3 | 05 | Schatten der Vergangenheit
Es sind eigentlich 2 Kapitel, aber ihr würdet eh nicht wollen, dass ich es aufteile. Deshalb bekommt ihr es jetzt als eins. Also ich mag es 😂❤ und es gibt ein Wiedersehen mit jemandem aus Cassies Vergangenheit. Schon irgendwelche spontanen Ideen?
„Was hältst du von dem hier?"
Cassie, die gemeinsam mit Marten auf der kleinen Couch in seinem Tattoo-Studio saß, beugte sich ein Stück nach vorn, um einen Blick auf das Display des Laptops auf seinem Schoß zu werfen. Sie lächelte, als sie die Bilder des niedlichen, sandfarbenen Hauses sah. Es lag in der Nähe vom Strand und bot vom Pool eine atemberaubende Sicht auf die Stadt.
„Nicht so schön wie das davor", antwortete sie und klickte sich zurück zum letzten Haus.
„Hollywood ist nicht cool", kommentierte Marten und versuchte, das Angebot wegzuklicken, doch sie hielt ihn davon ab.
„Aber schau dir mal die Ausstattung an. Jacuzzi, beheizter Pool, Catering und Housekeeping inklusive", las sie vor.
„Und du hast dir die Hände gebrochen oder warum kannst du nicht selbst putzen?", fragte er und musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Die kaufen sogar für einen ein", überging sie seinen Einwand und öffnete die Coladose, die sie vor ein paar Minuten aus dem Kühlschrank hinter dem Tresen des Tattoo-Studios geholt hatte.
„Trink nicht zu viel davon, sonst kannst du wieder die halbe Nacht nicht schlafen", grinste er, steckte sich den vorhin gedrehten Joint zwischen die Lippen und zündete ihn an.
„Du kannst dich einfach in dein beschissenes Knie ficken, von Frieling."
„Ich weiß – und das kann nicht jeder. Du weißt ja schließlich, dass er so lang ist, dass ich das Knie damit locker treffe", sagte er unbeeindruckt, fixierte dabei ihren Blick und blies den Rauch aus. Sie verdrehte die Augen.
„Unglaublich, dass dieses affige Getue andere Weiber anmacht", murmelte sie trocken. Er lachte.
„Also, lass uns einfach das hier nehmen", kam er zum eigentlichen Thema zurück und deutete auf den Bildschirm. Das idyllische Cottage lag direkt in Downtown.
„Eben hast du noch gesagt, das wäre zu klein", erinnerte sie ihn.
„Nee, das geht schon. Zum Vögeln reicht es jedenfalls."
„Du bist so ein Idiot", platzte es aus ihr heraus, bevor sie das Browserfenster schloss und zu einer anderen Unterkunft in Malibu Beach zurückkehrte. Der schnuckelige Bungalow befand sich direkt am Strand, war von Palmen gesäumt und hinter dem Haus lag noch ein kleiner Pool.
„Das ist echt viel zu klein", kommentierte er. „Guck dir mal das Bett an. Das ist viel zu kurz. Da hängen ständig meine Füße raus."
Sie seufzte.
„Du bist aber auch anspruchsvoll", murmelte sie grinsend, sah jedoch ein, dass er Recht hatte. „Es kann doch nicht so schwer sein, einen Schlafplatz zu finden."
„Du hörst ja nicht auf mich. Ich würde was auf der anderen Seite vom Rodeo Drive nehmen", sagte er. „Straßenfeeling inklusive."
„Ich hab keinen Bock, da nachts abgeknallt zu werden, nur, weil du cooles Straßenfeeling wolltest", kommentierte sie trocken.
„Du weißt ganz genau, dass dir das mit mir niemals passiert. Aber ist okay. Du willst irgendeine überteuerte Villa mit Ausblick, Pool, Jacuzzi und all dem ganzen anderen Scheiß, der dazugehört", schlussfolgerte er richtigerweise. Sie grinste, schlang ihre Hände um seinen Oberarm und lächelte verführerisch.
