7| Von Autofahrten und Anstarren

Quinn

"Hast du alles? Nichts vergessen?", fragt Mom nun schon zum hundertsten Mal und ich nicke.

"Ja, hab ich. Hast du denn alles?"

Sie hievt den vierten Koffer ins Auto und wischt sich über die Stirn, während sie den vollgeladenen Kofferraum betrachtet. "Ich hoffe doch."

Während sie nochmal zurück in die Wohnung geht, lasse ich mich schon mal auf den Beifahrersitz fallen. Gestern ist der letzte Schultag gewesen und ich habe mich von Eliza verabschieden müssen.

Ich habe immer noch nicht wirklich Lust, jetzt auf Tour zu gehen. Ich will meinen Sommer wie alle anderen auch verbringen und nicht blöde Musiker begleiten!

Wütend stopfe ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und warte, dass Mom auch endlich kommt und einsteigt. Im Takt zum Song trommle ich auf meinem Oberschenkel herum, bis sie dann die Tür öffnet und sich auf den Fahrersitz fallen lässt.

Sie stupst mich an, aber ich zeige genervt auf meine Ohren und wende mich zum Fenster. Ich habe keine Lust, mir jetzt anzuhören, wie sehr sie sich freut und wie toll die nächsten acht Wochen doch werden würden.

Eine ganze Weile höre ich einfach Musik und starre aus dem Fenster, wo die Landschaft träge vorbei zieht. Ich weiß nicht, wo wir hinfahren, aber eigentlich ist es mir auch egal.

Irgendwann hab ich dann genug von der Musik und reiße mir die Kopfhörer wieder aus meinen Ohren. Ich drehe mich zu Mom und sehe sie fragend an. "Wann sind wir da? Und wo fahren wir überhaupt hin?"

Mom lacht und wirft mir einen kurzen Blick zu. "Wir fahren nach Las Vegas. In ungefähr zwei Stunden sind wir da, aber wir machen gleich eine Pause", antwortet sie und ich seufze.

Las Vegas. Eigentlich echt cool, dass wir da hin fahren, aber viel werden wir von der Stadt vermutlich nicht sehen. Ich bin ja keine Expertin, aber der Touralltag wird bestimmt stressig werden.

"Ich kann verstehen, dass du schlecht gelaunt bist, Quinn. Du willst deine Sommerferien anders verbringen. Aber das wird doch bestimmt toll, du kannst dir die Städte ankucken, am Abend die Konzerte besuchen und du siehst halb Amerika", meint Mom und legt mir eine Hand auf den Oberschenkel.

Ich lächle schwach. "Ja, du hast ja recht. Ich hatte es nur anders geplant, verstehst du? Ich wollte die Zeit mit Eliza verbringen und vielleicht noch weitere Freunde finden."

"Schon klar. Tut mir leid."

Sie sieht ehrlich traurig aus und automatisch tut es mir leid, dass ich ihr ein schlechtes Gewissen gemacht habe. Sie hat sich so gefreut und ich muss es zerstören.

"Muss es doch nicht, Mom. Das ist nun mal dein neuer Job und das ist okay. Ich find schon was, was ich die ganze Zeit machen kann."

"Wirklich? Ich will, dass du glücklich bist, Quinny. Und wenn du das nicht bist, dann musst du das sagen." Sie sieht mich ernst an und ich nicke, mit einem Kloß im Hals.

Ich will sie nicht anlügen, aber ich will sie eben auch nicht traurig machen. Und momentan klammere ich mich einfach an die Hoffnung, dass es genauso toll wird, wie Mom sagt.

"Okay. Wir halten dann bei der nächsten Raststätte und machen kurz Pause, in Ordnung?", fragt sie, während sie ihre Hand wieder von meinem Bein nimmt und ans Lenkrad legt.

"Ist in Ordnung", bestätige ich und sehe aus dem Fenster. Die immer gleich aussehende, vorbeiziehende Landschaft schläfert mich ein und langsam fallen meine Augen zu.

