9| Von Telefonaten und Dächern
Quinn
Ich sitze im Backstagebereich der Arena und warte darauf, dass Eliza mich anruft, das hat sie so gesagt. Also, dass sie anruft.
Aiden, Olive, Jordan und Grayson sind gerade beim Soundcheck und Mom ist bei ihnen. Und mir ist langweilig. Ich habe ja damit gerechnet, aber dass es gleich am ersten Tag so sein wird, habe ich nicht gedacht.
Mein Handy klingelt und ein Blick aufs Display verrät mir, dass es Eliza ist. Lächelnd gehe ich ran. "Hi!"
"Hi Quinn. Und, wie geht's?", sagt sie und ich beginne zu grinsen.
"Gut. Und weißt du warum?"
"Warum?"
"Stell dir vor, wessen Tourmanagerin Mom ab jetzt ist! Stations'!", verkünde ich und in der Leitung ist es kurz still.
"Ernsthaft?! Du verarschst mich doch nicht oder!? Das ist mega!"
Ich sehe förmlich vor mir, wie sie in der Luft herum springt und sich freut. Wahrscheinlich kuckt Andrew sie ziemlich seltsam an.
"Ja, ganz ernsthaft. Sie sind grad beim Soundcheck."
Eliza atmet mehrmals langsam aus und ein und quietscht. "Du musst mir ein Autogramm besorgen."
"Ich werds versuchen. Aber Mom hat gesagt, ich soll nicht so fangirlen, das haben Stations ja schon genug und das brauchen sie dann nicht noch im Privaten."
"Ja, stimmt. Du kannst aber ja mal fragen", meint sie und ich nicke, auch wenn sie das nicht sehen kann.
"Mach ich. Und vielleicht kann ich auch Konzertkarten für dich besorgen, die Band ist eigentlich echt nett." Alle außer Aiden, aber das muss sie nicht unbedingt wissen.
"Das würdest du machen? Oh, danke Quinn! Danke, danke, danke!", ruft sie überschwänglich und ich halte mein Handy ein Stück von meinem Ohr weg.
"Klar, du bist doch meine Freundin", sage ich und ich meine es auch so. Es ist ja kein Akt, einfach mal zu fragen und wenn sie nein sagen, hab ich es wenigstens versucht.
"Hast du auch mit Aiden geredet?", fragt Eliza und ich höre das Interesse in ihrer Stimme. Wahrscheinlich brennt sie nur darauf, mehr über mein komisches Gefühl ihm gegenüber zu erfahren.
"Ja, kurz mal."
"Und?", hakt sie nach und ich seufze.
"Lizzy, ich weiß immer noch nicht, ob ich in ihn verknallt bin oder nicht. Zuerst hat er mich total bescheuert angemacht und dann doofe Fragen gestellt. Ich hab's dir doch gesagt, Liebe auf den ersten Blick gibt es nicht."
"Gibt es schon", meint sie entschlossen. „Nur manchmal trügt eben der Schein und die Person ist ganz anders, als man gedacht hat. Wenn du ihn wirklich liebst, Quinny, dann musst du versuchen, Aiden kennenzulernen."
"Und wenn er das nicht will?"
"Manche muss man zu ihrem Glück zwingen."
"Wenn du das sagst", sage ich und beende somit das Thema. Nicht, dass es noch zum Streit kommt, deswegen.
"Und, wie hast du deinen ersten Ferientag verbracht?", will ich wissen und Eliza seufzt kurz.
"Ich hab auf der Couch gelegen und alle Twilight-Filme angeschaut", antwortet sie und ich lache überrascht auf.
"Alle?! Die gehen doch mindestens zehn Stunden!"
"Ja, na und? Was hätte ich denn sonst machen sollen? Du bist ja nicht hier." Sie klingt anklagend und prompt habe ich ein schlechtes Gewissen. Aber was soll ich ihr sagen? Dass es mir leid tut, dass meine Mom den Job als Tourmanagerin für Stations bekommen hat? Das tut es mir aber nicht wirklich. Ich freue mich für sie und ich freue mich auch darauf, Zeit mit der Band zu verbringen.
"Ich weiß. Aber ich bin ja nicht für immer weg."
"Gott sei Dank."
Ich höre Schritte aus dem Gang und lauter werdende Stimmen. Wahrscheinlich Olive, Grayson, Aiden, Jordan und Mom, die vom Soundcheck zurück kommen.
"Ich muss Schluss machen Eliza. Wir können ja demnächst nochmal telefonieren", sage ich deshalb.
"Okay. Tschüss!"
"Tschüss!"
