8| Von Bodyguards und Kleidern
Quinn
Der Rest der Schulwoche fliegt nur so an mir vorbei. Ich habe Milo seit meinem Ausbruch nicht mehr gesehen, was mir ganz recht ist.
Ich weiß, dass ich wahrscheinlich überreagiert habe und ich werde mich auch bei ihm entschuldigen, bevor wir zusammen mit Eliza zum Ball gehen, aber momentan habe ich kein Problem damit, dass wir uns aus dem Weg gehen. Er soll lernen, dass er nicht immer alles wissen muss
Samstagmorgen wache ich dafür, dass es Wochenende ist und ich eigentlich ausschlafen könnte, viel zu früh auf. Mein Wecker zeigt erst acht Uhr und ich stöhne leise, bevor ich mich aus dem Bett quäle.
Mom ist gestern Abend noch lange weg gewesen, auch, als ich schon schlafen gegangen bin, ist sie nicht da gewesen. Ich hab ihr ne Nachricht geschrieben und sie hat gemeint, dass es auf der Arbeit momentan ziemlich stressig sei.
Das geht schon fast die ganze Woche so. Entweder hat sie ein Meeting, muss bis spät in die Nacht irgendwelche Angebote durchgehen, oder sich mit irgendwelchen wichtigen Typen treffen.
Mehrmals hab ich versucht, sie zu fragen, was denn bei Stations los ist, dass es plötzlich so stressig ist, aber Mom hat abgeblockt. Sie dürfe mir nichts erzählen.
Schlecht gelaunt tapse ich in die Küche. Der Geruch nach Kaffee liegt in der Luft, das Radio läuft und Mom sitzt gut gelaunt am Tisch, vor sich die Zeitung.
"Was machst du denn schon auf?", fragt sie verwundert, während ich mich gegenüber von ihr auf einen Stuhl fallen lasse.
"Keine Ahnung." Ich nehme mir einen Toast, der in der Mitte ein bisschen angekokelt ist und beschmiere ihn mit Nutella.
"Was hast du gestern noch gemacht?", will ich wissen und versuche, die Frage so beiläufig wie möglich klingen zu lassen.
Sie nimmt einen Schluck aus ihrer Tasse. "Hauptsächlich telefoniert."
"Geht's genauer?"
Sie wirft mir einen gespielt warnenden Blick zu. "Du weißt ganz genau, dass ich dir das eigentlich nicht erzählen darf."
Ich mache einen Schmollmund. "Bitte. Ich verrate es niemandem." Außer Eliza vielleicht, wenn sie nachfragt. Aber die würde es auch nicht weitererzählen, wenn ich ihr das sage.
"Na gut." Sie seufzt und ich grinse. "Die ganz genauen Details kenne ich nicht, die will er mir nicht erzählen. Aber du erinnerst dich doch noch an Antoinette Roger, oder?"
Langsam nicke ich. An die französische Frau mit der nervig zeternden Stimme erinnere ich mich nur zu gut. Aber das ist doch schon ewig her.
"Jedenfalls hat sie, weiß der Geier wie, Aidens Nummer bekommen. Der macht ein riesen Drama draus, aber keiner, außer die Band selbst, weiß so genau, warum. Jedenfalls will er das Haus ohne Bodyguard nicht mehr verlassen, am Liebsten hätte er, wenn die ganze Zeit Security vor der Tür stehen würden. Und ich darf jetzt einen Sicherheitsdienst raussuchen, der bereit ist, das zu tun."
Ich antworte nicht, sondern sehe schweigend auf meinen angebissenen Toast. Ich habe einen komischen Geschmack im Mund, so einen, wie man ihn hat, wenn man Angst hat.
Aber wovor bitte habe ich Angst?
Ich weiß es. Vor Antoinette. Auch, wenn ich sie nicht kenne, Aiden scheint sie zu kennen. Und irgendwas muss mit dieser Frau vorgefallen sein, sonst würde er niemals Bodyguards wollen, die ihm immer hinterher laufen.
Am liebsten würde ich ihm jetzt sofort eine WhatsApp schreiben und fragen, was los ist. Aber das kann ich nicht. Weil wir uns schließlich getrennt haben. Ob ich Olive, Jordan, oder Grayson fragen soll?
Eher nicht. Ich käme mir blöd vor, es hinter Aidens Rücken zu machen, das wäre nicht fair.
"Quinny? Ist alles okay?", reißt mich Mom aus meinen Gedanken.
Schnell nicke ich. "Jaja, alles gut. Ich hab nur kurz nachgedacht."
Sie geht nicht weiter darauf ein, sondern nimmt noch einen Schluck und blättert die Zeitung um. "Hast du heute noch was vor?"
Ich schiebe mir den Rest Toastbrot in den Mund und nicke. "Eliza will heute unsere Kleider für den Herbstball nächste Woche aussuchen."
"Ich dachte, du gehst nicht hin?" Sie sieht mich über den Rand der Zeitung fragend an.
