3 | 22 | Zweifel
In der Zwischenzeit bei John und Raf... Viel Spaß :)
„Immer noch keine Nachricht von Malia?", fragte John und musterte Raphael erwartungsvoll. Der saß neben ihm auf der Wohnzimmercouch und starrte gedankenverloren auf das Display seines iPhones.
„Nee", sagte er kopfschüttelnd. „Vermutlich ignoriert sie mich jetzt, bis ich nach Hause komme."
Er nahm die Snapback ab und fuhr sich durch sein Haar. Die letzten zwei Drehtage waren hart gewesen, dementsprechend wirkte er müde und ausgelaugt. John ging es nicht anders. Auch ihm fehlte durch die Drehs bei Nacht der Schlaf, doch die Bilder, die Shaho ihm bisher gezeigt hatte, waren es wert gewesen. Allein die Shots von der Eislagune mit den Nordlichtern am Himmel waren unfassbar geworden. Er konnte es kaum erwarten, die letzten Szenen abzudrehen und das fertig geschnittene Video zu sehen.
„Wir mussten dieses Video jetzt drehen. Sie wollte nicht verstehen, dass das keine Entscheidung gegen sie oder unsere gemeinsame Zeit war. Es tut mir auch leid, dass ich sie so angegangen bin, aber sie hat mich einfach so wütend gemacht", riss ihn Raphaels reumütige Stimme aus seinen Gedanken. Es war offensichtlich, dass er seine Auseinandersetzung mit Malia mittlerweile bereute; ähnlich wie John seine mit Cassie.
„Kommt vor. Ist mir auch schon passiert. Manchmal fällt es mir schwer, ihre Provokationen einfach zu ignorieren", entgegnete John schulterzuckend.
„Hast du noch was von ihr gehört?", wollte Raphael wissen. John schüttelte den Kopf.
„Nein. Sie stellt sich auch tot", antwortete er.
„Wahrscheinlich haben sie auch miteinander telefoniert und sich gegen uns verbündet", grinste Raphael.
„Sicher hätten sie genug zu lästern", pflichtete John ihm lachend bei, bevor er ernst wurde. „Aber verlieren will ich sie trotzdem nicht."
„Ich Malia auch nicht. Ich werde mich mit ihr zusammensetzen, wenn ich zurückkomme, und mit ihr gemeinsam überlegen, was wir ändern können, damit es ihr mit der Situation besser geht", erwiderte Raphael.
„Ich habe nachgedacht."
„Worüber?", fragte Raphael.
„Über das, was du vorgestern gesagt hast; dass wir unsere Freundinnen mit unserem Verhalten möglicherweise von uns wegtreiben", offenbarte er ihm.
„Und zu welchem Entschluss bist du gekommen?", fragte Raphael und zündete sich eine Zigarette an.
„Dass ich einen Fehler gemacht habe", antwortete John. Raphael runzelte fragend die Stirn und blies den Rauch aus, den er gerade inhaliert hatte.
„Nämlich?"
„Mir sind in den letzten Monaten einige Dinge klargeworden, aber ich habe nicht mit ihr darüber geredet. Manchmal verhalte ich mich nicht cool ihr gegenüber. Kein Wunder, dass sie denkt, sie und unsere Beziehung wären mir nicht mehr wichtig", sagte John. Raphael lächelte.
„Was?", fragte John irritiert.
„Gut zu wissen, dass ich nicht der Einzige bin, der sich wie ein Arschloch fühlt."
„Wir sind fertig. Es kann losgehen."
Sie fuhren zu Shaho herum, der gerade das Wohnzimmer betreten hatte. John seufzte innerlich auf. Er sehnte sich nach ein paar Stunden Schlaf, doch vermutlich musste er noch etwas durchhalten.
Als er ein paar Stunden später in die weichen Kissen fiel, schloss er erschöpft seine Augen. Sofort sah er Cassie vor sich, wie sie neben ihm im Bett lag, sich in die Decke kuschelte und in seine Augen schaute. Die Vorstellung ließ ihn lächeln. Er schaute noch einmal auf das Display seines iPhones, das er gerade an das weiße Ladegerät angeschlossen hatte und klickte sich in die letzte Nachricht mit Cassie.
Nach wie vor hatte sie nicht reagiert, doch er wusste, dass sie sie gelesen hatte. Sie fehlte ihm. Ob sie sich wirklich mit ihrem Vater getroffen hatte? Er fragte sich, wie es gelaufen war und hoffte, dass er die Verabredung nicht wieder abgesagt oder sie direkt beim ersten Wiedersehen erneut enttäuscht hatte. Sie verdiente das einfach nicht.
Sie verdiente einen Vater, der sich für sie interessierte, sie unterstützte und sich um sie kümmerte; all das hatte er bis heute nicht getan. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr drifteten seine Gedanken ab, bis er schließlich entkräftet einschlief.
Auch, als er drei Tage später ins Flugzeug stieg, hatte sie sich nicht bei ihm gemeldet. Er hoffte, dass sie ihre Auseinandersetzung nicht fortsetzen wollte, wenn er nach Hause kam. Nach den vergangenen Tagen hatte er einfach keine Energie mehr für eine weitere Diskussion. Er wollte einfach nur abschalten, im Idealfall mit ihr zusammen, bevor sie in ein paar Tagen den Termin bei ihrer Frauenärztin wahrnehmen und erfahren würden, wie es nun mit ihrem bisher unerfüllten Kinderwunsch weiterging.
John fiel kraftlos in seinen Sitz, schloss die Augen und probierte, abzuschalten, während eine der Stewardessen kurz darauf die Sicherheitshinweise vortrugen. Die sonore Stimme ließ ihn wegdämmern und er ließ sich nur zu gern vom schwarzen Nichts einlullen. Er genoss es regelrecht, einfach mal an rein gar nichts zu denken; weder an die nächste Performance für das Video noch an Cassie und wie ihre Beziehung sich entwickeln würde.
