45 | Happy Birthday
Das vorletzte Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch.
2017.
„Also ist das jetzt wieder richtig offiziell mit euch beiden?"
Alessa saß gegenüber von Cassie an dem kleinen, hübsch gedeckten Küchentisch und musterte sie aufmerksam. Auch Malia und Willow beobachteten sie neugierig.
„Ich weiß nicht, ich denke schon", antwortete sie unsicher.
„Gott sei Dank! Darauf habe ich schon seit Barcelona gewartet", platzte es erleichtert aus Malia heraus.
„Du weißt schon, dass sie da noch mit Chris zusammen war?", warf Willow trocken ein, die gemeinsam mit den Freundinnen am Küchentisch saß.
„Ist echt so", pflichtete Alessa ihr bei, doch Malia zuckte nur mit den Schultern.
„Was soll ich euch sagen? Ich konnte Chris nie besonders gut leiden und mein schlechtes Bild von ihm hat sich ja wohl leider auch bewahrheitet", gab sie zurück.
„Hast du eigentlich noch mal was von Paola gehört?", wollte Alessa wissen.
„Nein, habe ich nicht. Aber ich will auch überhaupt nicht mit ihr reden. Sie ist für mich ebenso gestorben wie Chris. Können wir an meinem Geburtstag vielleicht nicht über unwichtige Menschen sprechen?", fragte Cassie seufzend.
„Du hast Recht, tut mir leid. Lass uns über schöne Dinge sprechen", sagte Malia schnell.
„Zum Beispiel über L.A.", forderte Alessa grinsend.
Cassie grinste ebenfalls und aß noch etwas von Willows selbstgebackener, liebevoll dekorierter Geburtstagstorte.
„L.A. war der Wahnsinn. Die Fotos, die ich auf Instagram gepostet habe, können das eigentlich kaum wiedergeben", schwärmte sie und lächelte glücklich.
„Ich war ja schon ein kleines bisschen neidisch. Dieses Foto von dir am Venice Beach war einfach toll", räumte Willow ein und nippte an ihrem Milchkaffee.
„Du musst auf jeden Fall auch hin. Würde dir wirklich gefallen. L.A. ist echt eine coole Stadt. Das Wetter war super, nicht zu heiß und nicht zu kalt. Palmen so weit das Auge sieht. Und die Menschen sind echt entspannt drauf. Allerdings auch super überteuert und der Verkehr ist schon teilweise echt krass. Also zum Urlaub machen echt schön, aber leben könnte ich da glaube ich nicht."
„Da hat John echt wieder einen rausgehauen", fügte Alessa grinsend hinzu.
„Und ich hab es wieder mal nicht geahnt. Als er mich nachts geweckt hat, um mir zu sagen, dass ich ihn um Flughafen fahren muss, habe ich mir wirklich nichts dabei gedacht. Echt unglaublich, dass er so was heimlich hinter meinem Rücken geplant und abgewickelt hat", sagte Cassie.
„Er kennt dich einfach und weiß, dass du Überraschungen liebst – und du es niemals angenommen hättest, wenn er dich vorher gefragt hätte", sagte Willow.
„Ich will gar nicht wissen, was das alles gekostet hat. Ich muss mir wirklich was Gutes einfallen lassen, um mich bei ihm zu revanchieren."
„Also ihm fallen da sicher ein paar Dinge ein", grinste Alessa.
„Was ist überhaupt mit ihm? Wollte er nicht auch kommen?", fragte Willow neugierig.
„Erst abends irgendwann, er muss vorher noch was erledigen."
Doch Cassie störte das nicht, im Gegenteil. Sie genoss dafür die Zeit mit ihren Freundinnen in vollen Zügen. Sie trafen sich in der letzten Zeit sowieso viel zu selten. Nach dem obligatorischen Geburtstagskuchen kam auch Cassies Mutter von der Arbeit und gesellte sich dazu. Cassie servierte Fingerfood im Wohnzimmer, dann ließ sie sich auf die Couch zwischen ihre Freundinnen, ihre Mutter und ihre Schwester sinken und packte ihre Geschenke aus.
