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Ich weiß nicht, ob es euch hilft, oder ob ihr nur noch unruhiger werdet, aber hier mal das nächste Johnny-Kapitel. Immerhin haben wir ihn so lang nicht mehr gesehen, oder?
„Glaubst du, es war ein Fehler, das mit Rome?"
Raphael musterte John irritiert.
„Dass er Cassie überall hin begleitet, meinst du?", fragte er und zog an seiner Zigarette.
„Ja."
„Wie kommst du darauf, Bruder?", wollte Raphael wissen.
„Nur so ein Gefühl", sagte John nachdenklich.
Seit er in Berlin angekommen war, kreisten seine Gedanken immer mal wieder um die Frage. Seit Cassie ihm vor ein paar Tagen offen gestanden hatte, dass Rome ihr Typ war, beschäftigte ihn der Gedanke. Marten hatte ihn bereits darauf hingewiesen, dass er nicht nachvollziehen konnte, weshalb John seine Freundin mit einem derart attraktiven Mann losschickte, ohne, dass sich seine sonst für ihn so typische Eifersucht meldete. Er hatte gemeint, was er gesagt hatte; er vertraute Cassie und er traute Rome nicht zu, dass er sich an Cassie heranschmeißen würde, doch zu wissen, dass sie ihn attraktiv fand, machte es ihm deutlich schwerer, zu akzeptieren, dass Rome nur wegen ihm selbst überhaupt erst ein Teil von Cassies Leben geworden war.
„Sie hat gesagt, dass sie auf ihn steht", sagte John frustriert.
„Edita steht auch auf Khal Drogo und Ragnar Lothbrok, trotzdem bekomm ich keine Komplexe", lachte Raphael.
„Stell dir vor, sie hätte dir gesagt, dass Yannik ihr Typ ist – bevor diese ganze Scheiße passiert ist", konterte John. Raphael seufzte.
„Du weißt, dass sie dir hörig ist, oder?"
John grinste.
„Sie ist mir doch nicht hörig, Digga."
„Sie stellt sich total auf dich ein", erinnerte Raphael ihn. „Wenn du etwas nicht willst, dann macht sie das nicht. Sie war sogar bereit, ohne mit der Wimper zu zucken für dich auf ihren Traum zu verzichten, nur, weil du ein Problem mit Rachid hast. Ich musste mit Edita wochenlang darüber diskutieren, ob sie ihren Job beim Label hinschmeißen und ihren Traum aufgeben will."
„Was willst du mir damit sagen?", fragte John verständnislos.
„Selbst, wenn sie auf Rome abfährt, liebt sie dich. Du bist der, für den sie alles aufgeben würde; nicht er."
John zog an seinem Joint, bevor er ihn an Raphael weiterreichte.
„Fuckt mich trotzdem ab", sagte er.
„Wie vielen Frauen guckst du regelmäßig hinterher?", wollte Raphael wissen.
„Und? Soll ich mir jetzt den Schwanz abschneiden, nur, weil ich eine Freundin habe?", fragte John gereizt.
„Quatsch, Bruder. Ich will dir damit nur sagen, dass du selbst auch andere Frauen scharf findest. Das ist normal. Trotzdem fickst du keine von denen", sagte Raphael und nahm einen tiefen Zug.
„Stimmt", grinste er. „Und sie regt sich immer noch darüber auf, auch, wenn sie denkt, ich merke das manchmal nicht."
„Also entspann dich."
„Aber wo ist der denn hübsch?", platzte es aus John heraus.
Raphael zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Was finden Frauen an Jason Statham geil? Der hat einen Quadratkopf und ist eins fünfzig groß", kommentierte Raphael.
John schmunzelte.
„Marten hasst den Typ auch."
„Und trotzdem finden Frauen den attraktiv. Genau wie Rome."
„Aber der sieht doch nicht gut aus, Digga", sagte John kopfschüttelnd.
„Steiger dich nicht rein, Bruder", entgegnete Raphael und zog ein weiteres Mal daran, ehe er ihm den Joint zurückgab.
„Sagst du so leicht. Deine Freundin ist nicht ständig mit einem Typen unterwegs, von dem du weißt, dass sie ihn optisch gut findet", sagte John.
„Meine Freundin würde auch mit keinem anderen Mann unterwegs sein wollen. Du weißt doch, sie ist etwas eigen, was Fremde angeht", erinnerte Raphael ihn.
„Verständlich, bei dem, was sie schon alles durchhat", räumte John ein.
„Ich hoffe, dass jetzt alles besser wird, wenn wir wieder dauerhaft in Berlin bleiben", sagte Raphael.
„Der neue Job wird ihr bestimmt guttun", lächelte John.
„Sie freut sich jedenfalls schon darauf und ich glaube auch, dass sie in einem Verlag sehr viel besser aufgehoben ist", erzählte Raphael.
