3 | 26 | Family

Habe gerade Lust, das neue Kapitel hochzuladen. Bin gespannt, wie es euch gefällt.

John blies den Rauch aus und zog sich die Snapback tiefer ins Gesicht. Er fühlte sich müde und ausgelaugt, denn er hatte den fehlenden Schlaf nach wie vor nicht nachgeholt. Das leise Surren der Tattoo-Nadel, die aus einem der hinteren Räume zu hören war, hatte jedoch eine derart beruhigende Wirkung auf ihn, dass er glaubte, jede Sekunde wegzudämmern. Marten, der neben ihm auf der braunen, abgewetzten Ledercouch saß, nippte an seiner Dose Cola und stellte sie wieder auf den Tisch vor sich.

„Die neue Kollektion ist gut geworden", sagte er schließlich und hielt sich den bunten Pullover vor die Brust, um ihn genauer betrachten zu können.

„Ist deine Größe, Diggi. Kannst du behalten", erwiderte John.

„Danke", gab Marten zurück und ließ den Pullover in seinen Schoß sinken.

„Hab auch was für Nika, aber ich glaube, sie würde das nicht anziehen", sagte John und reichte ihm eines der neuen T-Shirts. Marten grinste.

„Ich nötige sie einfach dazu", sagte er, als er es an sich nahm.

„Ich hab noch was", grinste John bedeutungsschwanger, bevor er ihm eine bunte Hotpants aus Sweatstoff in die Hand drückte. Marten schmunzelte.

„Es ist Winter, Diggi."

„Kommt auch erst im Frühling, aber steht ihr vermutlich ganz gut", erwiderte John.

„Kann schon sein", sagte Marten. „Hast du Cassie die auch geschenkt?"

„Normal", gab er zurück. „Mehrere. Wenn sie die im Sommer nicht anzieht, bekommt sie ein richtiges Problem mit mir."

„Achja?"

Überrascht drehte er der Stimme hinter sich den Kopf zu. Willow stand im Türrahmen und musterte ihn neugierig. Er lächelte, als er sie sah, reichte Marten den Joint und stand kurz auf, um sie zu begrüßen.

„Was machst du denn hier?", fragte er, als er sie kurz in seine Arme schloss.

„Meinen Freund abholen", antwortete sie. Wie aufs Stichwort kam Carlos aus einem der hinteren Räume. Für John war es nach wie vor seltsam, dass die beide tatsächlich angefangen hatten, sich zu treffen, doch im Gegensatz zu Cassie hatte er nie ein Problem damit gehabt. Auch sie hatte sich inzwischen daran gewöhnt, der Sache anfangs jedoch deutlich skeptischer gegenübergestanden. Carlos begrüßte Willow mit einem Kuss.

„Bist du fertig?", fragte sie ihn. Er nickte.

„Hast du schon was gegessen?", fragte er. Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, keine Zeit gehabt."

Willow wandte sich wieder an John.

„Bestell Cassie liebe Grüße, ja?", bat sie ihn.

„Mache ich. Du könntest sie auch mal wieder anrufen", sagte er, denn er fand es nicht cool, dass sie sich derzeit kaum bei ihrer Schwester meldete.

„Ich glaube nicht, dass sie das möchte", entgegnete sie.

„Und ich glaube, sie wartet darauf", konterte er.

Sie atmete tief durch.

„Du kannst es ja nach dem Essen mal probieren", sagte Carlos aufmunternd, um die Situation zu entschärfen.

„Vielleicht habt ihr Recht", räumte sie ein, bevor sie John ein Lächeln schenkte. „Okay, ich probiere es mal."

John lächelte ebenfalls.

„Okay", sagte er, bevor er Willow zur Verabschiedung in seine Arme zog und anschließend Carlos mit einem Handschlag verabschiedete. Sie umarmte währenddessen Marten.

„Ich weiß nicht, wer von beiden anstrengender ist", grinste er, als Willow und Carlos das Tattoo-Studio verlassen hatten.

„Beide gleich, würde ich sagen", kommentierte John und nahm ihm den Joint wieder ab.

„Ich kann verstehen, dass Cassie enttäuscht ist, aber sie kann Willow nicht dazu zwingen, sich mit ihrem Vater zu treffen", sagte Marten.

„Dasselbe habe ich ihr auch gesagt", meinte John. „Ist einfach eine schwierige Situation."

„Gehst du denn jetzt mit ihr zu dem Treffen?", wollte Marten wissen.

„Muss ich ja, nachdem du dich das letzte Mal so samariter-mäßig in den Vordergrund gespielt hast, du Arschloch", knurrte John. Marten lachte.

„Ich habe das nur gemacht, weil sie mir so leidgetan hat", erwiderte er. „Und weil ich mir den Typen anschauen wollte."

