2 | 36 | Schockstarre
Puh, adinavid liest gerade so fleißig, dass ich das Gefühl hab, ich muss aktualisieren. Ich weiß, Romes Aussage hat uns alle schockiert... Also selbst mich, und das ist schon echt schwer. Also, weiter geht's ohne viel Gerede. Ich bin gespannt, was ihr sagt.
„Ich habe meinen Verstand verloren?!", fuhr er sie an. „Wir haben hemmungslos gefickt in dieser Nacht und jetzt willst du es auf einmal nicht mehr wissen?!"
Cassie starrte Rome fassungslos ins Gesicht.
„Was zur Hölle fantasierst du dir da zusammen, Rome?", platzte es wütend aus ihr heraus.
„Ich fantasiere mir was zusammen?", wiederholte er aufgebracht. „Unfassbar, wie du das alles leugnest!"
„Es gibt nichts zu leugnen, weil zwischen uns nie irgendwas gelaufen ist, Rome! Ich weiß nicht, welche Drogen du nimmst, aber-"
„Dann habe ich mir das hier also alles nur eingebildet?!"
Sein verächtliches Schnauben unterbrach sie, bevor er sein Smartphone aus der Tasche zog und wütend darauf herumtippte. Als sie sich an ihm vorbeidrücken wollte, stieß er sie unsanft zurück und hielt es ihr vor die Nase. Automatisch warf sie einen Blick auf das Display und erstarrte. Ihr Mund öffnete sich, während ihr Hals sich schmerzhaft zuschnürte und ihr Herz zu rasen begann. Das Bild zeigte sie gemeinsam mit Rome. Sie hatte sich an seine offensichtlich nackte Brust geschmiegt. Ihre Augen waren geschlossen und sie vergrub ihr lächelndes Gesicht in seiner Halsbeuge.
„Wie hast du das gemacht?!", fragte sie fassungslos, denn sie konnte sich nicht an die Entstehung des Bildes erinnern.
„Hater würden sagen, Photoshop", entgegnete er beißend, bevor er nach links wischte und ein Video aufpoppte.
„Erinnerst du dich immer noch nicht?", fragte er provokant und tippte auf das Dreieck, dann begann das Video zu laufen. Es zeigte Cassie in seinem Arm, schulterfrei, unter der Bettdecke. Sie hatte sich dicht an ihn gekuschelt. Ein paar Locken klebten in ihrem verschwitzten Nacken. Er schwenkte kurz auf sein Gesicht, bevor er wieder auf ihres filmte. Dabei umschloss er ihre Hand, die sie auf seiner Brust abgelegt hatte, mit seiner und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe. Cassie starrte fassungslos auf das Display, als sie das Hotelzimmer in Mailand erkannte. Er musste das Video heimlich aufgenommen haben, während sie außer Gefecht gesetzt gewesen war.
„Du widerliches Arschloch", zischte sie und versuchte, ihm das Handy zu entreißen. Er zog es weg. „Du weißt genau, dass ich völlig neben mir gestanden habe."
„Dafür hast du weltmeisterlich gefickt", erwiderte er ernst. Sie verpasste ihm ohne zu zögern eine Ohrfeige.
„Wie konntest du meine Situation nur so schamlos ausnutzen?", fragte sie fassungslos.
„Ich habe versucht, das zu verhindern, aber du hast immer wieder meine Nähe gesucht. Du hast angefangen, mich zu küssen, nicht andersrum. Ich habe dich mehrfach weggeschoben, aber du hast einfach nicht aufgehört und gesagt, dass du mich brauchst. Ich habe dich sogar noch gefragt, ob du dir sicher bist, aber du hast dich einfach nur auf meinen Schoß gesetzt und mich geküsst, bevor du mir signalisiert hast, dass ich dich ausziehen soll", behauptete er. Sie schüttelte ungläubig ihren Kopf.
„Das ist nicht wahr", sagte sie energisch.
„Er ist gerade nicht hier. Vor mir brauchst du nichts zu vertuschen", erwiderte Rome sanft.