„Komm schon, eigentlich willst du das auch. Und wie häufig fliegen wir schon dorthin? Ich würde sagen, wenn überhaupt, dann einmal im Jahr. Das ist wie Dubai. Das muss man ausnutzen", säuselte sie.
„Dubai ist genauso überbewertet."
„Lenk nicht ab. Also, machen wir das jetzt, oder was?"
Er seufzte schwer.
„Ich gebe zu, die Villa ist schon geil", räumte er ein und klickte sich zu der entsprechenden Unterkunft in Santa Monica zurück. Das luxuriöse Haus im balinesischen Stil wirkte wie eine tropisch inspirierte Oase, in deren Herzen sich ein Innenhof mit Pool und Spa befand. Das gesamte Haus war von einer offenen Veranda eingefasst und von Palmen umgeben. Offene Innen- und Außenbereiche, raumhohe Glastüren, ein großes Sonnendeck – am liebsten wäre Cassie direkt dort eingezogen.
„Der Pool reicht locker für ne fette Poolparty. Geile Weiber, dicke Titten, riesige Ärsche, gute Musik... Ich sehe das alles schon vor mir", kommentierte Marten frech grinsend.
Sie schlug ihm spielerisch gegen den Oberarm.
„Klar. Träum mal schön weiter."
„Kostet auch dreimal so viel wie das erste. Aber ich will nicht dran schuld sein, dass du gleich heulst, also nehmen wir das."
„Du bist der Beste", lächelte sie.
„Sagst du nur, damit ich das jetzt von meinem Konto buche", erwiderte er und legte seinen Arm um sie. „Ich kann dir das Geld auch geben", schlug sie vor.
„Damit Johnny dich fragt, wieso du auf einmal so einen Batzen Geld von eurem Konto abgehoben hast?", fragte er kopfschüttelnd. „Das lässt du besser bleiben, wenn du keine nervigen Fragen beantworten willst."
Sie biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe. Er musterte sie einen Moment schweigend von der Seite, schien über seine nächsten Worte nachzudenken, während sie hoffte, dass er sie nicht aussprach.
„Du hast ein schlechtes Gewissen", traf er den Nagel auf den Kopf.
„Klar habe ich das. Ich lüge ihn praktisch schon wochenlang an."
Kurz überlegte sie offen auszusprechen, was sie konkret beschäftigte, doch sie war sich sicher, dass dieses Gespräch dann eine weitaus emotionalere Richtung annehmen würde und dazu war sie nicht bereit. Nicht jetzt. Sie wollte zumindest für einen Abend ihre Sorgen vergessen, indem sie sich die Nacht gemeinsam mit ihren Freundinnen um die Ohren schlug. Ein offenes Gespräch mit Marten würde lediglich dazu führen, dass sie versuchte, den Schmerz und die Schuldgefühle anschließend in Alkohol zu ertränken, und sie konnte nicht riskieren, über die Klippe zu fallen und endgültig hinabzustürzen. Außerdem war sie unsicher, was dieses Gespräch in Marten auslösen würde. Auch ihn würde es nicht kaltlassen. Ganz egal, wie tough er sich nach außen gab – er konnte seine Gefühle nicht immer verdrängen oder unterdrücken.
„Du machst dir viel zu viele Gedanken, Däumelinchen."
Sie schenkte ihm einen grimmigen Seitenblick und drehte sich aus seiner Umarmung.
„Nenn mich nicht so", forderte sie. „Sonst kipp ich dir die Cola gleich ins Gesicht."
„Dazu ist dein Arm zu kurz", grinste er frech. Sie verdrehte lachend die Augen.
„Fiiick diiich", stöhnte sie.
„Mach so weiter und ich kann mich gleich wirklich ins Knie ficken", grinste er.
„Kannst du auch einmal ernst bleiben?!", lachte sie ungläubig. „Außerdem war der selbst für dich zu flach."
„Nicht flacher als der Teppich, von dem du Fallschirm springst", entgegnete er trocken.
Sie boxte ihm genervt gegen die Schulter.
