2 | 30 | Girlstalk

Guten Morgen, meine Lieben. Habt viel Spaß mit dem nächsten Kapitel.

Cassie verzog verbissen das Gesicht. Sie lag auf dem Ellbogen aufgestützt auf der Seite, das Becken in der Luft, hatte ihre Muskulatur angespannt und das obere, verletzte Bein in die Luft gestreckt. Dabei versuchte sie. Die Spannung zu halten, während sie ihr Bein langsam nach unten senkte. Es tat höllisch weh, doch sie biss die Zähne zusammen. Sie wollte nicht kampflos aufgeben. Bereits ein paar Wochen hatte sie verstreichen lassen, um ihrem Bein ein wenig Zeit zu geben, zu heilen, doch jetzt hatte sie nach Absprache mit dem Arzt mit leichten Übungen angefangen.

John lag ihr gegenüber und unterstützte sie. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass er so weit ging, um ihr zu helfen. Als sie mit der ambulanten Rehabilitation begonnen und ein Physiotherapeut aus Dr. Sommers Team ihr die Übungen gezeigt hatte, hätte sie niemals damit gerechnet, dass John sich zusammen mit ihr auf den Boden legen und mit ihr Gymnastikübungen machen würde. Einmal mehr zeigte er ihr, wie sehr er sie liebte, selbst, wenn er dabei aufgrund seiner eigenen Unsportlichkeit an seine Grenzen stieß, die Übungen eher halbherzig ausführte und dabei wirkte wie ein absoluter Sport-Legastheniker.

„21, 22, 23", zählte sie jede ihrer Bewegungen mit.

„Du ziehst das echt durch, was?", schnaufte er.

„Nur noch bis dreißig", erwiderte sie ehrgeizig, doch John ließ sein Becken erschöpft in Richtung Boden sinken. Auch ihre Muskulatur zitterte bereits und drohte, zu versagen. „Ich dachte, du wolltest mich motivieren, nicht umgekehrt", schmunzelte sie trotzdem. Er lachte.

„Mach du bis 30, ich hole dich gleich schon noch ein", konterte er.

Plötzlich durchfuhr ein stechender Schmerz ihr Bein und sie erkannte, dass sie versehentlich ihren verletzten Knöchel auf dem anderen aufgesetzt hatte.

„Au!"

Sie zog scharf die Luft ein. Ohne es zu wollen, sank sie zu Boden und umfasste mit schmerzverzerrtem Gesicht ihr Fußgelenk.

„Geht's?", fragte er besorgt und rutschte an sie heran.

„Ja, alles gut. Lass uns weitermachen", sagte sie tapfer und probierte, den Schmerz zu ignorieren, doch er war so schlimm, dass sie die Zähne fest zusammenbeißen musste. Er schüttelte energisch den Kopf.

„Nein, Cas. Hör auf."

„Doch. Ehrlich. Lass uns weitermachen", wiederholte sie, doch er hielt sie davon ab.

„Nein, man. Du übertreibst, okay?", sagte er entschieden.

„Der Arzt hat gesagt, ich muss an meine Grenzen gehen, oder nicht?"

„Ja, aber nicht bis du Schmerzen hast", widersprach er entschlossen und atmete tief durch. „Hör zu, Shorty, du hast genug getan. Lass uns eine Pause machen und Eis drauflegen", setzte er hinzu er und sah eindringlich in ihre Augen. Sie zog zweifelnd die Unterlippe zwischen die Zähne. Ihr war bewusst, dass er recht hatte. Vermutlich war es besser, auf ihren Körper zu hören.

„Okay", lenkte sie widerwillig ein.

„Warte hier", sagte er erleichtert. „Ich komme gleich wieder."

Sie beobachtete, wie er aufstand und kurz verschwand. Sie nahm unterdessen vorsichtig die Schiene ab. Der Fuß pochte nach wie vor höllisch. Kurz darauf kehrte ihr Freund mit etwas Eis zurück.

„Lass mich mal sehen", forderte er.

„Ich mache das schon", sagte sie abweisend.

„Lass mich schon gucken, man", wiederholte er, diesmal etwas sanfter.

„Ich kann das wirklich allein", protestierte sie.

Er ließ sich wieder zu ihr auf den Boden sinken.

„Fällt es dir so schwer, dir von mir helfen zu lassen?", fragte er verständnislos.

„Eigentlich sollte es andersrum laufen", sagte sie.

Er schwieg einen Moment, sah einfach nur in ihre Augen. Dann setzte er einen wissenden Gesichtsausdruck auf.

„Du willst das vor mir verbergen. Aber du weißt schon, dass wir zusammenleben und ich weiß, wie es darunter aussieht, oder? Also hör endlich auf, die Starke zu spielen, und lass dir einfach von mir helfen. Okay?"

