22 | Überraschung
Wie auch immer einige darauf kommen, dass die Geschichte zuende ist - hier das nächste Kapitel ❤
2016.
John fiel zufrieden auf eine der Liegen am Pool, drehte einen Joint und schaute aufs Meer hinaus. Die Sonne ging gerade unter und tauchte das Panorama in ein romantisches Orange-Rot. In Augenblicken wie diesem wünschte er sich, er würde so etwas wie eine richtige Beziehung führen, doch das war ihm einfach momentan nicht mehr möglich; nicht nur, weil die meisten Frauen ihn inzwischen aufgrund seines Ruhms treffen wollten – ihm fehlte auch die Zeit dafür, eine Frau überhaupt richtig kennenzulernen. Aber eigentlich hatte er daran momentan auch gar kein Interesse.
Das leise Rauschen des Meeres und der Anblick der Sonne, die ins Meer tauchte, entspannten ihn. Aus dem Inneren der Villa, in der die gesamte Video-Crew untergebracht war, drang leise Musik nach draußen. John lächelte amüsiert, als er Maxwells Stimme hörte. Er diskutierte noch immer mit Marten über die Zimmerverteilung. John störte sich nicht daran; er hatte sich direkt eines der coolsten Zimmer mit eigenem Balkon mit Meerblick direkt über dem Pool gesichert.
Er zog noch einmal an seinem Joint, bevor er in die offene Küche mit freistehendem Herd zurückkehrte, um sich etwas zu trinken zu holen. Noch immer hatte er sich nicht daran gewöhnt, zu arbeiten, wie andere Urlaub machten. Die Zimmer der Villa waren tagsüber durch große Fenster lichtdurchflutet, modern eingerichtet und verfügten über gemütliche, große Betten. Neben dem großzügig geschnittenen Essbereich mit einem modernen Glastisch und gemütlichen Lounge-Stühlen lud eine riesige Eckcouch im Wohnzimmer zum Entspannen ein. Außerdem bot die Villa mehrere Terrassen, eine Klimaanlage, eine Waschmaschine, einen Trockner, kostenloses WLAN und einen kostenfreien Parkplatz auf dem Privatgrundstück. Nicht weit entfernt lag ein kleiner Strandabschnitt. Raphael hatte tatsächlich nicht zu viel versprochen.
Mit einer Dose Limonade in der Hand kehrte er wieder an den Pool zurück und ließ den heutigen ersten Drehtag für das kommende Musikvideo Revue passieren. Das Wetter hatte mitgespielt und sie hatten bereits die ersten Sequenzen zwischen Hochhausschluchten und am Strand abgedreht. Er war wirklich zufrieden und wusste, dass es Raphael genauso ging.
Das iPhone in seiner Tasche vibrierte. Er zog es heraus und warf einen Blick auf das Display. Er entschied sich, ihren Anruf zu ignorieren. Er fand sie inzwischen so uninteressant, dass er sie sich nicht einmal mehr in knappen Dessous an der Stange vorstellte. Er wusste nicht mal, warum er noch mit ihr redete. Ihn verband nichts mit ihr. Er hatte sie mal in einem Strip-Club aufgerissen, doch wirklich gereizt hatte sie ihn nur in der ersten Nacht.
Sie hatte blonde, lange Haare und grüne Augen, geile Brüste und schöne lange Beine. Doch außer ihrer guten Figur hatte sie nichts zu bieten. Das hatte er gemerkt, als er sich ein zweites Mal mit ihr getroffen und versucht hatte, sich mit ihr zu unterhalten. Also hatte er einfach nur seinen Spaß mit ihr gehabt, aber auch dieser Reiz war mittlerweile verflogen.
„Bruder, willst du dir die Mädchen kurz anschauen?"