„Hör endlich auf!", forderte sie lachend.
„Aber du gefällst mir so sehr viel besser als noch vor ein paar Minuten, als du mich so unnötig mit deiner unterirdischen Laune angezickt hast", ließ er sie wissen. Sie schenkte ihm ein mildes Lächeln. Sie erkannte, dass er sie tatsächlich aus ihrem Loch herausgeholt und sie zum Lachen gebracht hatte; eine Sache, die sowohl John als auch Willow heute verwehrt geblieben war.
„Danke", sagte sie. „Es ist mir echt unangenehm, dass du das alles bezahlst. Du hast schließlich auch schon die Flüge gebucht", erinnerte sie ihn.
„Lass das meine Sorge sein. Rede du lieber endlich mit Johnny, bevor dein Gewissen dich auffrisst."
„Ich muss erstmal etwas zur Ruhe kommen."
„Du solltest nicht zu lang damit warten", entgegnete er ernst.
„Ich weiß, aber ich muss erst noch einige Dinge in meinem Kopf klarkriegen", gestand sie.
„Was für Dinge?", wollte er wissen. Sie schüttelte den Kopf.
„Nicht jetzt, okay? Ich konnte noch nie besonders gut feiern gehen, wenn ich nicht gut drauf bin", sagte sie.
„Wie du meinst", erwiderte er schließlich. „Ich buche das jetzt, dann muss ich in den Laden. Ich bin eh schon viel zu spät."
Als Marten kurz darauf vor dem Club hielt, hatte sich vor der Tür bereits eine lange Schlange gebildet und aus dem Inneren dröhnte ein lauter Bass.
„Danke, dass du mich zum Lachen gebracht hast", lächelte sie. Er erwiderte es.
„Gar nichts los", erwiderte er. „Komm her."
Sie sog seinen Duft tief ein, als er sie in eine innige Umarmung zog, schloss dabei die Augen und schmiegte sich an ihn, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und genoss das schöne Gefühl einen Moment. Er drückte ihr unterdessen einen Kuss auf die Stirn. Sie war trotz der Umstände wahnsinnig glücklich, dass sie wieder zueinandergefunden hatten. Als er sich von ihr löste, schaute er ernst in ihr Gesicht.
„Pass auf dich auf heute Nacht und wenn was ist, rufst du mich an."
Es war keine Bitte, sondern eine klare Ansage. Sie lächelte.
„Versprochen."
„Ich bin bis morgen früh im Laden. Wenn du nicht weißt, wie du nach Hause kommst-"
„Danke", sagte sie. „Aber Malia bringt mich zurück."
„Langweilst du dich eigentlich jetzt, wo du nicht länger undercover einen Freund für sie suchen musst?", schmunzelte er. Sie lachte. „Ich bin ganz zufrieden damit, dass sich das zwischen Raf und ihr endlich in eine gute Richtung entwickelt."
„Also, wenn du noch ne Freundin an den Mann bringen willst - Arthur ist ein echt netter Kerl und-"
„Ganz. Bestimmt. Nicht."
Nur ein paar Minuten später fand sie sich auf einer Empore des Clubs wieder und hielt Ausschau nach ihren Freundinnen. Sie hatte bereits eine Nachricht an Malia geschrieben, doch diese war bisher unbeantwortet geblieben. Sie fuhr sich durch die blonden Locken und warf einen weiteren Blick auf das Display ihres Smartphones.
„Wow, wer hat dich denn in dem Aufzug hier reingelassen?"
Auch, wenn sie mit einem figurumspielenden, beigefarbenen Top, einer weißen Jeans im Destroyed Look und weiß-beigen Sneakers nicht außergewöhnlich angezogen war, fuhr sie zu der weiblichen Stimme hinter sich herum. Statt ihrem Gegenüber eine Ansage zu machen, schenkte sie der hübschen Dunkelhaarigen in Jeans und Croptop ein Lächeln.
