3 | 35 | Schlaflose Nächte

Ich  hoffe, ihr habt Spaß mit dem Kapitel :) Also ich mag es, und ich sage das ja selten bei meinen Geschichten, weil ich so selbstkritisch bin.

John seufzte tief und ließ seine Augen nochmals über die letzten Zeilen gleiten, die Cassie ihm geschrieben hatte.

„Was ist nur los mit uns, John? Wieso streiten wir, statt zusammenzuhalten? Ich habe das Gefühl, dass wir uns immer weiter voneinander entfernen. Das will ich nicht, und ich weiß, dass du es auch nicht willst. Ich will nicht, dass das kaputtgeht, was wir haben. Ich vermisse dich."

Er fuhr sich übers Gesicht. Nach wie vor konnte er nicht schlafen, drehte sich immer wieder angespannt von der einen Seite auf die andere. Das Gespräch mit Raphael hatte ihn nur noch unruhiger gemacht, dabei hatte er sich das Gegenteil davon versprochen. Cassie war offenbar nicht in der besten emotionalen Verfassung und als Raphael nach ein paar guten Ratschlägen schlafen gegangen war, hatte er probiert, Cassie anzurufen, doch er hatte sie nicht erreicht.

Vermutlich lag sie bereits längst im Bett und schlief; so wie er es ebenfalls tun sollte. Doch egal, wie sehr er sich auch bemühte, an nichts zu denken – es gelang ihm nicht. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu seiner Freundin zurück. Er wusste, dass sie gerade eine nervige Zeit durchmachten, aber sie hatte Recht. Sie sollten zusammenhalten, statt sich die Köpfe einzuschlagen. Nicht zuletzt wegen seiner Sturheit und seinem Temperament kam es überhaupt so weit.

„Ich vermisse dich auch", tippte er, löschte die Nachricht jedoch wieder – so wie die unzähligen davor, die er ebenfalls nicht abgesendet hatte. Er konnte es kaum erwarten, morgen wieder nach Hause zurückzufliegen und mit ihr zu reden. Als er realisierte, dass er sich erst neulich in einer ähnlichen Situation befunden hatte, schüttelte er den Kopf. Es ärgerte ihn, dass sie keine Fortschritte zu machen schienen, was nicht zuletzt seine Schuld war.

Er ließ sein Kopf in das weiche Kissen sinken, das sein Freund ihm bereitgelegt hatte, doch es gelang ihm nicht, sich zu entspannen. Also machte er einen weiteren Versuch, Cassie anzurufen, auch, wenn er eigentlich wusste, dass es sinnlos war. Sie schaltete den Ton aus, wenn sie schlafen ging, also würde sie es vermutlich gar nicht mitbekommen. Deshalb wollte er gerade wieder auflegen, als es in der Leitung klickte.

„Hallo..."

Er runzelte die Stirn, als er Martens Stimme erkannte. Dann auf einmal begann sein Gehirn zu arbeiten.

„Was ist mit ihr?", fragte er nervös und richtete sich auf.

„Nichts, Diggi. Sie hat ihr Handy in meinem Auto vergessen", antwortete Marten. Er klang angespannt.

„Okay", gab er misstrauisch zurück. War es ihr so schlecht gegangen, dass sie sich mit ihm getroffen und sich ausgeheult hatte? Er versuchte, sie dafür nicht zu verurteilen, schließlich hatte sie ihm erst neulich versichert, dass Marten keinerlei Konkurrenz für ihn darstellte. Er war sein Cousin und John wusste, dass auch nicht so eine linke Sache mit ihm abziehen würde, also zwang er sich zur Ruhe. „Was ist passiert?"

Marten seufzte schwer. Sofort gingen all seine Alarmglocken an.

„Sie war mit ihren Freundinnen feiern und hat ein bisschen zu viel getrunken. Ich habe sie abgeholt, zu mir nach Hause gebracht und bin wieder in den Laden gefahren", erzählte Marten.

„Wieso zu dir?", hakte John irritiert nach. Marten ächzte erneut auf.

„Eigentlich hatte ich nicht mal Zeit, sie abzuholen, und als ich auf dem Weg dorthin war, weil Malia mich angerufen hat, als ginge es um Leben und Tod, hat mich Yasmin aus dem Laden angerufen. Lilli hat sich wieder irgendeine Scheiße eingeschmissen und hatte einen ihrer Anfälle. Gerade, als ich Malia abgesetzt habe, rief Yasmin wieder an und hat so übertrieben, dass ich geglaubt habe, Lilli wäre beinah draufgegangen. Also hatte ich nicht die Zeit, bis zu euch rauszufahren und bin der Meinung, bei mir ist sie immer noch besser aufgehoben als im Dolls. Ich dachte, das wäre auch in deinem Sinn", erzählte Marten. Es wirkte, als täte es ihm gut, sich den Stress von der Seele zu reden.

„Klingt, als hättest du ne beschissene Nacht, Diggi", kommentierte John erleichtert darüber, dass seiner Freundin nichts zugestoßen war, sondern sie lediglich zu viel getrunken hatte.

„Frag nicht", bat Marten ihn gereizt. „Ich bin immer noch stinksauer."

„Hätte ich nie geahnt, wenn du gerade nichts gesagt hättest", lachte John, bevor er ernst wurde. „Danke, dass du dich um sie gekümmert hast."

„Immer", sagte Marten. „Als du mich gefragt hast, ob ich auf sie aufpassen kann, habe ich ja gesagt, und wenn ihr euch endlich zusammenreißt, ist es auch ein Versprechen für immer."