"Sie hat mich überzeugt. Wir gehen zusammen mit Milo." Allein beim Gedanken an den Ball bekomme ich wieder schlechte Laune. Wenn ich mich bis dahin nicht endgültig mit Milo ausgesprochen habe, dann wird das kein angenehmer Abend werden.
Mom nickt. "Und dieser Milo, ist der heute auch bei euch?"
Ich ignoriere ihren Unterton in der Stimme, den sie immer hat, wenn es ums Thema Jungs geht und schüttle den Kopf.
Eliza hat mir erzählt, dass er einen ganz normalen, schwarz-weißen Anzug tragen wird. Wir sollen halt einfach was Passendes aussuchen, hat er in die WhatsApp-Gruppe, die meine Freundin extra gemacht hat, geschrieben.
"Der hat schon was", meine ich.
Bevor Mom mich weiter über ihn, oder den Ball ausfragen kann, stehe ich schnell auf und stelle mein Geschirr zur Spüle.
"Ich mach mich jetzt dann mal fertig, sonst komme ich noch zu spät." Mit diesen Worten verschwinde ich in meinem Zimmer.
**
Quinn
Ich sitze auf Elizas Bett und schaue ihr dabei zu, wie sie das inzwischen fünfte Kleid anprobiert. Es ist ein rosanes, ungefähr knielanges Tüllkleid, trägerlos und mit herzförmigem Ausschnitt.
Wie auch die Kleider davor steht es ihr super und das sage ich ihr auch.
Sie runzelt aber die Stirn und dreht sich vor dem Spiegel hin und her. "Ich weiß nicht", meint sie. "Der Tüll, ist das nicht ein bisschen zu viel?"
"Nö." Ich muss mich zurückhalten, um nicht die Augen zu verdrehen.
Ich hab mein Kleid schon ausgesucht. Es ist babyblau, mit Spitze und Glitzer am Oberteil. Der Rock hat nur ein bisschen Tüll, gerade genug, dass er nicht so gerade nach unten hängt. Es hat dünne Träger, weil so ganz ohne hab ich dann doch nicht gewollt.
"Ich würde das nehmen, Lizzy", ergänze ich. "Dann passen unsere Kleider zusammen, außerdem siehst du wirklich toll aus."
Sie geht zu ihrem Schrank, wühlt ein bisschen herum und zieht dann weiße Ballerinas hervor. "Die dazu?", fragt sie.
Ich nicke, erleichtert, dass sie endlich auch das passende für sich gefunden hat. Es ist schon bald Mittag und so langsam meldet sich mein Magen.
Ich warte, bis Eliza sich umgezogen hat. Während sie im Badezimmer ist, ziehe ich mein Smartphone aus der Tasche und öffne fast schon unbeabsichtigt den Chatverlauf zwischen Aiden und mir.
Meine Finger schweben über den Tasten, ich bin kurz davor, ihm zu schreiben, aber ich mache es nicht.
Ich habe kein Recht, mich in sein Leben einzumischen, nicht mehr. Schließlich habe ich ihm ins Gesicht gesagt, dass ich ihn zwar noch liebe, ihm aber nicht mehr vertraue. Wenn er es mir sagen wollen würde, oder er meine Hilfe haben wollen würde, dann würde er mir schon schreiben.
Ich schließe die Augen und zwinge mich, mein Handy wegzulegen. Es sollte mich nicht so beschäftigen, was mit Aiden und Antoinette ist.
Eliza tritt aus dem Badezimmer, in Jeans und Pullover. Sie sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an und lässt sich neben mich aufs Bett fallen.
"Alles okay?", will sie wissen. "Du schaust so komisch."
Ganz kurz überlege ich, sie anzulügen. Aber sie ist schließlich meine Freundin, wir haben keine Geheimnisse voreinander.
"Geht so", antworte ich also wahrheitsgemäß. "Mom hat mir heute Morgen erzählt, dass Aiden irgendwie Schwierigkeiten hat und ich mache mir Sorgen. Was total doof ist, weil wir uns schließlich getrennt haben!"
Ich fahre mir durch die Haare und Eliza legt tröstend einen Arm um mich. "Das ist vollkommen okay, Quinny. Er muss dir doch nicht egal sein, nur, weil ihr nicht mehr zusammen seid."
Ich zucke mit den Schultern. "Ich finde es trotzdem doof."
"Weißt du was?" Sie steht auf und zieht mich mit auf die Beine. "Wir essen jetzt erstmal was, Dad hat beim Chinesen bestellt. Und dann sehen wir weiter, ja?"
Ich nicke, dankbar, dass sie so für mich da ist. Das ist nicht selbstverständlich, vor allem, weil ich die letzten Tage auch gefühlt an nichts anderes als an Milo, oder Aiden denken kann.
Eliza ist wirklich die beste Freundin, die ich mir jemals hätte wünschen können.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top