„Niemals habe ich das getan", erwiderte sie überzeugt und versuchte, die heißen Tränen in ihren Augen zu vertreiben. Konnte das wirklich sein? Hatte sie so neben sich gestanden, dass sie mit Rome geschlafen hatte, und sich nicht mehr daran erinnerte?
„Wieso hältst du das für so wahnsinnig unwahrscheinlich? Du kannst dich angeblich nicht mal an diese Nacht erinnern, warum könnten wir dann nicht auch miteinander geschlafen haben? Und ich versichere dir, es war so", konterte er.
„Wieso tust du das, Rome?", fragte sie verständnislos.
„Damit du endlich zu dem stehst, was du für mich seit dieser Nacht empfindest. Ich sehe doch, wie du mich immer anschaust", erwiderte er. Als sie endlich begriff, konnte sie ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Was auch immer in Mailand passiert war – er hatte Gefühle für sie entwickelt und versuchte jetzt, ihre Beziehung zu John kaputtzumachen. Deshalb hatte er auch gestern schlecht über ihn gesprochen. Aber warum erst jetzt? Hatte er möglicherweise eine ganze Weile versucht, dagegen anzukämpfen?
„Das kann unmöglich wahr sein", sagte sie verzweifelt und fuhr sich durch die Haare. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und ihre Finger zitterten vor Aufregung. So angestrengt sie sich auch zu erinnern versuchte, Mailand verbarg sich nach wie vor in den Schatten, die sich über ihr Gedächtnis gelegt hatten, seit sie dort unter Drogen gesetzt worden war. „Wie konntest du diese Situation nur dermaßen schamlos ausnutzen? Ich habe dir vertraut!"
„Und ich habe geglaubt, du würdest zu deinen Gefühlen stehen und nicht so tun, als wäre das nie passiert. Ich habe dich für eine starke Frau gehalten", entgegnete er enttäuscht, aber dennoch kalt.
„Ich würde John so etwas niemals antun", schluchzte sie.
„Mach endlich die Augen auf, Cas! Du hast es ihm angetan!", schrie Rome ihr seine Wut plötzlich lautstark ins Gesicht. Cassie schüttelte energisch den Kopf. Sie wollte einfach nicht glauben, dass sie mit Rome geschlafen hatte. Sie war nicht Herrin ihrer Sinne gewesen, aber trotzdem wusste sie genau, dass sie John niemals fremdgehen würde.
„Weshalb kommst du damit erst jetzt zu mir?", wollte sie wissen.
„Weil ich gesehen habe, wie schlecht es dir ging. Du hast gesagt, du kannst dich an nichts erinnern. Ich wusste nicht, ob du es tatsächlich nicht weißt, oder es dir bloß unangenehm ist", sagte er. „Ich dachte, wenn wir in Köln allein sind, kann ich es herausfinden, also habe ich noch gewartet."
„Und warum hast du es dann immer noch nicht getan?", hakte sie misstrauisch nach.
„Weil es nicht der richtige Zeitpunkt war. Du hattest Stress mit diesen Mädchen und dann bist du gestürzt", erklärte er.
„Klar", sagte sie ungläubig. „Du hast nur den passenden Moment abgewartet, es mir zu sagen."
„Ich bin nicht das Monster, für das du mich gerade hältst", erwiderte er.
Sie antwortete nicht, schnappte sich stattdessen sein Smartphone, um die Beweise zu löschen, doch er entriss es ihr sofort wieder.
„Meinst du, ich habe das alles nirgends sonst gespeichert?!"
„Wieso machst du das alles?", fragte sie fassungslos.
„Weil ich es nicht ertrage zu sehen, wie du dein Leben mit jemandem verbringen willst, der dich mit sich in den Abgrund reißen wird; so, wie Ava das mit mir gemacht hat", entgegnete er.
„John ist nicht Ava", sagte sie entschieden.
„Er ist genauso ein Junkie wie sie und wenn du ehrlich zu dir wärst, würdest du es auch sehen. Klar hat er sich um dich gekümmert, aber jetzt sitzt er zugedröhnt in irgendeiner Ecke und schreibt dir nicht mal. Soll das dein Leben sein? Mit einem Typen, der kaum zuhause ist und sich high über die Wochenenden schleppt?"
