3| Von Talkmastern und Anrufen

Quinn

Aufgeregt hüpft Eliza vor mir her und summt ein Lied von Stations vor sich hin. Ich grinse und halte sie am Hemdzipfel fest.

"Heb dir deine Energie fürs Konzert auf, sonst müssen wir noch früher gehen", meine ich und sie schüttelt den Kopf.

"Ich hab Energie wie ein Gummibärchen, das kann ich dir sagen. Und zur Not musst du mich halt festhalten."

Ich schüttele lächelnd den Kopf und zeig nach vorne, wo man schwach Lichter erkennen kann. "Schau, da vorne ist es."

Eliza quiekt. "Ich bin so aufgeregt! Wir müssen unbedingt ganz nach vorne, damit Grayson mich sieht!"

"Wie will er dich denn vom Schlagzeug aus sehen?"

"Na sein Blick wird von meiner Schönheit angezogen und er kann nicht mehr aufhören, mich anzusehen."

Ich verdrehe die Augen, entgegne aber nichts. Ich will ihre Fangirl-Träume nicht zerstören.

Eliza greift nach meiner Hand, damit wir nicht getrennt werden und schlängelt sich durch eine Menge von in Leder und Jeans gekleidete Leute, die rauchen und billiges Bier aus Dosen trinken. Am Eingang zur kleinen Arena, in der in weniger als zwei Stunden Stations auftreten wird, bleiben wir stehen und ich sehe meine Freundin an.

"Hör zu, ja? Ich kann verstehen, dass du aufgeregt bist, das bin ich auch, aber mach trotzdem keinen Blödsinn. Und wenn du in Ohnmacht fällst, ich schwör's dir, war das das letzte Konzert, auf das ich mit dir gegangen bin. Klar?"

"Jaja, schon verstanden. Können wir jetzt rein gehen?"

Ich grinse und nicke. Wir zeigen dem Türsteher unsere Tickets und er legt uns zwei Armbänder aus Papier ums Handgelenk und schiebt uns in die Arena. Kaum sind wir drinnen, werden wir von Rauch- und Schweißgeruch umnebelt und ich muss husten.

Eliza scheint es wenig auszumachen. "Komm, wir müssen nach vorn", sagt sie und zieht mich hinter sich her in die Menschenmenge.

Automatisch ziehe ich den Kopf ein und sehe mir schüchtern die Leute an, an denen wir vorbei kommen. Die meisten sind tätowiert, tragen Lederjacken oder -Oberteile und sehen Eliza und mich finster an, wenn wir uns an ihnen vorbei schieben.

"Komm, hier passt es doch auch, wir sind doch fast ganz vorne", meine ich und versuche, meine Freundin zum Anhalten zu bewegen.

"Ich will aber ganz nach vorn. Du kannst ja hier bleiben, aber ich geh noch weiter."

Seufzend folge ich ihr weiter durch die Masse, bis sie schließlich zufrieden stehen bleibt und mich neben sich zieht. Aufgeregt umklammert Eliza die Absperrung und sieht mich mit strahlenden Augen an. "Ich kanns nicht glauben, wir sind echt hier!"

"Stimmt."

Immer mehr Fans drängen jetzt in die Arena und ich werde gegen die Barriere gedrückt. Unwohl lehne ich mich mit meinem ganzen Gewicht gegen den Mann, der mir immer mehr auf die Pelle gerückt ist und bringe ihn somit dazu, einen Schritt von mir weg zu machen. Wütend funkelt er mich an, sagt aber nichts, sondern dreht sich einfach weg.

"Quinn?", fragt Eliza und ich hebe eine Augenbraue.

"Ja?"

"Ich hab mein Handy vergessen."

"Ernsthaft? Wie kannst du das denn vergessen?"

"Ich weiß auch nicht, muss wohl wegen der Aufregung gewesen sein. Oh mann, und ich wollte doch alles filmen."

Schmollend verschränkt sie die Arme und ich seufze. "Du kannst meins benutzen."

"Echt jetzt? Du bist echt die Beste!" Sie reißt mir mein Smartphone quasi aus der Hand und fällt mir um den Hals. Grinsend schiebe ich sie weg, denn ich kann mich selbst kaum auf den Beinen halten.