**

Aiden

"Aiden! Räum das weg!", ruft Olive und schmeißt dem Blonden ein Bündel seiner Klamotten entgegen.

"Warum denn? Ist doch egal, wie es hier aussieht und ich räum doch nicht extra auf, nur damit der erste Eindruck auf unsere neue Tourmanagerin gut ist", beschwert er sich und wirft die Kleidung zurück.

Die ganze Band befindet sich im Tourbus und macht Ordnung, auch wenn sie eigentlich keine große Lust darauf haben. Aber Jordan und Olive haben darauf bestanden.

"Jetzt stell dich doch nicht so an, Denny. Bisschen aufräumen hat noch niemanden getötet", meint das braunhaarige Mädchen und wirft ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, während sie Graysons Schuhe unter eines der Stockbetten schiebt.

"Aber warum sollte ich? In ein paar Tagen sieht's hier doch sowieso wieder so aus", meint Aiden und zündet sich gelangweilt eine Zigarette an.

Grayson stemmt die Hände in die Hüften und funkelt ihn an. "Jetzt mach doch einfach. Das ist doch kein Akt und rauchen kannst du auch später noch."

"Wenn ich aber nicht will?!"

Olive packt die Zigarette und schmeißt sie in den Müll. Aiden sieht sie entrüstet an, aber bevor er etwas sagen kann, unterbricht ihn die Schwarzhaarige. "Nein. Halt jetzt die Klappe und räum deinen Scheiß auf, okay! Du hast die Sache mit Nathan versaut, also musst du dir jetzt ein bisschen Mühe geben, dass die neue Tourmanagerin bleibt!"

Murrend rappelt er sich auf und beginnt lustlos, seine Sachen in den Koffer zu werfen.

"Und kein Rauchen mehr im Bus. Verstanden?"

"Ja", meint er genervt und funkelt Olive an.

Die nickt und gibt Grayson einen Klaps auf den Hinterkopf. "Steh nicht so herablassend da. Dir müsste ich das Selbe sagen, wenn du nicht immer tun würdest, was Jordan dir sagt."

Das Grinsen verschwindet von dem Gesicht des Blonden und er murrt etwas Unverständliches, bevor er weiter aufräumt.

Jordan wirft einen Blick auf ihr Smartphone, dann auf die Uhr, die an der Buswand hängt und seufzt dann. "In dreißig Minuten soll Erin Casey ankommen und dann haben wir ein Interview."

Aiden stöhnt und lehnt sich gegen eines der Stockbetten, die den Mittelraum des Busses ausfüllen. "Warum muss alles so stressig sein?"

"Tja. Wir wussten, auf was wir uns eingelassen haben, als wir auf Tour gegangen sind", meint Olive und der Blonde schüttelt den Kopf.

"Nein, ernsthaft. Wann hatten wir das letzte verdammte Mal einen freien Tag? Hm?"

"Keine Ahnung, ich glaube nach Sacramento war-"

Aiden unterbricht Grayson. "Sacramento. Das ist jetzt wie lange her? Ich hab keinen Bock mehr auf diese Scheiße hier!"

"Jetzt reiß dich mal zusammen, Denny. Die acht Wochen wirst du jetzt wohl noch aushalten und danach haben wir ja erstmal frei", meint Jordan und bückt sich, um Müll, der am Boden liegt, aufzuheben.

Aiden grummelt nur und schiebt sich an seinen Freunden vorbei aus dem Tourbus. Er geht über den Parkplatz vor dem Hotel, dass nicht weit von der Arena, in der die Band heute Abend auftreten wird, entfernt ist und betritt die Lobby.

Eine Dame steht am Empfang und er geht zielstrebig auf sie zu. "Haben Sie Whiskey?", fragt er und die Frau sieht ihn mit gehobener Augenbraue an.

"Es ist vormittags um zehn."

"Ja und?"

Sie mustert ihn immer noch komisch, zieht aber ein Telefon hervor und tippt eine Nummer. "Ich werde einen für Sie bestellen. Zimmernummer?"