Sie sagte nichts. Er schaute eindringlich in ihre Augen. Als sie erkannte, dass er nicht aufgeben würde, nickte sie, und legte ihr Bein über seine. Er wickelte vorsichtig den Verband ab. Es zwickte etwas, also zog sie scharf die Luft ein. Nach und nach kam ihr noch immer blau unterlaufener Fuß zum Vorschein, den er seufzend betrachtete.

„Ist nicht so schlimm wie es aussieht", log sie.

„Hör auf, vor mir einen auf cool zu machen", seufzte er und strich sanft über ihre Haut.

„Okay, es tut verdammt weh", gab sie zu.

„Wir sollten für heute aufhören", sagte er entschieden.

„Aber die Zeit läuft gegen mich", antwortete sie verzweifelt.

Er legte seine Hand an ihr Gesicht.

„Hor auf, dich unter Druck zu setzen, okay? Wir packen jetzt Eis drauf und dann war es das für heute."

„Okay", bestätigte sie, ehe er seine Lippen auf ihre presste.

„Gut. Und jetzt halt still", sagte er, bevor er das Eis vorsichtig auf ihren Fuß legte. Sie schlang währenddessen ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich an seine Brust. Ein unbeschreibliches Gefühl der Wärme und Zuneigung breitete sich in ihr aus. Es war unglaublich, wie nah sie ihre Verletzung und ihr Kampf für die Teilnahme an der Show sie noch einmal zusammengebracht hatte.

„Aaaw, Baby...", quietschte Alessa mitleidig, als sie am selben Abend das Haus betrat und ihr Blick auf den nach wie vor bandagierten Fuß fiel, den Cassie in der Luft hielt. Sie hatte ihre beste Freundin zu sich nach Hause eingeladen, um sich abzulenken, während John gleich zu seinen Freunden verschwinden würde. Er verbrachte momentan so viel Zeit mit ihr, dass sie froh war, wenn er sein eigentliches Leben nicht vernachlässigte.

„Hey", begrüßte Cassie sie lächelnd. „Komm doch rein."

Alessa begleitete ihre Freundin ins Wohnzimmer, wo sie zusammen auf die weiche Couch fielen.

„Ist John schon weg?", erkundigte Alessa sich.

„Gleich. Dann kannst du mir alles in Ruhe erzählen", lächelte Cassie und schob ihr ein Glas über den Tisch. Die Flasche nahm Alessa sich selbst.

„Wie geht es dir denn?", erkundigte sie sich und warf einen Blick auf ihren Fuß. „Machst du Fortschritte?"

Cassie seufzte frustriert.

„Nicht so schnell, wie es nötig wäre, um in ein paar Wochen wieder fit zu sein", erwiderte sie. „Aber noch gebe ich nicht auf."

Alessa schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln.

„Ich finde es bemerkenswert, wie sehr du kämpfst", sagte sie.

„John sagt auch, ich bin eine Kriegerin", grinste Cassie.

„Macht er immer noch die Übungen mit dir zusammen?", schmunzelte Alessa.

„Ja. Süß, oder?" lächelte Cassie.

„Total. Obwohl ich ihn mir überhaupt nicht dabei vorstellen kann", erwiderte Alessa amüsiert.

„Er darf auch auf keinen Fall wissen, dass du davon weißt. Ich musste ihm versprechen, es niemandem zu erzählen", erzählte Cassie.

„Keine Sorge. Ich verplappere mich schon nicht", versprach Alessa. „Aber die Vorstellung ist wirklich Zucker."

„Er hat sich die Zeit fest geblockt. Jeden Tag ist er dabei. Er ist wirklich unglaublich fürsorglich momentan und liest mir jeden Wunsch von den Augen ab", sagte Cassie verlegen.

„Vermutlich ändert sich das, sobald du wieder laufen kannst", grinste Alessa.

„Genau. Dann werde ich sofort wieder zum faulen Arschloch."

Johns Stimme ließ sie zur Tür schauen. Er stand dort, hatte seine Hände in den Hosentaschen seiner schwarzen Jogginghose vergraben, und musterte sie grinsend.

„Hey John", sagte Alessa mit einem Lächeln auf den Lippen und stand auf, als er den Raum durchquert hatte, um sie zu begrüßen.

„Hey...", erwiderte er. „Geht's dir gut?"

„Jetzt, wo wir endlich eingezogen sind, wird alles etwas angenehmer", erzählte Alessa.

„Sagt Jalil das auch oder nervst du ihn jetzt damit, dass er ständig neue Möbel aufbauen muss?", grinste John frech, während Alessa sich wieder auf die Couch setzte.

