20| Von Bullshit und Beobachtern

Quinn

"Ist da irgendwas zwischen euch, das ich wissen müsste?", frage ich skeptisch und sehe zuerst Mom und dann Aiden an.

Er schüttelt schnell den Kopf und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. "Alles gut."

Mom allerdings sieht überhaupt nicht so aus, als wäre alles gut.

Eins steht jedenfalls fest: ich werde nie wieder ins Bett gehen, während alle anderen noch wach sind. Da verpass ich ja die Hälfte.

"Wirklich?" Ich verschränke die Arme vor der Brust.

"Hör jetzt auf zu fragen", faucht Aiden und fährt sich durch die Haare, bevor er wieder zu Mom sieht.

Verletzt zucke ich zurück. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er mich so anfahren wird. Ich spüre, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln und schlucke. Ich darf jetzt auf keinen Fall anfangen zu weinen, nur weil er mich einmal angemotzt hat.

Olives Berührung an meinem Arm lässt mich aus meiner Starre erwachen. Schnell fahre ich mir über die Augen und sehe sie an.

"Komm mit. Wir lassen Erin und Denny mal kurz allein."

Ohne auf meine Antwort zu warten, schiebt sie mich hinter Grayson und Jordan aus dem Raum. Der Bus fährt inzwischen langsamer und ich schätze, es dauert nicht mehr lange, dann sind wir beim Hotel.

Ich setze ich auf mein Bett und die Anderen machen es mir gleich. Eine kleine Weile sagt niemand was und ich starre auf meine Hände, während ich immer noch gegen die Tränen kämpfe, dann seufzt Grayson und ich hebe den Blick.

"Nehms nicht zu persönlich", sagt er, während er sich gegen das Kopfende des Bettes lehnt. "Aiden hat manchmal scheiß Laune und dann kann er sich schon mal im Ton vergreifen. Er meint's meistens nicht so."

Es ist fast schon etwas gruselig, wie gut Grayson weiß, was mich beschäftigt. Und auch, wenn ich natürlich schon längst weiß, was er mir gesagt hat, kann ich die Verletztheit nicht einfach abstellen.

"Lass uns nicht über Aiden reden", meint Olive und spart mir dadurch eine Antwort. "Quinn, du hast uns noch fast nichts über dich erzählt."

Die anderen beiden nicken und ich verdrehe die Augen. Auf ein entspanntes Frage-Antwort-Spiel hab ich jetzt eigentlich eher weniger Lust.

"Schön. Was wollt ihr wissen?"

Jordan grinst. Es scheint ihr ja wirklich mega Spaß zu machen, mich auszuquetschen. "Wo wohnst du?"

"In Los Angeles. Mom und ich sind vor ein paar Wochen dahin gezogen", antworte ich und stelle mich direkt auf die nächste Frage ein.

"Wo habt ihr davor gewohnt?", will Grayson wissen.

"In München. Wir sind oft umgezogen, von Irland nach Frankreich und dann nach Deutschland."

Das wird noch eine ganze Weile dauern, das sehe ich den Drei an.

**

Aiden

Aiden steht immer noch mitten im Raum und sieht auf seine Schuhe. Sein Kopf pocht trotz den Aspirin immer noch unangenehm und am Liebsten würde er wieder ins Bett gehen. Aber Erin will jetzt mit ihm reden, da er gestern zu high gewesen ist.

"Willst du dich nicht setzen?", fragt die Tourmanagerin und langsam lässt er sich auf die Bank fallen. Er traut sich immer noch nicht, seinen Blick zu heben.

"Du tust so, als würde ich dir den Kopf abreißen wollen." Sie lacht und bei dem lauten Geräusch verzieht er das Gesicht.

"Willst du das denn nicht tun?", fragt er, während er sie endlich ansieht und sich zurücklehnt.

"Nein. Rumschreien scheint bei dir nicht viel zu bringen, da kann ich es auch gleich sein lassen."

