3 | 06 | Gedanken

Langweile mich beim Arzt. Wer kennt es? Und wieso sind manche Arzthelferinnen eigentlich so unfreundlich?

John inhalierte den Zug seines Joints tief, hielt die Luft an und schloss für einen Moment die Augen, so, als könne er die Zweifel an sich selbst kurz vergessen, doch der Versuch war vergebens. So sehr er sich auch bemühte, die Gedanken von sich zu schieben, es wollte ihm einfach nicht gelingen. Viel zu sehr beschäftigte ihn die Frage, was es bedeutete, wenn es tatsächlich an ihm lag, dass Cassie bisher nicht schwanger geworden war.

Was, wenn sich herausstellte, dass er durch all das Gras, das er rauchte wie andere Zigaretten, tatsächlich unfruchtbar geworden war?

Er hatte die Kinderplanung energisch vorangetrieben und Cassie erst auf die Idee gebracht, zeitnah ein Baby zu bekommen. Wenn er selbst die Ursache dafür war, dass all ihre Bemühungen bisher erfolglos verlaufen waren, was bedeutete das dann für ihre Beziehung?

Viel schlimmer als die Vorstellung, sich nicht mehr als richtiger Mann zu fühlen, war für ihn der Gedanke, dass Cassie ihn deshalb vielleicht sogar verlassen könnte. Schließlich hatten sie eine ganze Zeit lang nicht darüber gesprochen und auch keine konkreten Pläne geschmiedet, doch jetzt schien ihr der Gedanke an eigene Kinder zu gefallen.

„Hey..."

Überrascht fuhr er zu seiner Freundin herum, die nur in einem seiner ihr viel zu großen Hoodies bekleidet zu ihm auf die Terrasse trat. Sie war die Nacht über mit ihren Freundinnen feiern gewesen und relativ spät nach Hause gekommen. Also hatte er sie nicht wecken wollen und sich aus dem Schlafzimmer geschlichen, in der Hoffnung, dass sie erst aufwachen würde, wenn er bereits verschwunden war.

„Hey...", erwiderte er und schenkte ihr ein Lächeln, als sie sich durch die zerzausten Locken fuhr.

„Du bist früh wach", kommentierte sie leise, als sie ein paar Schritte an ihn heranmachte.

„Muss gleich ins Studio", log er. Es fühlte sich scheiße an, nicht ehrlich zu ihr zu sein, doch so lang er keine Gewissheit hatte, wollte er sie nicht beunruhigen. Sie hatte schon genug mit sich selbst zu tun.

„Komische Zeit für dich", stellte sie fest und kniff gequält die Augen zusammen, als das Sonnenlicht sie blendete.

„Zu viel gesoffen?", fragte er und streckte seine Hand nach ihr aus. Sie schüttelte den Kopf, wirkte jedoch wenig überzeugend.

„Schade, dass Iara nicht in der Nähe war", schmunzelte er, als sie seine Hand nahm.

„Wenn du willst, rufe ich sie an und frage sie, ob sie Bock auf einen Dreier mit dir hat", murmelte sie mit sarkastischem Unterton.

„Gute Idee", grinste er.

„Mit Tua, natürlich", setzte sie entschieden hinzu und zerstörte damit seine gerade erst wieder aufgeflammten Lesben-Fantasien.

„Du bist mies, Locke", ließ er sie wissen und zog noch einmal an seinem Joint.

„Nein, realistisch. Ich glaube nämlich kaum, dass er vorhätte, Iara ernsthaft mit einem von uns zu teilen", grinste sie.

„Schade eigentlich. Ich hätte schon Bock, das mal auszuprobieren."

Sie verdrehte die Augen.

„Und wieder geht es nur um Sex."

Er seufzte schwer.

„Komm schon, du weißt genau, wie ich das gemeint hab. Natürlich geht's mir auch um dich als Frau", versuchte er, sie zu besänftigen. Er erinnerte sich an Martens mahnende Worte zurück und wollte ihr nicht das Gefühl geben, sie nicht mehr ernst zu nehmen.

„Lass gut sein, okay?", bat sie ihn lächelnd. „Ich bin dir nicht böse oder so."

„Also einfach nur mit dem falschen Fuß aufgestanden?", hakte er nach, um sich zu vergewissern, dass tatsächlich alles in Ordnung war und sie nicht erst im Nachhinein mit Vorwürfen um die Ecke kam.

„So kann man es auch sagen", antwortete sie bedrückt und ließ ihren Blick schweigend durch den Garten schweifen. „Ich habe gestern Nacht Paola im Club getroffen."

Er runzelte die Stirn.

„Du solltest dir was anziehen, wenn du vorhast, länger hier draußen zu bleiben", entgegnete er, statt auf ihre Aussage einzugehen.

