1| Von Teddybären und Videos
Quinn
Ich schlinge meine Arme um meinen Körper und unterdrücke ein Zittern, während ich neben Eliza auf dem Schulhof stehe. Der Boden ist nass, weil es letzte Nacht geregnet hat und ich friere.
Eigentlich passt das Wetter ganz gut zu meiner Stimmung, denn die ist im Keller. Ich bin müde, weil ich kaum Schlaf bekomme. Schuld daran ist ein blonder Rockstar, der nicht aus meinen Gedanken verschwinden will.
Meine Freundin neben mir stößt mich an. "Hast du den neuen Schüler schon gesehen?"
"Welchen neuen Schüler?" Irgendwie bin ich immer die Letzte, die solche Sachen erfährt.
"Na, der neue halt. Ich weiß nicht, wie er heißt, oder wie er aussieht."
Eliza scannt den Schulhof, was aber zwecklos ist, sie könnte genauso gut nach der Nadel im Heuhaufen suchen, so viele Schüler gibt es hier. Da fällt ein neuer kaum auf.
"In welche Stufe geht er denn?", frage ich.
"In unsere, glaub ich", antwortet sie und gibt es auf, den Neuen finden zu wollen. Stattdessen mustert sie mich. "Wie geht's dir eigentlich?"
Ich verdrehe kaum merklich die Augen. Seit ich nach LA zurückgekehrt bin, fragt Eliza das ständig. Und ich kann ihre Sorge ja nachvollziehen, aber trotzdem ist es manchmal einfach nervig. "Gut, immer noch. Ich habe Aiden hinter mir gelassen."
Das stimmt nicht so ganz. Auch wenn ich ihn am Tag erfolgreich verdränge, in der Nacht kommt er wieder. Und dass ich ihn im Entzug besucht habe, macht das Ganze nicht wirklich besser.
Eliza nickt trotzdem zufrieden und streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Sie hat sich ihre blonden Locken abschneiden lassen, sie sind jetzt nicht mal mehr kinnlang. Aber es steht ihr.
"Hast du nach der Schule schon was vor?", fragt sie und ich schüttle langsam den Kopf. Generell ist meine Lust, etwas zu unternehmen, ziemlich gering, weil es erstens kalt ist und zweitens ich sonst immer was mit Aiden unternommen habe.
"Ich könnte zu dir kommen, was meinst du? Wir können einen Film schauen, oder sonst was machen", schlägt meine Freundin vor.
"Ja, okay. Ich frag nachher Mom und sag dir dann Bescheid." In diesem Moment summt die Schulglocke und Eliza und ich setzen uns in Bewegung, genau wie alle anderen Schüler. Wir werden mit der Masse ins Gebäude gedrückt, erst in den Fluren werden die Menschen weniger.
Ich stapfe zu meinem Schließfach, erleichtert, wieder im Warmen zu sein. Ich schlüpfe aus meiner Jacke, schmeiße sie in den Spind, nehme meinen Rucksack und will gerade zu Mathe gehen, als mir ein Junge auffällt, der etwas verloren im Gang steht.
Er hat dunkelbraune Haare, trägt ein blaues Shirt, bei dessen bloßem Anblick ich Gänsehaut bekomme und eine schwarze Jeans. Sein Blick trifft meinen und mir fallen seine eisblauen Augen auf.
Während ich ihn noch immer anstarre, kommt er auf mich zu und lächelt. "Hi. Weißt du zufällig, wie ich zu Mathe komme?"
Dann ist er wohl der neue Schüler, von dem Eliza erzählt hat. Er sieht ein bisschen aus wie ein Teddybär, irgendwie niedlich.
"Äh, ja", antworte ich und lächle ebenfalls. "Ich kann dich begleiten, ich muss auch zu Mathe."
Er strahlt. "Danke. Ich bin übrigens Milo."
Milo streckt mir seine Hand entgegen und ich schüttle sie. "Quinn."
**
Quinn
Ich werfe die Haustür hinter mir ins Schloss und lasse meinen Rucksack achtlos im Flur liegen.
