21| Von Tränen und Tattoos

Quinn

Ich liege auf dem Bett und sehe an die Decke, während ich mit der Kette um meinen Hals herumspiele.

So viele Fragen schwirren in meinem Kopf herum, Fragen über Aiden. Warum, und vor allem was, hat er mit Mom besprochen? Und warum will er, dass ich es nicht erfahre? Er hat unglaublich gereizt reagiert, als ich ihn gefragt hab.

Außerdem ist da noch sein unheimliches Tattoo auf seinem Rücken.

Ich will Aiden unbedingt alles fragen, aber nerven will ich ihn auch nicht. Ich stöhne und richte mich auch. Wenn ich wirklich Antworten will, dann muss ich jetzt zu ihm gehen, sonst ist er weg. Die Band hat gleich ein Interview, dann ein Fotoshooting und danach müssen wir zur Arena fahren.

Ich verlasse mein Zimmer und bleibe ratlos im Flur stehen. Welches Zimmer ist denn jetzt das von Aiden? Moms und Olives kenne ich, die sind ja mit mir hochgefahren, aber welche die anderen haben kann ich nur raten.

Kurzerhand klopfe ich an Moms Zimmertür und warte ungeduldig, bis sie aufmacht. Nur Sekunden später öffnet sie mir auch schon und sieht mich fragend an.

"Was ist los, Quinny?"

"Ich wollte fragen, ob du weißt, welches Zimmer Aiden hat", antworte ich und streiche mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr.

Sie legt den Kopf schief und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. "Das gegenüber von deinem."

In ihrer Stimme liegt etwas, das ich nicht definieren kann. Es klingt fast, als wäre sie amüsiert. Schön, dass ich sie anscheinend so unterhalte.

"Okay, danke", sage ich und drehe mich zu Aidens Zimmer um. Mom antwortet nicht mehr, ich höre nur noch, wie die Tür wieder zugeht.

Ich atme einmal tief ein und aus und klopfe dann an seine Tür. Sekunden vergehen und als Aiden nicht öffnet, klopfe ich nochmal, diesmal etwas lauter. Er muss da sein. So lang raucht doch keiner, es sind bestimmt schon 15 Minuten vergangen, seit wir angekommen sind. Also entweder hört er mich nicht oder er ignoriert es.

Ich klopfe nochmal und öffne dann vorsichtig die Zimmertür. Das Erste, was mir entgegen schlägt, ist ein leichter, süßlicher Geruch nach Rauch.

Ich atme möglichst flach und betrete dann ganz den Raum. Aiden sitzt auf dem Boden, mit dem Rücken an sein Bett gelehnt. In der Hand hat er, oh Überraschung, einen Joint. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hat er auch schon was geraucht.

Ich trete näher zu ihm und er hebt seinen Blick, die Augen nur halb geöffnet.

"Geh bitte wieder", sagt er und nimmt einen weiteren Zug.

"Warum?" Ich lasse mich vor ihm auf den Boden fallen und sehe ihn an.

Er verzieht das Gesicht. "Weil ich deiner Mom versprochen hab, nicht mehr vor dir zu rauchen."

Ich runzle die Stirn. Warum das denn? War es das etwa, was er und Mom miteinander geredet haben?

"Sie muss es nicht erfahren", meine ich.

Aiden seufzt. "Ich will Erin aber nicht anlügen."

"So plötzlich?" Keine Ahnung, wo sein Sinneswandel plötzlich herkommt. Vielleicht von den Drogen, vielleicht hat Mom ihn aber auch zur Schnecke gemacht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sie sowas sehr gut kann.

Aiden beugt sich zum Nachtschränkchen neben dem Bett und drückt seinen Joint in einem Aschenbecher aus. "Ja."

"Warum hast du dann überhaupt geraucht? Du hättest doch mit mir rechnen können", bohre ich weiter und er stöhnt.

"Bitte hör auf zu fragen. Hast du nichts Besseres zu tun?"

"Gerade nicht, nein." Ich grinse und auch sein Mundwinkel hebt sich leicht. Ich kann nicht anders, als ihm über das dadurch entstandene Grübchen zu fahren.

"Du siehst süß aus, wenn du so lächelst", rutscht es mir heraus und

Aiden hebt eine Augenbraue, während er sein Gesicht aus meiner Hand bewegt. "Das höre ich zum ersten Mal."

Er wirkt auf einmal so angespannt und ich habe das Gefühl, die ganze Situation ruiniert zu haben. Dabei hab ich doch nur gesagt, was mir gerade in den Sinn gekommen ist. Sollte das in einer Beziehung nicht so sein?

"Ich kann gehen, wenn du willst", meine ich leise und sehe ihn an, wie er mit inzwischen geschlossenen Augen vor mir sitzt.

Er grummelt nur und ich nehme das als ein Ja. Traurig stehe ich auf. Wenn er mich auf seinem Trip nicht bei sich haben will, dann gehe ich eben.

Bevor ich ganz auf den Beinen bin, packt Aiden meine Hand und sieht mich aus rot unterlaufenen Augen an.

"Ich rauche nicht mehr. Also kein Grund für dich, nicht dazubleiben."

Ich beiße mir auf die Lippe, um ein Grinsen zu unterdrücken und setze mich wieder vor ihn auf den Boden. Es macht mich extrem glücklich, dass er doch nicht will, dass ich gehe.

