11| Von Aspirin und Milchshakes

Quinn

Ich blinzle gegen das Licht und öffne langsam meine Augen. Die Sonne scheint durch die Seidenvorhänge und ganz kurz frage ich mich, seit wann ich denn bitte solche Vorhänge in meinem Zimmer habe, dann fällt mir wieder alles ein.

Ich drehe mich auf den Rücken und grinse blöd vor mich hin. Das gestern mit Aiden ist also wirklich passiert.

Ich greife nach meinem Handy und kriege fast einen Herzinfarkt, als ich sehe, dass es schon nach zwölf Uhr ist. Schnell springe ich aus dem Bett und schnappe mir neue Klamotten.

Ich schlüpfe hinein, mache meine Haare und putze mir die Zähne, dann verlasse ich das Hotelzimmer und nach einer Weile suchen finde ich den Raum, in dem wir gestern Pizza gegessen haben.

Ich öffne vorsichtig die Tür und betrete das Zimmer. Nur Aiden sitzt auf einem der Stühle, hat die Beine auf den Tisch gelegt und die Augen geschlossen. Ich lasse mich ebenfalls auf einen Stuhl fallen und er öffnet die Augen einen Spalt breit.

"Wo sind denn die Anderen?", frage ich und er nimmt stöhnend seine Füße vom Tisch.

"Interview."

"Und warum du nicht?"

"Nur Olive und Jordan."

"Und wo ist Grayson?"

"Mitgegangen."

"Warum?"

Er stöhnt und funkelt mich an. "Du nervst."

"Du nervst", entgegne ich und für eine Sekunde meine ich ein Lächeln über sein Gesicht huschen zu sehen.

"Grayson wollte nicht bei mir bleiben, deshalb ist er mitgegangen", antwortet Aiden dann und zieht einen Teller mit Essen zu uns. "Hier. Falls du Hunger hast."

"Danke", meine ich überrascht und sehe ihn an. Er aber hat seinen Blick starr auf den Boden gerichtet.

"Warum wollte Grayson nicht bei dir bleiben? Habt ihr euch gestritten?", will ich wissen.

"Nein, nicht wirklich. Nicht schlimmer als sonst auch. Wir streiten fast immer, wegen jeder Kleinigkeit. Das ist aber auch normal, wenn man sich den ganzen Tag auf dem Schoß hockt."

Ich nicke. Das kann ich verstehen, manchmal hat man auch einfach genug voneinander.

"Und jetzt hast du genug Fragen gestellt. Iss und sei leise", sagt er und schließt wieder die Augen. Mein Mund öffnet sich schon, um 'Warum' zu fragen, aber ich lasse es dann doch sein. Er wird schon seine Gründe haben.

"Du sagst ja wirklich nichts mehr", stellt Aiden nach ein paar Minuten, in denen ich gegessen hab und er vor sich hin gedöst hat, fest.

Verwirrt sehe ich ihn an. "Das hast du doch gesagt."

"Aber ich hätte nicht gedacht, dass du es auch wirklich machst."

"Hä?", ist alles, was mir dazu einfällt. Er wollte also, dass ich leise bin, aber gleichzeitig auch nicht?

"Vergiss es. Was hast du heute vor?", wechselt er das Thema und sieht mich mit seinen schwarzen Augen an. Mein Herz stolpert kurz, dann schlägt es in seinem gewohnten Rhythmus weiter. Was macht Aiden nur mit mir?

"Weiß nicht. Nicht so viel, wahrscheinlich."

Er nickt und zieht eine Packung Aspirin aus der Hosentasche. Er drückt sich zwei heraus und schluckt sie trocken runter. Ohne dass ich etwas dagegen tun kann sehe ich ihn angeekelt an.

Er hebt eine Augenbraue. "Was?"

"Du hast sie trocken geschluckt."

"Ja und?"

"Ist das nicht eklig?"

Aiden seufzt und legt seine Füße wieder auf den Tisch. "Das ist doch nicht eklig, Quinny-Pooh. Man trinkt ja nur Wasser nach, damit es besser zum Runterschlucken geht."

Aha. Angenehm stell ich mir das trotzdem nicht vor, aber wenn er das so will.

"Und wofür brauchst du die Aspirin?", frage ich und er lächelt leicht.

"Du bist das neugierigste Mädchen, das ich jemals getroffen habe."

Ich versuche ja auch, dich kennenzulernen, so wie Eliza gesagt hat, du Schwachkopf.

"Stört es dich?" , meine ich.

"Nein. Nicht wirklich. Aber ständig stellst du mir Fragen und ich erzähl dir alles, aber über dich weiß ich kaum was."

"Dann frag mich doch." Ich breite die Arme aus, um zu verdeutlichen, dass ich ihm bereitwillig antworten werde.

Aiden denkt kurz nach und sieht mich dann an. "Magst du mich?" Der Schelm glitzert in seinen Augen und ich werde ganz ohne mein Zutun rot.