"Klar doch. Aber wehe, es geht kaputt."

Eliza nickt heftig und umklammert mein Handy, als wäre es ein Schatz.

**

Aiden

Aiden schlüpft in eine schwarz-weiße Uniformjacke und zwängt sich dann in eine dazu passende Hose.

Vor der Tür seines Umkleideraums hört er Schritte und schätzt, dass es die Vorband Opening act ist, die wahrscheinlich jetzt gleich auf die Bühne gehen und die Fans auf das bevorstehende Konzert einstimmen wird.

Er fährt sich durchs Haar und lässt sich aufs Sofa, das mitten im Raum steht, fallen. Er ist müde, auch wenn er es nie zugeben würde. In den letzten Wochen sind sie jeden Tag in einer anderen Halle, in einer anderen Stadt aufgetreten und der Blonde merkt, wie das an seinen Nerven zieht.

Er rappelt sich auf und greift nach seiner Jacke, die er achtlos auf den Boden geschmissen hat. Aus der Seitentasche zieht er eine alte Zigarettenpackung mit Joints und ein Feuerzeug. Die Schachtel ist schon fast wieder leer, dabei hat Aiden sie erst vor ein paar Tagen gekauft.

Er weiß, dass er in letzter Zeit immer mehr raucht, aber er schiebt es auf den Stress. Er weiß auch, dass Drogen keine gute Lösung für seine Stressbewältigung sind, aber er hat es noch nie anders gemacht.

Olive schreibt Songs, Jordan lackiert sich die Nägel, Grayson spielt Schlagzeug und Aiden raucht.

"Denny? Was machst du?", fragt in diesem Moment die Schwarzhaarige und betritt den Raum.

Er dreht sich zu ihr und bläst Rauch nach oben. "Nichts. Du?"

"Auch. Naja, eigentlich sollte ich dich holen."

Er hebt eine Augenbraue. "Warum?"

Olive verdreht die Augen und zieht ihn an der Gürtelschnalle hinter sich her.

"Hey, hallo, kannst du das lassen!"

"Nein." Sie lässt ihn aber trotzdem los und er trottet hinter ihr her, bis sie vor einer geschlossenen Tür stehen bleiben.

"Was ist da drin?", will Aiden wissen.

Olive zuckt mit den Schultern und klopft. "Finden wir's raus."

Seufzend schmeißt der Blonde seinen Joint in einen Mülleimer, der neben der Tür steht und wenig später öffnet sich die auch schon und Nathan steht vor ihnen. "Aha, da hat sich Monsieur de Vil also auch endlich dazu erniedrigt, uns mit seiner Anwesenheit zu beehren", sagt er und Aiden verdreht die Augen.

"Ja, also ich hoffe es ist verdammt nochmal wichtig, sonst war das meine Zeit nicht wert."

Der Tourmanager tritt zur Seite und macht den Blick frei auf eine Frau mittleren Alters, die auf dem Sofa im Zimmer sitzt und ein Sektglas in der Hand hält. Der Blonde seufzt. Er ahnt, was auf ihn zu kommt.

"Liv, ich glaube, du kannst jetzt gehen", meint er und das Mädchen nickt.

"Okay. Bis später dann."

"Jap."

Nathan schließt die Tür hinter Aiden und die Frau lächelt ihn an. "Aiden, das ist Naomi Pauls. Naomi, das ist Aiden de Vil, der Leadsänger von Stations", stellt der Tourmanager vor und der Blonde lässt sich neben Naomi aufs Sofa fallen.

"Hi, freut mich", sagt sie und streckt ihm ihre Hand hin, die er aber ignoriert.

"Und woher kennt man Sie?"

"Naomi hat eine Talkshow, hier in Los Angeles. Sie hat darüber nachgedacht, euch in die nächste Folge einzuladen", erklärt Nathan. Somit bestätigt sich Aidens Verdacht, was er hier soll.

"Wie, äh, nett?"