"Kommst du nachher mit zum Fotoshooting und dem Interview?", durchbricht Aiden die Stille, die sich breit gemacht hat.

Ich schüttle den Kopf. "Hatte ich nicht vor."

"Es würde mich freuen."

Natürlich würde es ihn freuen. Und ich würde mitkommen. Verdammt, er hat mich wirklich komplett in seinen Fängen, ich kann ihm nichts mehr abschlagen.

"Wenn das so ist, dann haben sich meine Pläne für heute wohl geändert", sage ich und er lächelt fast unmerklich.

Aiden streckt seinen Arm nach mir aus und ich rutsche neben ihn, sodass er seine Arme um mich legen kann. Sofort wird mir angenehm warm und ich lege meinen Kopf auf seiner Schulter ab.

"Also hat Mom dir vorher im Bus befohlen, dass du nicht mehr vor mir deine Joints rauchen sollst?", will ich wissen.

"Sozusagen." Aiden lehnt seinen Kopf an meinen. "Ich wusste nicht, dass Erin es nicht gut findet."

"Woher auch?"

"Nein. Ich meine, ich hatte nicht damit gerechnet, verstehst du? Dass deine Mom so..." Er überlegt. "So fürsorglich ist."

Ich runzle leicht die Stirn. Für mich ist das eigentlich nicht wirklich was neues, sie macht sich ja ständig Sorgen und kümmert sich um mich.

"Würde das nicht jede Mom tun?", meine ich und Aiden versteift sich leicht.

"Nein. Nicht jede."

Innerlich klatsche ich mir gegen die Stirn. Ich Idiot. Er redet von seiner Mom.

"Stimmt. Tut mir leid", sage ich schnell.

Er schnaubt. "Entschuldige dich nicht. Das ist es nicht wert."

"Magst du deine Mom wirklich kein bisschen?", frage ich vorsichtig. Ich weiß, dass er dieses Thema nicht mag und ich will auf keinen Fall, dass er mich doch noch rausschmeißt. Aber gleichzeitig bin ich auch extrem neugierig.

"Ich weiß es nicht." Aidens Stimme klingt seltsam monoton, fast gleichgültig. Es bricht mir das Herz, ihn so zu hören.

"Ich hab mir nie Gedanken darüber gemacht. Wahrscheinlich schon. Aber-" Er hält inne und seine Brust hebt sich zitternd. "Es ist leichter, mir zu sagen, ich würde sie hassen, als sie zu mögen und dann trotzdem nur enttäuscht zu werden."

Ohne, dass ich etwas dagegen tun kann, läuft eine Träne meine Wange hinab. Er hat es nicht verdient, von seiner eigenen Mutter gehasst zu werden. Er sollte nicht sein halbes Leben allein sein.

Er sollte die Liebe der ganzen Welt zu spüren bekommen. Doch alles, was ich ihm geben kann, ist meine Liebe. Also drehe ich mich in Aidens Armen um und vergrabe meinen Kopf an seiner Schulter, drücke einen Kuss auf sein Schlüsselbein.

Ich will nicht weinen. Er will nicht, dass ich wegen seiner Mom und ihm weine. Aber ich tue es trotzdem. Ich kann einfach nicht anders. Zu schlimm ist die Tatsache, dass Aiden von der Person, die ihn hätte niemals verlassen sollen, verlassen wurde.

Ich schluchze leise auf. Er schiebt mich etwas von sich weg und sieht mich an.

"Hör auf. Ich ertrage es nicht, dass du wegen dieser Scheiße weinst."

Aiden legt beide seiner Hände an meine Wangen, fängt mit seinem Daumen meine Tränen auf.

"Red einfach über was anderes", fährt er fort. "Frag mich irgendwas. Lenk dich von meiner Mom ab."

Ich nicke und versuche, mich zu beruhigen. Ich soll ihn etwas fragen. Irgendetwas. "Was ist dein Lieblingstattoo?"

Aiden schmunzelt, während ich immer noch von leichten Schluchzern geschüttelt werde.

"Mein Lieblingstattoo?"

"Du hast gesagt, ich soll irgendwas fragen", verteidige ich mich und muss lächeln.

"Okay. Das hier, wahrscheinlich." Aiden lässt mich los, dreht mir den Rücken zu und zieht sich das Shirt über den Kopf. Zum Vorschein kommt sein gigantisches Monster Tattoo, das mich automatisch schaudern lässt. Warum sollte man sich so etwas gruseliges tätowieren?

"Das? Warum?", frage ich. Meine Tränen sind inzwischen schon fast getrocknet. Seine Ablenkung hat funktioniert.

"Wegen meinem Dad." Aiden zieht sich wieder an und dreht sich zu mir. "Aber die Geschichte bringt dich nur wieder zum Weinen."

Entrüstet verschränke ich die Arme, auch wenn ich weiß, dass er wahrscheinlich Recht hat.

"Das kannst du doch gar nicht wissen", meine ich.

"Doch. Vertrau mir." Aiden gibt mir einen Kuss auf die Stirn und steht auf.

Verwirrt sehe ich ihn an. "Was machst du?"

"Eine rauchen. Bevor wir zum Shooting und dem ganzen anderen Scheiß fahren", antwortet er und schon ist er aus dem Zimmer verschwunden.

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