4| Von Hemden und komischen Gefühlen

Quinn

Die Menge beginnt zu toben und grinsend greift Aiden nach seiner Gitarre.

"Oh mein Gott, Grayson trägt kein Hemd!", schreit mir Eliza ins Ohr und ich wende meinem Blick vom einem Blonden zum nächsten. Und tatsächlich. Der Schlagzeuger trägt lediglich eine mit Nieten besetzte Lederjacke und eine weiße Jeans.

Ich muss grinsen und knuffe meiner Freundin in die Seite. "Na da hast du dir ja genau das richtige Konzert ausgesucht." Sie strahlt mich an und ich wende meine Aufmerksamkeit wieder der Bühne zu.

"Seid ihr alle bereit?! Na dann mal los, ich will eure Hände sehen!", ruft Aiden und schon beginnt das erste Lied.

Der Bass wummert durch die Halle und ich spüre ihn in jedem einzelnen meiner Knochen. Die Musik ist von hier ganz vorne ziemlich laut, aber ich hole die Ohrstöpsel, die Mom mich gezwungen hat mitzunehmen, nicht raus.

Mein Blick liegt auf Aiden, wird fast schon von dem blonden Gitarrist gefesselt.

Ich habe nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt, aber in dem Moment, in dem seine schwarzen Augen meine treffen, macht es klick. Vielleicht ist es keine Liebe, noch nicht, aber er hat etwas mit mir gemacht. Ich kann nicht sagen, was es ist, aber ich spüre es.

Aiden hat mich in seinen Bann gezogen, hat mich mit seinen Haaren, seinem Lächeln, seiner Stimme hypnotisiert. Und er lächelt. Vielleicht, weil er es gesehen hat. Gesehen, dass ich ihm voll und ganz, mit jeder Faser meines Körpers verfallen bin.

Er hat keine Ahnung, wie sehr es mir das Herz bricht, als seine Augen weiter wandern und mich zurücklassen. Und tief in mir weiß ich, dass Aiden nicht gut für mich sein würde, dass er mir das Herz brechen würde. Aber in diesem Moment ist es mir egal.

Es ist mir egal, ob das total unrealistisch ist oder ob ich ihn nie wieder sehen würde. In diesem einen Moment bin ich einfach nur glücklich in meinem Tagtraum, dass Aiden mich auch bemerkt hat und dass er vielleicht genauso fühlt.

Und viel zu schnell werde ich wieder zurück in die Realität gerissen, denn Eliza zieht mich zu sich. "Lächle, Quinn!"

Kurz sehe ich mich verwirrt um und meine Mundwinkel heben sich, als ich merke, dass meine Freundin ein Selfie machen will. Als das passiert ist schüttle ich den Kopf und wende mich wieder zur Bühne.

Was ist das denn grade gewesen? Doch auf keinen Fall Liebe auf den ersten Blick, oder? Sowas geht doch gar nicht, man muss jemanden doch erst kennenlernen, bevor man sich verliebt. Oder?

Nur am Rand nehme ich wahr, wie das Konzert immer weiter fortschreitet und insgeheim hoffe ich, dass Aiden mich noch einmal ansehen würde, aber er tut es nicht. Kein einziges Mal treffen seine schwarzen Augen nochmal meine und als der Auftritt mit einem krachenden Feuerwerk beendet wird, bin ich fast schon enttäuscht.

Ich will mich schon umdrehen, damit wir die Arena verlassen können, da zieht Eliza am Ärmel meines Shirts. "Wart mal Quinn, Aiden ist noch nicht gegangen."

Verwundert nehme ich mein Smartphone, das vom Aufnehmen ganz heiß ist und bleibe neben meiner Freundin stehen. Ich habe keine Ahnung, wie viel Uhr es ist und ich will nach Hause. Ich bin müde und meine Beine tun weh.

Trotzdem beschwere ich mich nicht, sondern sehe zu, wie sich der Blonde auf die Bühne setzt und sich ein Mikro nimmt. Er sagt irgendwas und dann sieht er mich plötzlich an.

**

Aiden

Aiden breitet die Arme aus und nimmt das Gejubel der Zuschauer in sich auf. Das Konzert ist zu Ende und Grayson, Olive und Jordan sind bereits von der Bühne.

Er will aber noch nicht gehen, zum einen hat er keine Lust auf Naomi, zum anderen sonnt er sich gerne in der Aufmerksamkeit der Fans.

Die Lichter in der Arena gehen an und der Blonde lässt sich am Rand der Bühne nieder, schnappt sich sein Mikrofon und kramt eine Packung Zigaretten aus seiner Hosentasche.

"Hat jemand ein Feuerzeug?", fragt Aiden und schon kommen mehrere auf ihn zugeflogen. Er schnappt sich eines aus der Luft und nickt zum Dank. "Gut. Also, wie fandet ihrs?"