"102", antwortet Aiden und wippt ungeduldig auf den Spitzen seiner Boots herum.

Die Empfangsdame nickt und legt wenig später wieder auf. "Ihr Whiskey wird auf Ihr Zimmer gebracht. Möchten Sie direkt zahlen oder soll ich es aufschreiben?"

"Schreiben Sie es auf, auf den Namen Erin Casey. Die wird sich drum kümmern."

Sie nickt wieder und Aiden geht in Richtung Aufzüge, um in sein Zimmer zu kommen. Er ist noch nie ein besonders geduldiger Mensch gewesen und seit er auf Tour ist, vertreibt er sich oft die Zeit mit Trinken und Rauchen. Warum auch nicht, es hält ihn ja niemand davon ab.

**

Quinn

Mom stupst mich an und ich blicke von meinem Handy auf. Wir kriechen eine Straße entlang und egal wo man hin sieht, überall nur Autos und Menschen. Der Tag neigt sich dem Mittag zu und im Hellen wirkt Vegas gleich viel weniger eindrucksvoll.

"Warst du schon mal hier?", frage ich Mom und sehe an den Bauten an den Straßenrändern hoch.

"Einmal, mit meinen Eltern. Damals sah es aber hier noch ganz anders aus, aber ist ja kein Wunder, Las Vegas verändert sich ständig."

Ich nicke und betrachte weiter die Umgebung, während Mom den Blinker setzt und in eine Hoteleinfahrt abbiegt.

"Du kannst schon mal vorgehen, Quinny, ich stell das Auto ab und komm dann nach, okay?"

"Ja, okay", murmle ich und steige aus. Es ist nicht weit bis zum Eingang des Hotels und ich stiefle über den Vorplatz, bis ich an der großen, gläsernen Doppeltür ankomme. Ich stemme mich mit meinem ganze Gewicht dagegen, bis sie ächzend aufgeht und mir eine große, modern gestaltete Halle präsentiert.

Mehrere Sesselgruppen sind an der rechten Seite aufgestellt, an der linken Seite befindet sich die großzügig ausgelegte Rezeption und geradeaus sind drei Fahrstühle. Die Empfangsdame mustert mich fragend und ich zeige auf einen der Sessel.

"Ich warte auf meine Mom."

Sie nickt und wendet sich wieder irgendwelchem Papierkram zu, während ich mich auf die Sitzgelegenheit fallen lasse und auf meine Füße kucke. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, bis Mom, begleitet von einem Pagen, die Eingangshalle betritt. Ich rapple mich auf und folge ihr zur Rezeption.

"Wir haben reserviert. Erin Casey", sagt sie und die Empfangsdame nickt und tippt auf ihrem Computer herum. Ich habe das Gefühl, sie nickt sehr oft in ihrem Job.

"Ah ja. Zimmer 101, eine Übernachtung. Vierter Stock, rechter Gang", sagt sie und reicht meiner Mom den Zimmerschlüssel. "Dylan wird euer Gepäck nach oben bringen. Sonst noch was?"

"Äh, ja. Die Schlüssel für die Zimmer 102 bis 105 bräuchte ich noch", meint Mom und ich sehe sie fragend an, während die Empfangsdame sie kritisch mustert.

"Warum das?", will sie wissen und nimmt mir damit meine Frage aus dem Mund.

Mom zieht ein Blatt Papier aus der Handtasche und schiebt es über den Tresen. "Wegen meinem Job, ich bin die Managerin."

Die Dame liest sich das Dokument durch und nickt dann wieder. "Okay. Hier bitte." Sie reicht Mom die Schlüssel und bedeutet dem Pagen Dylan, uns mit dem Gepäck zu folgen.

"Wir teilen uns ein Zimmer?", frage ich Mom, während wir auf den Fahrstuhl warten.

Sie nickt. "Ist das in Ordnung? Wenn nicht, kannst du in den anderen Hotels ein eigenes haben."