„Ich habe euch schon überall gesucht", sagte sie und zog ihre Freundin erleichtert in die Arme. Sie hatte Eliana bei einem Job in Bremen kennengelernt. Sie hatte sich so gut mit der Italienerin aus Hamburg verstanden, dass sie im Anschluss in Kontakt geblieben waren. Mittlerweile hatte sich aus dem sporadischen Kontakt eine Freundschaft entwickelt.
„Die anderen sind dort hinten", sagte Eliana, strich ihre dunklen Haare nach hinten und deutete auf eine kleine Nische nahe der Bar.
„Kein Wunder, dass ich euch dort nicht gefunden habe", entgegnete Cassie kopfschüttelnd, ehe sie ihrer Freundin zu den anderen folgte.
„Alles okay?", fragte Malia, als sie sich begrüßt hatten.
„Ja, sicher. Ich brauche erstmal was zu trinken", erwiderte Cassie und entlockte ihrer Freundin ein Grinsen.
„Lässt du heute die Sau raus, so ganz ohne Johnny-Boy?"
Cassie verdrehte grinsend die Augen.
„Nenn ihn nicht so", forderte sie, bevor sie sich gemeinsam auf den Weg zur Bar machten.
„Kannst du mich später nach Hause bringen?", fragte Cassie, als sie den Tresen erreichten.
„Klar, kein Problem", antwortete Malia, ehe Cassie sich ein Glas Aperol bestellte.
„Ich dachte, du wolltest was Richtiges trinken", lachte Malia amüsiert.
„Besser nicht", entgegnete Cassie. „Bin heute zu emotional, glaube ich."
„Ärger mit John?", hakte Eliana interessiert nach, die den beiden gemeinsam mit Esra gefolgt war.
„Nee, bekomme meine Tage oder so", log Cassie, um nicht weiter auf das Thema eingehen zu müssen.
„Ich kenn niemanden, der sich nicht besäuft, wenn er seine Tage hat", lachte Eliana.
„Ist sicherer, sonst heul ich vielleicht später wegen einer Kleinigkeit", grinste Cassie und nippte an ihrem Getränk. Dann legte sie nachdenklich die Stirn in Falten. „Obwohl...", sagte sie schließlich. „Ein wenig angeheitert zu sein, kann vielleicht nicht schaden."
Malia schmunzelte.
„War so klar", kommentierte sie, während Cassie noch einmal zu dem Dunkelhaarigen an der Bar herumfuhr, um sich eine Martini Sprite zu bestellen. Eliana verzog angewidert das Gesicht.
„Das ist so eklig", sagte sie. Cassie grinste.
„Sagt die, die sich dieses Zeug reinzieht, das schmeckt, wie rote Gummibärchen. Wie heißt das nochmal?"
„Du hast einfach keine Ahnung. Das ist saulecker", protestierte Eliana und bot ihr wie zur Bestätigung ihr Glas an. Cassie lehnte dankend ab, ließ sich stattdessen von dem Barkeeper den zweiten Drink überreichen.
„Ist nicht so, als würdest du wie ein Alki aussehen", kommentierte Malia belustigt, als sie sich gemeinsam von der Bar entfernten und Cassie mit beiden Gläsern in der Hand voranging.
„Ich mach das sonst kaum noch, also ist das total in Ordnung", erklärte Cassie, ehe sie einen großen Schluck Aperol trank.
„Trink dir das ruhig schön", lachte Esra.
„Bei Freundinnen wie euch habe ich das auch nötig", konterte Cassie trocken, bevor sie einen weiteren Schluck trank. Nach einiger Zeit gesellten sich auch noch ein paar von Malias Freundinnen, die Cassie liebevoll die jugoslawische Mafia nannte, dazu, sodass sich die gesellige Runde noch etwas erweiterte. Nachdem sie sich noch ein paar Drinks gegönnt hatten, zog die Mischung aus neuen und alten Dancehall-, Rap- und RnB-Songs die Mädchen auf die Tanzfläche. Cassie ließ die Hüften zum Takt der Musik kreisen. Nach langer Zeit hatte sie endlich wieder das Gefühl, frei zu sein und loslassen zu können. Es gelang ihr, all ihre Sorgen auszublenden und den Moment mit ihren Freundinnen zu genießen.
