17| Von Drogen und Liebe

Quinn

Ich blinzle und öffne langsam die Augen. Viel zu helles Licht scheint ins Zimmer und ich drehe mich stöhnend vom Fenster weg.

Ich bin gestern erst spät ins Bett gekommen. Immer, wenn wir eigentlich gehen wollten, ist jemand anderes gekommen und hat unbedingt noch mit der Band reden wollen.

"Hey Quinny-Pooh", sagt Aiden plötzlich und ich zucke zusammen.

"Aiden. Ich hatte ganz vergessen, dass du da bist. Warte. Warum bist du da?"

Ich kann mich nicht erinnern, mit ihm gemeinsam ins Bett gegangen zu sein, geschweige denn, wie ich überhaupt zurück ins Hotel gekommen bin.

"Du bist gestern im Auto eingeschlafen und ich dachte, du hättest bestimmt nichts dagegen, wenn ich bei dir schlafe. Soll ich gehen?", erklärt er und zeigt fragend auf die Tür.

Ich schüttle den Kopf. Erst jetzt fällt mir auf, dass Aiden kein Oberteil trägt. Schnell sehe ich an mir herunter und atme erleichtert auf. Ich trage ein ziemlich großes Shirt, das definitiv nicht von mir ist.

"Du hast mich umgezogen?", frage ich belustigt und er sieht auf die Matratze.

"Ja. Oder hättest du lieber in deinem Kleid geschlafen?"

"Nein." Ich setze mich auf und gähne. Es ist einfach gestern zu spät gewesen.

"Aiden?", meine ich und sehe ihn an.

Er nickt. "Was ist?"

"Weißt du, ich hab nachgedacht."

"Aha. Und über was?" Er setzt sich ebenfalls auf und fährt sich durch sein vom Liegen zerdrücktes Haar.

"Über uns. Also über das, was wir hier machen", antworte ich und für eine Sekunde meine ich, dass sich sein Gesichtsausdruck verdunkelt. Dann lächelt er wieder.

"Und, also, ich hab mich eben gefragt, was das zwischen uns ist", ende ich und sehe ihn an.

Aiden streckt sich und steht vom Bett auf, während er anscheinend nachdenkt. Ich kann nicht anders als seine Tattoos anzustarren.

Über seinen gesamten Rücken tätowiert starrt mich ein Monster an. Es hat das gigantische Maul aufgerissen und die Arme mit den Krallen in die Luft gehoben. Unter seinen Füßen kann man Trümmer von wahrscheinlich einer Stadt oder ähnlichem erkennen und in der Luft um die Bestie sind Rauchschwaden. Über dem ganzen Szenario sind die Worte 'Mon petit monstre' tätowiert. Mein kleines Monster.

Alles in einem wirkt dieses Tattoo mehr als unheimlich und ich beschließe, Aiden irgendwann danach zu fragen. Aber nicht jetzt.

"Was willst du denn, das zwischen uns ist?"

Ich schüttle den Kopf. So würde das nicht laufen. Ich würde ihm nicht sagen, was ich will, nur damit er dann sagen kann, dass er genau dasselbe will. Ich möchte, dass er mir sagt, was es für ihn ist.

Außerdem weiß ich ja selber nicht, was das zwischen uns eigentlich ist. Ob wir nun zusammen sind oder nicht.

Ich meine, ich liebe Aiden. Das ist mir schon vor ein paar Tagen klargeworden und die Tatsache, dass immer, wenn er in der Nähe ist, ein angenehmes Kribbeln durch meinen ganzen Körper geht, zeigt, dass ich das immer noch tue. Aber ich weiß nicht, was Aiden empfindet. Was, wenn ich nur ein kleiner Flirt für zwischendurch für ihn bin? Nur eine von vielen?

"Quinny-Pooh. Du hast mir nicht zugehört, oder?", reißt er mich aus meinen Gedanken und sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an.

"Nein, tut mir leid. Was hast du gesagt?"