„Wie nett von dir", entgegnete John sarkastisch.

„Ich wollte echt nur helfen. Es war nicht meine Absicht, dass du in einem schlechten Licht dastehst."

„Das stehe ich sowieso, schließlich habe ich sie im Stich gelassen", gab er zu. „Das war nicht cool von mir, aber ich habe mich schon dafür entschuldigt. Und wenn ich ehrlich bin, war es gut, dass du dort gewesen bist. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass sie sich auf dich genauso verlassen kann wie ich."

„Also bist du nicht abgefuckt deshalb?", hakte Marten nach.

„Bisschen, aber eigentlich eher, weil es meine Aufgabe gewesen wäre", räumte John ein.

„Sie war völlig durch den Wind, als ich dort ankam", erzählte Marten. Die Vorstellung löste ein ungutes Gefühl in John aus.

„Normal, wenn du unerwartet erfährst, dass du einen Bruder hast, und eigentlich nur mit deinem Vater gerechnet hast", erwiderte Cassies Freund nachdenklich.

„Komischer Typ, dieser Andre", gab Marten zurück.

„Warum?"

„Irgendwas stimmt mit dem nicht", sagte Marten.

„Was meinst du?", fragte John.

„Weiß nicht. Einfach nur ein Gefühl."

„Kennst du ihn oder hast ihn schonmal irgendwo gesehen?", hakte John nach.

Marten schüttelte den Kopf.

„Nein. Wie gesagt – nur ein Gefühl."

„Hmm", machte John nachdenklich.

„Hast du nicht gesagt, er war bei euch, als du nach Hause gekommen bist?", fragte Marten.

„Ja."

„Wie war denn dein Eindruck von ihm?", hakte Marten nach.

„Kein Plan, Digga. Ich kam nach Hause, hatte kaum geschlafen und habe ihm fast den Kopf eingeschlagen, weil ich ihn für Rome gehalten habe. Ich war völlig außer mir in dem Moment; erst recht, als ich erfahren habe, dass er dich für ihren Freund gehalten hat und von mir wissen wollte, wer ich bin und was ich in ihrem Wohnzimmer zu suchen habe", erzählte John.

„Ja, keine guten Vorrausetzungen für ein zwangloses Kennenlernen", räumte Marten ein. „Vielleicht irre ich mich ja auch."

„Möglich. Aber wahrscheinlich kann ich dir mehr sagen, wenn ich mir die Zeit genommen habe, mich anständig mit ihm zu unterhalten", sagte John.

„Wann trefft ihr euch mit ihm und ihrem Vater?", wollte Marten wissen.

„Morgen Abend. Ich hoffe, dieses Wiedersehen endet entspannter als das Letzte."

Den restlichen Nachmittag verbrachte John mit seinem Cousin, bevor er irgendwann spät abends nach Hause zurückkehrte. Cassie hatte sich für heute mit Malia verabredet. Als er nach Hause kam, hingen die beiden in zwei Decken gewickelt im Dunkeln auf der Wohnzimmercouch und schauten einen Film. Er lächelte, als er sie so dort sitzen sah. Cassie hatte ihre Haare zu einem Messy Bun gebunden, über den sie die Kapuze ihres Hoodies gezogen hatte.

„Hey Shaniqua", grinste er, als er den Raum durchquert hatte und sich zu ihr hinunterbeugte, um sie zu küssen. Sie lächelte in den Kuss hinein. „Soll ich dir von oben noch ein Tuch holen? Dann kannst du dir noch ein Bandana umbinden", kommentierte er amüsiert, ehe er sich an Malia wandte, um sie zu begrüßen. Anschließend blieb er unschlüssig zwischen ihnen stehen. Einerseits wollte er den Mädels-Abend der beiden nicht sprengen, andererseits hatte er Lust, sich dazuzusetzen. Cassie, die gerade ihren Kopf an ihm vorbeireckte, um auf den Fernseher schauen zu können, griff nach seiner Hand und nahm ihm die Entscheidung ab, als sie ihn zu sich auf die Couch zog.

„Mann, geh aus dem Weg, ist gerade voll spannend", sagte sie und griff nervös in die Schüssel Popcorn, die zwischen Malia und ihr stand.

„Was guckt ihr?", fragte er neugierig.

„Pssssst", zischte Malia.

John verdrehte die Augen, ließ sich jedoch trotzdem in die weichen Polster sinken und legte seinen Arm auf der Rückenlehne ab. Cassie kuschelte sich an ihn. Er versuchte unterdessen herauszufinden, welchen Film sich die beiden gerade ansahen. Die düstere Stimmung packte ihn sofort. Ein kleines, schwarzes Mädchen mit Michael-Jackson-Thriller-T-Shirt, von ihren Eltern unbeaufsichtigt, hatte gerade ein dunkles Spiegellabyrinth betreten und war bei der Suche nach dem Ausgang in Panik gegen einen der Spiegel gelaufen.