Er zündet sich eine Zigarette an und sieht sich zum ersten Mal die Zuschauermenge richtig an. Sein Blick bleibt auf zwei Mädchen hängen, eines mit blonden Locken und eines mit roten Haaren. Sie stechen heraus, sie passen so gar nicht zum Rest der Fans.

Und da sieht ihn die Rothaarige ebenfalls an. Eigentlich keine große Sache, schließlich liegen momentan ungefähr 6000 Augenpaare auf ihm, aber mit diesem Mädchen ist es anders. Aiden hat das Gefühl, dass sie weiter sieht, als nur seine Augen.

Es heißt ja, hinter den Augen ist die Seele. Und der Blonde hat das Gefühl, dass die Rothaarige seine sieht. Sie wendet sich nicht ab, wie so viele andere vor ihr, sondert sie bleibt. Ihr Blick ruht immer noch auf seinem und zum ersten Mal spürt Aiden etwas, das er schon lange nicht mehr gespürt hat: Hoffnung.

Hoffnung, dass die mysteriöse Rothaarige weiter bleibt. In seiner Seele, bei seinem Herzen.

Er lässt seinen Blick von ihren Augen zu ihrem ganzen Gesicht wandern. Nie hatte er erwartet, dass er eine Frau so schön finden kann. Dieses Mädchen ist anders, schießt es ihm durch den Kopf.

Er erschrickt vor der Intensität seiner Gefühle dieser Fremden gegenüber und sieht weg. So hat er noch nie gefühlt.

Aiden schüttelt leicht den Kopf und kehrt in die Realität zurück. Die Rothaarige hat ihren Blick abgewandt und redet jetzt stattdessen mit dem blonden Mädchen. Er weiß, dass es nicht logisch ist, er kann doch überhaupt nichts für sie empfinden. Frauen sind Spielzeuge, das waren sie für ihn schon immer. Warum sollte die Rothaarige was daran ändern?

Verwirrt steht Aiden auf und schmeißt seine angefangene Zigarette weg. Er murmelt noch eine Verabschiedung ins Mikro und verschwindet dann hinter die Bühne.

Er muss dieses Mädchen aus seinem Kopf bekommen und kaum ist er im Backstagebereich angekommen, bietet sich ihm die Möglichkeit dazu: Mit roten Wangen kommt Grayson auf ihn zu und drückt ihm einen Plastikbecher in die Hand.

"Hey was hast du denn noch gemacht?", fragt er und lallt schon ein bisschen.

"Nichts. Wo ist Naomi?", entgegnet Aiden und schiebt den blonden Schlagzeuger aus dem Weg.

"Warum-" Grayson stößt auf und setzt dann neu an. "Warum willst du das wissen?"

"Sag's mir doch einfach!", zischt er wütend und der Schlagzeuger verzieht das Gesicht.

"Meine Fresse, komm mal runter. Ich hab sie als Letztes beim Buffet gesehen."

"Danke."

Aiden rauscht den Flur entlang und stößt die Tür zum Buffet auf. Naomi, Olive und Jordan sitzen auf einem der Sofas und alle haben einen Plastikbecher wie Aiden in der Hand.

"Hey, Denny! Wo warst du denn?", fragt Olive und der Blonde verdreht genervt die Augen.

"Ist doch egal. Naomi, haben Sie Lust zu tanzen?"

Die Talkmasterin wird rot und sieht die anderen Mädchen peinlich berührt an. "Aiden", meint sie tadelnd und wieder verdreht er die Augen.

"Ja oder nein?"

Olive grinst und schiebt sie vom Sofa. "Na los, macht eine Runde Salsa. Wie kommen klar. Aber in ner halben Stunde fahren wir los, ja Denny?"

"Jaha." Aiden zieht Naomi hinter sich her in seinen Umkleideraum.

"Warum bist du denn so aufgeregt, Aiden? Ist was passiert?", fragt die Talkmasterin, während er sich seiner Hose und seinem Oberteil entledigt.

"Nein."

Aggressiv presst er seine Lippen auf ihre und vergräbt seine Hände in ihrem Haar. Sie schiebt ihn weg. "Sag mir jetzt, was los ist! Irgendwas ist doch passiert!"

Er schnaubt. "Na und! Selbst wenn, was geht Sie das an? Sie sind hier, weil ich mit Ihnen schlafen will und nicht um über mein Leben zu reden!"

Naomi zuckt zurück und sieht verletzt zu Boden.

"Was? Haben Sie wirklich gedacht, ich empfinde was für Sie? Haben Sie wirklich gedacht, Sie wären etwas Besonderes?", ruft Aiden wütend und hebt seine Hose vom Boden auf. "Sagen Sie etwas!"

"Du bist ein Arsch, Aiden de Vil. Ein widerlicher, abscheulicher Arsch."

Naomi steht auf und verlässt fluchtartig den Raum. Sie tut Aiden kein bisschen leid, warum denkt sie auch, er würde sie lieben?