Er seufzt, lässt sich neben mich aufs Bett sinken und legt seine Arme um mich. Ich lehne mich gegen ihn und nehme seinen Geruch in mir auf. Eine Mischung aus Rauch, Alkohol und einem letzten Rest von seinem Aftershave.

"Ich mag dich Quinn. Und wenn ich bei dir bin, dann, dann ist alles so anders, verstehst du? Ich meine, ich bin schon mit vielen Frauen ausgegangen und hab schon viele Frauen geküsst und-"

Ich lege ihm meine Hand den Arm. "Ich hab's gecheckt."

Er lächelt entschuldigend. "Jedenfalls, wenn ich dich küsse, dann fühlt es sich besonders an. Es ist, als würde ein Feuerwerk in mir explodieren, als wäre die ganze Welt plötzlich so viel bunter. Ich muss dich nur sehen, dann geht es mir besser und ich kann nicht mal sagen, warum das so ist. Das hab ich noch nie gespürt und es verwirrt mich. Aber gleichzeitig will ich mehr davon. Und ganz ehrlich Quinn, ich weiß nicht, was das zwischen uns ist. Ich weiß nicht, ob es Liebe ist. Aber ich weiß, dass du mir wichtig bist."

Eine Weile sage ich nichts. Ich muss das, was Aiden mir gerade erzählt hat, erstmal sacken lassen. Erst als er mich in seinen Armen umdreht und mir über die Wange wischt, merke ich, dass ich weine. Verdammt, warum das denn?

"Hey, Quinny, ist alles okay?", fragt er besorgt und nimmt meine Hände in seine. Ich überlege, bevor ich antworte.

Eigentlich schon. Ich bin glücklich. Aiden hat mich glaub ich einfach mit seinen Worten so unglaublich berührt und das habe ich nicht erwartet.

Ich nicke langsam und wische mir über die Augen. "Ja. Ich bin nur glücklich."

Erleichtert lächelt Aiden und beugt sich dann nach vorne, um mich zu küssen. Unser Kuss schmeckt nach Zigaretten, Salz und Lippenstift. Wahrscheinlich ist der noch von gestern Abend.

Ich schließe die Augen und ziehe Aiden weiter zu mir. Ein Glücksgefühl durchflutet mich und erst jetzt wird mir bewusst, was er eigentlich gesagt hat.

Er will es nicht Liebe nennen, noch nicht und das ist okay. Aber er mag mich. Und das allein reicht mir im Moment. Liebe, was ist das überhaupt? Wer entscheidet, wann es Liebe ist? Ist das zwischen Aiden und mir Liebe? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Warum müssen wir es überhaupt benennen? Kann es nicht einfach das sein, was es ist?

"Woran denkst du?", fragte Aiden und spielt mit einer meiner Haarsträhnen herum.

"Ach nichts. Lass uns aufstehen", meine ich und klettere aus dem Bett.

Er folgt mir und sieht mich mit schiefgelegtem Kopf an. "Manchmal bist du mir echt ein Rätsel."

Ich grinse und schnappe mir ein paar Wechselklamotten. Damit verschwinde ich im Bad, um mich umzuziehen.

**

Quinn

"Quinn! Kann ich kurz mit dir reden?", fragt Mom. Sie hat mich und Aiden abgefangen, als wir gerade zum Frühstücken gehen wollten.

"Klar. Was gibt's?", meine ich und Aiden winkt unbeholfen.

"Ich geh schon mal vor."

Ich nicke und sehe dann wieder Mom an. Sie lächelt leicht und legt mir eine Hand auf die Schulter.

"Er hat bei dir geschlafen", stellt sie fest.

"Ja. Ist das schlimm?", frage ich unsicher. Gestern hat sie ja eigentlich ziemlich entspannt reagiert, aber ich weiß nicht, ob ihr das in-einem-Bett-schlafen nicht zu viel ist.

"Nein, nein natürlich nicht, Quinn. Ich will nur, dass ihrs langsam angeht. Ihr habt alle Zeit der Welt, ihr müsst nichts überstürzen."