Obwohl sie wunschlos glücklich war, freute sie sich über jedes einzelne. Ihre Mutter schenkte ihr eine rosegoldene Uhr und einen in Beige- und Brauntönen gemusterten Fendi-Pullover. Von Willow bekam sie ein Buch und einen Gutschein für eine Thai-Massage. Ihre Freundinnen hatten zusammengeschmissen und schenkten ihr ein teures Armband mit Gravur und ein selbst gestaltetes Fotoalbum mit Bildern, die bis in ihre Schulzeit zurückreichten.
„Ihr seid doch verrückt. Vielen, vielen Dank", sagte sie glücklich und schloss alle dankbar in die Arme, bevor sie alle Geschenke ordentlich nebeneinander aufreihte.
„Das war aber noch nicht alles", sagte Malia bedeutungsschwanger.
Cassie runzelte skeptisch die Stirn.
„Noch mehr? Das ist wirklich nicht nötig", sagte sie bescheiden.
„Nur noch eine Kleinigkeit. Hat mit dem restlichen Abend zu tun. Du solltest dir vielleicht was anderes anziehen", erklärte Alessa und deutete auf ihre gemütliche Leggings und das dazu passende Longshirt. Cassie biss sich auf die Zunge.
„Ich find echt süß, dass ihr noch irgendwas für mich geplant habt, aber ich bin mit John verabredet."
„Ich weiß, aber wir würden echt gern noch was mit dir unternehmen. Und bis er Zeit hat, dauert es doch sowieso noch was. Er kann doch dann nachkommen und ihr könnt euch von dort aus absetzen. Ich denke nicht, dass er was dagegen hätte. Er ist doch ziemlich locker, oder?", schlug Malia vor.
Cassie lächelte. Sie hate Recht. Außerdem war heute ihr Geburtstag.
„Wo geht's denn hin?", fragte sie neugierig.
„Das siehst du dann", antwortete Malia rätselhaft.
Cassie wusste, dass sie keine Chance hatte, ihren Freunden dieses Geheimnis zu entlocken, doch sie freute sich sehr darüber, dass sie sich noch eine Kleinigkeit für sie ausgedacht hatten. „Okay, wann müssen wir los?", fragte sie also und musterte ihre Freundinnen neugierig.
„So in einer halben Stunde, denke ich", antwortete Alessa.
Cassie schaute auf ihre neue Uhr, die sie sich bereits über das Handgelenk gestreift hatte.
„Das schaffe ich. Ich ziehe mich eben um", sagte sie, dann nahm sie ihre Geschenke, brachte sie in ihr Schlafzimmer und tauschte anschließend die Leggings und das Shirt gegen ihren neuen Pullover und eine knackig-enge Jeans. Im Bad ging sie noch einmal durch ihre Haare und schminkte sich nach, dann kehrte sie zu ihren Freundinnen zurück, die gerade über irgendetwas tuschelten.
„Wow, steht dir richtig gut", versuchte Willow, von ihren Heimlichkeiten abzulenken. Cassie lächelte vorfreudig.
„Was auch immer euer geheimnisvoller Plan ist – ich bin so weit."
Kurz darauf saß sie nervös auf Alessas Beifahrersitz und versuchte, anhand der Fahrtroute herauszufinden, wo genau es hinging. Noch hatte sie überhaupt keine Vorstellung.
„Also, wenn wir nicht ins Kino gehen, nicht auf den Dom und nichts essen, was machen wir dann?", versuchte sie erneut, ihren Freundinnen einen kleinen Hinweis zu entlocken. Doch keine von ihnen antwortete ihr.
„Du bist echt der ungeduldigste Mensch, den ich kenne", erwiderte Malia stattdessen vom Rücksitz.
„Sagt die Richtige", kommentierte Alessa trocken.
„Ist echt so", pflichtete Cassie ihr bei.
„Deswegen verstehen Cas und ich uns ja auch blind. Weil wir ähnlich ticken", sagte Malia wissend.
Cassie lächelte.
