28 | Initiative
Weil ihr Chris alle nicht mögt und wir derselben Meinung sind, nämlich, dass er vielleicht doch nicht der Richtige für sie ist, kann John jetzt mal anfangen, zu kämpfen. Oder was sagt ihr?
2017.
„Willst du wirklich zulassen, dass sie heiratet?"
Raphael musterte John eindringlich. Er war eigentlich davon ausgegangen, dass John den Moment im Studio nutzen würde, um sich Cassie wieder anzunähern.
Nach dem Videodreh in Barcelona hatte er die ganze Nacht von ihr gesprochen und sich regelrecht in Erzählungen über ihre damalige Beziehung verloren. Dabei war ihm klargeworden, dass er noch immer Gefühle für sie hatte und seine Entscheidung von damals einer der größten Fehler seines Lebens war. Er war zu der Erkenntnis gekommen, dass er sie unbedingt wiedersehen und für das kämpfen musste, was noch zwischen ihnen zu sein schien.
Immerhin war ihm Cassies Blick nicht verborgen geblieben. Irgendetwas war da noch zwischen ihnen und er hatte herausfinden wollen, was es wert war. Also hatte er Raphael und Marten um Hilfe gebeten. Marten hatte ihm prophezeit, dass Cassie nicht auf seine Nachrichten eingehen und einem Treffen zustimmen würde, wenn er John einfach ihre Nummer weitergab. Also hatte Raphael sich mit Malia kurzgeschlossen. Im Gespräch zwischen den beiden hatte sich herausgestellt, dass Malia genau wie Raphael bemerkt hatte, dass Cassie und John noch etwas zu verbinden schien. Um sicherzugehen, dass Cassie nicht vielleicht doch einen Fehler beging, indem sie Chris heiratete, hatte sie gemeinsam mit Raphael das Treffen im Studio arrangiert, wohl wissend, dass Cassie ihr dafür den Kopf abreißen würde. Wenn sich nach dem Treffen zwischen den beiden nichts entwickelte, fand Malia, sollte Cassie tatsächlich mit Chris glücklich werden.
„Sie kann den Typ nicht heiraten. Ich muss das verhindern", antwortete John.
„Wie willst du das anstellen?"
„Ich weiß es nicht. Auf meine Nachrichten reagiert sie nicht."
„Hast du ihre Nummer jetzt doch?"
„Ja. Marten hat sie mir gegeben", sagte John.
„Warum hat der überhaupt ihre Nummer?"
„Haben sie mal ausgetauscht, als wir noch zusammenwaren und sie mich zum Geburtstag überraschen wollte. Kann ja nicht jeder seine Nummer so oft wechseln wie du", antwortete John.
„Dann ruf sie an", sagte Raphael.
„Sie hat jetzt jemand anderen. Einen, der vielleicht nicht so ein Idiot ist, wie ich es war."
„Du redest seit dem Dreh von nichts anderem mehr. Und du hast gesagt, dass du sicher bist, dass sie auch noch was für dich empfindet", erinnerte ihn Raphael.
„Tut sie auch. Ich bin mir ganz sicher. Irgendwas ist da noch. Ich habe es in ihren Augen gesehen."
„Dann kämpf um sie, Bruder. Du wirst es bereuen, wenn sie ihn erst einmal geheiratet hat und ein Kind von ihm bekommt."
John seufzte. Allein die Vorstellung, sie könnte tatsächlich mit diesem Chris glücklich werden und ihm sogar eines Tages gemeinsame Kinder schenken, setzte ihm zu. Raphael hatte Recht. Wenn es auch nur die kleinste Chance gab, dass sie noch Gefühle für ihn und Angst davor hatte, sie sich einzugestehen, weil er sie damals so sehr verletzt hatte, musste er es versuchen, bevor sie vielleicht tatsächlich den falschen Mann heiratete.
Er ließ seinen Blick kurz aus dem Fenster von Raphaels Maserati schweifen, zog an seinem Joint, blies den Rauch aus, und zog sein Handy aus der Tasche. Er klickte sich bis zu Cassies Nummer durch, dann rief er sie an. Ungeduldig hörte er dem monotonen Tuten zu und legte sich bereits seine ersten Worte zurecht, doch sie nahm einfach nicht ab.
„Sie geht nicht ran", sagte er genervt und ließ das Handy sinken, klickte sich in die letzte Nachricht, die er ihr geschickt hatte und zog ein weiteres Mal an seinem Joint.
„Hey Shorty. Alles Gute für's neue Jahr."
„Danke, wünsche ich dir auch."
Auf seine weiteren Nachrichten „Ich muss mit dir reden" und „Du hast doch auch gespürt, dass da noch was zwischen uns ist" hatte sie nicht mehr reagiert. Vielleicht ging er die Sache auch zu forsch an. Es störte ihn, dass sie ihm derart die kalte Schulter zeigte. Doch er wusste, dass er nach all der Zeit keine Ansprüche an sie stellen durfte.