John fuhr zu Raphael herum, der gerade aus dem hellen Gebäude ins Freie trat. In einer Hand hielt er sein Handy, in der anderen ein Feuerzeug, mit dem er sich jetzt die Zigarette zwischen seinen Lippen anzündete. John schüttelte desinteressiert den Kopf. Wenn Shaho sagte, dass er ein paar hübsche Frauen organisierte, wusste er, dass er Wort halten würde. Jedenfalls hatte er ihn bisher noch nie enttäuscht. Raphael fiel auf die Poolliege neben ihm, rauchte und schaute aufs Meer hinaus.
„Sind aber echte Granaten dabei, Bruder", grinste er und warf einen Blick auf sein Handydisplay.
„Mach dir doch eine klar", gab John zurück.
„Eher nicht", erwiderte Raphael, zog an seiner Zigarette und tippte auf seinem Handy herum.
„Wieso nicht? Denkst du immer noch an die Kleine vom Flughafen?"
John warf ihm einen neugierigen Blick zu und zog an seinem Joint. Seit Raphael ihm von seiner flüchtigen Begegnung mit dem ominösen unbekannten Mädchen erzählt hatte, hatte er das Gefühl, er würde sich ärgern, sie nicht nach ihrer Nummer gefragt zu haben. Vielleicht kam es ihm auch nur so vor, aber es schien, als würde Raphael sich seitdem nicht mehr für andere Frauen interessieren. Sein Freund schmunzelte.
„Nee, aber die hat mir echt gefallen, Bruder. Hübsches Gesicht, einnehmende Augen... Schöner als Adriana Lima."
„Idiot", sagte John trocken.
„Was?"
„Hättest sie nach ihrer Nummer fragen sollen."
„Hmm."
Raphael rauchte still, vertiefte sich in das Display seines Smartphones. Nun zog auch John seins wieder aus der Tasche seiner Shorts und er begann, sinnlos Stories für Instagram aufzunehmen, postete sie jedoch noch nicht.
Es dauerte nicht lang, bis sie wieder anfingen, über den zweiten Drehtag zu sprechen und sich ein paar Dinge zu überlegen, die vielleicht cool für das Video kommen würden. Morgen würden sie ein paar Szenen mit den Mädchen drehen, am dritten Drehtag noch ein paar Mood-Bilder. Erst mitten in der Nacht fand John seinen Weg ins Bett.
Dementsprechend müde war er, als er am nächsten Morgen wieder aufstand. Er hatte sich gerade eine Schüssel Kellog's und etwas Obst zum Frühstück gemacht, als der kleine Van in der geräumigen Einfahrt parkte. Offenbar waren zwei Jungs der Video-Crew bereits zum Flughafen gefahren und hatten die Mädchen abgeholt. Neben ein paar Models aus der Umgebung ließen sie ein paar professionelle Tänzerinnen aus Deutschland einfliegen, doch noch immer reizte es John nicht, sie sich anzuschauen. Sie würden für die eine Nacht, die sie blieben, bei ihnen in der Villa schlafen. Vielleicht war ja eine dabei, mit der er ein bisschen Spaß haben konnte.
Doch statt die Mädchen zu begrüßen, zog er sich zunächst auf den kleinen Balkon zurück, der an sein Schlafzimmer angrenzte, und ließ sich auf den Plastikstuhl fallen. Er frühstückte, postete eine Insta-Story vom Meerblick und verschwand kurz im Bad, um sich für den Drehtag fertigzumachen.
Als er schließlich in buntem Shirt und lässiger kurzer Shorts nach unten zurückkehrte, überkam ihn plötzlich ein undefinierbares Gefühl, doch er wusste nicht, weshalb. Er versuchte die Negativität zu vertreiben; mit mäßigem Erfolg.
In der Küche öffnete er den Kühlschrank und nahm sich eine Dose Cola heraus. Vielleicht brauchte er einfach nur etwas Koffein. Mit einem lauten Zischen öffnete er die Dose und nahm einen großen Schluck. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Ihm blieben nur noch ein paar Minuten. Der Rest der Gruppe schien bereits startklar zu sein. Das Stimmendurcheinander vor der Villa lockte ihn zu den anderen nach draußen.