Eine ganze Weile schlummerte er vor sich hin, bis irgendwann die Anschlussleuchten mit einem leisen Pling erloschen. Raphael saß mit einem Laptop auf dem Schoß neben ihm. Shaho hatte bereits einige Dateien aus dem Video auf die Festplatte überspielt und er war gerade dabei, sich durch die einzelnen Sequenzen zu klicken. John schaute eine Zeit lang aufmerksam zu und kommentierte die eine oder andere Szene, bis die Stewardessen mit dem Bordservice begannen und ihm ein Getränk reichten.
„Was würdest du eigentlich davon halten, wenn wir Urlaub machen würden?"
Er drehte Raphael überrascht seinen Kopf zu.
„Wann? Jetzt?"
„In der nächsten Zeit. Einfach mal ein paar Tage raus. Nur wir vier", schlug Raphael vor.
John seufzte schwer.
„Ich weiß nicht. Cassie wünscht sich schon lange ein paar Tage mit mir, aber ich kann nicht einschätzen, wie sie es finden würde, wenn aus den lang ersehnten Tagen ein Pärchen-Urlaub werden würde."
„Die beiden sind befreundet und Barcelona wäre cool zu viert", sagte Raphael.
„Vielleicht sollten wir den Vierer-Trip wann anders machen", antwortete John nachdenklich. „Das läuft uns ja nicht weg. Erstmal sollte ich mit ihr allein ein paar Tage wegfahren, wenn es sich irgendwie machen lässt."
„Wie du meinst, Bruder", sagte Raphael und tippte lächelnd auf seinem iPhone herum.
„Sie hat sich gemeldet", kommentierte John trocken.
„Jap", erwiderte er knapp.
„Also alles wieder okay zwischen euch?", hakte John nach.
„Das wird sich zeigen, wenn ich wieder zuhause bin", erwiderte Raphael. „Aber ich denke, die Chancen stehen gut."
„Dass sie dich nicht endlich verlässt, meinst du", stichelte John.
„Du hast ne ziemlich große Fresse für jemanden, der seit Tagen von seiner Freundin ignoriert wird", konterte Raphael.
„Kein Grund, gemein zu werden", entgegnete John, ehe er sich selbstsicher zurücklehnte. „Außerdem biege ich das schon wieder gerade."
„Und wie?", wollte Raphael wissen. „So lang hat sie dich noch nie schmoren lassen."
„Lass das meine Sorge sein."
Ein paar Stunden später hielt das Taxi vor seiner Haustür. Der schwarze GLS stand in der Einfahrt, sie war also zuhause. Er hatte den Wagen bereits vor einiger Zeit gekauft, eigentlich mit dem Vorhaben, endlich seinen Führerschein zu machen, doch er hatte noch immer keine Zeit gefunden, für die Prüfung zu lernen und so fuhr Cassie nach wie vor mit seinem Wagen durch die Gegend. Ihn störte das nicht, schließlich teilte er gern mit ihr; so, wie er alles gern mit ihr teilte. Als er den Sportwagen bemerkte, der danebenstand, runzelte er die Stirn. Er hatte das Auto noch nie zuvor gesehen und fragte sich, welche ihrer Freundinnen ein solches Auto fahren würde.
Er lächelte bei der Vorstellung daran, Cassie gleich in seine Arme zu schließen und ihr zu erklären, was ihn in der letzten Zeit so sehr beschäftigt hatte. Doch zunächst drückte er dem Taxifahrer einen Geldschein in die Hand, verabschiedete sich und stieg mit der Reisetasche in der Hand aus dem Auto. Während das Taxi aus der Einfahrt rollte, kramte er in seiner Tasche nach dem Haustürschlüssel. Doch kaum hatte er die Tür aufgeschlossen, stockte er.
Sein Herz begann zu rasen, während Adrenalin durch seine Blutbahn pumpte. Ein paar Meter von ihm entfernt stand ein großgewachsener Schwarzer mit dem Rücken zu ihm gewandt im Wohnzimmer. Seine kräftige Muskulatur drückte sich durch den Baumwollpullover, während er sich bedrohlich vor Cassie aufbaute.
Augenblicklich waren all die schlechten Erinnerungen wieder da, die sich wie ein Film unerbittlich in sein Gedächtnis gebrannt hatten; sein nächtlicher Überfall in ihrem Schlafzimmer, die anschließende Schlägerei und der daraus resultierende Kampf um Leben und Tod, den er um ein Haar mit dem Leben bezahlt hätte. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, während die Bilder im Bruchteil einer Sekunde vor seinem geistigen Auge abliefen. Wie konnte er hier sein, wenn er eigentlich seine Haftstrafe absitzen musste?
War Cassie so leichtsinnig gewesen, ihn hereinzulassen, oder hatte er sich gewaltsam Zutritt verschafft? Die letztere Vorstellung brachte das Fass zum Überlaufen. Noch während sich seine Gedanken überschlugen, stürmte er mit geballten Fäusten auf Rome zu, bereit dazu, ihm jeden einzelnen Knochen zu brechen für das, was er ihnen angetan hatte. Dafür, dass er sich trotz allem her traute, würde er ihm die Abreibung seines Lebens verpassen. Seine Haut schien in Flammen zu stehen, als er sich auf ihn stürzte. „Warum redest du nicht mit jemandem, der dir gewachsen ist, du Bastard?!"
Ich weiß, ich und meine Enden. Aber so wird es immerhin nicht langweilig :p Wie hat euch das Kapitel denn sonst gefallen, außer, dass ich wieder mal an einer solchen Stelle schlussgemacht habe?
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