„Wenn es Cas wieder besser geht, kommen wir euch mal wieder besuchen; ganz ohne Arbeit. Einfach nur chillen zu viert", schlug John vor.
„Klar. Gerne, Bruder", sagte Raphael.
„Wir könnten aber auch zusammen irgendwo Urlaub machen", fügte John hinzu. „Liegt an deiner Freundin."
„Für sie ist es immer noch komisch, dass Cas plötzlich nett zu ihr ist", sagte Raphael.
„Wäre es ihr lieber, sie würde sie weiterhin ignorieren?", wollte John grinsend wissen.
„Natürlich nicht, aber sie ist einfach skeptisch und braucht denke ich noch etwas, bis sie völlig aufgetaut ist", erwiderte Raphael.
„Okay, lass uns lieber klein anfangen, indem wir euch besuchen kommen", kommentierte John trocken und brachte seinen Freund zum Lachen.
„Krieg du lieber erstmal deine Freundin in den Griff", grinste Raphael.
„Ich habe sie total im Griff", stellte John klar.
„Chillst du deshalb seit Tagen in Berlin?", stichelte Raphael.
John seufzte.
„Ich musste einfach mal raus", gestand John.
„Belastet dich sehr momentan, oder?", hakte Raphael nach.
„Bisschen", beschönigte John.
„Kommen auch wieder bessere Zeiten", versicherte Raphael. „Siehst du ja bei uns."
„Hoffentlich, Digga", murmelte John. „Langsam gehen mir diese ständigen Stimmungsschwankungen auf die Eier. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten, dass sie schwanger ist."
Raphael grinste.
„Wär doch schön", sagte er.
„Nee. Wäre die Hölle momentan", erwiderte John.
„Ich dachte, du willst so dringend Kinder mit ihr", erinnerte ihn Raphael an seine eigenen Worte.
„Klar. Aber nicht jetzt. Sie ist so unzufrieden mit sich selbst, dass das in der momentanen Situation nur schiefgehen kann", erzählte John.
„Verständlich. Sie muss gerade ihren Traum aufgeben", stellte Raphael fest.
„Weiß ich. Trotzdem wird es Zeit, dass wir das hinter uns lassen. Manchmal zieht es mich so runter, dass ich gar keinen Bock mehr habe, zuhause zu sein. Da tun mir ein paar Tage in Berlin ganz gut", erklärte John.
„Solche Ups und Downs in Beziehungen sind normal. Ich bin mir sicher, dass es wieder besser wird, wenn sie endlich Erfolge sieht", entgegnete Raphael.
„Ups und Downs haben wir schon genug zusammen durchgestanden", erinnerte John sich und lächelte. „Auch diese Scheiße wird uns nur noch fester zusammenschweißen."
„Ich weiß nicht, ob ich es dir schonmal gesagt habe, aber für mich seid ihr der Inbegriff eines Traumpaars", sagte Raphael. John lachte.
„Übertreib doch nicht direkt, Digga."
„Doch. Ehrlich", beteuerte Raphael.
„Ich liebe sie wirklich sehr", lächelte John liebevoll.
„Sie dich auch. Das merkt man einfach."
John grinste stolz.
„Findest du?", hakte er nach, einfach, um es noch einmal zu hören.
„Total. Also mach dir keine Gedanken mehr wegen Rome."
„Musstest du den Penner jetzt wieder erwähnen?", knurrte John mürrisch.
„Mach dich Locker, Bruder", lachte Raphael.
„Mach du dich mal selbst locker und komm gleich mit mir mit", wechselte John das Thema und warf seinem Freund einen auffordernden Blick zu.
„In den Club, meinst du?", wollte Raphael wissen.
„Ja, Digga. Wie oft bin ich schon in Berlin? Und wir waren ewig nicht mehr zusammen feiern", erinnerte John ihn. Raphael grinste. „Als du das letzte Mal hier warst, haben wir bis morgens um acht durchgefeiert."
„Und das ist jetzt auch schon ein paar Monate her", erinnerte John ihn bedeutsam.
„Edita wird mir die Hölle heißmachen, aber wenn du darauf bestehst, komme ich selbstverständlich mit", erklärte Raphael großspurig.
John lächelte.
„Sie kann ja Cas anrufen und sich bei ihr darüber auskotzen."
Raf lachte.
„Jetzt, wo sie sich wieder besser verstehen, wäre das sogar gut möglich."
„Sollen sich beide nicht so anstellen", sagte John entschieden. „Wir machen ja nichts."
Ein paar Stunden später fand er sich mit Raphael und ein paar anderen Jungs im VIP-Bereich in einem der vielen Berliner Clubs wieder. Er hatte ein Glas Hennessy nach dem anderen in sich hineingekippt und beobachtete das muntere Treiben um sich herum. Raf bediente sich am Vodka und schien schon gut angetrunken zu sein. John selbst glaubte, dass es noch nicht reichte, und schüttete sich noch etwas mehr ins Glas.
