2 | 31 | Hoffnung
Einfach, weil ich Bock hab, gibt's schon heute das nächste Kapitel. Ich hoffe, ihr mögt es :) saelamju und ich haben übrigens den Adventskalender so gut wie fertig und ich freu mich wie ein kleines Kind :D
John beobachtete Cassie dabei, wie sie eine der Kugeln mit ihren nackten Zehen in den Behälter auf dem Boden füllte. Als sie hineingefallen war, nahm sie die nächste auf. Mittlerweile waren beinah sechs Wochen vergangen und sie hatte die Bandage abgewickelt. Die Schwellung war inzwischen zurückgegangen, auch die starken Verfärbungen waren kaum noch zu sehen. Der Knochen verwuchs gut und sie machte immer schneller Fortschritte. Trotzdem hatte der Arzt ihr bisher davon abgeraten, den Fuß wieder normal zu belasten und sich noch etwas mehr Zeit zu geben.
Cassies Traum, bei der Show mitzutanzen, rückte deshalb trotz ihres großen Ehrgeizes in immer ungreifbarere Ferne. John konnte verstehen, wie sehr es an ihr nagte, dass sie ihren Traum wahrscheinlich aufgeben musste – während ausgerechnet Paola die Chance bekam, ihn für sie weiterzuleben. Er sprach es nicht aus, doch für ihn war klar, dass sie nicht mehr zum Training zurückkehren können würde. Die Fortschritte, die sie machte, waren groß, und doch nicht groß genug.
Inzwischen blieben nur noch ein paar der Kugeln übrig. Auch die restlichen hob sie geduldig mit den Zehen auf und füllte sie in den Behälter, bis sie alle darin verschwunden waren. Sie setzte ihren Fuß vorsichtig auf dem Boden ab und betrachtete einen Moment lang zufrieden ihr Werk, bevor sie sich langsam aufrichtete.
„Okay, ich denke, das reicht für heute", sagte sie und probierte, eine Grundposition einzunehmen. Doch kaum hatte sie etwas ihres Körpergewichts auf ihren schwachen Fuß verlagert, durchfuhr sie ein stechender Schmerz. Also brach sie ihr Vorhaben ab und entlastete den Fuß sofort.
„Scheiße!", schrie sie frustriert. John, der ihr gerade noch den Rücken zugekehrt hatte, um die Kugeln wegzuräumen, drehte sich zu ihr um.
„Was ist los?", fragte er und machte ein paar Schritte auf sie zu.
„Hör endlich auf, mich das zu fragen! Du weißt ganz genau, was los ist!", fuhr sie ihn gereizt an, noch nicht in der Lage, ihre Enttäuschung über sich selbst unter Kontrolle zu bringen.
„Cas...", seufzte er schwer.
„Mein Körper hat früher alles gemacht, was er sollte. Wochenlang mache ich das jetzt schon und es wird einfach nicht besser", stellte Cassie frustriert fest.
„Du musst dir mehr Zeit geben", sagte er sanft.
„Es sind sechs Wochen vergangen und ich kann noch immer nicht stehen", protestierte sie wütend.
Er atmete tief durch, sagte jedoch nichts. Sie wurde traurig.
„Tanzen ist alles, was ich habe. Was, wenn ich wirklich nie wieder tanzen kann? Ich mache einfach keine Fortschritte, John."
„Komm mal her", forderte er und schob seine Hände sanft um ihre Taille, stützte sie, während sie ihre Füße lediglich mit den Zehen aufsetzte. Bis jetzt verspürte sie lediglich einen sanften Druck, jedoch keine Schmerzen.
„Ich halte dich", sagte er und führte sie in ihrer Bewegung. Damit gab er ihr in diesen Augenblick die Sicherheit, die sie brauchte, um ihre Frustration zu ertragen. Ganz vorsichtig machten sie ein paar Schritte gemeinsam.
„Tut das weh?", fragte er und schaute aufmerksam in ihre Augen.