„Weißt du, wo sie wohnt?"
John schüttelte den Kopf.
„Weiß Marten, wo sie wohnt?"
John zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung", sagte er, dann versuchte er, seinen Cousin anzurufen.
Auch ihn erreichte er nicht. Er schrieb ihm eine Nachricht und hoffte, dass er bald antwortete.
„Weißt du, wo Cassie wohnt?"
Raphael parkte den Wagen vor dem Studio, stellte den Motor ab und stieg aus. John folgte ihm.
„Selbst, wenn ich es wüsste, soll ich einfach da auftauchen und sie volllabern?"
„Du kannst natürlich auch einfach darauf warten, dass sie zu dir kommt, Bruder", erwiderte Raphael ironisch. John wusste, dass er Recht hatte. Wenn, dann musste er jetzt um sie kämpfen. Den gesamten Nachmittag, den er mit Raphael im Studio verbrachte, schweiften seine Gedanken immer wieder zu Cassie ab. Erst, als Marten seine Nachricht endlich beantwortete, wurde er ruhiger.
„Ja, warum fragst du?"
„Ich muss mit ihr reden. Schick mir die Adresse."
„Sie bringt mich um."
„Bist du mein Cousin oder ihrer?", wollte er schrieben, doch Marten schickte ihm vorher tatsächlich die Adresse.
„Danke", schrieb er und setzte noch ein schwarzes Herz dahinter.
„Viel Zeit hast du nicht mehr, bis sie heiratet, oder?", schrieb Marten.
„Weißt du wo?"
„Nein."
„Kannst du das rausfinden?"
„Nee, sie meidet den Kontakt zu mir."
John war nervös, als er am nächsten Tag vor dem rosafarbenen Altbauhaus stand und an der Fassade hinaufschaute. Hier wohnte sie also. Vermutlich mit ihm. Er kannte ihn nicht, aber er hasste ihn; einfach, weil sie ihn liebte.
Er drückte auf die Klingel und wartete. Nichts passierte. Er klingelte ein weiteres Mal. Nichts. Er seufzte, zog sein Handy aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display. Es war bereits dunkel und bitterkalt. Wann sie wohl nach Hause kam?
Er versuchte, sie noch einmal anzurufen, doch auch dieses Mal erreichte er sie nicht. Eine ganze Weile lungerte er vor der Haustür herum, doch niemand kam. „Glaubst du, dass sie in absehbarer Zeit noch auftaucht?"
John fuhr zu Joe herum, der in seinem dunklen Mercedes saß und ihn fragend musterte. John wusste es nicht. Doch er stieg erst wieder zu Joe ins Auto, als ihm langsam kalt wurde. „Fahr mal ein paar Meter die Straße runter. Sieht behindert aus, wenn wir hier direkt vor der Tür stehen", sagte John und Joe folgte seiner Aufforderung. Doch auch zwei weitere Stunden später war Cassie nicht nach Hause gekommen.
„Die kommt nicht mehr. Lass uns abhauen", sagte Joe genervt.
„Okay", seufzte er frustriert.
Er musste unbedingt herausfinden, wann und wo genau sie heiratete. Joe fädelte den Wagen gerade in den Straßenverkehr ein, als ein Pärchen am Straßenrand seine Aufmerksamkeit erregte. „Warte mal", sagte er zu Joe. Der bremste sofort ab.
Er erkannte Cassie sofort, als das Pärchen an einer Laterne vorbeiging. Ihr Begleiter hielt sie im Arm und sie schaute lächelnd zu ihm auf. Ihm wurde gleichzeitig heiß und kalt.
„Willst du immer noch mit ihr reden?", fragte Joe.
John beobachtete schweren Herzens, wie sie den Hauseingang erreichten. Sie drehte sich in den Armen ihres Freundes zu ihm um und der beugte sich zu ihr herunter, um sie zu küssen. Sie sah so glücklich und unbeschwert mit ihm aus. Hatte er wirklich das Recht, ihr Glück für sein eigenes aufs Spiel zu setzen?
Er kämpfte einen Augenblick mit sich selbst. Er sollte jetzt aussteigen und ihr sagen, dass er nach wie vor Gefühle für sie hatte und sie diesen Typen nicht heiraten sollte, aber das stand ihm nicht zu. Die Szenerie wirkte so, als sei sie tatsächlich über ihn hinweggekommen. Sein Herz zerriss, als er sah, wie innig sich die beiden küssten, bevor ihr Freund sie schließlich in den Hauseingang schob. Johns Hände zitterten und sein Hals schnürte sich zu, als er Joe einen flüchtigen Blick zuwarf.
Und, was glaubt ihr, wird er tun? Wird er aussteigen oder abhauen? :D
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top