"Ich wollte mal wissen, was ihr denn spielen würdet, wenn ihr in meiner Show auftreten würdet", meint die Talkmasterin und der Blonde zuckt mit den Achseln und nimmt ein Glas entgegen, dass Nathan ihm hinhält. Dem Geruch nach zu urteilen Whiskey.

"Das weiß ich jetzt doch noch nicht. Erstens entscheide ich das nicht allein und zweitens kommt das ganz drauf an."

Er kippt sein Getränk in einem Zug runter und betrachtet Naomi genauer. "Haben Sie Familie? Kinder? Mann?"

Verwirrt sieht sie ihn an und Nathan wirft Aiden einen warnenden Blick zu.

"Nein, aber ich wüsste nicht, was das mit meiner Talkshow zu tun hat."

"Ich möchte Sie nur besser kennenlernen. Ich habe es lieber, wenn ich meinen Gegenüber kenne."

Das ist eine glatte Lüge, aber er hat sie schon so oft erzählt, dass es ihm leicht über die Lippen kommt.

Nathan schenkt Aiden nach und legt Naomi einen Arm um die Schultern. "Ja, so ist er. Also, was sagen Sie? Nehmen Sie Stations in die nächste Folge?"

"Ich werde darüber nachdenken. Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben."

Die Talkmasterin steht auf und verlässt den Raum. Der Tourmanager bedeutet Aiden mit einem Nicken, ihr zu folgen. Seufzend steht der Blonde auf, leert sein Glas und verlässt ebenfalls das Zimmer.

"Naomi!", ruft er und sie dreht sich zu ihm um.

"Ist noch was?"

Aiden bleibt vor der Talkmasterin stehen und stützt einen Arm neben ihrem Kopf an die Wand. "Wollen Sie nicht noch bleiben? Sie könnten der Show zusehen und danach..." Er lässt den Satz unbeendet und sieht Naomi in die Augen, während er ihr immer näher kommt.

"Ich weiß nicht, ich muss ziemlich lange nach Hause fahren."

"In unserem Hotel gibt es bestimmt ein Bett für Sie, machen Sie sich keine Gedanken."

Aiden presst seine Lippen auf ihre und drückt sie mit seinem Körper gegen die Wand. Erschrocken schiebt Naomi ihn weg. "Tut mir leid Aiden, aber sowas mache ich nicht."

Er lächelt. "Wissen Sie, wie oft ich das zu hören bekomme? Am Ende sind Sie alle gleich."

"Du bist betrunken. Ich habe kein Interesse, also lass mich gehen!" Sie versucht, sich zu befreien, aber Aiden lehnt mit seinem ganzen Gewicht auf der Talkmasterin.

"Ich bin nicht betrunken, glauben Sie mir. Es braucht mehr als zwei Whiskey, um mich betrunken zu machen." Wieder küsst er Naomi und vergräbt seine Hände in ihren Haaren. Fordernd fährt er ihren Rücken entlang und öffnet mit der anderen Hand sein Oberteil.

"Kommen Sie schon, Naomi. Entspannen Sie sich doch mal ein bisschen."

"Du weißt aber schon, dass das eine Vergewaltigung ist, oder?", meint die Talkmasterin und presst die Lippen fest aufeinander, damit Aiden sie nicht noch einmal küssen kann.

"Sehen Sie's doch mal so. Wenn Sie mir nachgeben, könnten wir gemeinsam zum nächsten roten Teppich oder so gehen und Sie wären überall im Gespräch. Das ist doch gut für Ihre Show, oder nicht?", flüstert der Blonde neben ihrem Ohr und fährt mit seinen Lippen langsam ihren Hals entlang.

Naomi zittert auf und legt ihre Hände um seinen Rücken. "Du bist aber ganz schön hartnäckig."

"Für so etwas Schönes lohnt es sich zu kämpfen, finden Sie nicht auch?"

Diesmal treffen die Lippen der Talkmasterin seine und Aiden muss sich ein Grinsen verkneifen. Es funktioniert immer wieder.

Lachend zieht er sie hinter sich her in seinen Umkleideraum, wo er sie aufs Sofa schiebt und sich endgültig von seinem Oberteil entledigt. "Oh Naomi, Sie wissen gar nicht, wie glücklich Sie mich hiermit machen."