„Schon gut, sag einfach, wenn es dich nicht interessiert", murmelte sie enttäuscht.

„Doch, natürlich interessiert es mich", log er, obwohl er gerade viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. „Ich habe es nur gut mit dir gemeint. Es ist ziemlich frisch und du frierst."

Schließlich war ihm die Gänsehaut auf ihren Beinen nicht entgangen.

„Wir haben uns einen fiesen Bitchfight geliefert", offenbarte sie.

„Du hast sie geboxt?", fragte er und zog eine Augenbraue hoch.

„Malia hat mich davon abgehalten, aber es war schon ziemlich nah dran", erzählte sie.

„Das passt gar nicht zu dir", lachte er. „Wie viel hast du gesoffen, Löckchen?"

„Genug, dass ich ihr das Gesicht kaputtschlagen wollte, als sie angefangen hat, über dich und meinen Dad zu reden", knurrte sie und ließ sich schlussendlich auf seinen Schoß sinken. Er schob einen Arm um sie und musterte sie eindringlich.

„Scheiß auf die", sagte er kurz angebunden und zog ein letztes Mal an seinem Joint, ehe er ihn in dem Aschenbecher auf der Armlehne ablegte.

„Du sagst das so einfach", sagte sie.

„Weil es einfach ist. Du hast sowieso keinen Kontakt mehr zu ihr", entgegnete er, war jedoch schon längst wieder bei der Frage, welches Ergebnis bei der Spermauntersuchung herauskommen würde.

„Trotzdem zieht es mich runter, sie zu sehen. Sie hat mich wirklich schwer enttäuscht und es fuchst mich immer noch, dass ausgerechnet sie meine Rolle bekommen hat."

„Du musst das abschließen, Locke. Das ist jetzt fast ein Jahr her", sagte er ernst und warf einen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk. Pünktlich auf die Sekunde klingelte es. Cassie runzelte die Stirn.

„Wer ist das?"

„Joe", antwortete er, schob sie sanft von sich und folgte ihr in die Küche. Dort schlang er seine Arme von hinten um sie, als sie an der Arbeitsplatte stehenblieb. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Sie macht sich die sicher auch nicht."

Mit den Worten löste er sich von ihr. Sie fuhr zu ihm herum. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, doch er sah die Enttäuschung in ihren Augen. Er wusste, sie wollte ihre Gedanken mit ihm teilen und über Paola sprechen, doch er hatte gerade wirklich weder Zeit noch Kopf dafür.

„Wir reden ein anderes Mal darüber, aber ich muss jetzt wirklich los", sagte er, bevor er sie zu sich zog und ihr das erste Mal an diesem Tag einen Kuss aufdrückte. „Ich liebe dich", ergänzte er. Das schuldbewusste Funkeln in ihren Augen irritierte ihn. „Ich dich auch", sagte sie, ehe sie sich von ihm abwandte und den Kühlschrank öffnete. Noch während John darüber nachdachte, sie darauf anzusprechen, klingelte es erneut. Sein Blick glitt automatisch auf die digitale Uhranzeige am Herd. Das Gespräch würde warten müssen, wenn er seinen Termin nicht verpassen wollte. Schließlich war es schwer genug gewesen, derart kurzfristig einen zu bekommen.

„Bis später", sagte er, bevor er sie allein in der Küche zurückließ und Joe die Tür öffnete.

„Gut, dich zu sehen, Diggi", begrüßte er seinen langjährigen Freund mit den grünen Augen, den dunklen Haaren und dem markanten Gesicht, der genauso groß war wie er selbst.

„Sorry, dass ich zu spät bin. Musste noch was mit Romina klären", erzählte sein Gegenüber. „Ist Cassie nicht da?"

„In der Küche", sagte John und beobachtete, wie Joe ein paar Schritte durch den geräumigen Flur zur Küchentür machte.

„Hey...", begrüßte er sie kurz. Während die beiden sich kurz zur Begrüßung umarmten, schlüpfte John in ein Paar Sneakers.

„Lange Nacht gehabt?", hörte er Joe fragen.

„Ja, waren feiern mit den Mädels", antwortete Cassie.

„Bist aus der Übung, was?", neckte Joe sie grinsend.

„Kann ja nicht jeder so eine Partymaus sein wie du, Joe", schmunzelte sie und brachte auch John damit zum Lächeln. Er liebte sie wirklich sehr; umso schwerer fiel ihm der Gedanke, ihr vielleicht bald erzählen zu müssen, dass es an ihm lag, dass sie bisher nicht schwanger geworden war.