„Wie kannst du so von ihm sprechen, nach allem, was er für dich getan hat?", fragte sie enttäuscht. „Er hat dich bei uns wohnen lassen, weil du nicht wusstest wohin und dir einen Job gegeben, damit du deine Bewährungsauflagen einhalten kannst. Er hat dir vertraut. Schämst du dich nicht dafür, deinem Freund das anzutun?"
„Wie kannst du ihn verteidigen, obwohl du merkst, dass er sich von dir distanziert?! Er engagiert lieber einen anderen Mann, der auf dich aufpassen soll, statt dich selbst zu begleiten. Welcher normale Typ tut das?", wollte er wissen.
„Er weiß, ich würde nicht zulassen, dass er seine eigene Karriere für mich aufgibt", erwiderte sie.
„Hätte er sich von Anfang an richtig um dich gekümmert, hättest du dich nie auf mich eingelassen", sagte er. Wieder brachten seine Worte sie ins Wanken. Stimmte es wirklich, was er sagte? Sie musste es herausfinden, wusste jedoch nicht, wie. Vielleicht gab es noch mehr Videos, die die Wahrheit ans Licht bringen konnten. Sie fuhr sich schwer seufzend durch die Haare und schüttelte erneut ungläubig den Kopf.
„Geh bitte", sagte sie tonlos. Statt ihrer Aufforderung nachzukommen, nahm er ihre Hand und schaute stirnrunzelnd in ihre Augen.
„Du erinnerst dich wirklich nicht mehr", stellte er fest. Sie zog ihre Hand weg und versuchte, etwas Abstand zwischen ihn und sich selbst zu bringen. „Es war... du warst einfach unglaublich", setzte er weich hinzu. Sie wollte das alles nicht hören.
„Lass mich bitte allein", wiederholte sie völlig durcheinander. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Kopf jeden Moment explodieren würde. „Selbst, wenn da etwas gewesen wäre – ich liebe John und ich bin mit ihm zusammen", stellte sie verzweifelt klar.
„Liebst du ihn oder die Vorstellung, ihn zu lieben?", hakte er leise nach.
Sie brachte etwas mehr Abstand zwischen ihn und sich selbst.
„Geh endlich!"
„Er ist dein Untergang. Wieso willst du das nicht sehen?"
„Und wieso willst du nicht sehen, dass ich mich nicht von ihm trennen würde, ganz egal, ob irgendetwas zwischen uns gewesen ist?!", fuhr sie ihn an.
„Würde er das auch so sehen, Cas?"
Sie starrte ihn fassungslos an.
„Du hast meine Situation ausgenutzt und tust so, als hätte ich irgendeinen Einfluss darauf gehabt", entgegnete sie.
„Aber du hattest einen Einfluss darauf. Er ist gerade nicht hier. Du musst nicht so tun, als wäre ich dir egal", sagte er. Seine Stimme klang weich dabei. Sie hatte das Gefühl, jeden Moment den Verstand zu verlieren.
„Du hast dich da in etwas verrannt", stellte sie klar. „Du bedeutest mir nicht das, was ich dir bedeute."
„Und deine Blicke? Deine Gesten? Das habe ich mir auch alles eingebildet?"
„Ist das nicht offensichtlich?", fragte sie kühl.
Er schüttelte den Kopf.
„Du solltest dich von ihm trennen, denn sonst könnte es sein, dass er durch einen dummen Zufall davon erfährt, was in Mailand wirklich passiert ist. Willst du ihm das wirklich antun?"
Sie stieß einen verächtlichen Laut aus.
„Hast du sie noch alle?"
„Rede du mit ihm", forderte er sie heraus. „Dürfte ja kein Problem für dich sein, wo du doch felsenfest überzeugt davon bist, das zwischen uns nichts lief, obwohl die Bilder und das Video eine ganz andere Sprache sprechen."
Sie schüttelte fassungslos den Kopf.
„Du bist so widerlich", zischte sie.
„Ich will nur das Beste für dich; für uns", versicherte er.
„Es gibt kein uns!", schrie sie aufgebracht. „Du hast gegen meinen Willen mit mir geschlafen oder mich dazu überredet. Glaubst du, ich könnte dir jemals nah sein?!"
