22| Von Männern und Vorwürfen
Quinn
Überrumpelt sehe ich Aiden nach. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er einfach so abhaut. Ich dachte, das hätte er inzwischen abgelegt.
Außerdem bin ich nicht wirklich schlauer als davor. Zwar habe ich meine Fragen größtenteils beantwortet bekommen, aber dafür stellen sich mir jetzt wieder tausend neue. Warum er mir die Geschichte über sein Tattoo nicht erzählen will, zum Beispiel.
Ich seufze und stehe auf. Es bringt nichts, wenn ich weiter in Aidens Zimmer rumsitze und mir Gedanken mache. Wenn, dann muss ich ihn schon selbst fragen, aber er wird wahrscheinlich nicht antworten.
Er hat noch nie wirklich Lust auf meine Fragen gehabt, es hat mich überrascht, dass er mir gerade so offen geantwortet hat.
Ich verlasse sein Zimmer und gehe zu den Aufzügen. Wir fahren bestimmt gleich los, Mom ist vielleicht schon unten in der Lobby.
Doch als die Fahrstuhltüren sich öffnen, ist die Halle fast menschenleer, nur ein Mann, vielleicht mittleren Alters, steht an eine Säule gelehnt da.
Er kommt auf mich zu, als er mich sieht. Sofort fühle ich mich unwohl. Dieser Typ sieht nicht wirklich freundlich aus, ganz im Gegenteil. Seine Augen funkeln boshaft.
"Quinn. Wie schön, dass wir uns auch mal treffen", meint er und bleibt vor mir stehen.
"Woher kennen Sie meinen Namen?" Ich weiche einen Schritt zurück, doch der Mann folgt mir.
Er steht nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht und sieht auf mich herab. Gänsehaut überzieht meine Arme und ich schlucke nervös.
"Aiden hat ihn mir gesagt", antwortet der Mann grinsend. "Irisch, nicht wahr?"
Ich nicke langsam, auch wenn ich am liebsten schreien würde. Er macht mir Angst.
"Ich komme aus Irland", fiepe ich mit viel zu hoher Stimme und er lacht.
"Das weiß ich doch. Ich weiß alles über dich."
Schweiß läuft meinen Nacken hinab und meine Atmung verschnellert sich. Das ist gruselig. Dieser Typ ist gruselig.
"Was wollen Sie von mir?", traue ich mich zu fragen, während ich versuche, nicht allzu kleinlich zu klingen.
Der Mann hört schlagartig auf, zu lachen und fixiert mich mit seinen blauen Augen. "Von dir will ich gar nichts. Sagen wir, du bist ein Mittel zu Zweck."
Das kann nichts Gutes bedeuten. Was auch immer er vorhat, ich werde ihm bestimmt nicht dabei helfen.
Langsam hebt er seine Hand an meine Wange und fährt an ihr entlang. Ich beiße die Zähne zusammen und weiche noch einen Schritt zurück, bis ich eine Wand in meinem Rücken spüre. Ich presse mich gegen sie, als der Mann auch seine andere Hand hebt und mir eine Haarsträhne hinters Ohr steckt.
Ich fasse meinen ganzen Mut zusammen und sage: "Lassen Sie mich in Ruhe."
Er legt den Kopf schief und lächelt leicht. Ein Schauer läuft meinen Rücken hinab.
"Ich werde-"
Weiter kommt er nicht, denn plötzlich sackt er einfach in sich zusammen und fällt auf den Boden.
Aiden steht vor mir, mit erhobener Faust und wutverzerrtem Gesicht. Ich starre ihn an, unfähig, etwas zu sagen. Zu tief sitzt der Schock, über das, was gerade passiert ist.
Was auch immer der Mann mit mir tun wollte, Aiden hat mich davor gerettet. Er hat ihn KO geschlagen.
Aiden streckt langsam seine Hand nach mir aus und zieht mich zu sich, weg von dem Mann auf dem Boden. Ich klammere mich an seinen Arm, vergrabe das Gesicht in seinem Oberteil.