„Diggi, wir müssen los", sagte er zu Joe, bevor er Cassie einen letzten Kuss aufdrückte. Kurz darauf fiel er angespannt auf den Beifahrersitz. Er hatte seinen Freund eingeweiht, wollte jedoch auch mit ihm nicht weiter über das Thema sprechen. Also unterhielten sie sich über irgendwelche Oberflächlichkeiten, bis sie schließlich die urologische Praxis erreichten.

„Soll ich mit reinkommen?", fragte Joe. John schüttelte nervös den Kopf.

„Runterholen kann ich mir selbst einen, Bro", überspielte er seine Unruhe mit einem Witz, bevor er aus dem Wagen stieg. Als er nur einen Moment später die Praxis betrat, schaute er sich misstrauisch um und trat an den Tresen, hinter dem zu seiner Erleichterung eine Sprechstundenhilfe saß, die vermutlich älter war als seine eigene Mutter. Die Vorstellung, irgendein Fan könnte hier arbeiten und irgendwo ausplaudern, dass er sein Sperma testen ließ, war der reinste Horror für ihn.

„Moser. Ich habe einen Termin", murmelte er kaum verständlich. Die blonde Dame auf der anderen Seite musterte ihn aufgeweckt durch ihre großen Brillengläser.

„Ich weiß", sagte sie und schob ihm ein Klemmbrett mit einem Formular über den Tresen. „Füllen Sie das bitte aus und geben es mir zurück. Danach erkläre ich Ihnen den Rest."

Er schnappte sich das Klemmbrett und einen Stift und krakelte ein paar Angaben in die dafür vorgesehenen Felder, bevor er es ihr zurückgab. „Fertig."

Die Blondine musterte ihn lächelnd und reichte ihm einen sterilen Becher.

„Nehmen Sie sich all die Zeit, die Sie brauchen", sagte sie und deutete auf einen der hinteren Räume. „Raum drei ist frei. Es liegen auch ein paar Zeitschriften bereit."

John wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Es fühlte sich seltsam an, von einer Frau in diesem Alter darauf hingewiesen zu werden, dass er sich auch eine der sicher völlig verklebten Porno-Zeitschriften anschauen konnte, um in Stimmung zu kommen.

„Gibt's auch Pornos?", fragte er neugierig. Die Mine der Frau auf der anderen Seite des Tresens fror ein. Ihr Blick nervte ihn so sehr, dass er sich seinen Becher schnappte und in Raum Nummer drei verschwand. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete er tief durch und schob den Saum seiner Jogginghose ein Stück herunter. Währenddessen schaute er sich neugierig in dem kleinen Raum um, doch besonders anregend war er nicht gestaltet. Alles wirkte irgendwie steril, selbst die Zeitschriften auf dem kleinen Beistelltisch neben dem kleinen Sessel. Die Vorstellung, dass sich bereits ein paar andere Typen dort hingesetzt und sich einen runtergeholt hatten, turnte ihn ab, doch er schüttelte den Kopf und vertrieb seine Gedanken. Er holte sich ständig einen runter. Was war schon dabei?

Er schloss seine Augen, als er seinen Schwanz in die Hand nahm. Er schmunzelte, als Cassie vor seinem geistigen Auge auftauchte. Er erinnerte sich an den Tag zurück, an dem sie sich nach dem Konzert auf dem Festival noch mit Iara und Tua im Hotel getroffen hatten. Cassie und Iara hatten wieder etwas zu viel getrunken und endlich Johns und Tuas Lesben-Fantasien zum Leben erweckt, indem Iara Cassie geküsst hatte. Iaras Freund und er hatten sprachlos danebengesessen und den Anblick genossen.

Bei der Vorstellung, wie die beiden Frauen sich küssten, wurde sein Schwanz automatisch hart. Er wusste, Cassie würde ihn dafür vermutlich schlagen, doch in seinen Gedanken blieb es nicht bei diesem nahezu unschuldigen Kuss.

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht überreichte er der Dame hinter dem Tresen kurz darauf die Spermaprobe. Die musterte ihn irritiert. „Das ging schnell."

„Ich hoffe, das Ergebnis ist genauso schnell da", sagte er angespannt.

„Wie bereits gestern am Telefon erwähnt: Sie erhalten das Ergebnis noch heute", erklärte sie. „Kommen Sie in drei Stunden wieder. Herr Doktor Siebenleben wird sich dann kurz die Zeit nehmen, mit Ihnen über das Ergebnis zu sprechen"

Also wenn die beiden momentan was gut können, dann ist es, nicht miteinander zu reden. Könnt ihr verstehen, dass John das eher mit sich ausmacht? Und wie findet er, hat er auf Cassies Erzählung reagiert? Also ich finde ja, Männer können das oft nicht so gut und sind keine guten Zuhörer... er war da jetzt keine Ausnahme. Leider.

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