Hier herrschte das übliche Chaos vor der Abfahrt zum Dreh. Leute liefen durcheinander, trugen Taschen mit Equipment, Essen und Getränke hin und her oder unterhielten sich angeregt. Mittlerweile schienen sich die Jungs mit den frisch angereisten Mädchen bekannt gemacht zu haben, die sich noch etwas abseits hielten und das rege Treiben beobachteten. Raphael starrte zu ihnen herüber.
„Was ist?", fragte John, doch erst, als er seine Hand auf die Schulter seines Freundes legte, fuhr der zu ihm herum.
„Damit eine Sache klar ist: ich habe sie zuerst gesehen. Komm gar nicht auf die Idee, sie anzumachen oder so", gab Raphael entschieden zurück. John runzelte irritiert die Stirn, doch ehe er fragen konnte, was überhaupt los war, ließ Raphael ihn stehen und bahnte sich seinen Weg zu den Mädchen, die sich angeregt mit ein paar der Jungs unterhielten.
„Wovon redet er?", fragte er Pascal, der danebengestanden und die Szene beobachtet hatte.
„Keine Ahnung, er sagte, er hätte das Mädchen vom Flughafen gesehen."
„Echt jetzt?", schmunzelte John und ließ neugierig seinen Blick schweifen. „Krasser Zufall."
Leider stand Raphael so ungünstig mit dem Rücken zu ihnen gewandt vor seiner Gesprächspartnerin, dass er sie verdeckte.
„Vielleicht sollte ich mich zumindest kurz vorstellen. Ist ja schließlich auch mein Video", sagte er und nahm einen Schluck aus der Coladose. Er wollte einfach sehen, was für eine Frau es geschafft hatte, seinem Freund in so kurzer Zeit den Kopf zu verdrehen.
Mit der Dose in der Hand und der Sonnenbrille auf der Nase bahnte er sich seinen Weg in Richtung Van und versuchte, unauffällig einen Blick auf die schöne Unbekannte zu werfen. Als Raphael sich etwas zur Seite drehte, konnte er sie endlich erkennen. Sein Mund öffnete sich einen Spalt, als er das dunkelhaarige Mädchen mit den wilden Korkenzieherlocken sah. Sein Mund wurde trocken, als sein Blick von ihrem hübschen Gesicht über ihren heißen Körper wanderte, den sie nur durch ein buntes Tanktop und eine knappe Shorts verhüllte. Automatisch nahm er seine Sonnenbrille ab, so, als würde sich damit auch der Anblick verändern. Sein Atem stockte, sein Herzschlag beschleunigte sich und seine Finger begannen zu schwitzen.
„Vielleicht können wir irgendwann nochmal über alles reden", sagte John unbeholfen, als er Cassie zur Wohnungstür begleitete. Sie hatte vor ein paar Tagen bereits ihre Möbel abgeholt, die sie zum gemeinsamen Haushalt beigetragen hatte, und auch die Küchenutensilien mitgenommen. Einzig und allein das Bett ließ sie dort. Immerhin hatte John es bezahlt. Heute holte sie die letzten Klamotten ab, die sie am ersten Tag vergessen und eben in eine kleine Reisetasche gestopft hatte. Sie fuhr schwer seufzend mit der Tasche in der rechten Hand zu ihm herum und musterte ihn traurig.
„Es gibt nichts zu reden. Das mit uns ist vorbei. Du hast es beendet und es war eine gute Entscheidung", stellte sie klar. Ihre Stimme war voller Überzeugung. Offenbar hatte sie die letzten Wochen genutzt, um mit ihm abzuschließen. Als er das erkannte, wurde sein Herz schwer. Auch, wenn die Trennung von ihm ausgegangen war, hatte es eine Zeit in seinem Leben gegeben, in der er davon ausgegangen war, mit ihr für immer glücklich zu werden und sie vielleicht sogar eines Tages zu heiraten.
„Dass ich dich nicht mehr liebe, ändert nichts daran, dass du mir wichtig bist", sagte er leise.
Sie stieß einen verächtlichen Laut aus.
„Kannst du die Sache bitte nicht noch schlimmer machen, als sie eh schon ist?"