„Nein", antwortete sie kopfschüttelnd und machte zwei weitere vorsichtige Schritte. Es war tatsächlich weniger schmerzhaft. In seinem Arm fühlte sie sich sicher.
„Du kannst das. Ich lasse dich jetzt los, okay?", sagte er.
„Okay", sagte sie, doch kaum hatte er sie losgelassen und die Belastung lag wieder auf ihren eigenen Füßen, zog der Schmerz erneut durch ihren Körper und sie sackte zusammen. Er fing sie auf, während sie wütend um sich schlug.
„Beruhig dich, Shorty...", sagte er sanft. Sie schaute mit Tränen in den Augen zu ihm auf.
„Ich will tanzen. Ich will mich bewegen. Ich will meinen Körper spüren. Ich will mich endlich wieder wie ich selbst fühlen", weinte sie verzweifelt und fuhr sich durch die Haare. „Die Reha war ein beschissener Fehler. Ich kann das alles nicht mehr und ich hätte nie zulassen dürfen, dass du mir das einredest."
Er runzelte irritiert die Stirn.
„Warte, was?"
„Ich kann das nicht mehr. Ich bin nicht da, wo ich sein sollte. Und es tut so weh, dass ich es nicht ertragen kann."
Sie schüttelte traurig den Kopf.
„Ich kann nicht mehr", sagte sie erschöpft, bevor sie sich zu Boden gleiten ließ. „Das alles bringt nichts. Ich muss mir mehr Zeit geben und aufhören, mich selbst zu belügen."
Er ließ sich neben sie sinken.
„Cas, lass uns darüber reden", versuchte er, etwas zu sagen, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Lass mich bitte einfach allein, okay?" Sie wandte sich ab.
Er schaute enttäuscht in ihre Augen, wartete, dass sie es sich anders überlegte, doch sie setzte lediglich einen auffordernden Gesichtsausdruck auf. Er nickte, dann stand er auf, ohne ein Wort zu sagen. Als er gegangen war, ließ sie ihren Tränen freien Lauf.
John fiel schwer seufzend auf einen der Stühle auf der Terrasse und raufte sich seine Haare. Er wusste, dass er diese ständigen Stimmungsschwankungen bei allem Verständnis für sie nicht länger aushalten würde. Mittlerweile belastete die Situation ihre Beziehung so sehr, dass er hin und wieder sogar absichtlich flüchtete und sich länger als nötig mit den Jungs herumtrieb, um etwas Abstand zu gewinnen; nicht, weil er sie nicht mehr liebte, sondern gerade, weil er sie so liebte.
Er konnte verstehen, dass Cassie frustriert davon war, dass ihr Körper nur langsam Fortschritte machte und sich nicht schnell genug erholte, um doch noch Teil dieser Show sein zu können. Für sie war eine große Chance geplatzt und er wusste, wie sehr ihr das im Herzen wehtat. Doch dass sie ihre Enttäuschung darüber immer häufiger an ihm ausließ, weil es ihr nicht mehr gelang, ihre Emotionen zu kontrollieren, hinterließ langsam auch bei ihm Spuren. Er wollte und konnte das so nicht mehr.
Er wollte sie unterstützen und ihr helfen, wieder auf die Beine zu kommen, doch solang sie sich nicht im Griff hatte, zog sie ihn damit ebenfalls nach unten. Sie war einfach momentan nicht sie selbst und er wusste langsam nicht mehr, wie er mit ihr umgehen sollte.
Er atmete tief durch, dann zog er sein iPhone aus der Tasche und tippte darauf herum. Als er dabei über Martens Namen stolperte, seufzte er lautlos. In Situationen wie dieser fehlte er ihm wirklich. Aber wenn alles gutging, konnte er ihn in der nächsten Woche besuchen. Wie es ihm wohl ging?