"Ich bin wieder da!", rufe ich und gehe in die Küche, wo Mom am Tisch sitzt und über irgendwelchen Unterlagen brütet.
Zuerst hat sie den Job als Tourmanagerin kündigen wollen, wegen dem ganzen Drama mit Aiden und mir, aber ich hab sie überreden können, es nicht zu tun. Erstens, weil sie nicht gerade wenig verdient, zweitens, weil ich ja auch merke, dass es ihr eigentlich ziemlich Spaß macht.
"Hey, Quinny. Wie wars in der Schule?", fragt sie und fährt mir kurz durchs Haar, bevor sie sich wieder dem Papierkram widmet.
"Ganz okay", meine ich und lasse mich auf den Stuhl neben ihr fallen. "Was machst du da?"
"Das sind die Unterlagen für Auftritte und Interviews, die anstehen", erklärt sie. "Jetzt, wo Aiden auch aus dem Entzug ist, gibt es viele Termine."
"Er wurde entlassen?" Ich versuche, nicht allzu neugierig zu klingen, schließlich sollte mich sein Leben eigentlich einen feuchten Dreck kümmern, aber irgendwie will ich wissen, was er so macht, ob es ihm gut geht.
"Vor zwei Tagen", nickt Mom. "Am Donnerstag treffe ich mich mit der Band." Sie wirft mir einen Blick zu. "Ich brauche dich nicht zu fragen, ob du mitkommen willst, oder?"
Ich schüttle kaum merklich den Kopf. Ich würde Grayson, Olive und Jordan gern wiedersehen, aber Aiden würde auch da sein. Und ihn will ich nicht so unbedingt wiedersehen.
Mom nickt. "Okay. Willst du schon mal mit deinen Hausaufgaben anfangen, ich mach hier noch schnell fertig und koch dann."
"Mach ich." Ich lächle ihr zu, gehe dann in den Flur, um meinen Rucksack zu holen und verschwinde dann in meinem Zimmer.
Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und werfe mich damit aufs Bett. Da sich meine Lust auf Hausaufgaben in Grenzen hält, scrolle ich ein bisschen durch Twitter, bis ich beim Profil von Stations hängen bleibe.
Der letzte Tweet verkündet genau das, was Mom mir auch eben schon gesagt hat: Aiden, Grayson, Jordan und Olive sind jetzt alle aus dem Entzug entlassen, es werden bald wieder Auftritte und Termine kommen.
Ich drehe mich auf den Rücken und sehe an die Decke. Irgendwie ist es komisch, zu wissen, dass Aiden jetzt wieder draußen ist. Als er noch in der Entzugsklinik war, da bin ich entspannt gewesen, weil ich gewusst habe, dass er mir nicht zufällig über den Weg laufen kann.
Aber jetzt kann er das. Und ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich ihm gegenüberstände. Ob ich wieder so gefasst sein kann, wie, als sich ihn besucht habe.
Mom reißt mich aus meinen immer trister werdenden Gedanken: "Quinny?! Kommst du?"
Ich bejahe und richte mich auf. Ich werfe einen letzten Blick auf mein Handy, wo immer noch der Twitter-Account aufleuchtet. Dann verlasse ich mein Zimmer und gehe in die Küche, wo Mom schon mit dem Essen wartet.
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Quinn
"Na du?", begrüßt mich Eliza, als ich ihr die Tür öffne. Ich grinse und trete beiseite, um sie ihn die Wohnung zu lassen, während ich mir meine Haare zusammenbinde.
Sie macht die Haustür hinter sich zu und hält eine Tüte Gummibärchen hoch. "Ich hab was mitgebracht!"
"Super!" Ich schnappe ihr die Tüte aus der Hand und gebe Mom Bescheid, dass wir in meinem Zimmer sind, dann setze ich mich neben meine Freundin aufs Bett.
Eliza beißt sich grinsend auf die Lippe und hält mir ihr Smartphone entgegen. "Schau dir das mal an."
Ich schmeiße die Gummibärchen auch aufs Bett und sehe mir dann an, was sie mir zeigen will. Irgendein Artikel, mit einem verschwommenen Bild. ‚Rockstar war gestern', steht da als Überschrift.
