3 | 33 | Männergespräche

Zeit für das neue Kapitel. Heute gibt es ein Wiedersehen mit ein paar Bekannten... ich hoffe, es gefällt euch 😄

„Möchtest du noch was?"

John wandte Iara seinen Blick zu. Tuas Freundin musterte ihn aufmerksam und hielt ihm eine Schüssel hin. Sie hatte ein schnelles Reisgericht mit Gemüse und Hähnchenfleisch gekocht. John winkte lächelnd ab.

„Ich bin satt, danke", sagte er und sank entspannt gegen die Lehne des Designerstuhls am großen Esstisch in Tuas und Iaras Wohnung.

„Du?", fragte sie und wandte sich an Raphael.

„Sehr gerne", erwiderte er, ehe Iara ihm noch eine Portion Reis auf den Teller gab. „Gemüse?"

„Oh ja, das ist super lecker", sagte er. „Du musst mir das Rezept geben."

„Du kochst?", fragte Iara grinsend.

„Tu nicht so; ich habe euch schließlich oft genug zum Essen eingeladen", kommentierte Raphael beleidigt. Iara grinste.

„Gerne. Ist von meiner Oma."

„Und brasilianische Omas kochen genauso gut wie italienische", grinste Raphael und nahm sich ebenfalls noch etwas Reis.

„Bist du bald fertig mit Essen?", fragte Tua. „Ich dachte, wir wollten noch ins Studio."

Iara zog eine Schnute.

„Hattet ihr nicht was von Spieleabend gesagt?"

„Mit dir mache ich keinen Spieleabend mehr", kommentierte Raphael.

„Weil du immer verlierst", stichelte die und warf ihm ein freches Grinsen zu. „Alternativ könnten wir auch einfach zusammensitzen und ein wenig quatschen."

„Ist langweilig, solang Cassie nicht dabei ist und du dich nicht mit ihr besaufen kannst", konterte Tua. John lachte amüsiert auf, auch, wenn der Gedanke an Cassie seinem Herz einen Stich versetzte. Er wusste, dass er sich ihr gegenüber wieder einmal unfair verhalten hatte, doch die Gewissheit, dass ihr Vater derart intime Details ihrer Beziehung erfahren hatte, hatte ihn wütend gemacht. Er hatte sie nicht anschreien wollen und schämte sich inzwischen dafür, dass er die Kontrolle verloren hatte. Natürlich konnte sie nichts dafür, wenn Rachid irgendwelche Dinge vor ihrem Vater offenbarte, doch Rachid war ihm nach wie vor ein Dorn im Auge; nicht nur, weil er genau wusste, dass er schon immer auf Cassie gestanden hatte, sondern vor allem, weil er schuld daran war, dass sie ihren Traum hatte aufgeben müssen und anschließend so sehr darunter gelitten hatte. Die gesamte Situation rund um Rome hatte ihr den Rest gegeben und bis heute bewunderte er sie dafür, dass sie all das ohne eine Therapie weggesteckt hatte; mehr oder weniger jedenfalls.

Als sie nach der Verabredung mit ihrem Vater nach Hause gekommen und ihm erzählt hatte, wie all ihre Gefühle sich durch den Besuch der Vorstellung überschlagen und sie überwältigt hatten, hatte er einmal mehr realisiert, dass sie nach wie vor nicht wirklich mit dem Thema abgeschlossen hatte. Es wurde Zeit, dass sie das endlich hinter sich lassen und nach vorne sehen konnte, doch sie schien darin gefangen zu sein. Er fragte sich, wie er ihr dabei helfen konnte.

„Ich kann nicht glauben, dass euch das nicht langsam zu doof wird", riss Iaras Stimme ihn aus seinen Gedanken.

„Niemals", sagte Raphael, ohne von seinem Smartphone aufzusehen. „Sie haben Blut geleckt, als ihr euch tatsächlich geküsst haben."

Iara zuckte mit den Schultern.

„Wir waren so naiv zu glauben, es würde aufhören, wenn wir ihrer Bitte endlich nachgeben", erklärte sie.

„Ich hätte euch direkt sagen können, dass ihr es damit nur schlimmer macht", kommentierte Raphael.