Irgendwann hatte er so viel getrunken, dass sein Drang, sich zu bewegen, groß genug wurde und er ein wenig tanzte. Vermutlich bewegte er sich unkoordiniert, doch es reichte aus, um unzählige Weiber anzulocken, die bereit waren, sich ihm an den Hals zu werfen. Er ignorierte sie, nahm stattdessen ein paar Insta-Stories von sich und den Jungs auf und postete sie. Hin und wieder ging er nach draußen, um frische Luft zu schnappen, und warf zwischendurch einen Blick auf sein iPhone.
Cassie hatte sich noch immer nicht gemeldet. Da er sich ebenfalls zurückhielt und sich eine kleine Auszeit von seiner Beziehung gönnte, störte ihn das nicht besonders. Vielmehr genoss er die Pause von all den Diskussionen der vergangenen Wochen, auch, wenn er seine Freundin liebte. Doch die letzte Zeit hatte ihnen einiges abverlangt und es konnte nicht schaden, einfach mal abzuschalten.
Er kehrte zu den anderen zurück und besorgte sich eine Cola. Mittlerweile reichte seine Koordination nicht mehr dazu aus, gerade zu gehen und er glaubte, dass er langsam doch genug getrunken hatte. Er hatte sich gerade auf das kleine Sofa gesetzt und sich etwas zu trinken eingeschenkt, als er die scheinbar endlos langen, braungebrannten Beine einer Frau bemerkte, die sich unbemerkt neben ihn gesetzt haben musste. Sein Blick glitt an den Beinen hinauf bis zu ihrem sehr knappen, bunten Mini-Kleid. Sie schlug gekonnt ihre schlanken Beine übereinander und seine Augen wanderten weiter zu ihrem zugegeben recht hübschen, ovalen Gesicht. Sie hatte stechende Augen, ihre dunklen Haaren waren zu einem hochangesetzten Zopf geflochten und an ihren Ohren baumelten riesige, goldene Creolen. Sie war wirklich heiß.
„Hey...", strahlte sie. Er wusste nicht, was er von ihr halten sollte.
„Hi", wiederholte er knapp.
„Ich bin Melissa", stellte sie sich ungefragt vor und beugte sich ihm etwas entgegen, sodass sein Blick geradewegs auf ihre üppige Oberweite fiel. Einerseits war er nicht in der Stimmung, sich mit ihr zu unterhalten, andererseits tat er ja nichts Verbotenes.
„John", antwortete er knapp.
„Bist du nur zum Feiern hier oder kann man dich kennenlernen?", kam sie unerwartet direkt zur Sache und schaute aufmerksam in seine Augen. Sie beugte sich ihm noch etwas weiter entgegen, so, dass er den Duft ihres Parfums riechen konnte.
„Nee, ich will nur feiern", antwortete er ehrlich und warf einen letzten reumütigen Blick in ihren verführerischen Ausschnitt.
„Schade. Ich hätte dich gern auf einen Drink eingeladen", lächelte sie. Er runzelte die Stirn.
„Du willst mich einladen?", lächelte er, ohne es überhaupt zu wollen. Doch die Kleine schaffte es tatsächlich, ihn zu überraschen.
„Wer sagt, dass der Mann immer die Frau einladen muss?", schnurrte sie verführerisch. Sie wusste ganz genau, was sie tat. Er seufzte lautlos, als seine Gedanken zu seiner Freundin zurückkehrten, die diesem Mädchen vermutlich kommentarlos die Augen ausgekratzt hätte.
„Ich sauf heute nicht mehr", sagte er schweren Herzens und deutete auf den Becher mit Cola in seiner Hand.
„Wir müssen nicht zusammen saufen", zwinkerte sie lächelnd, bevor sie unerwartet ihre Hand auf seine legte. „Willst du vielleicht tanzen?"
Er unterdrückte seinen Jagdinstinkt, den sie soeben geweckt hatte, stellte den Becher zur Seite und zog seine Hand weg.
„Nee. Ich tanze nicht", stellte er klar.
Ihre Lippen öffneten sich etwas, doch sie blieb stumm. Ihr Blick war so gierig, dass John auch so wusste, was sie wollte. Für den Bruchteil einer Sekunde fragte er sich, wie es sich wohl anfühlte, in ihr zu sein und sie um den Verstand zu ficken.
„Schade. Finde dich nämlich echt süß."
Hm, ja. Wir kennen sie alle, diese halbnackten Tussis, die sich immer so unnötig im Club anbieten müssen. Die Frage ist nur, was macht er jetzt daraus? Glaubt ihr, er lässt sich vor lauter Frust diesmal darauf ein?
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