2 | 44 | Vertrauter Feind
Damn, 600 Abonnenten... Für einige hier ist das vielleicht nicht viel, aber ich freue mich unglaublich über jeden einzelnen von euch :) Und da wären wir - zum nächsten Kapitel; auch, wenn es nicht besonders weihnachtlich ist und ich schon die eine oder andere von euch meckern höre :p Trotzdem viel Spaß und ganz viel Liebe für euch alle... :)
„Was ist passiert?", fragte Rome, als Cassie ihm zitternd die Tür öffnete. In ihrer Hand hielt sie die kleine Sporttasche, die sie nach der großen Eskalation mit John auf die Schnelle gepackt hatte.
„Lass uns verschwinden. Ich weiß nicht, wann er wiederkommt", antwortete sie, ohne auf seine Frage einzugehen, und reichte Rome ihre Tasche. „Den Rest hole ich morgen."
„Hey...", sagte er und hielt sie auf, als sie die Tür hinter sich zuziehen wollte. Sie schaute in seine Augen und versuchte, sich zu beruhigen, dabei schlug ihr das Herz bis zum Hals. Sie war gerade tatsächlich dabei, zu gehen – weg von John, geradewegs zu Rome. Sie musste vollkommen verrückt sein. „Rede mit mir, Kleines", sagte er eindringlich und legte eine Hand an ihr Gesicht. Am liebsten hätte sie sie weggeschlagen, doch das ging nicht; nicht jetzt. Sie musste stark sein, wenn nicht für John und ihre Beziehung, dann wenigstens für sich selbst, denn sie wollte nach wie vor wissen, was wirklich mit ihr passiert war. Wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass Rome die Wahrheit sagte, wollte sie das wissen – ebenso, wie wenn er sie anlog.
„Wir haben uns getrennt. Ich hoffe, du bist jetzt erleichtert, mich nicht mehr teilen zu müssen", antwortete sie und drückte sich an ihm vorbei. Er umfasste ihr Handgelenk und wirbelte sie herum.
„Warte mal", forderte er und zog sie vorsichtig zu sich heran. Dann schaute er prüfend in ihre Augen. „Warum so plötzlich? Gestern hast du noch gesagt, dass du Zeit brauchst, und-"
„Wir haben uns so heftig gestritten, dass ich mich gefragt habe, wieso ich mir das eigentlich noch antue. Ich meine, klar, er ist mir wichtig, wir haben viel zusammen erlebt, aber unsere Beziehung ist einfach am Ende und es ist nicht fair euch beiden gegenüber, so weiterzumachen", log sie und versuchte, den Schmerz zu kontrollieren, der sie im Griff hatte, seit John gegangen war.
Es zerriss sie innerlich, dass alles gerade so eskalierte, doch sie hatte keinen anderen Ausweg gesehen. Die Videos von Romes Handy waren zurecht geschnitten und hatten nicht die Erkenntnisse gebracht, die sie sich erhofft hatte, doch sie hatte nicht länger mit ihrer Lüge John gegenüber leben können. Als er von ihrer vermeintlichen Affäre mit Rome erfahren hatte, war er komplett eskaliert, hatte außer sich herumgeschrien und sogar die Schlafzimmertür demoliert. In dem Moment hatte sie erkannt, wie sehr John sie liebte und wie sehr es ihn gleichzeitig verletzte, zu glauben, es könnte tatsächlich etwas zwischen Rome und ihr passiert sein.
Es war ihr nicht leichtgefallen, diesen Schritt zu gehen, doch sie glaubte, dass es der richtige Weg war. So sehr sie ihn auch liebte, so sehr behinderte er sie auch in ihrem Vorhaben, indem er versuchte, es ihr auszureden. Sie jedoch brauchte Gewissheit und war bereit, diesen Weg zu gehen. Doch im Gespräch nach ihrem heftigen Streit hatte sie erkannt, dass dies nicht sein Weg war, aber sie konnte auch nicht von ihm verlangen, dass er bereit war, seinen Charakter und damit auch sich selbst zu verleugnen. Er hatte immer die Befürchtung gehabt, sie zu verlieren und schlussendlich schien sich diese für ihn zu bewahrheiten. Sie konnte ihm nicht einmal verübeln, dass er sich derart in Rage geredet und in die Vorstellung hineingesteigert hatte, sie könnte ihn wirklich mit Rome betrogen haben.
Den Schmerz und die Enttäuschung in seinen Augen zu sehen, hatte ihr den Rest gegeben. Sie hatte ihn dieser Situation nicht länger als nötig aussetzen wollen und ihre Entscheidung getroffen, ganz egal, wie sehr der Moment schmerzte, doch sie hatte die Hoffnung, dass am Ende alles gutwerden würde. Sie würde alles tun, ihn davon zu überzeugen, dass sie ihn – und nur ihn – liebte, ganz egal, was sie auf diesen Videos sehen würde, hätte sie sie erst gefunden.
