7| Von Interviews und Exfreunden

Quinn

Vier Tage hab ich es geschafft, Milo aus dem Weg zu gehen. Wenn wir Stunden zusammen gehabt haben, bin ich kurz vor Beginn erst gekommen und am Ende förmlich aus dem Klassenzimmer geflüchtet.

Aber heute bin ich abgelenkt gewesen, weil Eliza mir mal wieder mit dem Herbstball in den Ohren gelegen hat. Ich bemerke Milo erst, als er neben meine Freundin tritt und winkt.

"Hi. Stör ich?", fragt er und ich setze schon zu einem, zugegebenermaßen viel zu unfreundlichem ‚Ja' an, als Eliza begeistert den Kopf schüttelt.

"Nö. Du doch nicht", grinst sie. Ich werfe ihr einen fragenden Blick zu. Was will sie denn mit diesem ‚Du doch nicht' sagen?

Milo zeigt auf den Flyer, mit dem meine Freundin mir bis vor kurzem noch vor der Nase herumgefuchtelt hat. "Redet ihr über den Ball?"

"Ja. Quinn will aber nicht hingehen", meint Eliza.

Empört verschränke ich die Arme. "Das ist doch wohl mein gutes Recht."

Sie verdreht die Augen, wie so oft, wenn wir über den Ball diskutieren. "Du bist eine Spaßbremse."

"Wir könnten doch zu dritt hingehen", schlägt Milo vor und sieht mir direkt in die Augen. In meinem Bauch beginnt es komisch zu kribbeln und schnell sehe ich zu Boden. Was ist das denn gerade gewesen, bitte?

"Das ist doch eine tolle Idee, oder nicht?", fragt Eliza und stupst mich an. "Was sagst du?"

Ich weiß nicht, warum, aber anstatt abzulehnen, sage ich: "Ja, ist toll."

Vielleicht ist es, weil ich mich irgendwie schuldig Milo gegenüber fühle, schließlich bin ich ihm aus dem Weg gegangen, und das, obwohl er mich gerettet hat. Er ist so nett gewesen, wahrscheinlich hält er mich jetzt für bescheuert, weil ich ihn ignoriert hab.

Eliza schaut kurz überrascht, dann lächelt sie aber wieder und klatscht Milo den Flyer gegen die Brust. "Super. Wir treffen uns demnächst, um passende Outfits rauszusuchen."

Er nickt und fährt sich durch seine Haare. "Okay. Wir...wir sehen uns." Er winkt und schon ist er um die nächste Ecke des Flures verschwunden.

Ich lehne meinen Kopf gegen Elizas Schließfach und stöhne. "Ich kanns nicht glauben."

"Was?", fragt meine Freundin und schiebt mich ein Stück zur Seite, um ihren Spind zu öffnen.

"Dass ich jetzt doch auf diesen blöden Ball gehe", antworte ich.

Sie zieht ihr Englischbuch aus dem Fach und wackelt grinsend mit den Augenbrauen. "Das wird toll, vertrau mir."

Ich nicke. Vielleicht hat sie ja wirklich Recht. Wenn ich mich auf den Ball einlasse, dann kann es bestimmt ein lustiger Abend werden, außerdem kann ich so herausfinden, ob Milo einfach nur gerne mit allem und jedem flirtet, oder wirklich etwas hinter meiner Vermutung, er würde in mich verliebt sein, steckt.

"Wenn du das sagst", meine ich und raffe meine Sachen zusammen, um mit Eliza zur Englischstunde zu gehen.

In diesem Moment gibt ihr Handy einen leisen ‚Pling'-Ton von sich und sie fischt es aus ihrem Rucksack. Sie sieht konzentriert auf den Bildschirm und ich trete ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.

"Komm doch", sage ich. "Englisch fängt gleich an."

"Ja, warte mal kurz." Sie dreht ihr Smartphone zu mir. "Les mal."

Genervt verdrehe ich die Augen, mache aber, was sie sagt. ‚Skandal-Interview von Stations. Wer lügt jetzt eigentlich wirklich?' steht auf dem Bildschirm, darunter ist ein Video eingefügt.

"Deshalb kommen wir zu spät zu Englisch? Lizzy, ernsthaft? Das ist bestimmt nicht ihr erstes Skandal-Interview." Ich male Gänsefüßchen in die Luft, um zu verdeutlichen, wie bescheuert dieser Artikel ist.

"Ja, aber das ist ihr erstes, seit...dem Sommer, du weißt schon", meint sie. Ich schüttle nur den Kopf und laufe weiter. Ich weiß auch, dass es das erste Interview ist, aber ich habe trotzdem nicht das Bedürfnis, sofort herauszufinden, was es mit diesem Artikel auf sich hat.

**

Quinn

Ich verlasse das Schulhaus und atme erleichtert die kühle Luft ein. Eliza hat den ganzen restlichen Tag von nichts anderem als diesem blöden Interview und dem Ball geredet. Ich bin froh, dass jetzt endlich Schulschluss ist und ich nach Hause kann. Ich will nur noch entspannen.

