leise und zog an seinem Shirt, so dass er sich vor mich kniete und sein Gesicht auf der Höhe von meinem war.

„Was ist los?", fragte er noch einmal.

„Küss mich, Wheeler", forderte ich. „Ich will, dass du mich küsst."

Er sah mich verwirrt an, rutschte am Boden auf den Knien umher und spielte unsicher mit seinen Händen. Ich nahm einfach sein Gesicht, sah ihm in die Augen, sofern ich sie erkennen konnte und legte dann meine Lippen auf seine. Aus einem unerklärlichen Grund fühlte es sich sehr gut an, ihn so zu spüren.

Ich drückte mich an ihn, wollte mehr von ihm spüren. Noch nie zuvor hatte ich solch ein Verlangen gespürt, ihm nah sein zu wollen. Sollte ich doch Gefühle für ihn entwickeln? Sollte ich mich doch zu ihm hingezogen fühlen?

Meine Hand legte ich auf seinen Rücken, zog ihn so nah an mich, dass ich seinen Brustkorb durch unsere Shirts merkte.

„Ich will dich spüren...", hauchte ich an seine Lippen, als ich den Kuss unterbrach.

Ich hörte wie er schluckte und dann ein leises „Okay...", was aus seinem Mund drang.

„Lass uns zu mir nach Hause fahren", sagte ich und sah durch die Dunkelheit zu ihm. „Es... muss nicht immer das Büro sein."

Erneut brachte er ein „Okay" hervor, bevor wir in meinem Sportwagen zu meiner Villa fuhren.

Dort angekommen, stellte ich den Wagen auf seinen gewohnten Parkplatz und ich merkte, meine Hose wurde immer enger und enger, je näher ich dem Haus kam.

Ich drängte den Blonden in den großen Eingangsaal, nachdem mir die Tür geöffnet wurde.

„Vielen Dank", sagte ich viel zu höflich und zerrte Joey hinter mir her.

Er hatte gar keine Wahl, als mir zu folgen und die Treppen förmlich hinauf zu springen. Ich wollte nicht länger warten. Ich wollte ihn spüren, ihm nah sein. Ich wollte vergessen, nicht mehr nachdenken, nicht mehr vermissen.

In meinem Schlafzimmer angekommen, stieß ich ihn unachtsam auf das Bett und zerrte irgendwie seine und meine Kleidung von unseren Körpern. Ich warf sie achtlos auf den Boden und kniete über ihm.

„Was bedrückt dich?", fragte ich leise, weil ich sein Gesichtsausdruck nicht deuten konnte.

„Nichts...", begann er leise. „Wirklich. Es ist nichts."

Ich zog eine Augenbraue nach oben und legte den Kopf schief.

„Sag, was ist los", wollte ich weiter wissen und ließ nicht zu, dass er mir auswich.

Ein Seufzen entwich ihm nach einigen Minuten, in denen ich einfach nur auf eine Antwort gewartet hatte.

„Ich will wissen, was das zwischen uns ist. Ich will wissen, wer ich für dich bin und vor allem, was das hier für dich ist."

Stille.

Absolute Stille.

Eine Minute verging.

Dann die zweite Minute.

Und immer mehr Zeit verstrich.

Ich wusste nicht, was ich sagen, geschweige denn, was ich von der Leere in meinem Kopf halten sollte. Ich wusste nicht, was ich auf diese Frage antworten sollte.

„Ich...", begann ich und brach ab.

Ich glitt von ihm herunter und setzte mich auf die Bettkante.

Meine Laune und meine Lust waren bis zum Meeresgrund gesunken.

„Ich weiß es nicht...", gab ich irgendwann von mir und sah zu ihm.

Er hatte sich aufgesetzt und sah mich hoffnungsvoll an.

„Es... ist in Ordnung", meinte er und strich mir durch das Haar. „Du musst nicht jetzt antworten. Ich konnte die Frage nur nicht mehr für mich behalten."

Irgendwie sah er traurig aus. War er etwa enttäuscht? Was hatte er für eine Antwort erwartet?

Mit einem Finger strich ich ihm über die Wange, dann über die Lippen und meine Hand glitt weiter hinab. Ich ließ sie allerdings auf seiner eigenen Hand liegen und sah zu unseren Fingern, die etwas miteinander spielten.

„Warum hast du eben aufgehört?", fragte der Blonde wieder und ich sah ihm in die Augen, die mich augenblicklich in ihren Bann zogen.

„Ich... weiß nicht", stammelte ich und schluckte.

„Dann mach doch weiter", bot er sich an, legte sich nach hinten und zog mich mit sich.


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