2 | 26 | Intrigen
So, meine Lieben. Weiter geht's mit einem neuen Kapitel. <3
„Ich glaub das einfach nicht", seufzte Cassie schwer und fiel auf das weiche Bett in Romes Hotelzimmer. Sie hatte vor ein paar Minuten das Telefonat mit John beendet und versuchte noch immer, die Informationen zu verarbeiten.
„Wann muss er denn rein?", fragte Rome.
„Nächste Woche schon", antwortete sie kopfschüttelnd. „Ich meine, ich kann mich nicht einmal richtig von ihm verabschieden. Dabei wusste John schon länger, wann genau Marten seine Haft antreten muss. Wenn er es mir früher gesagt hätte, vielleicht hätte ich einen Tag hinfahren können."
„Ich verstehe dich, aber er wollte dir einfach nur nicht noch mehr Kopfzerbrechen bereiten", ergriff er Partei für ihren Freund. „Er hat schließlich gemerkt, wie sehr dich die Tage hier schlauchen."
Sie atmete tief durch.
„Das stimmt ja auch. Es ist wirklich sehr anstrengend. Aber Marten ist mittlerweile sowas wie mein Bruder. Natürlich will ich wissen, wann genau er in den Bau muss. Ich hätte ihn gern nochmal gesehen", erklärte sie.
„Noch ist er nicht weg. Vielleicht lässt es sich doch irgendwie einrichten", ermutigte er sie.
„Ich glaube nicht, dass ich so kurzfristig hier wegkann. Die planen mit mir. Jetzt urplötzlich für mindestens eineinhalb Tage zu verschwinden, wäre unprofessionell", stellte sie ratlos fest.
„Wenn alle Stricke reißen, rufst du ihn an", sagte er.
„Habe ich gerade schon versucht, bevor ich rübergekommen bin. Er ist nicht rangegangen", erzählte sie.
„Dann ruft er sicher zurück", ermutigte er sie.
Sie atmete tief durch.
„Wahrscheinlich, wenn ich wieder zwischen meinen neuen Freundinnen in unserer kuschligen 3er WG liege und nicht in Ruhe telefonieren kann", erwiderte sie. „Für die Tour bestehe ich auf jeden Fall auf ein Einzelzimmer. Als Leading Role brauche ich wirklich meinen Schlaf, aber Elisa hört einfach nicht auf zu reden. Ich fühle mich jeden Morgen wie gerädert, wenn ich aufstehe. Auf Tour kann das so nicht weitergehen", stellte sie klar.
„Wenn du willst, kann ich auch jetzt schon ein Einzelzimmer für dich reservieren", schlug er vor. Sie winkte ab.
„Lass das besser. Am Ende leiten sie daraus nur mangelnde Teamfähigkeit ab oder drehen mir irgendeinen anderen Strick daraus", entgegnete sie und ließ sich müde mit dem Rücken auf das Bett fallen.
„Kann ich irgendetwas tun?", wollte er wissen.
Sie schüttelte resigniert den Kopf.
„Mich aufwecken, wenn das hier nur ein fieser Alptraum ist", seufzte sie.
„Es könnte alles schlimmer sein", erwiderte er. „Eineinhalb Jahre gehen schnell vorbei."
„Mir geht es nicht um die eineinhalb Jahre, sondern darum, dass ich ihn nicht mehr sehen kann – jedenfalls nicht, ohne meine Rolle aufs Spiel zu setzen oder vertragsbrüchig zu werden. Vermutlich würde sich das rumsprechen und auf meine anderen Kooperationen auswirken. Außerdem wäre es ein gefundenes Fressen für Paola, wenn ich jetzt ausfallen würde. Sie würde direkt ihre Chance wittern, mir wieder Steine in den Weg zu legen und mich zu sabotieren", sagte sie.
Seit sie Paola klargemacht hatte, dass eine Annäherung auf freundschaftlicher Basis für sie ausgeschlossen war, verhielt sie sich in höchstem Maße anstrengend. Sie nutzte während der Proben jede Gelegenheit, Cassie unbemerkt in ein schlechtes Licht zu rücken. Es gelang ihr, Cassies Momente der Schwäche dazu zu nutzen, sich darüber zu profilieren. Wenn sie erkannte, dass Cassie in der Choreografie patzte, präsentierte sie sich wie die hilfsbereite Teamkollegin, die sie vor allen höflich auf einen Fehler hinwies und ihr im gleichen Atemzug die richtige Schrittkombination zeigte. Nach außen ließ sie es so aussehen, als würde sie Cassie unterstützen, doch sie durchschaute ihre ehemalige Freundin längst.
