10| Von Joints und Spaziergängen
Quinn
"Warum zeigst du mir das?", will ich wissen und durchbreche damit die Stille.
Aiden zündet sich eine Zigarette an und sieht zu Boden. "Ich weiß nicht. Irgendwie musste ich."
Ich nicke und er lächelt. "Vielleicht wollte ich aber auch nur ungestört Zeit mit dir verbringen. Dich kennenlernen."
"Echt. Und warum?"
Es interessiert mich wirklich, schließlich hat er die volle Auswahl, was Frauen angeht. Aber mich, mich will er kennenlernen.
"Du bist interessant. Man merkt, dass du nicht hier sein willst, aber trotzdem bist du es. Warum?"
Ich zucke die Achseln und lasse meinen Blick über die Gebäude und Lichter schweifen. Ich könnte hier wirklich ewig stehen und die Stadt ansehen. Aber ich spüre förmlich, wie Aiden mich anstarrt und auf eine Antwort wartet.
Ich seufze. "Wegen Mom. Sie wollte unbedingt, dass ich mitkomme."
"Du hättest auch einfach nein sagen können", meint er und fixiert mich mit seinen schwarzen Augen. In ihnen spiegeln sich die bunten Lichter der Stadt und meine Knie werden unter seinem Blick weich wie Wackelpudding.
"Ich kann aber schlecht nein sagen, weißt du", antworte ich und sehe auf meine Hände. Aiden rückt ein Stück näher zu mir, sodass sich unsere Schultern berühren. Wieder beginnt meine Haut zu kribbeln, als würden tausende Ameisen darüber krabbeln.
"Ernsthaft? Ich kann dich also um alles bitten und du sagst immer ja?"
"Nein."
"Was war das? Hab ich mich etwa verhört?"
"Nein. Nein, ich hab nein gesagt."
Grinsend schmeißt Aiden seine Zigarette auf den Boden und tritt sie aus. "Na geht doch. Und warum kannst du das deiner Mom nicht sagen?"
"Weil-" Ich halte inne und scharre mit dem Füßen. Wie soll ich ihm denn erklären, dass ich meine Mom einfach nicht unglücklich sehen kann?
"Weil?", hakt er nach und ich werfe ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.
"Hetz mich nicht. Ich erzähl, wann ich das will", motze ich und er hebt die Hände.
"Entspann dich, Quinny-Pooh."
Er grinst schelmisch und ich schüttle nur den Kopf, ohne etwas zu entgegnen. Sonst würden wir uns nur streiten und das brauch ich jetzt wirklich nicht, grade wenn der Moment so schön ist.
"Ich will einfach, dass Mom glücklich ist. Seit ich denken kann, ist sie immer auf der Suche nach, ja mein Gott, nach dem Glück. Mein Dad ist angehauen und Mom ist allein mit mir. Ich weiß, dass sie oft traurig war, wahrscheinlich sind wir deshalb auch so oft umgezogen. Ich kann ihr einfach nicht ins Gesicht sehen und sie traurig machen."
"Mein Dad ist auch abgehauen", meint Aiden und plötzlich sieht er traurig aus. Falten sind auf seiner Stirn erschienen und es sieht aus, als würde ihn das, was mit seinem Dad vorgefallen war, wirklich beschäftigen.
"Ich war ungefähr zehn oder so. Meine Eltern haben sich scheiden lassen und er ist nach Paris zurück gegangen. Ich komme aus Paris, weißt du?"
Er zündet sich die nächste Zigarette an und so langsam beginnt die Menge an Kippen, die er sich allein heute schon reingezogen hat, mir Sorgen zu machen. Gesund ist das definitiv nicht.
"Ich hab auch mal in Frankreich gewohnt", sage ich und Aiden fährt sich übers Gesicht und sieht mich dann an. Der traurige Ausdruck ist verschwunden.
"Wirklich? Oú as-tu vécu? ", will er wissen.
"Straßburg. Aber das ist schon ewig her", antworte ich und sehe ihn an. Aiden kuckt auf die Stadt und erst jetzt fällt mir auf, dass er sich keine Zigarette, sondern einen Joint angezündet hat. Er grinst wie blöd und wirkt allgemein nicht mehr allzu anwesend, so als hätte er vergessen, dass er mir eben noch eine Frage gestellt hat.
Und ich weiß nicht warum, aber ich werde richtig wütend. Ich dachte, er wollte mir das zeigen und vielleicht einfach ein paar schöne Minuten mit mir verbringen und dann bekifft er sich.
"Ist es so schlimm, Zeit mit mir zu verbringen, dass du es ohne Drogen nicht aushältst?!", frage ich ihn und ich merke selber, wie angepisst meine Stimme klingt.