Aiden zuckt mit den Schultern, verschränkt die Arme und hebt eine Augenbraue. "So? Wie kommst du zu dieser Erkenntnis?"

"Immer, wenn ich dich anschreie, schreist du zurück und wirst wütend. Darauf habe ich schlicht keine Lust, Aiden."

Erin verschränkt die Arme auf der Tischplatte und durchbohrt den Blonden förmlich mit ihrem Blick. "Was ich aber tun will, ist, mich mit dir zu unterhalten. Über den Drogenkonsum vor meiner Tochter."

Aiden kann ein Augenrollen gerade noch zurückhalten. Er weiß, dass es Erin stört und er versteht sie ja auch, aber trotzdem findet er es nervig. Sie tut so, als wäre es das Ende der Welt, mal einen Joint zu rauchen.

"Bevor du was sagst, will ich dir mal was sagen." Er beugt sich vor, bis er die Arme auf der Tischplatte abstützen kann.

"Quinn ist das vielleicht beste Mädchen, das ich jemals getroffen habe. Und das Letze, was ich will, ist, dass sie so wird wie ich. Die Drogen sind scheiße, ich weiß. Und Quinn weiß das auch. Glaub mir, ich würde nie zulassen, dass sie mit diesem Bullshit anfängt. Ich kann es lassen, wenn du willst. Ich rauch nicht mehr vor ihr. Aber bevor du anfängst, mich runterzumachen, solltest du bedenken, dass ich genau dasselbe will wie du."

Es dauert eine kleine Weile, in der Erin Aiden einfach anstarrt, bis sie antwortet.

"Wow. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass du dein Zeug rauchen kannst, wenn du das willst, aber nicht mehr in Anwesenheit meiner Tochter. Aber das scheinst du ja schon zu wissen."

Der Blonde fährt sich durch seine Haare und seufzt. "Ja, das weiß ich. Wars das dann?"

Leicht überrumpelt nickt die Tourmanagerin und er steht auf. Doch anstatt in den Schlafbereich zu gehen, wo er Quinn und die Anderen erwartet, bleibt er im Mittelteil stehen und fährt sich übers Gesicht.

Es macht ihn fertig. Dieses ganze komplizierte Liebeszeugs macht ihn fertig. Er hat sich bisher noch nie so viele Gedanken über eine Beziehung gemacht und es regt ihn auf, dass er jetzt damit anfangen muss. Warum kann nicht alles so einfach sein, wie sonst auch?

Er hasst es, wenn er etwas neu lernen muss. Gitarre spielen, singen, auftreten, all das kann er in und auswendig. Es fällt ihm leicht. Aber das mit Quinn, das ist neu für ihn. Und auch, wenn es toll ist, wenn er es mag, es überfordert ihn.

Er will keinen Fehler machen aber gleichzeitig hat er das Gefühl, dass alles, was er macht, falsch ist.

Aiden lässt den Kopf gegen die Buswand sinken und seufzt. Er hat Kopfschmerzen und würde am Liebsten einfach nur schlafen, aber er weiß, dass das nicht möglich sein wird. Der ganze Tag, von der Minute an, in der sie am Hotel ankommen, ist vollgeplant. Ein Interview, ein Fotoshooting, dann zum Soundcheck und am Abend das Konzert.

Dabei will Aiden eigentlich nur mit Quinn im Arm im Bett liegen und nichts tun.

**

Quinn

Niemals hätte ich gedacht, dass Grayson, Olive und Jordan so neugierig sein können. Sie haben einfach alles wissen wollen, von ehemaligen Haustieren bis hin zu meinem nicht vorhandenen Liebesleben.

Mir ist bewusst, dass sie das wahrscheinlich nur getan haben, weil sie mich von Aiden ablenken wollten, aber es hat funktioniert. Bis der Tourbus vor dem Hotel anhält und der Blonde im Raum steht, habe ich wirklich keine einzige Sekunde mehr an ihn gedacht.