„Ich kann sie bedrohen, wenn du willst", schlug Rome vor. Sie lachte.
„Wahrscheinlich ist das keine so gute Idee. Außerdem mache ich das schon selbst, wenn sie so weitermacht. Lange lasse ich mir das jedenfalls nicht mehr gefallen", versicherte sie und schloss für einen Moment die Augen. Sie genoss das Gefühl der von ihr abfallenden Anspannung und konzentrierte sich auf eine ruhige Atmung. Es war schön, kurz an überhaupt nichts zu denken.
„Du kannst auch hier schlafen", bot er an.
„Damit Elisa sich morgen das Maul darüber zerreißt, dass ich über Nacht verschwunden bin?", murmelte sie, ohne die Augen zu öffnen. „Ich gehe einfach gleich wieder rüber und sage ihr, dass ich schlafen möchte. Ich brauche gerade einfach nur kurz Zeit für mich, um auf alles klarzukommen."
Doch auch, als Cassie am nächsten Morgen die Augen aufschlug, fühlte sie sich nicht besser. Elisa war bereits wach und lief summend zwischen Bad und Bett hin und her, während Cassie versuchte, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden. Am liebsten hätte sie Elisa wieder einmal eine Ansage gemacht, doch sie hatte bereits ihre harsche Aufforderung, sie endlich schlafen zu lassen, lediglich mit einer beleidigten Grimasse quittiert und Cassie war noch nicht in der Stimmung für einen morgendlichen Zickenkrieg. Also zog sie verschlafen ihr Handy zu sich heran und warf einen Blick auf das Display. Erleichtert stellte sie fest, dass Marten ihr noch in der Nacht eine Nachricht geschrieben hatte.
„Nika ist bei mir. Rufe dich morgen an."
Sie lächelte. Zu lesen, dass die beiden offensichtlich wieder miteinander sprachen, freute sie. Vielleicht bestand ja doch noch eine Chance darauf, dass Marten so etwas wie eine richtige Beziehung führte. Sie wartete noch, bis Elisa endgültig im Badezimmer fertig war, bevor sie sich aus dem Bett quälte. Eine Viertelstunde fand sie sich am Frühstückstisch wieder. Inzwischen war es zur Routine geworden, dass sie sich morgens in kleinen Gruppen zusammenfanden. Sie genehmigte sich eine ausgiebige Mahlzeit, bevor sie aufs Zimmer zurückkehrte, um ihre Klamotten fürs Training zu holen. Dann machte sie sich auf den Weg.
Als sie aus dem Gebäude ins Freie trat, schien die Sonne bereits am strahlend blauen Himmel und die Vögel zwitscherten. Rome stand schon dort und wartete auf sie.
„Du musst dir das echt nicht antun", sagte Cassie. „Du wirst dich sowieso nur langweilen."
„Ich schaue mir gern die hübschen Ärsche deiner Kolleginnen an. Außerdem ist die Produktionsassistentin ganz süß. Sie hat mich gefragt, ob wir heute im Laufe des Vormittags einen Kaffee trinken können", grinste er. Sie verdrehte die Augen.
„Ihr seid wirklich alle gleich", kommentierte sie. Wie aufs Stichwort begann das Handy in ihrer Tasche zu klingeln. Sie zog es heraus, bevor sie sich zusammen mit Rome in Bewegung setzte. Als sie Martens Namen auf dem Display sah, machten sich gemischte Gefühle in ihr breit; einerseits freute sie sich darüber, dass er sie zurückrief, andererseits machte es sie traurig.
„Hey...", begrüßte sie ihn trotzdem so fröhlich sie konnte, denn er musste nicht wissen, wie es in ihr aussah. Das würde ihm die Situation nur schwerer machen, an der er sowieso nichts ändern konnte.
„Hey", erwiderte er. Sie lächelte automatisch, als sie seine Stimme hörte. „Hast du gerade kurz Zeit?"
„Ja. Ich bin gerade auf dem Weg zu den Proben", antwortete sie.
„Ich gehe eine Runde mit Chopper und... Also... Ich... John hat es dir schon gesagt, oder?"
Es war offensichtlich, dass es Marten schwerfiel, über die aktuellen Ereignisse zu sprechen.
„Ja. Er hat mich gestern angerufen", erwiderte sie. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich dazu sagen soll."
„Ja, ist scheiße gelaufen. Aber es ist jetzt nun mal, wie es ist. Und eineinhalb Jahre sind eine kurze Zeit. Wenn ich mich ruhig verhalte, komme ich schnell in den offenen Vollzug", erzählte Marten. „Mach dir also keine Sorgen um mich. Mir geht's gut."
Sie wusste, dass er log, aber es hatte keinen Sinn, mit ihm darüber zu sprechen.