Das ist jetzt natürlich Ansichtssache", warf Tua grinsend ein.

„Dein Pech, dass er Cassie diesmal zuhause gelassen hat", entgegnete Iara gleichgültig und machte sich über den Rest Gemüse auf ihrem Teller her. Raphael grinste.

„Willst du immer noch den Abend mit uns allen verbringen?"

Tuas Freundin schüttelte den Kopf.

„Ich halte es super ohne euch aus; ich lese einfach mein Buch weiter", sagte sie trocken.

„Bist du dann endlich soweit?", fragte Tua ungeduldig.

„Deine Freundin kocht für uns und ihr benehmt euch wie die letzten Idioten", entgegnete Raphael kopfschüttelnd. John grinste.

„Danke, Iara. Es war wirklich lecker", versicherte er.

„Hätte ich an deiner Stelle jetzt auch gesagt, aber vergiss es – bei mir bekommst du heute keinen Fuß mehr auf den Boden", erwiderte sie grinsend. Raphael erhob sich.

„Endlich, Diggi. Ich dachte schon, das wird heute doch nichts mehr", sagte John, bevor er sich an Tua wandte. „Kommst du?"

Iara warf ihrem Freund ein Lächeln zu.

„Viel Spaß. Bis später."

„Auf den musst du heute Nacht nicht warten", kommentierte Raphael nüchtern.

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich drüben in der Wohnung sitze, auf die Uhr starre und sehnlich darauf warte, dass er endlich wiederkommt", entgegnete Iara. Tua stieß einen verächtlichen Laut aus, beugte sich jedoch trotzdem für einen Abschiedskuss zu ihr.

„Ich lasse es richtig krachen", platze es aus Iara heraus.

„Mit Kindersekt, oder was?", lachte Tua, wissend, dass sie nichts da hatten, was seine Freundin gern trank.

„Du hast ja keine Ahnung. Ich beschäftige mich schon. Vielleicht kann ich uns noch eine Gesichtsmaske aus dem machen, was ich im Kühlschrank finde. Das wird episch."

„Ja. Klar", grinste Tua, bevor sie sich auf den Weg machten. John zog sein Handy aus der Tasche, um einen Blick darauf zu werfen. Er lächelte, als er Cassies Nachricht sah. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass sie trotz Meinungsverschiedenheit im Gegensatz zum letzten Mal noch miteinander sprachen. Er klickte die Nachricht an, als sie die Tiefgarage erreichten, in der Raphael seinen Wagen geparkt hatte.

„Habe mich mit Willow getroffen."

Mehr hatte sie nicht geschrieben, vermutlich, um sein Interesse zu wecken. Er seufzte lautlos, als er merkte, dass es tatsächlich funktionierte.

„Wie ist es gelaufen?", tippte er. Sofort wechselte ihr Status auf Online.

„Ganz gut, bis ich ihr von Andre und Riana erzählt habe.", antwortete sie.

„Was ist passiert?", wollte er wissen.

„Sie ist abgehauen", schrieb sie.

„Mies", tippte er zurück. „Und jetzt?"

Ich gebe ihr ein paar Tage, dann rufe ich sie wieder an", antwortete sie.

„Ok", tippte er.

„Wie ist Berlin?", fragte sie.

„Fahren gerade ins Studio", schrieb er zurück, als sie Raphaels Wagen erreichten.

„Wie lief das Meeting wegen dem Vertrag?"

Er lächelte und kletterte auf den Rücksitz. Tua nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

„Alles gut gelaufen", tippte er.

„Freut mich", antwortete sie.

Tut mir leid mit Willow", schrieb er.

Sie schickte ihm ein Herz. Er sendete eins zurück, dann steckte er das Handy wieder weg und konzentrierte sich auf die Unterhaltung mit Tua, als Raphael den Wagen startete.