„Ich kann nicht mehr", gingen ihm Cassies frustrierte Worte wieder durch den Kopf. Erst jetzt begriff er, was sie bedeuteten. Sie hatte aufgegeben. Sechs Wochen hatte sie gekämpft, um zu den Proben für die Show zurückkehren zu können. Sie war an ihre Grenzen und darüber hinaus gegangen, doch jetzt schien sie endgültig am Ende zu sein.
Er wischte sich mit den Fingern über die Augen und fragte sich, ob er irgendetwas tun konnte, dass sie davon überzeugen würde, weiterzukämpfen. Aber war das sinnvoll? Und hatte er überhaupt noch genug Energie dafür? Wie lang konnte er diese ständigen Spannungen zwischen ihnen noch ertragen, ohne, dass ihre Beziehung Brüche davontrug?
Eine ganze Weile hing er einen Gedanken nach, dann klingelte es schließlich an der Tür. Er seufzte lautlos, bevor er aufstand, um nachzusehen, wer es war. Als er die Tür öffnete, schaute er überrascht in Willows Gesicht. Was machte sie hier?
„Hat sie dich angerufen?", wollte er wissen.
„Nein. Ist sie zuhause?", fragte sie. Er machte einen Schritt nach hinten, um sie hereinzulassen.
„Ja. Aber ich warne dich vor; sie ist nicht besonders gut drauf heute", erwiderte er.
„Was heißt das? Habt ihr gestritten?", fragte sie und drückte sich an ihm vorbei.
„Nein. Aber sie hat mir vorgeworfen, dass ich ihr die Reha ein- und die Operation ausgeredet habe. Sie ist einfach frustriert, weil sie nicht die Fortschritte macht, die sie gern machen würde", erzählte er.
„Dann komme ich vielleicht sogar genau richtig", lächelte Willow zuversichtlich. „Ich wollte ihr nämlich was zeigen."
Erst jetzt bemerkte er den Umschlag, den sie in der Hand hielt, und hob neugierig die Augenbrauen.
„Was denn?"
„Ich habe eine alternative Behandlungsmethode gefunden; genauer gesagt mehrere", erklärte Cassies Schwester lächelnd und strich sich eine der Locken hinters Ohr. John runzelte die Stirn.
„Erzähl."
„Eine Arbeitskollegin von unserer Mum hat davon erzählt und ich habe etwas recherchiert. Vielleicht gibt es noch einen anderen Weg", erzählte sie und hielt zur Bestätigung den Umschlag hoch.
„Was für einen?", wollte er wissen.
„Ich erklär's euch beiden. Wo ist sie?", fragte Willow.
„Oben. Ich sollte besser hierbleiben. Mit mir will sie gerade nicht reden", sagte John und deutete die Treppe hinauf, doch Willow zog ihn fest entschlossen mit nach oben. Sie fanden Cassie im Badezimmer. Sie stand gerade mit frustriertem Gesichtsausdruck vor dem Spiegel.
„Hey...", sagte John vorsichtig, als er zuerst das Bad betrat.
„Bitte, John, ich bin gerade nicht in der Stimmung, weiter zu streiten", sagte sie leise.
„Hör mir nur kurz zu", bat er sie.
„Ich bin nicht sauer", versicherte sie. „Ehrlich nicht. Ich habe mich einfach nur entschieden. Ich höre auf mit der Rehabilitation. Entweder lasse ich es konventionell komplett ausheilen oder ich mache die Operation; so oder so werde ich also erst in einem Jahr wieder tanzen und bis dahin werde ich darüber hinweg sein."
Ihre traurigen Augen brachen ihm beinah das Herz.
„Willow ist hier", sagte John und machte einen Schritt zur Seite. Cassie musterte ihre Schwester überrascht, dann seufzte sie und warf John einen anklagenden Blick zu.
„Wieso machst du das?"