„Du hast das Richtige getan", riss Romes Stimme sie aus ihren Gedanken. Sie schluckte betreten, senkte ihren Blick und versuchte, sich zu sammeln. Sie durfte jetzt nicht den Fokus verlieren. „Komm, ich bringe dich weg von hier."
Kurz darauf saß sie in Romes Wagen und schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Dabei ließ sie sowohl die schönen als auch die unheilvollen Momente mit John revuepassieren. Sie konnte nicht in Worte fassen, wie leer sie sich fühlte. Nie hätte sie gedacht, dass es einmal so weit kommen und sie erneut mit einer Tasche in ihrer Hand aus ihrem Zuhause flüchten würde.
„Soll ich irgendwo anhalten und wir holen uns was zu essen?", fragte Rome. Sie schüttelte den Kopf.
„Ich habe keinen Hunger", sagte sie.
Er seufzte theatralisch.
„Okay. Also, Döner oder Burger?"
„Beides nicht sehr gesund", lächelte sie matt.
„Weiß ich. Also?"
Er umschloss ihre Hand mit seiner und drückte sie sanft.
„Döner", entschied sie schließlich.
Kurz darauf stellte Rome seinen Wagen an der Straße vor dem Wohnhaus ab, in dem er wohnte. Cassie trug die Plastiktüte mit ihrem Essen, er ihre Sporttasche. Sie folgte ihm die Treppen hinauf in die kleine Wohnung, streifte sich die Sneakers von den Füßen und fiel erschöpft auf die Couch im Wohnzimmer. Er reichte ihr ein paar Servietten, ein Glas und Getränke, dann setzte er sich zu ihr. Während sie aßen, dachte Cassie über ihre nächsten Schritte nach. Eigentlich wollte sie vermeiden, bei ihm zu übernachten, wusste jedoch, dass es unumgänglich war, um weiter nach den Videos zu suchen. Sie vermutete, dass er die ungeschnittene Fassung auf irgendeinem externen Datenträger gesichert hatte, und musste einen passenden Moment abwarten, indem sie sich auf die Suche begeben konnte. Wenn er sie nicht zeitnah in seiner Wohnung alleinließ, blieb ihr nur die Zeit, in der er schlief.
Zum Glück rettete sie zunächst ihr Handy aus der unangenehmen Situation. Sie warf einen Blick auf das Display, dann nahm sie den Anruf entgegen.
„Hey", begrüßte sie Alessa und presste sich das Handy ans Ohr.
„Wo bist du?", fragte ihre Freundin.
„Bei Rome", antwortete Cassie, dann warf sie ihrem Fake-Freund einen entschuldigenden Blick zu und stand auf.
„Bist du von allen guten Geistern verlassen?", wollte Alessa wissen.
„Mir geht's gut, wirklich", versicherte Cassie, bevor sie im Badezimmer verschwand, mit dem Rücken gegen die Tür sank und erleichtert die Augen schloss.
„Was zur Hölle machst du da, Cas?", fragte Alessa aufgebracht.
„Können wir uns treffen?", fragte Cassie ohne Umschweife.
„Scheiße. Was ist los?", fragte ihre beste Freundin alarmiert.
„Ich habe mich von John getrennt und-"
„Was?!", platzte es ungläubig aus Alessa heraus.
„Ich erzähle dir nachher alles. Kannst du mich abholen?", fragte sie, öffnete die Augen und schaute in den Spiegel. Sie sah grauenvoll aus. Es war offensichtlich, wie sehr sie die gesamte Situation aufwühlte.
„Klar. Schick mir die Adresse."
Als sie das Telefonat beendet hatte, betätigte Cassie die Toilettenspülung und nahm sich einen Moment Zeit, sich zu sammeln. Sie war froh, dass sie nicht in Tränen ausgebrochen war, während sie mit Alessa gesprochen hatte. Sie erschrak, als sie die Badezimmertür öffnete und geradewegs in Romes Augen schaute. Er musterte sie misstrauisch.
„Alles okay?"
Sie biss sich auf die Zunge und setzte ein Lächeln auf.
„Ja, mir geht es gut", log sie. „Alessa holt mich gleich ab. Sie hat sich mit Jalil gestritten."
Rome runzelte die Stirn.
„Jetzt?"
„Spricht irgendwas dagegen?", fragte Cassie schärfer als beabsichtigt.
„Ich dachte, wir verbringen den Tag miteinander", erwiderte er kühl.
„Meiner Freundin geht es nicht gut und außerdem muss ich mich vor dir sicher nicht rechtfertigen", stellte sie klar und drückte sich an ihm vorbei. Seine Hand schnellte nach vorn und umfasste ihr Handgelenk.
„So läuft das nicht, Cas", stellte er klar. Sie machte sich von ihm los und schaute ihm trotzig ins Gesicht. Seine Augen waren dunkel geworden, sein Gesichtsausdruck bedrohlich. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit, als sie realisierte, dass er ihr wieder einmal seine dunkle Seite präsentierte, die er all die Monate erfolgreich vor ihr verborgen hatte.