„Ich kann versuchen, für ein oder zwei Tage nach Hause zu kommen", sagte sie.
„Nein. Das will ich nicht", sagte er entschieden.
„Also soll ich dich nicht mal verabschieden", seufzte sie.
„Wir können facetimen", entgegnete er. „Aber ich will nicht, dass du für mich deine Proben vernachlässigst."
„Es wäre ein Tag. Ich könnte morgens nach Hamburg fliegen und am Abend zurück", schlug sie vor.
„Nein."
„Warum bist du so stur?", fragte sie anklagend.
„Weil es nicht nötig ist, Cas. Du kannst nichts mehr daran ändern. Es macht keinen Sinn, dein Training zu verpassen, um mit mir und Chopper durch den Park zu laufen. Also bleib da", forderte er.
„Du wirst mir fehlen. Ich will dich aus purem Egoismus noch einmal sehen", gestand sie ehrlich.
„Und mir wird es das Herz brechen, in deine traurigen Kulleraugen zu schauen. Die meiner Mutter und die meiner Freundin reichen mir schon", entgegnete er.
„Also ist sie jetzt offiziell deine Freundin", stellte sie lächelnd fest.
„Ja", antwortete er.
„Du verrätst mich also für ein anderes Mädchen; weil du lieber deine letzten Tage mit ihr statt mit mir verbringen willst. Verstehe", stichelte sie gespielt eifersüchtig. Humor half ihr, mit der schwierigen Situation umzugehen. Er lachte.
„Ich wollte es dir nicht so offen sagen, um dich nicht zu verletzen, aber es stimmt. Sie ist jetzt meine Nummer eins. Akzeptier es bitte und mach es uns nicht noch schwerer, als es ist. Okay?", neckte er sie zurück.
„Okay", seufzte sie. „Aber vergiss mich nicht ganz, ja?"
„Versprochen", sagte er.
Sie atmete tief durch, als sie das Gespräch beendet hatte und das Handy in die Tasche zurückschob. Doch bevor sie etwas sagen konnte, tauchte plötzlich Elisa neben ihnen auf.
„Wieso hast du nicht auf mich gewartet?", fragte sie beleidigt. Cassie ertrug es nicht, sich nach diesem emotional aufreibenden Telefonat mit Marten von Elisa Vorwürfe über Kleinigkeiten anzuhören. Merkte sie denn gar nicht, wann sie anderen mit ihrer Art auf die Nerven ging?
„Weil ich nicht dein Scheiß Babysitter bin, okay?", platzte es gereizt aus Cassie heraus. Elisa sah sie überrascht aus großen Augen an. Cassie ignorierte sie und wandte sich an Rome. „Wir sehen uns später, ja?", sagte sie knapp, ehe sie ihre Schritte beschleunigte und die beiden allein zurückließ.
Im Proberaum angekommen versuchte sie, all ihre negativen Gedanken zu verdrängen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie wollte fokussiert an der Performance und der Umsetzung des Stückes arbeiten, also musste sie alles andere ausblenden.
Heute arbeiteten sie an einer Choreografie für eine Sequenz im Club, den Anita mit ihren Freundinnen Lola und Mia, verkörpert von Paola und Carmen, besuchte. Dort trafen sie auf eine Gruppe rund um Elisa, die Raja, die Freundin eines verfeindeten Gangmitglieds, verkörperte. Im Verlauf kam es zu einem spontanen Battle, nachdem Raja Anita körperlich angegriffen hatte. Ein Battle zu stagen, fiel Cassie schwerer, als während eines richtigen Battles Freestyle zu tanzen, doch gemeinsam mit den anderen Mädchen gelang es, bis zum Nachmittag eine gute Choreografie auszuarbeiten. Sie bestand aus einer Kombination aus schnellen, anspruchsvollen und langsameren Passagen, band ein paar Akrobatik-Elemente mit ein und beinhaltete sowohl Einzel- aus auch Gruppenelemente.
Am Nachmittag besuchte Colette, die künstlerische Leiterin des Stücks, sie im Trainingsraum, um sich das Resultat anzuschauen. Die dunkelhäutige Brasilianerin mit den langen Haaren, dem schönen Gesicht und den großen, brauen Augen setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und startete die Musik, bevor die Mädchen anfingen, sich vor ihr zu bewegen. Cassie tanzte die Schritte ihres Solos mittlerweile so selbstsicher, dass sie auf den Spiegel verzichtete, und sich stattdessen voll und ganz auf sich, ihren Körper und ihren Ausdruck konzentrierte. Sie patzte nicht ein einziges Mal, sehr zum Ärger von Paola, die sie mit Adleraugen beobachtete und nur darauf zu warten schien, sich endlich wieder positiv hervortun zu können. Doch Cassie gab ihr keine Chance dazu, tanzte ihr Stück souverän zuende und begab sich an die Seite, um den anderen Mädchen den Raum für ihre Performance zu geben.