Ich hätte durchaus gerne ein eigenes Zimmer, aber ich will sie auch nicht verletzen, indem ich sage, ich will nicht mit ihr in einem Raum schlafen.

"Wenn es für dich okay ist, würde ich gern ein eigenes haben", antworte ich und sehe sie ängstlich an. Doch anstatt verletzt auszusehen, lächelt sie.

"Natürlich ist das okay für mich. Du bist eine junge Dame und willst deine Privatsphäre. Ich ruf einfach nachher beim Management an und sag's ihnen."

Der Aufzug öffnet sich und wir steigen ein. Dylan drückt auf den Knopf für den vierten Stock und ruckelnd fahren wir los.

"Okay. Danke Mom", sage ich und sie fährt mir lächelnd durchs Haar.

"Kein Problem, Quinny."

Die Fahrstuhltüren öffnen sich und der Page führt uns den Flur entlang, bis er vor der Tür mit der Nummer 101 stehen bleibt. Mom nickt ihm dankend zu und er verschwindet wieder im Aufzug. Sie will gerade aufsperren, als die Zimmertür schräg gegenüber von uns aufgeht und ein bekannter Blondschopf auf den Flur tritt. Aiden de Vil.

Ich starre ihn an und er starrt zurück, so als hätte er nicht damit gerechnet, jemandem zu begegnen. Seine schwarzen Augen fixieren mich und erst, als Mom mich zur Seite schiebt, erwache ich aus meiner Trance.

Sie streckt Aiden die Hand entgegen und lächelt. "Hi. Du bist Aiden, richtig? Ich bin Erin, eure neue Tourmanagerin."

Er sieht auf ihre Hand und dann zurück zu mir. Mom ignoriert er fast komplett.

Sie zieht ihre Hand zurück und atmet einmal aus und ein. "Okay, äh, also du kannst ja mal den anderen sagen, dass wir uns in ungefähr zehn Minuten bei eurem Tourbus treffen, ihr habt dann nämlich ein Interview", sagt sie und öffnet die Zimmertür.

Aiden grummelt nur und wendet sich ab. Ich schaue ihm hinterher, wie er um die Biegung des Flurs verschwindet.

Moment mal? Die Anderen? Erst jetzt sickert so langsam zu mir durch, dass Mom die neue Tourmanagerin von Stations ist! Aufgeregt folge ich ihr ins Zimmer und sehe sie an.

"Stations?! Wir begleiten Stations auf Tour?!"

"Ja. Du hast doch erst ihren Song angehört und als ich die Stellenanzeige gesehen habe, dachte ich, du würdest dich vielleicht freuen", meint sie stolz und ich werfe mich in ihre Arme.

"Freuen? Das ist super Mom!" Grinsend hüpfe ich von einen Fuß auf den anderen und quieke.

Ich freue mich, nicht nur, weil ich Eliza vielleicht auf ein Konzert einladen kann, sondern auch, weil das bedeutet, dass ich ganze acht Wochen mit Aiden verbringen kann! Ich muss schließlich herausfinden, was für ein komisches Gefühl er immer in mir auslöst, wenn er mich ansieht. Eine Mischung aus Kribbeln und eine Art Übelkeit.

Mom sieht mir bei meinem Freundestanz zu und lächelt. "Dann ist ja gut, wenn es dir gefällt."

Sie kramt ein paar Unterlagen aus ihrer Tasche und sieht auf ihr Handy. "Ich muss jetzt aber leider los, ja? Du kannst hier bleiben, oder mitkommen. Was dir lieber ist."

Da fragt sie auch noch. "Ich komme mit!", rufe ich etwas zu enthusiastisch und Mom mustert mich kritisch.

"Verhalte dich bitte normal, Quinny. Sie haben schon genug Fans am Tag, da brauchen sie das privat nicht auch noch."

Ich nicke und versuche, mich zusammen zu reißen. Sie hat ja Recht. "Okay. Dann gehen wir mal."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top