In den vergangenen Stunden im Studio gelang es ihm, endlich seinen Kopf abzuschalten und seinen Stress rund um Cassie auszublenden. Er fokussierte sich auf den Beat, den sie gemeinsam produzierten, schnappte sich spontan einen Stift und einen Block und schrieb einen Part für den Song. Es war, als würde all der Frust der letzten Wochen in diesen Song fließen. Es war ein gutes Gefühl, loszulassen und alle negativen Gedanken zur Seite zu schieben. Er lebte einfach nur im Hier und Jetzt, konnte seiner Kreativität freien Lauf lassen und wieder zu sich selbst finden. Die Nacht im Studio mit den Jungs war wie eine Therapie, die ihn wieder erdete.

Erst, als er gegen drei wieder in Raphaels Wohnung zurückkehrte, auf sein Handy sah und Cassies letzte Nachricht las, holte die Situation wieder ein.

„Was ist nur los mit uns, John? Wieso streiten wir, statt zusammenzuhalten? Ich habe das Gefühl, dass wir uns immer weiter voneinander entfernen. Das will ich nicht, und ich weiß, dass du es auch nicht willst. Ich will nicht, dass das kaputtgeht, was wir haben. Ich vermisse dich."

Er seufzte schwer und fiel ächzend auf die Couch im Wohnzimmer. Sein Hals war trocken geworden und hatte sich schmerzhaft zugeschnürt. Sein Herz zog sich zusammen, als er ihre Zeilen noch einmal las. Cassie war sonst nicht der Typ dafür, Gedanken in Texten aufzuschreiben. Sie wollte Dinge persönlich klären. Wenn sie derartige Nachrichten schrieb, ging es ihr meist so schlecht, dass sie nicht länger an sich halten konnte und ihre Gefühle regelrecht aus ihr herausplatzten. Vielleicht hatte sie sogar ein paar Tränen vergossen, als sie die Zeilen getippt hatte.

„Was ist los, Bruder?"

Erst jetzt bemerkte er, dass Raphael ihm ins Wohnzimmer gefolgt war. John streifte sich die Snapback vom Kopf und warf sie achtlos neben sich auf die Couch.

„Nichts", antwortete er, denn er wusste, dass ein Gespräch mit Raphael nur seine ganzen Gedanken hervorholen würde, die er in den letzten Stunden erfolgreich verdrängt hatte. Cassie hatte das Gefühl, dass sie sich voneinander entfernten. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Natürlich wollte er das nicht. Was passierte nur gerade mit ihnen?

„Sollen wir noch einen rauchen?", fragte Raphael.

John nickte, zog das Gras und die Blättchen hervor und begann zu drehen. Raphael ließ sich neben ihn auf die Couch sinken und beobachtete ihn.

„Ist es wegen Cassie?"

John sagte nichts, schaute lediglich betreten auf den Joint und kramte nach einem Feuerzeug.

„Ich dachte, ihr hättet das geklärt nach dem Dreh", erinnerte Raphael ihn an eines ihrer letzten Telefonate.

„Haben wir auch", erwiderte John und zündete den Joint an.

„Ich dachte, du hättest ihr erklärt, dass du dich nur so beschränkt verhalten hast, um alles Schlechte von euch fernzuhalten und euch auf die guten Dinge zu konzentrieren", sagte Raphael.

„Habe ich", bestätigte er.

„Und euer Treffen mit ihrem Vater bei ihrer Mutter zuhause ist doch auch ganz gut gelaufen – bis auf die nervigen Fragen vielleicht", kommentierte Raphael nach wie vor verständnislos.

„Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht will, dass er so viel von uns erfährt; vor allem, weil ich glaube, dass es zu ihrem Besten ist, erstmal vorsichtig zu sein. Vor ein paar Tagen hat er sie abgeholt und sie ausgerechnet in die behinderte Tanzshow eingeladen, die eine Fortsetzung von der ist, aus der sie rausgekickt wurde", erklärte John und zündete den Joint an.

„Scheiße, Bruder", sagte Raphael kopfschüttelnd. „Ganz schön beschissenes Geschenk."

„Als die Show anfing, wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt und ist raus. Ihr Dad ist ihr hinterher. Als sie draußen waren, kam auch noch dieser Rachid dazu", fuhr er fort.

„Der Typ aus der Show damals? Der, den du eh nie leiden konntest?"

„Genau der", erwiderte John mürrisch und nahm einen ersten tiefen Zug.