Ich lege auf und in diesem Moment geht die Tür auf und wie vermutet kommt Mom, gefolgt von Stations in den Raum. Aiden raucht, was eine Überraschung, und auch Grayson zündet sich eine Zigarette an. Wobei es nicht wirklich wie eine richtige Zigarette aussieht, eher wie ein Joint.
Jordan stößt dem Blonden in die Seite und zeigt auf mich, worauf er mich ansieht und eine Augenbraue hebt. "Stört es dich, wenn ich rauche?", fragt er und ich schüttle den Kopf. Soll er doch Drogen nehmen, wenn er will, da halt ich mich raus.
Olive lässt sich neben mich fallen und bindet ihre Haare zusammen, während sie mir von der Seite einen Blick zuwirft. "Soll ich dir mal den Backstagebereich zeigen?", fragt sie und ich zucke die Achseln.
"Wenn du magst."
"Klar. Komm." Sie steht auf und zieht mich mit auf die Füße, die sich sofort durch ein unangenehmes Pochen bemerkbar machen, aber ich versuche, es so gut wie möglich zu ignorieren.
"Will jemand mitkommen? Aiden?", meint Olive in die Runde und Angesprochener hebt den Blick von seinem Smartphone.
"Was?"
"Ob du mitkommen willst, habe ich gefragt", wiederholt sie und Aiden seufzt. "Von mir aus."
Ich sehe zurück zu Grayson und Jordan, aber die küssen sich gerade und sehen eher weniger so aus, als würden sie uns begleiten. Eliza hat gar nicht erzählt, dass die Beiden zusammen sind.
"Ist es nicht unnötig, mir den Backstagebereich zu zeigen, wenn wir nur einmal hier sind?", will ich wissen, nachdem die Tür hinter uns zu gefallen ist und wir allein auf dem Flur sind.
"Ne, naja, jein. Wir spielen hier zwei Konzerte, eins heute und eins dann morgen, dann geht's erst weiter", antwortet Olive und steuert nach rechts, wo, wenn ich mich richtig erinnere, der Eingang ist.
"Ah okay. Und Grayson und Jordan sind ein Paar?", frage ich weiter. Teilweise ist mir bewusst, dass es taktlos ist, einfach so zu fragen, aber es interessiert mich einfach brennend.
"Sieht so aus, oder?", meint Aiden patzig und die Schwarzhaarige wirft ihm einen bösen Blick zu.
"Reiß dich zusammen, du wolltest mitkommen."
"Ja, aber das war doch eine bescheuerte Frage. Ist doch offensichtlich, dass die zusammen sind", beschwert er sich und ich seufze.
"Ja, tut mir leid, dass meine Fragen doof sind. Aber deine Antworten sind mindestens genauso blöd." Er starrt mich ein paar Sekunden mit seinen schwarzen Augen an, dann macht er ein abfälliges Geräusch und wendet sich ab.
Olive schüttelt den Kopf. "Dann sei halt beleidigt", meint sie und bleibt stehen. "Hier kommt man rein, da sind Toiletten und Waschräume, falls du sie brauchst."
Ich nicke und sie zeigt auf eine Tür links von uns. "Das ist der Raum, in dem nach dem Konzert das Buffet aufgebaut wird. Die nächsten vier Türen sind unsere jeweiligen Garderoben."
Wir gehen ein Stück weiter zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind.
"Da sind die Techniker und alles drin. Daneben ist das Zimmer für die Vorband und der Raum, in dem wir vorher waren, ist der Aufenthaltsraum. Viel mehr gibt's eigentlich nicht zu sehen, außer vielleicht die Tür zum VIP-Bereich."
Olive zeigt auf eine Tür mit Stern drauf. "Da gehst du dann nachher hin, wenn du willst."
Klar will ich. Ein Konzert for free, das lass ich mir doch nicht entgehen.
"Wir sollten uns dann langsam mal fertig machen, die ersten Zuschauer werden schon rein gelassen", meint sie und ich nicke.
"Okay. Dann, äh, bis nachher, denke ich."
"Jap. Bis nachher." Olive verschwindet in einer der Umkleiden und ich schlussfolgere, dass es ihre ist.
Aiden allerdings bewegt sich nicht einen Zentimeter, sondern mustert mich. Ich sehe ihn an. "Was ist?"
"Nichts. Ich dachte mir nur, Liv hat dir den besten Teil dieser Arena noch gar nicht gezeigt", sagt er und zündet sich eine neue Zigarette an.
Ich hebe eine Augenbraue. "Und der wäre?"
"Da musst du dich noch gedulden Quinny-Pooh. Bis nach dem Konzert, dann zeig ich's dir." Ohne ein weiteres Wort geht auch er in seine Umkleide und ich stehe wie bestellt und nicht abgeholt mitten im Flur und frage mich, warum zum Teufel Aiden sich so komisch benimmt.