„Du könntest auch mal vorbeikommen und ihm helfen, dann würde es bestimmt schneller gehen", entgegnete Alessa mit einem Grinsen.

„Würde ich auf jeden Fall, aber du weißt ja, ich muss mich momentan um meine lädierte Freundin kümmern", seufzte er theatralisch und deutete auf Cassie, die schmunzelnd die Augen verdrehte, ehe sie sich an Alessa wandte. „Du kennst ihn ja. Nie um eine Ausrede verlegen."

Er lächelte schief, bevor er sich zu Cassie hinunter beugte. „Ich muss los. Diesmal bist du vorsichtig. Und wenn du es trotzdem nicht allein nach oben schaffst, schlaf bitte auf der Couch, okay?"

Er runzelte die Stirn und sah eindringlich in ihre Augen. Sie nickte.

„Keine Sorge, so einen Scheiß wie vorgestern mache ich nicht nochmal", beteuerte sie, bevor sie seine Lippen mit einem Abschiedskuss verschloss.

„Gut. Wenn was ist, ruf mich an", sagte er, bevor er sie allein ließ.

„Was war vorgestern?", hakte Alessa neugierig nach.

„Ich bin auf dem Po die Treppe rauf; Stufe für Stufe. Beim Aufstehen bin ich blöd aufgetreten", antwortete Cassie reumütig. „Ich weiß, war eine dumme Idee, aber ich dachte, irgendwie schaffe ich das schon. Es hat höllisch wehgetan."

„Oh man. Klingt, als solltest du dir später besser von mir helfen lassen."

Cassie lächelte.

„Und jetzt erzähl; wie ist das Zusammenleben mit Jalil?"

Alessa seufzte schwer.

„Hättest du mir nicht vorher davon abraten können? Ich meine, wir haben es ja vorher schon auf Zeit probiert, aber jetzt, wo keiner von uns mehr einen Rückzugsort hat, ist es auf Dauer schon manchmal wirklich anstrengend", sagte sie.

„Lässt er auch alles überall herumliegen?", grinste Cassie.

„Er bekommt es nicht mal hin, morgens nach dem Frühstück seine Espresso-Tasse in die Spülmaschine zu räumen. Manchmal, wenn ich ihn ganz nett daran erinnere, schafft er es zumindest bis in die Spüle", erzählte Alessa.

„Immerhin", entgegnete Cassie anerkennend. „John schafft es normalerweise nicht mal bis dort."

„Er lässt wirklich alles überall stehen, wo er sich gerade aufhält. Die Schuhe bleiben einfach dort liegen, wo er sie ausgezogen hat."

„Uns hat es geholfen, dass wir klare Regeln aufgestellt haben. Wir haben abgesprochen, wer wofür verantwortlich ist. Dummerweise habe ich die Ordnung bekommen, während er sich die handwerklichen Tätigkeiten unter den Nagel gerissen hat", seufzte Cassie.

„Weil er im Haushalt so wahnsinnig viel repariert", stellte Alessa trocken fest.

„Deswegen wollte er diesen Part unbedingt übernehmen – er ruft dann einfach immer irgendeine Firma an, die seinen Job erledigt, und bezahlt die Leute dafür", erklärte Cassie schmunzelnd. „Fairerweise muss ich dazu sagen, dass er, seit ich mir diese Verletzung zugezogen habe, zumindest versucht, hin und wieder aufzuräumen und es manchmal sogar fertigbringt, eine Maschine Wäsche zu waschen."

„Mit oder ohne trocknen?", grinste Alessa.

„Ohne natürlich. Ist schließlich ein extra Gang. Dafür hat er mir angeboten, in den nächsten Wochen eine Haushaltshilfe einzustellen", fuhr Cassie kopfschüttelnd fort.

„Unglaublich – Jalil hat die Idee sofort abgelehnt. Er hat mich gefragt, ob ich bescheuert bin, dafür Geld ausgeben zu wollen. Schließlich wäre ich doch ständig zuhause und hätte genug Zeit dafür", empörte sich Alessa.

„Aber so lang das euer einziges Diskussionsthema ist, ist das doch vollkommen okay", grinste Cassie.

„Es gibt tausend Kleinigkeiten, die mich wahnsinnig machen", sagte Alessa entschieden. „Ich bin Frühaufsteher, er schläft gerne aus. Selbst, wenn ich also früh aufstehen würde, um das Haus zu putzen, würde er sich darüber aufregen, dass er am Wochenende nicht ausschlafen kann."

„Ihr werdet euch schon noch aneinander gewöhnen", sagte Cassie zuversichtlich.