"Hä?", meint Aiden und sieht dann runter auf den blöden Joint, den er in der Hand hält. Ich sehe förmlich, wie sein Gehirn arbeitet und er dann endlich versteht. Da ist es mir aber auch schon zu blöd und ich wende mich zur Treppe.
"Hey! Jetzt bleib doch da! Was regst du dich denn jetzt so auf?" Er greift nach meinem Arm und kriegt ihn auch zu fassen.
Wütend drehe ich mich um und funkle ihn an. "Warum ich mich aufrege?! Hast du überhaupt eine Ahnung, wie das rüberkommt, was du hier machst?! Wie ich mich fühle?!", rufe ich wütend und an seinem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass er es immer noch nicht versteht.
Frustriert entreiße ich ihm meinen Arm und renne so schnell wie möglich die Treppe runter, ohne mich auf die Nase zu legen, was gar nicht so einfach ist, wenn es dunkel ist und die Metallstufen auch noch gefährlich rutschig sind.
Ich höre Aiden nicht hinter mir und es ist mir auch herzlich egal, ob er mir nachkommt oder nicht. Das rede ich mir zumindest ein, sonst müsste ich, so wie ich mich kenne, weinen und das will ich jetzt wirklich nicht.
Immer noch rennend betrete ich das Gebäude und die plötzliche Helligkeit lässt mich dann doch langsamer werden. Ich will ja auch nicht gegen irgendwas rennen. Ich durchsuche jeden Raum und schaue sogar in die Zimmer für die Vorband und die Techniker, aber die kucken mich nur blöd und an und auf meine Frage, wo die Anderen seien, bekomme ich nur Achselzucken.
So langsam werde ich verzweifelt, weil, es ist halt nicht gerade schön, wenn man quasi allein in einem fremden Gebäude ist und nicht weiß, wie man jetzt zum Hotel zurück kommt.
Ich lasse mich auf die Stufen vor dem Eingang sinken und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Außer den zwei Lampen, die über der Tür hängen, ist es fast stockdunkel und ich höre Schritte.
Jemand, den eine Geruchswolke von Rauch umgibt, bleibt neben mir stehen und ich sehe nach oben. Aiden blickt mich zerknirscht an und ich seufze. "Was willst du?"
"Mit dir reden. Ich habe dich wütend gemacht und ich will verstehen, warum. Kann ich mich setzen?"
"Wenn du meinst."
Er lässt sich neben mich sinken und ich gucke demonstrativ in die andere Richtung.
Er seufzt. "Erklärst du's mir?", bittet er und ich verschränke trotzig die Arme vor der Brust. Aiden stupst mich an und als ich nicht reagiere, scharrt er ein bisschen mit den Füßen und sieht auf seine Hände.
"Ich weiß, ich bin ein Arsch. Ich bekomm das oft genug zu hören, glaub mir. Ich wollte das auf dem Dach nicht kaputt machen, ehrlich nicht. Bitte sag mir, was ich falsch gemacht hab."
"Du hast deinen beschissenen Joint geraucht! Verstehst du nicht?!"
"Nein, tu ich nicht! Das mach ich doch ständig, was ist dein Problem?!"
Ich werde wieder wütend und stehe auf. Ist er wirklich so dumm oder tut er nur so? "Mein Problem ist, dass du Drogen genommen hast, während du Zeit mit mir verbracht hast! War es wirklich so schlimm?"
Aiden reißt die Augen auf und endlich scheint er es zu verstehen. Er schüttelt heftig den Kopf. "Nein! Nein, es war schön! Es hat mir gefallen! Woher hätte ich denn wissen sollen, dass dich mein blöder Joint so verletzt? Das wollte ich nicht Quinny-Pooh, wirklich nicht. Es tut mir leid."
Und plötzlich bin ich überhaupt nicht mehr wütend. So schnell wie Aiden mich auf die Palme gebracht hat, so schnell hab ich ihm auch wieder verziehen. Vielleicht wegen den Hundeaugen, mit denen er mich ansieht oder wegen der Tatsache, dass es ihm auf dem Dach gefallen hat.
Jedenfalls lasse ich mich wieder neben ihn fallen. "Okay. Du konntest es ja wirklich nicht wissen und ich hab vielleicht überreagiert", sage ich und Aiden sieht erleichtert aus, wenn auch nur kurz.
"Wo sind denn eigentlich die Anderen?", will er wissen und rappelt sich auf. Er sieht sich auf dem Vorplatz um, als wären sie vielleicht hier und ich zucke die Achseln.
"Weg. Nicht mehr hier."
"Toll." Er fährt sich durchs Haar und lehnt sich gegen den Eingang, während er nachzudenken scheint. "Wir könnten laufen, ist ja nicht weit bis zum Hotel. Du könntest bisschen die Stadt sehen, was meinst du?"