**
Quinn
Tosender Applaus und Pfiffe erfüllen die Halle und unter dem Knallen der Feuerwerke verlassen Stations die Bühne. Von der VIP-Lounge aus hatte ich die ganze Show über einen perfekten Blick auf die Band und einmal hat Aiden sogar zu mir hoch gesehen. Glaub ich zumindest.
Jetzt ist es schon fast Mitternacht und zwischendurch konnte ich kaum noch die Augen offen halten, aber jetzt bin ich hellwach. Die Aufregung über das, was Aiden mir zeigen will, bereitet mir Übelkeit, aber nicht die unangenehme Art, sondern die Art, die einen vor Vorfreude platzen lässt.
Ich zwänge mich hinter ein paar Fans durch die Tür und sehe mich suchend nach Aiden um. Als ich ihn aber nirgends im Gang sehen kann, beschließe ich kurzerhand, an die Tür seiner Garderobe zu klopfen.
Es dauert eine kleine Weile, dann öffnet er die Tür und sieht mich etwas überrumpelt an. Er hält ein Shirt in der Hand und ist oberkörperfrei, wobei man seine Tattoos sehen kann. Ich merke erst, dass ich starre, als er sich räuspert und ich ertappt zusammen zucke.
"Du kannst es ja kaum erwarten", meint Aiden amüsiert und ich werde rot.
"Du hast mich eben neugierig gemacht. Aber wenn ich störe, dann warte ich halt schnell bis du fertig bist."
"Passt schon." Er zieht sich das T-Shirt über und tritt dann zu mir auf den Flur. Seine Wangen sind noch rot und in seinen Augen liegt noch das Funkeln, dass ich jetzt schon bei beiden Konzerten bei ihm gesehen habe.
"Kommst du?", fragt er und ich nicke schnell. Ich folge ihm durch den Gang zum Eingang, wo er mir die Tür aufhält und sich kurz zu mir umdreht, als wir aus dem Gebäude treten.
"Wir haben hier schon mal ein Konzert gespielt und da hab ich den Ort, den ich dir zeigen will, gefunden. Damals mussten wir aber gleich weiter und hatten nicht, so wie wir jetzt, alle Zeit der Welt."
Ich bekomme eine Gänsehaut, wegen der Art und Weise wie er das sagt. Wir haben alle Zeit der Welt. Er weiß ja gar nicht, wie glücklich er mich mit diesem Satz macht.
"Warum so schweigsam, Quinny-Pooh?", fragt Aiden in die Stille und führt mich zu einer Treppe, die am Rand des Gebäudes nach oben führt.
"Ich habe nur nachgedacht", meine ich und er hebt belustigt eine Augenbraue.
"Worüber?"
"Darüber, dass du mich glücklich machst", antworte ich ehrlich und bereue es im nächsten Moment schon.
Sein Blick hat sich verdunkelt und er runzelt die Stern. "Warum mache ich dich glücklich?"
"Du bist nett zu mir."
"Dann wirst du wohl sehr schnell glücklich."
Ich entgegne nichts und ich glaube, das ist auch besser so. Er klingt, als hätte ich ihn verärgert, dabei hab ich doch gar nichts schlimmes gesagt.
Aiden steigt schweigend vor mir die Treppe nach oben und als wir am Ende angekommen sind, reicht er mir seine Hand, die ich nervös ergreife. Dort, wo er mich berührt, beginnt meine Haut zu kribbeln.
"Mach die Augen zu", befiehlt er und ich mache es. Er zieht mich ein Stück weiter, bis ich ein Geländer vor mir spüre. Mit zittrigen Händen umgreife ich es und Aiden lässt meine Hand los.
"Du kannst aufmachen."
Ich öffne meine Augen und sehe sprachlos auf die Aussicht, die sich mir bietet. Wir sind auf einer Art Mini-Dach und so hoch, dass zwar überall neben uns höhere Gebäude ragen, wir aber trotzdem bequem die Stadt überblicken können.
Obwohl es Nacht ist, ist es nicht richtig dunkel. Überall leuchtet es und Autos schieben sich die Straßen entlang. Es ist, als würde Vegas erst jetzt so richtig wach werden und in voller Pracht erstrahlen.
"Gefällts dir?", fragt Aiden unsicher und ich strahle ihn an.
"Es ist wunderschön."
"Ja. Man fühlt sich so unbedeutend und klein, wenn man hier oben steht und auf die Stadt sieht. Es führt einem vor Augen, dass man eigentlich ein Niemand ist im Vergleich zu dem hier", meint er und stellt sich neben mich.
Der Wind weht durch unsere Haare und es ist, als würde hier oben, nur für Aiden und mich, die Zeit still stehen.
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