Er fährt mir über den Kopf. "Ist schon okay. Er tut dir nichts mehr."
Stolpernd machen wir einige Schritte weg von dem Mann, der immer noch reglos daliegt. Ich atme tief durch und hebe den Blick, um Aiden anzusehen.
"Danke", sage ich leise, aber er hört es.
"Dieses Arschloch. Ich schwöre, ich bring ihn um."
"Wer ist das?", frage ich und fahre mir durch die Haare. Meine Beine zittern immer noch leicht, aber allein Aidens Nähe beruhigt mich.
Er löst sich von mir und dreht den Mann auf den Rücken. Er hat eine Platzwunde an der Stirn, aber sonst sieht er noch genauso gemein aus wie vorher.
"Ashton Jones. Ein scheiße reiches und hinterlistiges Schwein."
Ich schüttle verwirrt den Kopf und lasse mich auf einen der Sessel in der Lobby fallen. Das macht doch alles keinen Sinn. Was sollte so ein reicher Mann von mir wollen? Und woher kennen sich er und Aiden?
"Er meinte, du hättest ihm meinen Namen gesagt."
Aiden lässt sich auf den Sessel gegenüber von meinem fallen und nickt langsam. "Ja, hab ich. Bei der Veranstaltung, mit dem roten Teppich. Ashton hat das Ganze veranstaltet."
Er beugt sich zu mir und sieht mich aus seinen schwarzen Augen ernst an. "Hat er dir was getan?"
"Nein. Nein, hat er nicht. Er hat nur meine Wange berührt, das ist alles", sage ich und fahre über die Stelle, an der seine Hand gelegen ist. Ich bilde mir ein, dass die Haut dort leicht prickelt, aber das ist Schwachsinn.
Aiden nickt und fährt sich durchs Haar, bevor er aufsteht und Ashton am Hemdkragen packt. Er zieht ihn nach oben, bis er ihn unter den Achseln nehmen kann.
Fragend sehe ich ihn an. "Was machst du?"
"Ihn wegbringen. Wenn er aufwacht, dann kann er was erleben, ich schwöre, ich-"
Er hält inne, denn in diesem Moment öffnen sich die Fahrstuhltüren und Mom, gefolgt von Grayson, Olive und Jordan tritt in die Lobby.
Wir müssen ein lustiges Bild abgeben. Ich, wahrscheinlich noch total zerzaust auf dem Sessel sitzend und Aiden, mit irgendeinem reichen, bewusstlosen Typen im Arm.
Verwirrt sieht Mom zwischen uns hin und her. "Was wird das denn hier?"
"Flipp bitte nicht aus, okay?", sage ich.
Grayson macht einen Schritt zu Aiden und reißt die Augen auf. "Das ist Ashton Jones. Was zur Hölle hast du mit ihm gemacht?", fährt er ihn an.
"Ich hab ihn davon abgehalten, keine Ahnung was mit Quinn zu machen!"
Bevor Gray irgendwas zurückschreien kann, unterbreche ich die Beiden. "Kann ich vielleicht erklären?"
"Mach", fordert Aiden und lässt Ashton einfach aus seinen Armen auf den Boden fallen.
Ich atme tief durch. "Also ich bin hier runter gefahren, weil ich dachte, ihr seid vielleicht schon da. Aber dann stand er vor mir und hat irgendwas von 'Mittel zum Zweck' geredet und mir über die Wange gestrichen. Dann ist Aiden gekommen und hat ihn KO geschlagen", erkläre ich und Mom zieht mich zu sich.
"Oh Gott. Dir hätte ja sonst was passieren können!"
Ich tätschle ihren Arm und löse mich sanft von ihr. "Ist es aber nicht. Dank Aiden."
Jordan schüttelt den Kopf und stupst Ashton mit dem Fuß an. "Was wollte er denn hier? Und was wollte er von Quinn?"