Doch mein Plan wird zunichte gemacht, als Milo auf mich zukommt. Na toll. Er hat mir gerade noch gefehlt.

Zuerst überlege ich, einfach weiterzugehen, aber dann bleibe ich doch stehen. Ich kann ja wenigstens kurz mit ihm reden, er ist bestimmt verwirrt, weil ich ihm aus dem Weg gegangen bin.

"Hi", meint er und streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Eins muss man ihm schon lassen, schlecht sieht er nicht aus, mit seinen eisblauen Augen und den dunklen Haaren.

"Hey. Was gibt's?", meine ich.

Milo sieht nervös auf den Boden und beißt sich auf die Lippe. "Ich hab das Gefühl, du bist mir in letzter Zeit aus dem Weg gegangen."

Ich senke den Blick. "Ja, schon", antworte ich leise.

"Warum?"

Ich seufze. Er hat es wirklich nicht verdient, dass ich so gemein zu ihm war. Schließlich hat er mich gerettet, außerdem ist er einfach nur liebenswert. Es ist nicht richtig gewesen, ihn so blöd zu behandeln.

"Ich...also das ist kompliziert", sage ich ausweichend.

Milo durchbohrt mich förmlich mit seinem Blick und ich würde gern im Erdboden verschwinden. Im Nachhinein ist mir mein Benehmen wirklich schrecklich peinlich.

"Weißt du, das klingt jetzt bestimmt total doof", fahre ich fort und spiele nervös mit einer meiner Haarsträhnen. "Aber ich will nichts von dir. Du bist mega nett und wir können bestimmt Freunde werden, aber nicht mehr. Ich hab gerade erst Schluss gemacht und kann jetzt keine neue Beziehung gebrauchen."

Ich meine, dass er ein bisschen zusammen sackt, während ich spreche. Als ich fertig bin, nickt er langsam und scharrt mit dem Fuß. "Okay. Dann lass uns nur Freunde sein, ja?"

Erleichtert atme ich aus. Ich hab gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten habe. "Ja. Nur Freunde." Ich lächle leicht und auch er hebt einen Mundwinkel.

"Wir gehen aber doch trotzdem zum Herbstball, oder?", will er wissen.

Ich stöhne leise. "Klar."

"Cool."

Ich setze mich in Bewegung und er folgt mir, die Hände in den Hosentaschen seiner Jeans vergraben. Irgendwie liegt eine Schwere über uns, wir schweigen eine ganze Weile und es ist unangenehm.

Aber es ist das Richtige. Ich kann und will Milo nicht daten, das bekomme ich gerade einfach nicht auf die Reihe. Es ist ja schon schlimm genug, dass Aiden unaufhörlich in meinen Gedanken ist, da kann ich einen zweiten Jungen nicht auch noch gebrauchen.

"Kenne ich ihn?", will Milo plötzlich wissen.

Verwirrt sehe ich ihn an. Was meint er denn jetzt? "Wen?"

"Deinen Ex", erklärt er. "Du hast doch gesagt, du hast gerade erst Schluss gemacht."

Oh mann. Außer Eliza habe ich keinem an der Schule von Aiden erzählt und die meisten scheinen es auch nicht mitbekommen zu haben. Die bewegen sich sowieso eher im Genre Pop, die kennen Stations wahrscheinlich gar nicht.

Ich zucke mit den Schultern, während ich meinen Blick starr auf den Boden gerichtet habe. "Ich weiß nicht, ob du ihn kennst."

Es ist nicht so, dass es mir unangenehm wäre, über meine Beziehung mit Aiden zu sprechen. Aber ich will nicht als das betrogene kleine Mädchen dastehen, das sich eingebildet hat, sie wäre die Eine. Das ist unangenehm.

"Du kannst mir ja sagen, wie er heißt. Geht er hier auf die Schule?", bohrt Milo weiter.

"Nein. Er geht nicht mehr zur Schule", antworte ich vage. Ich sehne mich nach Zuhause. Ich will nur noch in mein Bett liegen und mir um nichts mehr Gedanken machen.

"Also ist er älter?" Ich beschließe, Milo jetzt einfach die ganze Wahrheit zu erzählen, seine Fragen fangen nämlich an, mich zu nerven.

"Ein bisschen, ja. Aiden ist 17, soviel ich weiß wird er in ein zwei Monaten 18 und ich habe ihn auf einem Konzert seiner Band kennengelernt. Er war ein totales Arschloch, ich hab mich trotzdem in ihn verliebt und war blöd genug anzunehmen, dass er sich für mich ändert. Scheiße gelaufen, er hat mich nämlich betrogen. Bist du jetzt zufrieden?"

Wütend lasse ich ihn stehen und laufe davon. Manchmal kann Milo so nett und liebenswürdig sein, aber er erkennt einfach nicht, wann es genug ist. Ich kenne ihn ja kaum, ich wollte ihm nicht davon erzählen, aber er hat mich quasi genötigt.

Klar hat er nicht wissen können, dass meine Trennung nicht einfach so easy peasy abgelaufen ist, aber er hätte nicht so bohren müssen.

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