„Sie hat dich also doch vollgeheult", schlussfolgerte er mürrisch.

„Du solltest gucken, dass ihr das in Ordnung bringt. Du kannst mir nicht auf der einen Seite Vorträge halten, wie ich meine Beziehung führen soll, und auf der anderen deine eigene vor die Wand fahren", kommentierte Marten entschieden.

„Ich weiß, Diggi", räumte John ein. „Ich rede mit ihr, wenn ich morgen nach Hause komme. Bleibt sie so lang bei dir?"

„Weiß nicht. Ich kann sie rüberfahren, wenn ich ausgeschlafen hab", bot er an.

„Danke, man", sagte John. „Kann ich irgendwas für dich tun?"

„Nichts, worüber ich am Telefon sprechen kann", lachte Marten.

John lachte ebenfalls, bevor sie das Telefonat beendeten. Eine ganze Weile starrte John nachdenklich in die Dunkelheit des Wohnzimmers und ließ seine Gedanken wieder zu Cassie schweifen. Sie hatte also zu viel getrunken. Auch das passte nicht zu ihr; genau wie emotionale WhatsApp-Nachrichten. Doch wenigstens ergab sich jetzt ein Gesamtbild für ihn. Je länger er darüber nachdachte, desto tiefer sank er irgendwann endlich in eine beruhigende Gedankenlosigkeit herein, bis er endlich loslassen konnte und einschlief.

Als er seine Augen wieder aufschlug, war es noch immer dunkel im ihn herum. Leise Stimmen drangen leise an sein Ohr. Es dauerte eine ganze Weile, bis er realisierte, wo er war. Er blinzelte einige Male, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, dann rappelte er sich auf, schlug die Decke zur Seite und quälte sich auf die noch müden Beine. Leises schlich er zur angelehnten Tür, durch deren Licht etwas Licht aus dem Flur in den Raum fiel. Lautlos lief er den endlos langen Flur entlang und folgte den leisen Stimmen.

Es fühlte sich an, als hätte er auf dem Weg die Orientierung verloren, also blieb er stehen und schaute sich um, tastete nach dem Lichtschalter und fragte sich, wohin er überhaupt wollte. Doch dann erregte die kichernde Frauenstimme seine Aufmerksamkeit. Malia war doch überhaupt nicht da. Erst jetzt verstand er, dass er mit ihr zu telefonieren schien und den Lautsprecher eingeschaltet hatte.

Er wollte nicht indiskret sein, also ging er in die Küche, nahm sich eine Flasche aus dem Kühlschrank und kippte das kühle Wasser seine Kehle hinunter, um die Trockenheit in seinem Hals loszuwerden. Anschließend machte er sich auf den Weg zurück ins Wohnzimmer. Als er die Tür aufstieß, blieb er automatisch stehen.

Er erkannte die beiden Silhouetten auf der Couch und legte irritiert den Kopf schief. Edita schien auf Raphaels Schoß zu sitzen, das Gesicht zu ihm gewandt. Während sie sich innig küssten, fuhren seine Hände ihren Rücken hinab. Sein Blick blieb an den kräftigen Händen kleben, die sich unaufhaltsam auf Editas Hintern schoben. Als sie erneut leise in den Kuss hineinlachte, schlug ihm das Herz auf einmal bis zum Hals und er vergaß beinah zu atmen. Auf der Couch saßen nicht Raphael und Edita, sondern-. Er verengte seine Augen zu Schlitzen und versuchte zu verstehen, was in seinem Kopf passierte. Auf einmal schaute der muskulöse Typ im Halbdunkel geradewegs in seine Augen, ließ jedoch nicht von der Frau auf seinem Schoß ab. John schüttelte den Kopf, um die Bilder zu vertreiben, doch sie blieben lebensecht präsent. Martens Augen durchbohrten ihn, während Cassie auf seinem Schoß sich endlich zu ihm umdrehte und er einen Blick in ihr Gesicht erhaschen konnte. Sie lächelte verlegen, als sie John im Türrahmen stehen sah, bevor sie sich mit einem frechen Lächeln auf den Lippen wieder Marten zuwandte. Ihm wurde gleichzeitig heiß und kalt. Dann wurde alles schwarz.

„Steh auf, Bruder."

John schreckte auf. Die grellen Sonnenstrahlen, die durch die aufgezogenen Vorhänge ins Wohnzimmer fielen, blendeten ihn dermaßen, dass er seine Augen mit den Händen abschirmte und grimmig blinzelte. Raphael stand vor ihm und schaute mitleidig auf ihn herab.

„Sorry, man, aber dein Flug geht in zweieinhalb Stunden und-", entschuldigte er sich.

„Schon gut", unterbrach er ihn, als er verstand, und atmete tief durch. Eigentlich hatte er geglaubt, diese beschränkten Träume überwunden zu haben, doch ihn schien das Thema nach wie vor zu beschäftigen.

„Möchtest du was essen? Ich wollte Rührei machen", fragte Raphael.

„Gerne", murmelte er verschlafen und fuhr sich übers Gesicht. Er konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und sich mit Cassie auszusprechen. 

Ich weiß, so viel ist nicht passiert, aber ich denke, wir merken alle, dass John zumindest verstanden hat, dass er sich blöd verhalten hat und etwas ändern will. Das ist ja schonmal ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe, das Telefonat mit Marten hat euch gefallen :p Die nächsten werden auf jeden Fall emotional :p

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top