Erst, als die Nacht bereits fortgeschritten war, machte sich der Alkohol deutlich in ihrer Blutbahn bemerkbar. Doch da sie nicht mehr fahren musste, störte es sie nicht; im Gegenteil. Sie genoss das so lang vermisste Gefühl der Losgelöstheit in vollen Zügen.
Doch als sie später gemeinsam mit Malia auf der großen Dachterrasse stand und in den schönen Sternenhimmel hinaufschaute, drohte sich ein Schleier von Traurigkeit über sie zu legen. Sie hatte etwas frische Luft gebraucht, aber dieser Moment wirkte so perfekt, dass sie sich plötzlich nach John sehnte; danach, von ihm im Arm gehalten zu werden und nach der Sicherheit, die er ihr gab. Was, wenn er all das aufgeben würde, wenn er erfuhr, was sie vor ihm verheimlichte?
„Guck nicht hin, aber dieser Typ schaut immer wieder hierher", zischte Malia und riss sie damit aus ihren Gedanken.
„Welcher Typ?", wollte Cassie wissen und widerstand der Neugier, sich dennoch umzusehen.
„Neun Uhr. Dunkles Shirt, blaue Jeans", flüsterte Malia. Cassie war zu angetrunken, um direkt zu durchblicken, wo genau sich neun Uhr befand, also drehte sie sich trotzdem um. Malia verdrehte die Augen. „Willst du nicht direkt winken?"
„Ganz niedlich, aber ich hab schon einen tollen Mann zuhause", grinste Cassie, als sie den muskulösen, tätowierten Typen entdeckt hatte, von dem Malia sprach. „Eine Blondine tauchte hinter ihm auf. Sie hatte ihre üppige Brust und ihre endlos langen Beine in einem knielangen blauen Kleid in Szene gesetzt und schlang lächelnd ihre Arme um seinen Hals. Cassie erstarrte, als die Blonde dem Blick ihres Begleiters in ihre Richtung folgte. Paola.
Seit ihren gemeinsamen Vorbereitungen für die Show, bei denen Cassie schlussendlich gestürzt war und hatte zurücktreten müssen, hatte sie ihre ehemalige Freundin nicht mehr gesehen. Die langjährige Freundschaft war aber schon viel früher zerbrochen, nämlich in den Moment, als sie von Paolas Affäre mit ihrem damaligen Verlobten erfahren hatte und die Hochzeit in letzter Sekunde auf dramatische Weise geplatzt war. Dass die Produzenten der Show im Anschluss an Cassies Verletzung ausgerechnet Paola angeboten hatten, ihre Rolle zu übernehmen und sie zu ersetzen, versetzte ihrem Herzen noch immer einen Stich. Es war, als hätte Paola ihr ein zweites Mal etwas weggenommen, das ihr etwas bedeutet hatte. Die Feindschaft zwischen den beiden Frauen war also tiefgehend, erst recht, nachdem Cassie ihr während der Showvorbereitungen jede Möglichkeit einer Aussprache verweigert und Paola damit nicht nur vor den Kopf gestoßen, sondern auch das Biest in ihr geweckt hatte. Noch immer hatte sie nicht vergessen, wie Paola schon während der Proben versucht hatte, sie zu provozieren. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihr noch einmal zu begegnen, doch jetzt, wo es passierte, fühlte sie sich nicht darauf vorbereitet.
Das lag vor allem daran, dass sie zu viel getrunken hatte und sich nicht so souverän und überlegen fühlte wie sonst, sondern dazu neigte, emotional zu reagieren, statt Paola zu ignorieren und ihr die kalte Schulter zu zeigen. Auch, wenn sie es nicht wollte, spürte sie eine selten dagewesene Wut in sich hochkochen; es war jene Art Wut, die den gesamten Körper zum Glühen brachte, während das Blut unerträglich laut durch die Ohren rauschte.