Immer noch besser als hier zu sitzen. Auch wenn ich inzwischen müde wie nochmal was bin, ein Spaziergang mit Aiden durch Las Vegas klingt toll. "Von mir aus. Aber wehe, wir verlaufen uns wegen dir", meine ich und er lacht.
"Ich verlaufe mich nie, Quinny-Pooh. Und wenn doch, gibt's hier genug Hotels, wo wir übernachten können. Also komm."
Er zieht mich auf die Beine und lässt meine Hand nicht los, als er mich über den Vorplatz führt und dann die Straße entlang. Ich beschließe, ihn nochmal nach seinem Dad zu fragen, das scheint ihn ja ziemlich zu beschäftigen.
"Warum ist dein Dad abgehauen?", will ich wissen und er seufzt.
"Du könntest mich alles fragen und du suchst dir DAS aus? Ernsthaft?"
"Ja, ganz ernsthaft. Also?"
Aiden zieht mich über die Straße und ich bin immer noch wie elektrisiert von seiner Hand um meiner. "Ich weiß nicht warum. Am Abend hat er mich noch ins Bett gebracht und am nächsten Morgen war er weg. Als ich älter war, da hab ich versucht ihn zu finden, aber er war einfach verschwunden."
Er klingt so traurig und ich würde ihn gern trösten, aber das lässt er mich wahrscheinlich nicht. Stattdessen verstärke ich meinen Griff um seine Hand etwas und lächle leicht. "Tut mir leid. Ich hab meinen Dad gar nie kennengelernt, das ist etwas leichter. Manchmal stelle ich mir vor, wie er wohl ist. Wie er aussieht und so."
"Du hast deine Mom nie gefragt?", fragt Aiden ungläubig und hebt eine Augenbraue.
Ich schüttle den Kopf. "Nie, nein. Ich denke, wenn sie es mir sagen will, dann tut sie's."
"Ich hab meine Mom ständig gefragt. Aber meine Mom und deine Mom kann man sowieso nicht vergleichen", meint er und ich runzle die Stirn. Was meint er denn damit jetzt schon wieder?
"Warum nicht?"
"Weil meine sich einen Dreck um mich gekümmert hat. Erin liebt dich, sonst hätte sie dich nicht mit hergebracht. Mom hat mich höchstens mal zum Einkaufen mitgenommen."
"Oh", ist alles, was ich rausbringe. Das hab ich definitiv nicht erwartet, Aidens Mom kann man wirklich nicht mit meiner vergleichen. Wieder will ich ihn trösten, aber ich reiße mich zusammen.
"Ja, tja. Man gewöhnt sich dran. Ich hab sie schon seit einem Jahr oder so nicht mehr gesehen. Ich brauch sie nicht mehr."
Auch wenn Aiden nicht gerade überzeugend klingt, entgegne ich nichts. Es scheint ein empfindliches Thema zu sein und ich hab schon genug gebohrt.
Wenige Meter vor uns erkenne ich unser Hotel und Erleichterung macht sich in mir breit. Ich will nur noch ins Bett und schlafen.
"Wir sind da", verkündet er und lässt meine Hand los, als wir die Lobby betreten. Ein Rezeptionist sieht gelangweilt auf und wirft uns nur einen kurzen Blick zu, dann sieht er zurück auf sein Smartphone.
Aiden geht zum Aufzug und ich folge ihm. Schweigend fahren wir nach oben und erst als sich die Türen mit einem leisen 'Pling' öffnen, räuspert er sich und ich sehe ihn an.
"Bis morgen dann", sagt er und ich lächle bei dem Gedanken, dass wir noch hunderte Abende haben, an denen wir das wiederholen können.
"Bis morgen. Ich fands schön."
Er nickt und verschwindet dann mit großen Schritten in seinem Hotelzimmer. Etwas überrumpelt stehe ich da und sehe ihm nach. So langsam glaube ich, dass es ihm gefällt, mich einfach so stehen zu lassen.
**
Aiden
Aiden schließt die Tür hinter sich und geht geradewegs auf die Minibar zu, wo er irgendeine Flasche herauszieht und sich die Flüssigkeit in ein Glas gießt.
Er nimmt einen Schluck, stellt dann das Glas ab und zündet sich einen neuen Joint an. Den vom Dach hat er ja nicht fertig rauchen können, außerdem ist das auch schon wieder eine Weile her.
Er lässt sich aufs Bett fallen und starrt an die Decke. Er hat keine Ahnung, warum er Quinn das Dach gezeigt und Zeit mit ihr verbracht hat. Sie hat etwas an sich, das ihn fasziniert.
Aiden will gleichzeitig mehr von ihr und gleichzeitig, dass es aufhört. Dieses Gefühl in seinem Bauch ist ihm neu und auch wenn er es niemals zugeben würde, er mag es. Er mag Quinn.
Irgendwie.
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