„Stimmt", räumte sie ein. Sie waren schließlich nicht umsonst schon so viele Jahre befreundet.
Alessa drehte die Musik lauter.
„Wisst ihr noch?"
„Oh mein Gott, ja!", quiekte Malia vom Rücksitz, bevor sie gemeinsam mit Alessa und Cassie lauthals begann, den alten Wayne-Wonder-Song mitzusingen.
"No letting go, no holding back
Because you are my lady
When I'm with you it's all a that
Girl, I'm so glad we've made it
No letting go, no holding back
No holding back, no
When I'm with you it's all a that
All a that."
Es war einer der vielen Momente, in denen Cassie sich ihren Freundinnen nah und verbunden fühlte. Er erinnerte sie daran, wie lang sie eigentlich schon befreundet waren und was sie gemeinsam durchgestanden hatten. Sie war dankbar für jede Erinnerung, die sie miteinander teilten. Aber nicht nur mit ihren Freundinnen verband sie etwas mit diesem Song; auch mit John hatte sie ihn oft gehört, ihn mitgesungen, dazu getanzt oder mit ihm geknutscht. Er war einer ihrer vielen gemeinsamen Songs gewesen und sie fand es irgendwie schön, dass er ausgerechnet jetzt lief, wo sie wieder zueinander gefunden hatten. Eine ganze Weile sangen sie alte Lieder mit, bis Cassie schließlich realisierten, wohin sie fuhren.
„Wir fahren in die Altstadt", stellte sie fest, als sie verstand.
„Wir sind schon in der Altstadt", korrigierte Alessa, als sie an einer roten Ampel hielt.
Cassie seufzte lautlos. Es fühlte sich seltsam an, wieder hier zu sein, seit ihr Traum vom eigenen Studio geplatzt war. Doch heute würde sie nicht darüber nachdenken, sondern Spaß mit ihren Freundinnen haben. Als Alessa jedoch in eine Parallelstraße zum verlorenen Studio abbog, scheiterte Cassie an der Umsetzung ihres guten Vorsatzes. Die Erinnerung an den Tag, als sie sich während der Besichtigung in die Räumlichkeiten verliebt hatte, kehrte in ihr Gedächtnis zurück, auch, wenn sie versuchte, sie zu verdrängen. Um sich abzulenken, suchte sie auf Alessas Anlage nach einem anderen Song. Als Alessa den Wagen plötzlich am Straßenrand parkte, stutzte sie.
„Sind wir da?"
Erst, als sie sich umschaute, erkannte sie, dass Alessa unmittelbar vor dem Studio in zweiter Reihe der viel befahrenen, völlig zugeparkten Straße gehalten hatte.
„Wir nicht. Du ja."
Cassie wollte gerade etwas sagen, als sie ihn sah; John. Er stand ein paar Meter von ihnen entfernt auf dem Bürgersteig und beobachtete sie. Es war ein bisschen so wie damals, als er sie mit seinem Spontantrip nach Amsterdam überrascht hatte.
Als Cassie verstand, dass ihre Freundinnen wieder einmal mit John unter einer Decke steckten, schüttelte sie grinsend den Kopf.
„Ihr kriegt mich echt immer wieder", lächelte sie.
„Du kennst uns doch mittlerweile eigentlich wirklich lang genug", sagte Malia anklagend. Ein paar Autos hinter ihnen hupten bereits.
„Steig schon aus, Cas. Ich kann hier nicht so lang stehenbleiben", forderte Alessa.
„Danke für alles. Ich liebe euch", sagte Cassie und warf jeder von ihnen einen Luftkuss zu, dann sprang sie aus dem Auto und lief mit einem mulmigen Gefühl im Bauch zu John hinüber. Warum wartete er ausgerechnet hier auf sie? Sie wollte sich weigern zu glauben, dass es etwas mit dem Studio zu tun hatte, und doch war es die einzig logische Erklärung, auch, wenn sie nie gemeinsam hier gewesen waren.