„Er hat damit nichts zu tun", stellte Willow klar. „Ich will dir was zeigen. Ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, dir zu helfen. Ganz ohne Operation. Mums Kollegin hat mir davon erzählt. Ich habe etwas recherchiert und tatsächlich Sportler gefunden, denen es geholfen hat."
Willow zückte den Umschlag und zog ein paar Blätter heraus.
„Hier. Sie haben spezielle Therapien gemacht, um wieder gesund zu werden; Elektrostimulation oder Aquatherapie. Durch die fehlende Schwerkraft werden beispielsweise im Wasser Schmerzen reduziert, sodass eine schmerzlose Rehabilitation möglich ist", fuhr Cassies Schwester fort, ehe sie ihr die Blätter reichte. John beugte sich über ihre Schulter, um ebenfalls einen Blick darauf zu werfen. Es war beeindruckend, wie viele Informationen Willow bereits gesammelt hatte. Sie hatte Berichte, Broschüren und Meinungen von Patienten und Fachärzten zusammengetragen, die sich alle umfassend zu Reizstrom- und Wassertherapie äußerten. Eine ganze Weile blätterte sie durch die Materialien, bis John sich auf den Rand der Badewanne sinken ließ und sie auf seinen Schoß zog, um ihren Fuß zu entlasten. Sie drehte ihm den Kopf zu und biss sich auf die Unterlippe.
„Hört sich ganz gut an, oder?", fragte sie hoffnungsvoll. Er musste zugeben, dass die Therapieansätze tatsächlich vielversprechend klangen.
Er strich durch ihre Locken.
„Klingt, als solltest du mit deinem Arzt darüber sprechen", sagte er.
„Also ziehst du es zumindest in Erwägung?", hakte Willow zufrieden nach.
Cassie schenkte ihrer kleinen Schwester ein Lächeln.
„Auf jeden Fall. Danke, Will."
Sie stand auf, um sie zu umarmen.
„Ruf mich an, wenn du noch irgendetwas brauchst oder ich dich irgendwo hinfahren soll", lächelte Willow und drückte Cassie fest an sich. Als John ihr die Treppe hinuntergeholfen hatte und ihre Schwester gegangen war, warf Cassie ihm einen reumütigen Blick zu.
„Tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe", sagte sie leise.
„Sollte es auch", erwiderte er beleidigt. „Ich wollte dir nur helfen."
„Ich weiß", räumte sie ein und humpelte auf ihn zu, schlang ihre Arme um seinen Hals und sah zu ihm auf. Er legte seine Hände an ihre Taille.
„Hör auf, deine Wut an mir auszulassen", forderte er ernst.
„Du hast recht. Du verdienst das nicht. Ich bin einfach nur so verzweifelt", probierte sie, sich zu erklären.
„Ich verstehe dich. Aber du machst es nicht besser, wenn du dich auch noch mit mir zerstreitest. Oder was meinst du, wer dich dann die Treppe runterträgt?"
Sie lächelte.
„Danke."
„Hmm", machte er und hob erwartungsvoll seine Augenbrauen. Sie reckte sich ihm entgegen, um ihm einen Kuss zu geben. Ihr Handy klingelte, als sie sich von ihm löste. Sie zog es aus der Jogginghose und warf einen Blick darauf, bevor ihr Gesichtsausdruck sich verdunkelte.
„Was ist?", wollte John wissen, doch sie schob das iPhone kommentarlos in die Tasche zurück.
„Nichts", knurrte sie und machte einen Versuch, in Richtung Wohnzimmer zu humpeln. Er hielt sie auf.
„Hallo? Ich hab dich was gefragt."
Hm, was haltet ihr von all dem? Könnt ihr verstehen, dass Cassie aufgegeben hat? Und glaubt ihr, Willows Ansatz kann ihr vielleicht doch nochmal helfen? Ja, ich weiß, wieder diese Gecshichte mit dem ominösen Anruf. Ich besser mich. Echt. Den nächsten komischen Anruf gibts erst ... ich glaub im 2. Marten-Teil :p
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