„Lass uns gehen", hörte sie Malias Stimme. Auch sie schien Paola inzwischen entdeckt zu haben. Cassie vergrub ihre Hände lässig in den Taschen ihrer Jeans, während sie Malia folgte und sich dabei bemühte, Paola keines Blickes zu würdigen. Ihre Erzfeindin hingegen beobachtete sie völlig offensichtlich; für Cassie reine Provokation. Dagegen anzukämpfen, sich darauf einzulassen, kostete sie unglaublich viel Energie. Als sie Paola erreichten, gelang es ihr nicht mehr, an sich zu halten.
„Was ist?", fauchte sie Paola an und gab ihr damit lediglich die Aufmerksamkeit, die sie erwartete. Der Umstand machte Cassie nur noch wütender, doch sie konnte sich einfach nicht länger kontrollieren.
„Auch schön, dich zu sehen, Cas", lächelte Paola zuckersüß, doch es war lediglich aufgesetzt.
„Steck dir dein dummes Grinsen sonst wo hin", gab Cassie kühl zurück, ehe sie sich an Paola vorbeischob, die sich ihr in den Weg gestellt hatte.
„Wow, nach all der Zeit hast du immer noch kein nettes Wort für mich übrig", echauffierte Paola sich überzogen und warf dabei theatralisch die Hände in die Luft.
„Geh einfach weiter", sagte Malia nachdrücklich und schenkte Cassies Erzfeindin einen letzten abschätzigen Blick. Ihre Loyalität war eine der vielen Charaktereigenschaften, für die Cassie Malia so sehr schätzte.
„Immer noch derselbe Wachhund wie damals, was?", lachte Paola abwertend.
„Sie tut nur das, was eine wahre Freundin tut", konterte Cassie. „Sie ist loyal zu mir; aber davon hast du keine Ahnung, also macht es keinen Sinn, mit dir darüber zu sprechen."
„Ich war immer loyal zu dir!", protestierte Paola. Cassie lachte verächtlich auf.
„Bis du eine Affäre mit meinem Verlobten angefangen hast", entgegnete sie trocken.
„Ja, es stimmt, ich habe einen Fehler gemacht, aber bist du fehlerfrei? Du hast mir nicht einmal die Chance gegeben, es dir zu erklären oder es wiedergutzumachen", warf Paola ihr vor.
„Niemand will hinterfotzige Bitches in seinem Freundeskreis", stellte Cassie klar.
„Wow, hast du das Niveau von deinem Freund?", wollte Paola wissen.
„Nach allem, was war, traust du dich, von Niveau zu reden?" konterte Cassie kopfschüttelnd. „Du hast versucht, meine Proben zu sabotieren und mir schlussendlich die Rolle weggenommen, für die ich so lang gekämpft habe!"
„Kann ich was dafür, wenn sie ausgerechnet mich fragen? An meiner Stelle hättest du auch niemals abgelehnt!", fauchte Paola.
„Ich hoffe, du bist stolz darauf, dass du über Leichen gehst", sagte Cassie kühl.
„Du warst schon immer so beschissen selbstgerecht!", fuhr Paola sie an. „Du bist gestürzt und hast dir das selbst versaut. Mach mich gefälligst nicht dafür verantwortlich, wenn du dich übernommen hast."
„Wer weiß, vielleicht war dieser Sturz ja auch deine Schuld! Vielleicht hast du nachgeholfen!", warf Cassie ihr vor.
„Bitte?!", platzte es aus Paola heraus. „Als ob ich das nötig hätte!"
„Du hattest es doch auch nötig, mich während dem Training fallenzulassen. Glaubst du, ich habe das alles vergessen?!", keifte Cassie so laut zurück, dass alle umstehenden Clubgäste sich zu den beiden umdrehten.
„Ich weiß, du bist fies auf den Kopf gefallen, als du gestürzt bist, aber Rachid hat dich hochgehoben, nicht ich!", gab Paola aufgebracht zurück. „Wenn du unbedingt jemanden für deine gescheiterte Karriere verantwortlich machen willst, dann ihn!"