"Keine Ahnung", meint Aiden und hebt ihn wieder auf. "Aber wir finden es heraus."
"Wir müssen die Polizei rufen." Olive stemmt die Hände in die Hüften und funkelt Aiden an. "Das war sexuelle Belästigung."
"Wenn wir die Polizei rufen, dann sind wir ihn als unseren Investor los, verdammte Scheiße", sagt Grayson.
"Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich von diesem Arschloch weiter finanzieren lasse!", ruft Aiden wütend und macht einen Schritt auf den Blonden zu.
"Leute!" Mom tritt wütend zwischen die Beiden. "Ich sag euch, was wir jetzt machen. Ich sag eure Termine heute ab, ihr bringt Ashton irgendwo hin, wo wir ungestört sind und dann findet ihr heraus, warum dieses Schwein meine Tochter angefasst hat."
**
Quinn
Ich stehe in meinem Badezimmer vor dem Spiegel und fahre mir übers Gesicht.
Aiden und die anderen haben Ashton in sein Hotelzimmer gebracht und sobald er wieder bei Bewusstsein ist, wollen sie aus ihm herausbekommen, was er hier will.
"Alles okay?" Ich drehe mich um und sehe Aiden, der im Türrahmen steht und genauso fertig aussieht wie ich.
"Ja, geht schon wieder. Nur der Schock", winke ich ab und gehe an ihm vorbei ihn mein Zimmer.
"Tut mir leid."
Ich lasse mich auf mein Bett sinken und er sich neben mich. Ich sehe ihn fragend an. "Was tut dir leid?"
"Dass ich nicht da war. Ich hätte bei dir bleiben sollen, dann wäre die Scheiße gar nicht passiert."
Ich lege den Kopf schief und schlinge meine Arme um Aiden. "Bullshit. Das konntest du doch nicht wissen."
"Trotzdem. Es ist meine Schuld."
Er klingt plötzlich so traurig, dass ich das Gefühl habe, es geht nicht nur um Ashtons Besuch heute. Denn das er kommen würde, das konnte niemand wissen.
"Warum denn?", hake ich vorsichtig nach.
Er seufzt. "Auf der Gala, da hab ich mich mit Ashton unterhalten. Wir haben kurz über dich geredet und dann über seine Begleitung. Und die war Naomi Pauls. Kennst du vielleicht."
Ich nicke. Ihre Show kommt immer am Abend.
"Und vor ein paar Wochen das ist echt schon ewig her, da wollte sie Stations in ihre Show einladen. Also sie hat drüber nachgedacht. Und weil sie sich nicht sicher war, da...da hab ich sozusagen mir ihr geschlafen. Aber rein geschäftlich, wirklich, da war echt gar nichts mit Gefühlen."
Es ist süß, wie er plötzlich total unsicher ist, so als würde ich ihm den Kopf abreißen, nur weil er vor mir schon andere Frauen hatte. Ich beiße mir auf die Lippe, um nicht zu lachen und sehe ihn an.
"Du glaubst also, nur weil du mit seiner Begleitung geschlafen hast, kommt Ashton her und tut dasselbe?"
"Naja. Naomi und ich haben uns nicht gerade im Guten getrennt. Und Ashton ist krank, was weiß ich, auf was für scheiß Ideen der kommt."
Aiden schüttelt den Kopf und tätschelt meinen Arm, der immer noch um ihn geschlungen ist. "Wir sollten zu ihm gehen. Vielleicht ist er schon wach."
Ich nicke und er steht auf. Ich folge ihm in sein Hotelzimmer, wo Jordan, Grayson und Olive um einen Stuhl herum auf dem Boden sitzen. Auf dem Stuhl sitzt Ashton und blinzelt leicht.
Aiden bedeutet mir, mich hinzusetzen, bevor er sich vor dem Milliardär aufbaut und ihn wütend anfunkelt.
"So, Arschloch. Mach deinen Mund auf und rede oder ich hetz dir die scheiß Bullen auf den Hals, kapiert?"
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top