„Lass mich los", forderte sie, doch er umfasste ihren Unterarm wie mit einem Schraubstock.
„Wieso lügst du mich an, Cassie?"
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, denn es gelang ihm tatsächlich, sie einzuschüchtern.
„Ich lüge nicht", sagte sie und machte sich unsanft von ihm los.
„Du triffst dich mit ihr, um über John zu reden", entgegnete er wissend.
Sie seufzte schwer.
„Nein. Ich treffe mich mit ihr, weil es ihr schlecht geht. Aber ja, du hast Recht. Wir werden sicher auch über John reden. Weißt du, Babe, ich habe mich vor ein paar Stunden erst von ihm getrennt und wir waren eine ziemlich lange Zeit zusammen – mit wem soll ich darüber sprechen? Mit dir vielleicht? Ich weiß doch genau, wie sehr dich das belastet, wenn du seinen Namen hörst", probierte sie, ihm Honig um den Mund zu schmieren und ihn zu besänftigen. Rome atmete tief durch, bevor sich sein Gesicht urplötzlich wieder aufhellte. Sie zuckte zusammen, als er seine Hand in ihren Nacken legte und sie zu sich heranzog.
„Man, Kleines, tut mir leid...", murmelte er und vergrub seine Hand in ihrem Haar, ehe er ihre Stirn küsste. Sie schloss die Augen, um die aufkeimenden Tränen direkt wieder zu verdrängen, damit er nicht sah, wie sehr er sie einschüchtern konnte. Als er sie wieder freigab, schaute sie ihm aufmerksam in die Augen.
„Also ist es okay für dich, wenn ich mich jetzt mit ihr treffe?", hakte sie nach, obwohl sie sich auch ohne sein Einverständnis mit ihr getroffen hätte. Es ging ihr lediglich darum, ihm ein besseres Gefühl zu vermitteln, indem sie ihm Verständnis vorheuchelte.
„Ja. Klar", lächelte er, als hätte er nicht gerade eben noch völlig überreagiert. Als er sich von ihr abwandte, sendete sie Alessa schnell die Adresse. Dann vergrub sie ihre zitternden Finger in den Taschen ihrer Trainingsjacke und folgte ihm wieder ins Wohnzimmer. Es war nicht das erste Mal, dass sie wirklich Zweifel an ihrem Plan bekam und darüber nachdachte, abzubrechen. Doch noch wollte sie nicht aufgeben; nicht jetzt, wo sie ihrem Ziel endlich ein großes Stück nähergekommen war. Zu sehen, dass Rome diese zwei Seiten hatte, half ihr dabei, sich besser auf ihn einzustellen und sie lernte schnell, ihn einzuschätzen und ihn zu überlisten.
Innerlich zählte sie die Sekunden, bis Alessa endlich anrief, um ihr Bescheid zu sagen, dass sie unten auf sie wartete. Als der erlösende Anruf endlich kam, schenkte sie Rome ein Lächeln.
„Les ist da. Willst du mir einen Schlüssel geben oder bist du zuhause?"
„Ich bin hier und warte auf dich. Also mach nicht zu lang, okay?"
Sie unterdrückte ein genervtes Augenrollen und drückte ihm stattdessen einen Kuss auf.
„Okay. Wenn du ungeduldig wirst, kannst du mich ja anrufen."
Sie hoffte, dass er dieses Angebot nicht wörtlich nahm, schlüpfte in ein Paar Sneakers und verließ mit klopfendem Herzen die Wohnung. Bereits jetzt, am ersten Tag, fühlte es sich an wie eine Flucht; so, als sei Alessas Auto die rettende Insel, die sie vor dem Ertrinken retten konnte. Als sie zu ihr ins Auto stieg, zitterte sie am ganzen Leib.
„Fahr um Gottes Willen los", forderte sie, ohne ihre Freundin anzusehen. Alessa zögerte nicht, sondern brauste davon.
„Was zur Hölle ist passiert? Und warum hast du dich von John getrennt?", wollte Alessa wissen, als sie um die nächste Ecke gebogen war, und schaute sie alarmiert von der Seite an. Doch Cassie konnte nicht antworten. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, während sich ihre Augen mit heißen Tränen der Verzweiflung füllten.
„Cas?", fragte Alessa besorgt und streckte die Hand nach ihr aus. Cassie nahm sie, drückte sie, so fest sie konnte, und brach in Tränen aus.
Ich sage mal so: Cassie erntet gerade, was sie gesät hat, oder? Bevor ihr mich steinigt; sie hat ja die richtigen Videos noch immer nicht gefunden und ist offenbar - was das angeht - dumm genug, sich wieder in Gefahr zu bringen. Niemand, wirklich niemand, wäre nochmal zu Rome gegangen, oder? Hoffe trotzdem, sie verbrennt sich nicht aufgrund ihrer eigenen Sturheit und Naivität. Was meint ihr?
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