„Wer weiß, möglicherweise hast du das ja mit ihm abgesprochen und ihm dafür im Gegenzug irgendetwas angeboten; Sex oder so was", konterte Cassie wütend.
„Ich kann mir vorstellen, wie schwer es für dich zu akzeptieren ist, dass du dir diesen Traum selbst verbaut hast. Wie es aussieht, hast du allerdings völlig deinen Verstand verloren. Geh mal zum Psychiater!", fauchte Paola.
„Ich habe nicht irgendein lächerliches Defizit und muss ständig anderen irgendetwas wegnehmen, nur, um mich selbst besser zu fühlen", schoss Cassie zurück.
„Habe ich das falsch in Erinnerung oder hat dein Vater dich verlassen, als du noch klein warst? Oh, richtig, bestimmt habe ich dir den auch weggenommen", sagte Paola provokant und verschränkte die Arme vor der Brust, wissend, dass sie damit einen wunden Punkt bei Cassie traf. Es war der Moment, in dem ihre Sicherungen durchbrannten, doch gerade, als sie sich auf Paola stürzen wollte, ging Malia dazwischen.
„Okay, das reicht jetzt!", mischte sie sich ein.
„Was redet diese Schlampe so über meinen Vater?!", fuhr Cassie sie wutentbrannt an.
„Ich sage ja, John hat keinen besonders guten Einfluss auf dich", stichelte Paola überheblich weiter.
„Komm her, dann zeige ich dir, was er für einen Einfluss auf mich hat, du dummes Miststück!", pöbelte Cassie außer sich.
„Scheiß auf die Bitch. Lass uns nach Hause gehen", drängte Malia und schob sie von Paola weg. Es gelang Cassie nur schwer, die unerträgliche Hitze wieder unter Kontrolle zu bringen, die von ihr Besitz ergriffen hatte.
„Was glaubt die, wer die ist, dass die sowas zu mir sagen kann?!", fragte Cassie wütend, doch Malia lotste sie nur weiter in die andere Richtung und brachte mehr Abstand zwischen die beiden Furien.
„Ich verstehe, dass du wütend bist, aber es bringt nichts, wenn du dich mit ihr anlegst – das zieht nur unnötig Energie", sagte Malia, als sie die Tür erreichten und im Inneren verschwanden.
„Die soll froh sein, dass ich ihr nicht ins Gesicht gesprungen bin!", fauchte Cassie, verwarf jedoch die Idee, wieder zu Paola nach draußen zu gehen und das Streitgespräch auf ihre Weise zu beenden.
„Komm schon, Cas. Du bist doch gar nicht der Typ für eine anständige Schlägerei."
„Aber schaden würde es ihr nicht", sagte sie entschieden.
„Sie hat das mit deinem Dad und John nur gesagt, weil sie weiß, dass dich alles andere kaltlässt", analysierte Malia. „Sie weiß ganz genau, dass John und du ein richtiges Traumpaar seid und ist einfach nur neidisch darauf."
Cassies Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Schluckend senkte sie den Blick betroffen zu Boden.
„Was ist?", fragte Malia, als sie ihr ernstes Gesicht sah. So sehr Cassie die Tränen auch zurückhalten wollte, es gelang ihr nicht. Plötzlich war es, als würden alle unterdrückten Emotionen über sie hereinbrechen. All die Schuldgefühle, die Sorgen rund um ihre Beziehung, die Verzweiflung und der unerfüllte Kinderwunsch.
„Ich halte das alles nicht mehr aus", seufzte sie.
„Was ist denn los?", fragte Malia besorgt.
„Ich habe Angst, dass John mich verlässt. Das ist los."
Ich weiß, ganz schön viel passiert diesmal, oder? Erst dieses Treffen mit Marten (ja, ich weiß, ihr hasst nich!), dann kommt auch noch Paola um die Ecke. Wie hättet ihr an Cassies Stelle reagiert? Und glaubt ihr immer noch, da läuft was mit Marten? Oder wieso verhält sie sich so komisch? Was ist da los?
Freu mich schon auf eure Kommentare ❤
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