**

Quinn

"Quinn, deine Mom ruft schon wieder an", sagt Eliza und reicht mir mein Handy.

Die Vorband spielt gerade ein eher mäßiges Cover von irgendeinem Queen Song und viele Menschen um uns herum unterhalten sich, als würde sie überhaupt nichts performen.

Genervt nehme ich mein Smartphone entgegen und gehe ran. "Ja, Mom?"

"Ich wollte nur mal fragen, wie's so geht? Ist alles in Ordnung?"

Ich seufze. "Mom, du hast vor einer halben Stunde schon angerufen. Eliza und mir geht es gut, du musst nicht ständig nachfragen. Wenn was ist, dann melden wir uns, okay?"

Kurz ist es still in der Leitung, dann räuspert sich Mom. "Okay. Tut mir leid, Quinny, ich lass euch mal in Ruhe. Pass aber auf dich auf, ja?"

"Mach ich, versprochen. Bis nachher!"

"Ciao. Hab dich lieb!"

Ich lege auf und gebe meiner Freundin das Handy zurück, die begeistert weiter die Vorband filmt. "Warum macht sich deine Mom eigentlich so viele Sorgen? Dad ist voll gechillt."

"Ja weißt du, es gibt halt nur Mom und mich. Dad ist noch vor meiner Geburt abgehauen und seitdem war sie allein für mich da. Für sie bin ich immer noch das kleine Mädchen."

"Oh, das tut mir leid. Also das mit deinem Dad. Meine Eltern sind einfach nur geschieden und Mom ist mit ihrem neuen Freund nach Italien ausgewandert. In den Ferien besuche ich sie meistens."

Die Vorband beendet ihren Auftritt und mehrere Crew-Mitglieder beginnen, die Bühne umzubauen. Ich streiche mir eine klebrige Haarsträhne aus der Stirn und wische meine schwitzige Hand an meiner Hose ab. Von hinten und der Seite drücken Personen gegen mich und die Luft in der Halle ist jetzt schon stickig, dabei hat das eigentliche Konzert noch gar nicht angefangen.

"Wie lange glaubst du, dauert es, bis Stations auf die Bühne kommt?", frage ich Eliza.

Sie zuckt mit den Achseln. "Weiß nicht. Ich denk mal, das Umbauen dauert so eine viertel Stunde, als wird's nicht mehr allzu lange dauern."

Ich nicke und trete ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Geduld ist noch nie meine Stärke gewesen und meine Freundin und ich warten jetzt schon eine ganze Weile. Deshalb hasse ich es normalerweise, zu kommen, noch bevor die Vorband fertig ist.

Als Wanda und ich zu P!nk gegangen sind, sind wir auch erst später gekommen. Klar hatten wir damals nicht so gute Plätze, wie Eliza und ich in der ersten Reihe, aber dafür mussten wir nicht zwei Stunden warten.

"Hast du dir mal Konzertvideos angeschaut?", unterbricht meine Freundin meine Gedanken und ich schüttele den Kopf.

"Ne. Ich dachte, veröffentlichen ist sowieso nicht erlaubt, stand doch ganz am Anfang dran."

"Ja, aber was wollen sie denn dagegen machen? Außerdem ist das doch eh nur gut für die Band, dann werden sie von mehr Leuten gesehen."

"Hm, stimmt. Trotzdem ist es verboten", meine ich und Eliza seufzt.

"Kann uns ja egal sein. Ich poste meine Videos nicht, also ist das ja kein Problem. Hey, sind die schon fertig?"

Ich sehe zur Bühne und tatsächlich ist kein einziges Crew-Mitglied mehr dort. Die Lichter werden gedimmt und das Publikum wird langsam leise.

"Oh mein Gott, es geht los!", quietscht Eliza und greift nach meiner Hand. Aufgeregt rutschen wir noch ein Stück näher zueinander, als sich hinter der Bühne eine Wand öffnet und vier junge Erwachsene aus dem Schatten treten.

Der Blonde, den ich als Aiden erkenne, grinst und greift nach dem Mikrofon, das in der Mitte der Bühne bereit gestellt ist. "Wie geht's euch, Los Angeles?!"

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