„Happy Birthday, Shorty", lächelte er und streifte sich die Kapuze seines Pullovers vom Kopf. Dann zog er sie zu sich heran, um sie mit einem Kuss auf die Lippen zu begrüßen. Cassies Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie war unendlich aufgeregt. Ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt, denn eine Vorahnung beschlich sie, von der sie noch nicht wusste, was sie davon halten sollte.
„Danke", lächelte sie verunsichert.
„Geht's dir gut?", fragte er.
„Ja, und dir?"
Er lächelte, dann nahm er ihre Hand und schlenderte gemeinsam mit ihr die langgezogene Häuserfassade entlang.
„Gut. Hast du schön gefeiert mit den Mädels?", fragte er scheinheilig.
„Ja, es war super schön."
Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her.
„Warum treffen wir uns hier?", fragte sie ihn, als sie es vor lauter Spannung kaum noch aushielt.
„Da vorne ist ein super Laden. Ich war neulich mit Joe dort essen. Den wollte ich dir zeigen", sagte er und deutete auf ein Restaurant ein paar hundert Meter die Straße hinunter. Cassie biss sich auf die Unterlippe. Dass sie sich hier trafen, war tatsächlich kein Zufall, hatte allerdings offenbar doch nichts mit dem Studio zu tun. Vielleicht war es einfach nur ein Zeichen dafür, dass sie endlich damit abschließen sollte und ihr Leben trotzdem weiter ging.
Bereits die in warmen Farben gestrichenen Wände und die dazu passende Inneneinrichtung versetzte sie in die Wärme Italiens. Sie suchten sich einen Tisch im hinteren Bereich und bestellten sich etwas zu trinken und etwas zu essen. Dann erzählte John ihr von seinem stressigen Tag im Studio und seinem Besuch bei seinem Vater, bevor er sie nach all den Geschenken fragte, sie sie bekommen hatte. Sie unterhielten sich eine Weile über alltägliche Dinge, bis der Kellner schließlich Johns Pizza und Cassies Pasta brachte. John hatte nicht gelogen; das Essen schmeckte wirklich gut.
Erst nach dem Abendessen, als der Kellner den Tisch abgeräumt hatte, reichte John ihr ein kleines Päckchen über den Tisch. „Hätte ich fast vergessen", sagte er, als Cassie es kurz neugierig betrachtete.
„Eigentlich dachte ich, L.A. wäre so was wie mein Geschenk", kommentierte sie ehrlich und entlockte ihm ein Lächeln.
„Laber nicht so viel und mach es einfach auf", forderte er ungeduldig. Wie hatte er es überhaupt geschafft, sie so lang hinzuhalten?
Cassie folgte seiner Aufforderung und riss das bunte Geschenkpapier auf. Darunter kam eine kleine Schatulle zum Vorschein. Sie schluckte, als sie verstand, dass er dabei war, ihr einen Ring zu schenken. Wollte er sich etwa mit ihr verloben? Sie waren doch gerade erst wieder zusammen.
Sie starrte ihn mit offenem Mund aus großen Augen an. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, während ihre zitternden Finger das kleine Kästchen öffneten. Johns eindringlicher Blick ließ sie erschaudern. Sie hielt den Atem an, als sie die Schatulle auseinanderklappte. Doch zu ihrer Verwunderung lag kein Ring darin, sondern ein Schlüssel. Cassie schaute irritiert von der Schatulle auf, geradewegs in seine funkelnden Augen. Dann verstand sie und ihr Herz machte einen kleinen Sprung. Es machte sie glücklich, dass er bereit war, den nächsten Schritt zu gehen. Das zeigte, wie wohl er sich damit fühlte, wieder mit ihr zusammen zu sein. Ihr ging es genauso.
„Dein Haustürschlüssel!", platzte es strahlend aus ihr heraus.
John grinste.
„Fast."
Sie legte fragend den Kopf schief. Als sie endlich realisierte, was gerade passierte, wurde ihr Hals trocken und ihre Finger begannen erneut, vor Nervosität zu zittern.
„Nie im Leben."
Ich weiß, der Cut ist fies. Wie immer. Wie hat euch das Kapitel gefallen? Ich möchte die Geschichte gar nicht beenden.
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