Er schob hilflos die Hände in die Taschen seiner Jogginghose.
„Ich weiß einfach nicht, wie ich mich gerade verhalten soll", gestand er.
Er wusste es tatsächlich nicht, denn er hatte sich noch nie von einem Mädchen getrennt, für das er solche starken Gefühle gehabt hatte wie für sie.
„Mach's gut, John", sagte sie, dann öffnete sie die Wohnungstür und ließ ihn stehen, ohne sich noch einmal nach ihm umzuschauen.
Sie war Raphaels geheimnisvolle Begegnung am Flughafen? Das konnte nicht wahr sein. Seit der Trennung hatte er sie nur noch zweimal gesehen, und das auch nur, weil sie noch ein paar Sachen aus der Wohnung geholt hatte. Sie hatte es nicht ertragen, dass er sie nicht mehr geliebt hatte, und sich dagegen entschieden, auf freundschaftlicher Basis Kontakt mit ihm zu halten.
John wusste, dass er sie tief enttäuscht und ihr Herz gebrochen hatte, doch er wusste, dass er zum damaligen Zeitpunkt das Richtige getan hatte. Es wäre einfach falsch gewesen, sie nicht mehr zu lieben und ihr trotzdem eine heile Welt vorzuspielen. Natürlich hatte auch sein zunehmender Ruhm eine Rolle gespielt; mit einer Freundin an seiner Seite, für die er sowieso keine Gefühle mehr hatte, hatte er immer das Gefühl gehabt, etwas zu verpassen und sich einzuschränken, doch heute wusste er, wie beschränkt dieser Gedanke und wie unwichtig all diese Frauen gewesen waren.
Schließlich hatte er sich nach seiner Beziehung zu Cassie nie wieder wirklich auf eine Frau eingelassen. Er hatte sich an keine Frau mehr emotional gebunden oder sie vermisst. Es war, als wäre er durch seinen plötzlich einsetzenden Ruhm abgestumpft, weil er gesehen hatte, dass die meisten Frauen gar kein wirkliches Interesse an John, sondern nur an BonezMC hatten. Der Mensch dahinter war ihnen völlig egal; anders als Cassie, die ihn jahrelang einfach nur geliebt hatte, weil er der Mensch war, der er war; auch ohne Geld, Erfolg oder Ruhm. Sie war sogar mit ihm in diese Bruchbude gezogen, einfach, weil er zu geizig gewesen war, mehr Geld auszugeben, um mehr in seine Karriere stecken zu können.
Er schob den Gedanken bei Seite und versuchte zu verstehen, was hier gerade passierte. Wie verrückt war es, dass sie nach all der Zeit plötzlich doch auf einem seiner Videodrehs auftauchte. Tat sie das freiwillig oder hatte sie nicht gewusst, dass es sich um eines seiner Videos handelte?
John schossen tausend Alternativen durch den Kopf, wie ihr erstes Zusammentreffen nach all den Jahren verlaufen würde. Waren sie beide bereit dazu, wie zwei erwachsene Menschen miteinander umzugehen – auf einer professionellen Ebene?
Noch während er darüber nachdachte, schaute sie plötzlich für den Bruchteil einer Sekunde an Raphael vorbei, geradewegs in seine Augen. Sie war noch genauso hübsch wie damals. Ihre Locken schienen mit der Zeit heller geworden zu sein, doch ihr stand das.
„Die Kleine ist heiß", hörte er Pascal sagen.
„Check sie nicht ab", sagte John entschieden.
Pascal schaute ihn aus großen Augen überrascht an.
„Was ist dein Problem? Sie ist echt süß, außerdem hat Raf sie sowieso vor uns gesehen", stellte Pascal fest. Marten, der ebenfalls an sie herangetreten war, verschränkte seine tätowierten Arme vor der Brust und warf einen Blick zu Cassie hinüber.
„Die Kleine ist seine Exfreundin."
Und, wie hat euch das Kapitel gefallen? Und was glaubt ihr, wie es weitergeht?
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