Mag ich ihn? Ich denke schon. Auch wenn er sich manchmal ganz schön bescheuert benehmen kann, ich mag ihn. Ich mag seine Augen, seine Haare, seine Stimme, seinen Geruch nach Rauch und Parfüm und ich mag ihn. Ich mag, wie er ist.

"Wenn ja, was würdest du tun?", frage ich.

Er lächelt und spielt mit einer Zigarette, die er sich aus der Packung genommen hat, herum. "Ich würde mir die Frage stellen, ob ich dich auch mag."

"Und auf welche Antwort würdest du kommen?"

"Ja", meint Aiden und für einen Augenblick steht mein Herz still. Er mag mich. Am liebsten würde ich vor Freude aufspringen und ihn umarmen und küssen, aber ich beherrsche mich. Wie auch schon gestern Abend.

"Du magst mich?", bringe ich fast flüsternd heraus und er neigt den Kopf schief.

"Du mich etwa nicht?"

"Doch", hauche ich und Aiden wirft mir einen skeptischen Blick zu.

"Ist alles okay mit dir?"

Ich sollte mich wieder unter Kontrolle bringen. Ich nicke. "Ja. Alles okay", sage ich und er zündet sich die Zigarette an, während er nachdenklich auf die Tischplatte sieht.

"Weißt du Quinny-Pooh, ich will ehrlich sein. Klar gefällt es mir, wenn eine Frau mich mag. Welchem Mann gefällt das nicht? Aber du solltest vorsichtig sein. Manchmal ist das, wonach es aussieht und das, was es dann auch wirklich ist was ganz anderes."

Überfordert runzle ich die Stirn. Was soll ich denn da jetzt bitte drauf antworten?

"Okay?", meine ich langgezogen und hebe fragend eine Augenbraue.

"Okay? Das ist deine Antwort? Ich habe dir praktisch gerade gesagt, dass ich nicht gut für dich bin und du sagst okay?"

Ach so. Innerlich schlage ich mir gegen die Stirn. Das hätte ich aber auch checken können, aber manchmal stehe ich echt auf der Leitung.

"Machst du jetzt einen auf Twilight oder was? Das kannst du direkt wieder lassen, auf so einen Quatsch hab ich gar keinen Bock. Wenn ich dich mag, dann mag ich dich und fertig", sage ich und Aiden lächelt kurz.

"Wenn du meinst. Ich hab dich gewarnt. Außerdem, woher willst du wissen, ob ich einen auf Twilight mache? Vielleicht mache ich ja auch einen auf 50 Shades of Grey?"

"Ich kenn halt nur Twilight", antworte ich achselzuckend und er drückt seine Zigarette aus, bevor er mich mit seinem Blick fixiert. Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen.

"Nochmal zurück zum Thema. Du magst mich also und ich mag dich auch."

"Ja", stimme ich zu.

Er nickt gespielt nachdenklich. "Aber was machen wir denn dann?" Er wirft einen Blick zur Uhr an der Wand. "Deine Mom und die Anderen werden wahrscheinlich erst in ner halben Stunde wieder kommen. Würdest du mir gestatten, dich solange ein bisschen auszuführen?"

"Ein Date?", frage ich und versuche, entspannt zu klingen. Innerlich breitet sich aber ein komisches Gefühl in mir aus, wie als würden tausende Raupen in meinem Bauch umher krabbeln. Von wegen Schmetterlinge.

"Wenn du es so nennen willst, ja. Also?"

"Ja. Gerne."

Aiden lächelt und zum ersten Mal fallen mir die kleinen Grübchen in seinen Mundwinkeln auf. Ich würde ihm gern reinpiksen und sagen, wie süß die sind.

"Dann mach dich mal fertig. Wir treffen uns in fünf Minuten am Eingang."

"Warte. Wo gehen wir hin?", will ich wissen, schließlich muss ich ja was Passendes anziehen.

"Das ist eine Überraschung. Du kannst dir aber ganz normale Sachen anziehen."

Als hätte er meine Gedanken gelesen.

Schnell gehe ich nach oben ins Hotelzimmer und durchwühle meinen Koffer nach Klamotten, die ich anziehen kann. Normalerweise ist es mir relativ egal, was ich trage, aber bei Aiden seltsamerweise nicht.

Schließlich entscheide ich mich für eine hellblaue Jeans, ein dunkelrotes Spitzentop und meine schwarzen Chucks. Das ist nicht zu ausgefallen aber auch nicht zu langweilig. Ich hoffe, es gefällt ihm.

Ich kämme noch schnell meine Haare und fahre dann mit dem Aufzug wieder nach unten. Aiden steht, am Türrahmen gelehnt, draußen vor dem Eingang und sieht auf, als ich nach draußen trete. Er trägt eine schwarze Jeans und ein normales T-Shirt mit dem Logo von 'Nirvana' drauf, außerdem hat er eine Sonnenbrille auf.

"Bereit?", fragt er und ich nicke. Er reicht mir seine Hand und ich ergreife sie.

"Wo gehen wir hin?"

"Lass dich doch einfach überraschen, Quinny-Pooh. Du wirst schon sehen, wenn wir da sind."