Schnell nicke ich. Einerseits um sie zu beruhigen, andererseits weil ich mir durchaus bewusst bin, dass wir nichts überstürzen sollten. Denn sie hat ja Recht. Wir haben Zeit.

Es sind noch sieben Wochen, bis ich wieder in die Schule muss und bis dahin kann ich praktisch immer bei Aiden sein. Ich will ja auch nicht, dass nach ein paar Tagen alles wieder so ist, wie, als ich angekommen bin.

"Das weiß ich Mom. Wir nehmen uns Zeit", meine ich und sie drückt mich an sich.

"Gut. Ich will nicht, dass dir das Herz gebrochen wird." Ich meine, dass in ihrer Stimme plötzlich Traurigkeit liegt.
Und da zweifle auch ich kurz.

Was, wenn das mit Aiden und mir doch nichts wird? Wenn wir vielleicht die acht Wochen durchhalten, aber sobald alles wieder normal ist, alles zerplatzt wie eine Seifenblase? Wenn die Realität uns zurückholt und es plötzlich nicht mehr funktioniert?

Es tut weh, mir das überhaupt vorzustellen. Ich will, dass es für immer so bleibt, wie es ist. Aiden mag mich und ich liebe ihn.

"Das wird schon nicht passieren", beruhige ich Mom und streiche ihr über den Rücken.

Ärgerlich stelle ich fest, dass eine Träne meine Wange hinab läuft. Schnell wische ich sie weg und löse mich dann sanft von Mom. Ich zwinge mir ein Lächeln ab und sie streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

"Ich geh dann mal frühstücken", sage ich und sie nickt.

"Mach das. Ich komme gleich nach."

Langsam gehe ich in Richtung Speisesaal und hoffe, dass ich nicht allzu verheult aussehe. Denn das Letzte, was ich will, ist, dass ich Aiden erklären muss, was mich zum Weinen gebracht hat.

Ich betrete den Raum und sehe relativ schnell die Anderen. Auch wenn sie sich ziemlich unauffällig angezogen haben, stechen sie doch aus all den edleren Gästen heraus.

Ich setzte mich an den Tisch und Aiden streift mit seiner Hand meine. "Was wollte Erin?"

"Ach, nichts wichtiges", weiche ich aus und gebe ihm einen schnellen Kuss, um ihn abzulenken.

"Hey, benehmet euch bitte, das ist ja eklig", meint Grayson und wendet sich ab.

Aiden wirft ihm einen tödlichen Blick zu. "Sagst du. Nur weil du gerade mal nicht über Jay herfällst."

"Jungs, jetzt lasst die Scheiße", ermahnt Olive genervt und Jordan fährt Gray durch seine Locken.

"Ja, bitte. Ich will mal ein Frühstück erleben, bei dem ihr euch nicht streitet."

**

Aiden

Aiden liegt auf seinem Hotelbett und klimpert wahllos auf seiner Gitarre herum. Seine Gedanken wandern immer wieder zu Quinn, egal wie sehr er versucht, sich aufs Spielen zu konzentrieren.

Er würde die Sache mit Quinn gern benennen. Er würde gerne Klarheit haben über das was es ist.

Aber egal wie lange er darüber nachdenkt, er findet keine Lösung. Es ist, als wäre die Antwort vor seiner Nase, aber er kann den letzten Schritt nicht machen.

Frustriert schiebt er seine Gitarre weg und setzt sich auf. Ein anderer Gedanke schiebt sich plötzlich in den Vordergrund, laut und nervtötend:

Aiden will einen Joint. Er kann sich kaum an seinen letzten erinnern, es ist schon ewig her. Aber er weiß, dass Quinn es nicht mag, wenn er raucht.

Er stöhnt wütend auf und beginnt, im Zimmer hin und her zu laufen. Sein Kopf schreit nach den Drogen und sein Körper sehnt sich nach dem Gefühl der Freiheit und Entspannung, die der Joint bewirkt.

Aber Aiden greift nicht nach seiner Jacke, vielleicht hätte er es getan, wenn es in diesem Moment nicht an der Tür geklopft hätte.