Erst, als sie noch einmal für das Gruppenelement vortanzte, richtete Colette ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf sie. Sie schien sehr zufrieden mit dem, was sie sah, lächelte unentwegt und beobachtete sie mit wachen Augen. Dann plötzlich, mitten in einer Figur, bei der Cassie sich zur Seite neigte und Paola sie stützte, ließ sie sie einfach fallen. Cassie war so überrascht darüber, dass sie zu Boden stürzte. Paola tanzte währenddessen unbehelligt weiter. Cassie schäumte vor Wut über diesen absichtlich verursachten Patzer, richtete sich jedoch kommentarlos auf und beendete zunächst den Gruppenpart. Erst, als die letzten Töne der Musik verklungen waren, und Colette die sechs Mädchen wohlwollend musterte, warf sie Paola einen finsteren Seitenblick zu.
„Das hat mir schon ganz gut gefallen", lobte Colette. „Hier und da gab es noch kleine Patzer, die ihr ausbessern müsst, aber fürs Erste ist das schon sehr überzeugend. Carmen, bei der Hüftdrehung hast du nicht genug Körperspannung, dadurch wirkt es sehr schwammig, und im Gruppenpart bist du nicht zu hundert Prozent synchron gewesen. Und Cassie, dein Solo war wirklich hervorragend, aber du musst darauf achten, deine Konzentration bis zum Ende zu halten und darfst nicht unaufmerksam werden."
„Hast du nicht gesehen, dass sie mich fallengelassen hat?", platzte es aufgebracht aus Cassie heraus.
„Das ist doch lächerlich", entgegnete Paola energisch. „Du hast einfach nur nicht aufgepasst."
„Du weißt genau, dass das nicht stimmt", fauchte Cassie.
„Versuch bitte nicht, die Schuld für deinen Fehler bei anderen zu suchen. Das ist unprofessionell", sagte Paola lässig und brachte Cassie damit nur noch mehr auf die Palme.
„Aber es war deine Schuld – und das weißt du ganz genau. Du sabotierst mich sowieso, wo du nur kannst!"
„Mädels!", unterbrach Colette die Auseinandersetzung. „Könnt ihr eure Meinungsverschiedenheiten bitte im Anschluss klären? Ich bin gerade dabei, euch Feedback zu geben."
Cassie schnaubte wütend, doch Colette hatte Recht. Es war jetzt einfach nicht der richtige Moment für eine Diskussion.
„Ja. Klar. Okay", räumte sie frustriert ein, bevor sie sich von Paola abwandte und Colette wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. Es fiel ihr unglaublich schwer und kostete sehr viel ihrer Energie, Paola nicht einfach ins Gesicht zu schlagen. Erst, als Colette verschwunden war und die Mädchen ihre Sachen zusammenpackten, um für heute aufzuhören, stürmte sie wutentbrannt auf Paola zu.
„Du bist echt unglaublich, weißt du das?", fuhr sie ihre ehemalige Freundin an, als die anderen Mädchen gegangen waren, doch die setzte lediglich ein überlegenes Lächeln auf.
„Wieso? Ist doch nicht meine Schuld, wenn du unkonzentriert bist", sagte sie herablassend.
„Du weißt genau, dass du mich fallengelassen hast. Die ganze Zeit versuchst du, mir Steine in den Weg zu legen und mich in ein schlechtes Licht zu rücken, weil ich nicht mehr mit dir befreundet sein will", ließ Cassie durchblicken, dass sie Paola längst durchschaut hatte.
„Das bildest du dir ein", entgegnete sie schulterzuckend.
„Ich sage es dir ein letztes Mal. Hör auf, mich ständig zu sabotieren."
„Sonst was?", fragte Paola genüsslich grinsend.
Ohne zu zögern, umfasste Cassie ihre Schultern und schleuderte sie unsanft gegen die Wand. Paola sah ihr unbeeindruckt in die bedrohlich zu Schlitzen verengten Augen, während Cassie die letzte zwischen ihnen liegende Distanz überwand.
„Das willst du nicht herausfinden", knurrte sie. Paola stieß sie zurück.
„Leg dich besser nicht mit mir an", zischte sie. „Sonst war das heute erst der Anfang."
Also ich glaube ja, dass die beiden keine Freundinnen mehr werden. Wie hättet ihr an Cassies Stelle reagiert? Bin gespannt :)
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