"Ich hasse Überraschungen", grummle ich und Aiden lacht nur als Antwort. Er zieht mich die Straße entlang und plötzlich fällt mir etwas auf, was mir bis dahin komplett entgangen ist.

"Wo sind denn eigentlich die ganzen Papparazzi und so?", frage ich.

"In Las Vegas sind meistens keine. Da sind so viele Promis, da kämen die aus dem Fotografieren gar nicht mehr raus. Wart nur, bis wir weiter fahren, da sind mehr."

Ich nicke und den Rest des Weges, der uns hauptsächlich die Straße entlang führt, nur einmal müssen wir die Fahrbahn überqueren, schweigen wir.

Aiden steuert auf ein kleines Café zu. Es wirkt extrem fehl am Platz, zwischen all den imposanten, bunten Gebäuden drum herum. Gleichzeitig sieht es schon von außen unheimlich gemütlich aus.

Er hält mir die Tür auf und eine angenehme Kühle schlägt mir entgegen.

"Es ist schön hier", sage ich, um das Schweigen zwischen uns zu brechen. Er führt mich zu einem Tisch, wo er mir den Stuhl zurück zieht und sich dann selbst hinsetzt.

"Stimmt."

Es sind nicht viele andere Gäste hier, eine ältere Dame sitzt am Tisch rechts von uns und weiter links sitzen zwei Mädchen und essen Muffins.

"Kommst du öfter her?", will ich wissen. Irgendwie ist es seltsam zwischen uns, ganz anders als noch vorhin. Vielleicht liegt es daran, dass wir auf einem Date sind.

"Nicht oft. Dazu ist meistens zu wenig Zeit, außerdem war ich noch nicht so oft in Vegas. Und es ist komisch, allein herzukommen", meint Aiden und ich nicke.

Er legt den Kopf schief und lächelt. "Warum so schüchtern, Quinny-Pooh?"

Ich werde ganz automatisch rot und sehe auf meine Hände. Ich weiß doch auch nicht, warum ich plötzlich kaum ein Wort herausbekomme.

"Ist das dein erstes Date?", hakt er nach. "Falls es dich beruhigt, das ist auch mein erstes richtiges Date."

"Echt?"

"Ja. Kaum zu glauben, ich weiß. Is aber wirklich so."

"Du bist noch nie mit einer Frau ausgegangen?", frage ich ungläubig. Er will mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass er mit seinen ganzen Ex-Freundinnen nie irgendwo hingegangen ist.

"Nicht ernsthaft, nein. Nur für die Fotos."

Aiden malt mit seinem Finger Muster auf den Tisch und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wir schweigen solange, bis die Bedienung kommt und uns lächelnd zwei kleine Speisekarten überreicht.

Ich blättere hindurch und sehe mir das Angebot an, bis sich Aiden leise räuspert und ich die Karte sinken lasse. "Was ist?"

"Also ich weiß ja nicht, ob das immer so ist, aber ich finde es gerade im Moment echt unangenehm", meint er und mir fällt förmlich ein Stein vom Herzen. Ich hab schon gedacht, es liegt an mir.

"Ich auch."

"Dann lass uns einfach vergessen, dass das ein Date ist. Wir sind einfach zwei Teenager, die ein Eis essen wollen oder so."

"Okay." Damit komme ich klar. Hoffentlich.

Die Bedienung kommt zurück und sieht uns lächelnd an. "Habt ihr euch schon entschieden?"

Aiden übernimmt die Bestellung: "Ähm, ja. Also einmal Erdbeer-Milchshake und einmal-" Er sieht mich fragend an.

"Vanille-Milchshake", meine ich und die Kellnerin nickt.

"Ist das euer erstes Date?", fragt sie, nachdem sie die Speisekarten wieder eingesammelt hat.

"Kein Date", antwortet Aiden bestimmt und die Frau geht lächelnd weiter zum nächsten Tisch. Die lächelt auch die ganze Zeit.

"Weißt du was?", fragt er, als sie weg ist.

"Was?"

"Lass uns diese blöde Café-Date-Zeug vergessen. Lass uns gehen."

Ich bin kein bisschen enttäuscht, dass er gehen will. Ich bin eher froh. Es ist einfach zu komisch, hier mit ihm zu sitzen und zu essen.

"Dann komm." Aiden nimmt meine Hand und zieht mich aus dem Café. 

Ich muss lachen. Einfach, weil alles so unglaublich ist. Zuerst lädt er mich auf ein Date ein und dann gehen wir einfach. Wir laufen einfach drauflos. An der Straße entlang, dann in eine kleine Gasse und dann weiter in eine noch kleinere.

Irgendwann bleibt Aiden dann stehen und dreht sich grinsend zu mir um. Atemlos vom schnellen Gehen sehe ich ihn an. Er steht direkt vor mir und ich kann seinen Geruch von Rauch und irgendeinem Parfüm riechen. Außerdem starrt er mich an.

"Was ist?", frage ich belustigt, aber er antwortet nicht.

Stattdessen drückt er seine Lippen auf meine.

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