„Erst wollte er sich bei ihr wohl nur entschuldigen, aber dann hat er angefangen, ihr tausend Fragen zu stellen und damit ihre halbe Vergangenheit vor ihrem Dad breitgetreten; ihren Traum von der Show, dass sie sich wegen ihm verletzt und anschließend die Rolle an Paola verloren hat..."

John schüttelte schwer atmend den Kopf.

„Es hat sie so sehr mitgenommen, dass sie ihrem Vater davon erzählt hat."

„Naja, ich kann mir schon vorstellen, dass es schwer für sie war. Sie hat vielleicht jemanden zum Reden gebraucht und in dem Moment war nur er greifbar", probierte Raphael, diplomatisch zu bleiben.

„Sie vertraut ihm viel zu schnell, Digga. Was, wenn er sie morgen wieder sitzenlässt? Ich muss dann die ganzen Tränen trocknen", erwiderte John. „Nicht, dass es mir was ausmachen würde – immerhin ist sie meine Freundin und ich will sie-. Ich möchte sie einfach so nicht nochmal sehen."

Er zog noch einmal, bevor er den Joint an Raphael weitergab.

„Hast du schonmal in Betracht gezogen, dass er sie nicht ein zweites Mal sitzenlässt, sondern wirklich aus seinem Fehler gelernt hat?", fragte Raphael und musterte ihn eindringlich.

„Weiß nicht", sagte John. „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Aber das ist auch nicht das Schlimmste an der Sache."

„Was ist denn das Schlimmste?", wollte Raphael wissen.

„Dieser Rachid hat auch über unsere Beziehung gesprochen; darüber, dass ich nach dem Unfall für sie da war und ihr durch die Zeit geholfen habe – und dann hat er sie offenbar auf meine Messerstecherei mit Rome angesprochen. Wollte wissen, ob es stimmen würde, dass ich beinah abgestochen worden wäre und sie deshalb alles andere danach abgesagt hat."

Raphael runzelte die Stirn.

„Wie kommt er denn darauf?"

„Irgendeine Freundin von ihm arbeitet in der Notaufnahme", antwortete er.

„Und weiter?"

„Nichts. Cas hat alles abgestritten, weil sie wusste, dass ich nicht wollen würde, dass er das weiß. Einfach, weil ihn das alles nichts angeht. Trotzdem ist es wieder eskaliert zwischen uns, bevor ich nach Berlin bin. Ich habe sie richtig angeschrien", erklärte John.

Raphael seufzte schwer.

„Scheiße", sagte er mitfühlend.

„Ich weiß, dass es nicht richtig war, aber ich bin wieder komplett durchgedreht. Sie verdient das nicht und sie leidet darunter. Aber ich kann einfach nicht anders; nicht nach der Sache mit Rome."

„Gerade nach der Geschichte mit Rome kann ich deine Skepsis verstehen, Bruder. Aber der Typ ist ihr Vater. Wie scheiße muss sie sich fühlen, wenn sie versucht, eine Beziehung zu ihm aufzubauen und einen Neuanfang zu machen, und du die ganze Zeit dagegen schießt und versuchst, sie darin einzuschränken?"

John schluckte.

„Ich weiß. Und es tut mir leid, dass ich mich so verhalte. Aber das Allerschlimmste ist die Nachricht, die sie mir gerade geschrieben hat", seufzte er.

„Was hat sie geschrieben?", fragte Raphael interessiert. John wischte sich über die Augen, dann klickte er sich wieder in die Nachricht und reichte seinem Freund das Handy. Er konnte die Nachricht nicht noch einmal lesen.

„Bruder, du musst dringend mit ihr reden", sagte Raphael, als er die Nachricht gelesen hatte.

„Ich weiß", erwiderte John bedrückt.

Raphael zog am Joint und reichte ihn an John zurück.

„Ich will sie nicht verlieren", beteuerte er. „Aber ich habe das Gefühl, dass ich schon längst dabei bin."

Hach, irgendwie tut er mir jetzt schon ein bisschen leid. Und euch? Vielleicht ändert er ja jetzt endlich etwas. Wie hat euch das Kapitel sonst gefallen? Und was glaubt ihr, sollte John jetzt tun?

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