"Was ist das?", will ich wissen und reiße die Packung auf. Ich strecke sie meiner Freundin entgegen, die sich eine Handvoll Gummibärchen nimmt und dann die Augen verdreht.
"Das ist ein Artikel." Ach, das hätte ich jetzt gedacht.
"Und worüber? Das Bild ist doch total unscharf", meine ich und schiebe mir ein grünes Bärchen in den Mund. Die mag ich am Liebsten.
"Über Aiden", flüstert Eliza.
"Okay? Und warum zeigst du mir das?" Ich versuche, betont lässig zu klingen, allerdings zieht sich mein Magen zusammen. Ich will es gar nicht wissen.
Sie seufzt. "Ich les dir vor."
Ich verdrehe die Augen, aber sie sieht es nicht. "Von mir aus."
"Vor wenigen Tagen erst wurde Aiden de Vil, Frontmann der Band Stations, aus dem Entzug entlassen. Ein Gericht verurteilte ihn vor vier Wochen zu diesem, genau wie Bandkollegen Grayson Hall, Olive Ramirez und Jordan Carter. Nun zeigte sich Aiden zum ersten Mal wieder in der Öffentlichkeit. Im Video sieht man ihn, wie er Kisten in sein Haus am Stadtrand von Los Angeles trägt. Seine mysteriöse Freundin, die ihn auf Ashton Jones' Spendengala begleitet hat, war nicht dabei und wir fragen uns, ob sie irgendetwas mit der Verurteilung der Band zu tun hat."
Eliza ist fertig und ich stemme wütend die Arme in die Hüften. "Das ist doch nicht der ihr Ernst, oder? Erstens, im Video sieht man quasi gar nichts, zweitens, was soll ich denn mit der Verurteilung zu tun haben?"
"Naja, so gaaanz unschuldig bist du ja nicht", meint sie und sieht mich an.
"Ja schon", rudere ich zurück und schiebe mir ein weiteres Gummibärchen in den Mund. Diesmal ein rotes. "Aber da klingt es so, als wäre es komplett meine Schuld. Und das ist es nicht."
"Hey, ich steh auf deiner Seite." Sie hebt die Hände und grinst. "Eigentlich wollte ich dir damit nur zeigen, dass Aiden jetzt wieder aus dem Entzug ist."
"Schlaubi", grummle ich. "Glaubst du, ich weiß das noch nicht? Mom ist schließlich immer noch Managerin, sie hats mir schon erzählt."
"Okay." Eliza spielt mit einer ihrer kurzen Haarsträhnen. "Was wirst du jetzt tun?"
"Wegen Aiden?" Sie nickt. "Ich weiß es nicht", antworte ich ehrlich.
Ich habe ihr nicht erzählt, dass ich ihn besucht habe und ich will es auch nicht. Ich kann ja nicht erklären, warum ich das getan habe und Eliza würde eine Erklärung wollen. Dementsprechend denkt sie, ich habe ihn zuletzt beim Prozess gesehen -von dem ich ihr übrigens haarklein berichten musste.
"Ich meine, ich liebe ihn", fahre ich fort. "Ein Teil von mir will ihn unbedingt sehen, will so tun, als sei das mit der Blondine nie passiert. Aber der andere Teil eben nicht. Dieser Teil kann nicht einfach vergessen, was passiert ist, kann nicht einfach so tun, als sei alles okay. Ich will nicht mit ihm reden, ich will nicht wissen, warum er das getan hat. Ich will..."
Ich zögere. Was will ich denn?
"Schon okay", sagt Eliza und umarmt mich. "Das war eine bescheuerte Frage von mir, tut mir leid."
Ich tätschle ihre Schulter und zwinge mich, zu lächeln, auch wenn mir zum Heulen zumute ist. "Schon okay. Jetzt lass uns einen Film schauen, sonst wird es zu spät und du musst nach Hause."
Sie wirft mir einen forschenden Blick zu, bevor sie nickt und zu meinem Filmregal geht. "Twilight!"
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