Jetzt natürlich schon, schließlich steht er kaum zwei Meter von mir entfernt, aber irgendwie bin ich gar nicht mehr richtig wütend. Ich meine, jeder hat doch mal nen schlechten Tag, deshalb sollte ich nicht beleidigt sein.

Ich zerre meinen Koffer unter meinem Bett hervor und hüpfe dann nach draußen. Wobei fallen vielleicht das bessere Wort wäre, wenn man beachtet, wie ich und mein Gepäck auf die Straße stolpern.

"Fall nicht hin", kommentiert Aiden das Ganze amüsiert und ich verschränke gespielt beleidigt die Arme. Innerlich bin ich einfach unendlich erleichtert, dass er nicht mehr schlecht gelaunt ist.

"Ich fall nicht hin." Betont elegant gehe ich zum Eingang, aber Aiden zieht mich an der Hand zurück.

"Hiergeblieben."

Ich will gerade ein wenig geistreiches 'warum' raushauen, da presst er seine Lippen auf meine. Ganz kurz bleibt mir die Luft weg.

Ich werde erschlagen von Aidens Geruch, seinem Geschmack und seiner Nähe. Das Ganze erzeugt eine Mischung, von der ich nicht genug bekommen könnte. Wie eine Droge.

Ich löse mich sanft von ihm, lege aber meine Hand in seinen Nacken, wo ich mit einer seiner Haarsträhnen spiele. "Für was war das denn?", will ich wissen.

Er zuckt mit den Schultern und hakt sich mit den Fingern in den Gürtelschlaufen meiner Jeans ein. "Für vorhin. Ich hätte dich nicht so anmotzen dürfen."

"Schon okay. Schlechter Tag, miese Laune, bla bla."

Er lächelt und gibt mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er mich loslässt und sich zum Bus umdreht. "Wir haben Beobachter."

Tatsächlich stehen Mom, Olive, Grayson und Jordan zusammengedrängt vor der Tür des Tourbusses und sehen eher weniger unauffällig zu uns rüber.

Ich verdrehe die Augen, kommentiere ihr Verhalten aber nicht.

"Kommt ihr dann vielleicht auch? Die Show ist beendet", ruft Aiden grinsend und greift nach seinem Gepäck, bevor er mich Richtung Hoteleigang schiebt.

Zum ersten Mal frage ich mich, wo das ganze Geld herkommt, mit dem die Hotels bezahlt werden. Solche, mit Luxus vollgestopfte, Schuppen kosten doch bestimmt tausende Euros die Nacht.

Klar, ich weiß auch, dass die Band wahrscheinlich super verdient und auch das ganze Merchandise Geld einspült, aber trotzdem. Ich will die Rechnung am Ende der Tour lieber nicht sehen.

"Woran denkst du?", fragt Aiden und legt einen Arm um mich, während wir warten, dass Mom für uns alle eincheckt.

"Ach nichts."

Er hebt eine Augenbraue, fragt aber nicht nach. In diesem Moment kommt Mom zu uns und hält fünf Schlüssel hoch. "Bitteschön."

Ich schnappe mir einfach irgendeinen und gehe mit meinem Koffer zum Aufzug. Ungeduldig drücke ich immer wieder auf den Knopf, aber die Türen bleiben geschlossen und die Zahlen auf dem Display gehen nur langsam Richtung Erdgeschoss.

"Was ist denn los mit dir?", fragt plötzlich Olive und ich drehe mich zu ihr um. Außer ihr und Mom ist niemand mehr in der Eingangshalle, die anderen sind weg.

"Nichts. Wo sind die anderen hin?", lenke ich von der Tatsache ab, dass ich es kaum erwarten kann, Aiden auszuquetschen, über das, was er und Mom zu bereden hatten.

"Rauchen", antwortet Mom. Ihrem Tonfall nach zu urteilen findet sie das alles andere als gut.

Ich nicke nur, denn in diesem Moment öffnen sich endlich die Aufzugtüren und wir steigen ein. Mom drückt auf den Knopf für das dritte Stockwerk und mit einem leisen Pling setzten wir uns in Bewegung.

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