Bullshit, er liebt niemanden. Nicht mal sich selbst.

**

Quinn

Erleichtert atme ich die frische Luft vor der Arena ein und fahre mir durch meine schweißnassen Haare. Der Vorplatz ist fast komplett leer, schließlich waren Eliza und ich unter den Letzten, die nach draußen gekommen sind.

In meinem Kopf schwirrt immer noch Aidens Blick herum und egal wie oft ich mir einrede, es sei nichts, ich wurde ihn nicht los.

"Quinn? Sag mal, hörst du mit überhaupt zu?", fragt Eliza und wedelt mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum. Ich schnappe sie mir aus der Luft und seufze.

"Nein, tut mir leid. Was hast du gesagt?"

Sie verdreht die Augen. "Ich hab gesagt, mein Dad müsste irgendwo hier auf uns warten."

Ich würde bei ihr übernachten, das haben wir so ausgemacht, und ihr Dad holt uns ab. Zuerst war Mom überhaupt nicht begeistert gewesen, aber Andrew, so hieß Elizas Vater, hatte ihr versichert, dass er gut auf mich aufpassen würde.

"Dann suchen wir ihn mal, oder?", schlage ich vor und sie nimmt meine Hand, als wir aus dem Licht der Straßenlaterne treten und die Straße entlang gehen.

"Was war eigentlich dieser Moment zwischen Aiden und dir?", fragt Eliza und ich zucke zusammen.

Ich fange an, nervös zu lachen, das muss ich immer, wenn man mir unangenehme Fragen stellt. "Was soll da gewesen sein? Nichts."

"Nach nichts sah das aber nicht aus, er ist ja gleich von der Bühne runter. Also?"

Da sehe ich das Auto von Andrew, er winkt uns entgegen. "Kuck mal Lizzy, da ist dein Dad", versuche ich abzulenken, aber sie schüttelt den Kopf und hält mich fest.

"Ich bewege mich keinen Centimeter bis du mir nicht sagst, was da zwischen euch war."

Genervt verdrehe ich die Augen und seufze. "Ich weiß es nicht so genau, okay? Er hat mich angestarrt und ich ihn. Dann hat er weggekuckt und ist gegangen", erkläre ich und Eliza verschränkt die Arme. Ich sehe ihr an, dass sie damit nicht zufrieden ist.

"Können wir jetzt bitte einsteigen und fahren, ich bin müde. Morgen hast du doch noch genug Zeit, mich auszufragen."

"Dann erzählst du mir wirklich alles?"

"Versprochen."

Sie seufzt und nickt. "Okay."

Gemeinsam gehen wir die letzten Meter zum Auto und Eliza öffnet mir die Tür zum Rücksitz, bevor sie vorne einsteigt.

"Na Mädels, wie wars?", fragt Andrew und meine Freundin beginnt zu strahlen. "Einfach super! Wir waren ganz vorne und stell dir vor, Grayson hatte kein Oberteil an und..."

Den Rest blende ich aus, lehne mich im Sitz zurück und schließe die Augen. Bin ich wirklich der Grund gewesen, dass Aiden von der Bühne gegangen ist oder ist es einfach nur Zufall gewesen?

Ach, ich habe keine Ahnung und ich bin zu müde, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich öffne meine Augen wieder und beuge mich zu Eliza und Andrew nach vorne.

"Wie lang brauchen wir denn bis wir bei euch sind?"

"Nicht lang, noch ungefähr zwanzig Minuten. Ist alles okay?", meint Andrew und ich nicke.

"Ja schon, ich bin nur müde und mein Handy hat keinen Akku mehr, und wenn ich mich nicht melde, macht Mom sich Sorgen."

"Sorry, dass ich alles aufgebraucht hab", sagt meine Freundin und ich winke ab.

"Ach was, ich hab's dir ja gegeben."

Den Rest der Fahrt sagt keiner mehr etwas und als Andrew den Wagen am Straßenrand parkt, kann ich kaum noch meine Augen offen halten. Eliza geht es nicht anders und so kommen wir relativ schnell ins Bett.

"Quinn?", flüstert sie und dreht sich zu mir um. Wir teilen uns ihr Doppelbett, das ist ja groß genug für zwei.

"Was ist denn Lizzy?", flüstere ich zurück und sehe sie widerwillig an.

"Wenn du und Aiden zusammen kommen, kannst du mich dann mit Grayson verkuppeln?"

"Ernsthaft?" Ich schüttle den Kopf und verpasse ihr einen Klaps auf den Arm. "Aiden und ich werden nicht zusammen kommen, du Spinner."

"Aber wenn..."

"Dann ja. Und jetzt lass mich schlafen, es ist schon nach Mitternacht."

"Okay. Gute Nacht."

"Nacht", nuschle ich und schon wenig später bin ich eingeschlafen.

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