Er hebt den Blick und sieht Jordan, die ohne eine Antwort abzuwarten ins Zimmer gekommen ist.

"Was willst du?", schnauzt er wütender als beabsichtigt.

Die Brünette verschränkt die Arme vor der Brust und funkelt ihn an. "Mit dir reden."

"Schön." Aiden setzt sich aufs Bett und klopft neben sich. Jordan entgeht nicht, dass der Blonde extrem unruhig wirkt. "Reden wir."

Sie lässt sich langsam neben ihm nieder und seufzt. Eine Weile sagt sie nichts und er will sie schon anmotzen, dann seufzt sie wieder und wendet sich zu Aiden.

"Du hast lange nicht mehr geraucht", stellt sie fest.

Er sieht auf seine Hände, die zu Fäusten geballt sind. Langsam entspannt er sie und sieht die Brünette dann an.

"Ja."

"Willst du?" Er antwortet nicht, aber das muss er auch gar nicht. Jordan kennt die Antwort bereits.

"Warum tust du's nicht? Der Aiden, den ich kenne, würde nicht lange zögern."

"Der Aiden, den du kennst ist immer noch der, der gerade neben dir sitzt", presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er weiß nicht wieso, aber Jordans Worte machen ihn unglaublich wütend.

"Wirklich? Ich glaube nicht."

"Aha. Und warum glaubst du das nicht?"

Jordan fährt sich durchs Haar und rutscht auf dem Bett herum, bis Aiden sie ansieht.

"Weil ich sehe, wie du dich veränderst, seit Quinn hier ist. Und damit meine ich nicht ins Negative, ganz und gar nicht. Schlimmer als von vor ein paar Tagen wäre es gar nicht mehr gegangen. Ich meine, du hast dich zum Besseren verändert. Du bist nicht mehr so, keine Ahnung, verbittert schätze ich."

Er hebt eine Augenbraue, unterbricht sie aber nicht.

"Und seit Quinn hier ist, da wirkst du irgendwie glücklicher. Es ist fast so, als würdest du ein besserer Mensch sein wollen. Du hast fast nichts mehr geraucht, fast nichts mehr getrunken, deine ganze Ausstrahlung wirkt positiver. Und ich weiß, dass dir das nicht leicht fällt, das seh ich dir an. Aber scheiße, Aiden. Lass dir das jetzt nicht von den blöden Drogen versauen, okay? Du hast verdammt viel Glück und es wäre Verschwendung, wenn du das für ein paar Joints wegschmeißt."

Aiden hat Jordan schweigend zugehört, hat versucht, Worte zu finden, mit denen er ihr antworten kann, aber sein Kopf ist wie leer geblasen. Zu tief sitzt die Überraschung über das, was sie gesagt hat.

Aiden wird bewusst, dass die Brünette Recht hat. Mit jedem verdammten Wort, dass aus ihrem Mund gekommen ist hat sie Recht.

Ja, er will keine Joints mehr rauchen, weil er weiß, dass Quinn es nicht mag. Ja, er will nicht mehr so viel trinken, weil er sich an die Zeit mit Quinn erinnern will. Ja, er ist nicht mehr so verbittert und wütend wie zuvor. Einfach, weil Quinn da ist.

In diesem Moment wird ihm klar, dass Quinn ihn glücklich macht. Und plötzlich, wie als wäre das der letzte Schritt der Realisation gewesen, hat er die Lösung zu seinen Fragen von vorher.

Er liebt sie. Liebe. Das, was zwischen ihm und Quinn ist, ist Liebe.

Diese Erkenntnis strömt durch seinen Körper, seine Adern, verdrängt das Verlangen nach Drogen vollkommen. Ihm wird ganz warm und er beginnt, zu strahlen.

"Ja. Ja, du hast Recht Jay! Danke!", ruft er und umarmt Jordan überschwänglich. "Danke."

Aiden steht auf und geht zur Tür.

"Was machst du?", will die Brünette lächelnd wissen.

"Ich muss Quinn ganz dringend etwas sagen."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top