„Cooler Film", kommentierte er, als er die bekannten Bilder endlich zuordnen konnte. Er hatte sogar eine Werbekampagne für den Film gemacht, als er ins Kino gekommen war. Cassie, die gerade in die spannende Handlung vertieft war, zuckte zusammen. Sie warf ihm einen düsteren Seitenblick zu. „Echt jetzt, John?"

„Was denn?", lachte er „Ist doch noch gar nichts passiert."

Malia stieß ihn mit ihrem Fuß an.

„Du nervst, John", grummelte sie. Cassie grinste.

„Du auch, man. Ich will mit meiner Freundin allein sein. Merkst du das nicht?"

Wissend, dass er nur Spaß machte, legte Cassie ihm augenrollend die Hand über den Mund. „Du bist gemein."

Er stieß ihre Hand weg und zog sie in eine Umarmung. Sie ließ es geschehen.

„Okay, ich bin still. Aber nur, wenn du mich unter die Decke lässt."

Malia seufzte schwer.

„Musst du sie jetzt unbedingt befummeln? Reiß dich doch mal zusammen", schmunzelte sie.

„Ich weiß, fühlst dich dann schlecht, weil keiner an dir rumfummelt. Aber wenn du willst, kannst du auch mit unter unsere Decke kommen", bot er ihr breit grinsend an. Cassie lachte auf.

„Geh dich vergraben, John", kommentierte Malia trocken.

„Pssst", imitierte er sie grinsend. „Ich will jetzt echt den Film gucken."

Cassie reichte ihm etwas von der Decke und kuschelte sich erneut an ihn, während Malia erleichtert aufatmete. John lächelte zufrieden, lehnte seinen Kopf gegen ihren. Er fühlte sich angekommen, vollkommen mit ihr. Sie ließ ihre Fingernägel sanft über seinen Arm kreisen und er streichelte ihren Rücken. Hin und wieder nahm er sich etwas von dem Popcorn aus der Schüssel. Tief in seinem Herzen spürte er, dass das hier genau das war, wonach er sich sehnte; mehr Zeit mit ihr. Es entschädigte ihn für all den Stress, den er immer wieder durch seinen turbulenten Beruf hatte, und erdete ihn, wenn er wieder einmal kurz davor war, sich den Rummel zu Kopf steigen zu lassen.

Raphael hatte neulich erwähnt, dass Malia sich einen sicheren Hafen wünschte. Auch, wenn er eine andere Formulierung gewählt hätte, war Cassie das für ihn. Bei ihr konnte er sich fallenlassen, abschalten und er selbst sein. Sie liebte ihn, wie er war, und er wusste, dass auch ihre Freundschaft zu Marten daran nichts ändern würde.

Als sie erschrocken zusammenzuckte, riss sie ihn damit aus seinen Gedanken. Erst jetzt bemerkte er, dass die Handlung des Films bereits etwas weiter fortgeschritten war. Er grinste, sagte jedoch nichts; er wusste, dass er manchmal mit seinen Kommentaren überzog und gerade jetzt, wo Cassies Freundin dabei war, wollte er nicht absichtlich übertreiben, um seine Freundin zu ärgern. Er genoss es, dass sie sich noch dichter an ihn schmiegte und ihre Finger mit seinen verschränkte. Ja, sie war tatsächlich zu seinem Zuhause geworden.

„Soll ich noch Popcorn machen?", flüsterte er leise in ihr Ohr und registrierte wohlwollend die leichte Gänsehaut, die sich auf ihren Unterarmen bildete. Sie schüttelte den Kopf, schaute weiterhin gebannt auf den Fernseher. Er lächelte, dann schweiften seine Gedanken erneut ab; diesmal zu dem anstehenden Treffen mit ihrem Vater. Martens Anmerkung hatte ihn hellhörig werden lassen. Er würde es Cassie nicht erzählen, doch er würde morgen ganz besonders aufmerksam sein; sowohl Andre als auch ihrem Vater gegenüber. Er hoffte inständig, dass Martens Intuition ihn diesmal täuschte. 

Und, habt ihr erkannt, welchen Film sie geschaut haben? Süß sind sie, oder? Ich meine, das habt ihr euch ja alle gewünscht 😄 und wie hat euch das Wiedersehen mit Willow gefallen? Findet ihr gut, dass John ihr ins Gewissen geredet hat? Und glaubt ihr, Marten liegt richtig mit seiner Intuition?

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