Seine Gesichtszüge wurden wieder hart, sein Blick düster und er presste seine Kiefer fest aufeinander. Plötzlich umfasste er ihr Kinn unsanft mit seiner Hand und sah ihr kalt in die Augen.
„Du weißt gerade nicht, was du redest. Ich werde dir ein paar Tage Zeit geben. Dann beendest du das mit ihm. Lass mich nicht zu lang warten, sonst werde ich nachhelfen."
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und ihre Finger zitterten, als er sie von sich stieß. Als die Tür hinter Rome ins Schloss gefallen war, sank Cassie in sich zusammen. Sie ignorierte den Schmerz in ihrem Fuß und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Hatte sie tatsächlich mit Rome geschlafen, ohne sich daran noch erinnern zu können? Hatte er ihre Situation wirklich derart schamlos ausgenutzt? Die Vorstellung, ihm schutzlos ausgeliefert gewesen zu sein, trieb erneut Tränen in ihre Augen und ein Schwall Übelkeit stieg in ihr auf. Kam das nicht sogar einer Vergewaltigung gleich?
Sie fühlte sich hilflos in ihrer Situation, wusste nicht, mit dem sie darüber sprechen sollte. Würde sie John davon erzählen, würde er den Verstand verlieren. Sie konnte es ihm unmöglich sagen. Die Erkenntnis, dass sie ihn vielleicht betrogen hatte, würde ihn mindestens genauso hart treffen wie jene vor ein paar Jahren, als er von den Treffen zwischen ihr und Marten erfahren hatte. Er kämpfte bereits mit seiner Eifersucht und ein möglicher Seitensprung würde ihn komplett eskalieren lassen. Nicht nur, dass er ihr massive Vorwürfe machen und mit Sicherheit an ihrer Treue und Liebe zweifeln würde; es würde einen Bruch in ihrer Beziehung geben. Er würde es noch schwerer damit haben, ihr zu vertrauen. Womöglich würde er sogar so weit gehen, sich von ihr zu trennen, denn sie konnte ihm nicht garantieren, dass sie ihn nicht tatsächlich betrogen hatte; auch, wenn es ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen passiert war. Außerdem würde John sich mit Sicherheit in Schwierigkeiten bringen, weil er Rome nicht ungestraft davonkommen lassen würde.
Sie seufzte innerlich.
Marten.
Er wüsste, was zu tun wäre. Er könnte ihr in der Situation besser helfen als John, denn ihn würde die Nachricht nicht so hart treffen. Er würde einen kühlen Kopf bewahren und mit ihr herausfinden, was tatsächlich in dieser Nacht geschehen war. Doch er war in diesem Moment unerreichbar für sie.
Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie musste zunächst ihre Gedanken ordnen. Sie schämte sich für das, was ihr passiert war – und dafür, sich an nichts davon erinnern zu können. Oder konnte es sogar sein, dass Rome recht hatte? Hatte es ihr womöglich sogar noch gefallen? Schließlich war sie nicht sie selbst gewesen in jener Nacht. Konnte sie sich tatsächlich an ihn herangemacht und seine Nähe gesucht haben? War die Initiative vielleicht wirklich von ihr ausgegangen, weil ihre Libido sie durch die Drogen dazu getrieben hatte? Sie glaubte, verrückt zu werden. Es gelang ihr nicht länger, die restlichen Tränen zurückzuhalten. Sie liefen unaufhaltsam ihre Wangen hinab, während sie sich regelrecht zusammenkauerte und hoffte, dass sie gleich aus diesem schlimmen Alptraum erwachen würde.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ist Rome ein Arschloch oder ist er ein Arschloch? Glaubt ihr, was er behauptet? Hat sie wirklich freiwillig mit ihm geschlafen? Oder hat er die Situation ausgenutzt und sie sogar vielleicht sexuell missbraucht? Was soll sie jetzt tun? Würdet ihr an ihrer Stelle zu John gehen oder euch jemand anderem anvertrauen? Ich glaube, ich würde es erst einmal mit mir selbs ausmachen, weil ich zu schockiert wäre, um mit jemandem darüber zu sprechen...
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