„Ich wünschte, wir wären schon so weit wie ihr", gestand Alessa.

„Genau genommen seid ihr weiter als wir; ihr seid schließlich schon verheiratet und wenn alles klappt, bekommt ihr auch in absehbarer Zeit ein Baby", lächelte Cassie.

„Babys könnt ihr auch ohne Hochzeit kriegen", stellte Alessa neunmalklug fest.

„Vielleicht. Aber ich bin noch nicht so weit", sagte Cassie.

„Wieso eigentlich nicht?", fragte Alessa.

„Ich weiß nicht. Ich will mich erst noch verwirklichen", lächelte Cassie.

„Mit dem Tanzen, meinst du?"

Sie nickte.

„Ja. Wenn ich alles erreicht habe, was ich mir erträumt habe, bekomme ich so viele Kinder, wie er möchte", versicherte sie grinsend.

„Also gefällt dir die Vorstellung, eines Tages ein paar kleine Mini-Johns im Kinderwagen durch die Gegend zu schieben?", hakte Alessa nach.

„Klar. Wenn ich mit einem Mann Kinder bekommen möchte, dann mit ihm", sagte sie verträumt.

„Eigentlich schade" seufzte Alessa.

„Was meinst du?", wollte Cassie wissen.

„Ich dachte immer, wir würden gleichzeitig schwanger werden und das alles zusammen erleben; die Übelkeit, die Kotzerei, die ersten Tritte, die Geburt...", erzählte Alessa.

Cassie lächelte.

„Auf Übelkeit und Kotzerei könnte ich verzichten, aber der Rest klingt schön."

„Noch kannst du's dir überlegen", zwinkerte Alessa.

„Ich denke, ich mache jetzt eins nach dem anderen. Erstmal kuriere ich meinen Fuß aus, dann versuche ich, irgendwie meine Rolle in der Show wiederzubekommen und dann-"

„Sie haben deine Rolle jemand anderem gegeben?", platzte es überrascht aus Alessa heraus.

„Nicht irgendjemandem, sondern Paola", seufzte Cassie frustriert.

„Nicht im Ernst", sagte Alessa fassungslos. „Obwohl sie die ganze Zeit gegen dich intrigiert hat?"

„Vermutlich eher, weil sie gegen mich intrigiert hat. Sie hat schließlich keine Gelegenheit ausgelassen, sich darüber in den Mittelpunkt zu drängen", schlussfolgerte Cassie wütend.

„Das kannst du auf keinen Fall zulassen", stellte Alessa klar. „Irgendwie muss man doch verhindern können, dass sie dafür auch noch mit der Hauptrolle belohnt wird."

„Mir ist leider noch nicht eingefallen, wie ich das anstellen könnte – außer, ich komme schnell wieder auf die Beine und hole mir meine Rolle wieder", sagte Cassie.

„Geht das denn?", wollte Alessa wissen. Cassie zuckte mit den Schultern.

„Ich habe keine Ahnung", antwortete sie. „Aber ich werde es auf jeden Fall versuchen. Ich werde nicht zulassen, dass sie mir erst meinen zukünftigen Mann ausspannt und jetzt auch noch meinen Traum wegnimmt."

Als Alessa ein paar Stunden später nach Hause fuhr, half sie Cassie zunächst sicher ins Schlafzimmer. Dort tauschte sie ihren Jogginganzug gegen ein T-Shirt und eine kurze Hose, bevor sie sich ins Bett kuschelte. Es war bereits kurz nach Mitternacht, doch sie wusste, dass John noch ein paar Stunden wegbleiben würde. Also schickte sie ihm eine kurze Nachricht. Sie hatte gerade das Handy zur Seite gelegt, als es in der Dunkelheit des Raums aufleuchtete. Sie schmunzelte und griff noch einmal danach, um seine Antwort zu lesen. Zu ihrer Überraschung war es jedoch keine Nachricht, sondern ein Anruf.

Als sie den Namen auf dem Display las, wurde ihr gleichzeitig heiß und kalt. Ihre Finger begannen zu jucken und ein kalter Schauer lief über ihren Rücken. Was wollte er von ihr? Hatte er nicht schon genug angerichtet? Sie war hin- und hergerissen. Einerseits wollte sie den Anruf annehmen und ihm sagen, wie unglaublich wütend sie auf ihn war, andererseits wollte sie nie wieder mit ihm sprechen oder in sein Gesicht sehen müssen. Eine ganze Weile starrte sie tatenlos auf das Display des iPhones und kämpfte gegen sich selbst, bevor sie schließlich ihre Entscheidung traf.

Ich weiss. Immer diese enden. Hoffe das Kapitel gefällt euch trotzdem :)

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