2 | 24 | Teil 1 | Loyalität
Weil es so übertrieben lang war, hab ich das 24. Kapitel nochmal aufgeteilt. Es ist aber trotzdem noch lang genug. Ich hoffe, es gefällt euch xD
„So hab ich das doch überhaupt nicht gemeint, man", sagte John leidend, während er Cassie in die Küche folgte. Als sie ihn während ihrer Diskussion in der vergangenen Nacht durchschaut hatte, war sie freiwillig mit ihrem Bettzeug ins Gästezimmer verschwunden. Sie konnte nicht glauben, dass er nur versuchte, die Kinderplanung voranzutreiben, um ihre Teilnahme an der Show-Tour zu verhindern.
„Du hast es ganz genau so gemeint", stellte sie klar und fuhr zu ihm herum.
„Nein, ehrlich nicht", beteuerte er.
„Weißt du eigentlich, wie schäbig das ist?", fragte sie enttäuscht. „Ich will Kinder mit dir, weil ich dich liebe. Du willst Kinder mit mir, damit du mich nicht mit anderen Männern teilen musst."
„Natürlich will ich ein Baby mit dir, weil ich dich liebe – über alles sogar. Ich möchte einfach nur nicht mehr warten", entgegnete er und ließ seine Hände sinken. Sie schüttelte enttäuscht den Kopf.
„Du weißt genau, dass du das nur vorschiebst. Eigentlich geht es dir um Rachid", konterte sie wissend.
„Klar nervt es mich, dass du mit ihm zusammenarbeiten musst. Aber in erster Linie geht es mir wirklich um uns", versicherte er. Sie seufzte lautlos. Wie gern hätte sie ihm einfach geglaubt? Doch es fiel ihr wahnsinnig schwer.
„Komischerweise geht es dir genau jetzt um uns; nicht vor einem halben Jahr oder vor vier Wochen; ich hätte praktisch jederzeit die Pille absetzen und schwanger werden können", stellte sie fest.
„Und? Ich möchte einfach nicht mehr warten", antwortete er schulterzuckend. „Wieso ist das so schlimm für dich?", fragte er provokant und machte einen Schritt auf sie zu.
„Wieso ist es so schlimm für dich, dass ich noch etwas warten will?", entgegnete sie.
„Wie lang?", hakte er nach und hob eine Augenbraue.
„Bis ich bereit dazu bin", erwiderte sie.
„Und wann ist das?", wollte er wissen. Sie warf die Hände in die Luft.
„Woher soll ich das wissen?", platzte es beinah verzweifelt aus ihr heraus.
„Liegt es an mir? Gebe ich dir nicht genug Sicherheit?", wollte er wissen.
„Nein, es liegt nicht an dir. Wie kommst du überhaupt darauf?", fragte sie kopfschüttelnd und ließ ihre Hände sinken. Dann überbrückte sie die letzte zwischen ihnen liegende Distanz. „Ich will deshalb auch gar nicht mit dir streiten, Schatz."
„Glaubst du, ich habe Bock darauf, dass wir uns anschreien, nur, weil ich ein Baby von dir will?", fragte er sanft und sein Blick wurde weich. Sie griff nach seiner Hand und zog ihn zu sich heran. Er blieb dicht vor ihr stehen und sah auf sie herab, während sie den Kopf leicht in den Nacken legte und eindringlich in sein Gesicht schaute.
„Sei bitte ehrlich zu mir. Willst du ausgerechnet jetzt ein Baby bekommen, weil dein Herz es dir sagt, oder, weil du verhindern willst, dass ich diesen Job mache? Denn wenn du wirklich so ein riesiges Problem damit hast, kannst du mir das auch einfach sagen und ich sage ihn ab", sagte sie und sah ihm prüfend in die Augen, so, als könne sie die Wahrheit darin erkennen.
„Niemals sagst du den ab", entgegnete er. Sie wusste im ersten Moment nicht, ob es eine zweifelnde Feststellung oder ein Verbot war. Sie legte ihre Hände an seine Brust.
„Ich meine es ernst. Wenn du nachts nicht ruhig schlafen kannst, bin ich raus für diesen Job. Kein Geld der Welt ist es mir wert, dass es dir damit schlecht geht."
Sie konnte nicht glauben, dass sie das gerade tat, doch es war das, was ihr Herz ihr sagte. Sie liebte ihn so sehr, dass sie alles für ihn getan hätte; auch, wenn das bedeutete, eine große Chance aufzugeben, damit es ihm besser ging. John schüttelte mit einem leichten Lächeln auf den Lippen den Kopf und strich durch ihre Locken.
„Du würdest das wirklich wegen mir absagen?", hakte er ungläubig nach.
„Wie soll ich etwas durchziehen, von wem ich weiß, dass es dich verletzt?", fragte sie leise.
Er schüttelte den Kopf und lächelte.
„Gott, Shorty, du bist wirklich zu gut für diese Welt", sagte er.
„Also, würdest du dich besser fühlen, wenn ich die Show nicht mache?", wollte sie wissen und sah fest in seine Augen.
„Auf keinen Fall will ich, dass du das für mich absagst. Du hast immer davon geträumt, bei so einem Projekt dabei zu sein. Was wäre ich für ein Freund, wenn ich wirklich von dir verlangen würde, dass du das aufgibst, nur, weil ich meine Eifersucht nicht im Griff habe?"
Sie lächelte angesichts seiner Offenheit.
„Natürlich wäre ich nicht traurig, wenn du selbst keinen Bock darauf hast", ergänzte er grinsend. Sie erwiderte es.
„Und das Baby?"
Er schlang seinen Arm um sie.
„Das will ich immer noch. Aber wenn du noch nicht bereit dazu bist, dann warten wir eben noch was", lenkte er ein. Sie atmete innerlich erleichtert auf.
„Also ist das echt okay für dich?", vergewisserte sie sich. Er nickte.
„Was bringt es mir, wenn wir ein Kind bekommen, und du mit der Situation unglücklich bist?", entgegnete er nachdenklich.
„Weißt du was?", fragte sie.
„Was?"
„Ich mache diese Tour und danach reden wir nochmal darüber", schlug sie vor. Er lächelte.
„Okay."
„Und du bist echt nicht sauer, wenn ich die Show mache?", hakte sie ein letztes Mal nach.
Er schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich komme schon damit klar. Aber ich schaue ab und zu vorbei und zeige diesem Spinner, zu wem du gehörst", sagte er entschieden.
„Ich dachte, du kommst vorbei, um mich zu unterstützen", erinnerte sie ihn an seine eigenen Worte.
„Klar, aber wenn ich schonmal da bin...", grinste er. Sie schmunzelte.
„Ich liebe dich", sagte sie.
„Ich dich auch", erwiderte er, bevor er seine Lippen auf ihre presste, um sich endgültig mit ihr zu versöhnen.
Ein paar Tage später saß sie schließlich gemeinsam mit John und Rome im Auto und blätterte aufgeregt im Skript des Stückes herum. Sie hatten bereits mehr als die Hälfte der Strecke nach Köln zurückgelegt, wo morgen die Proben beginnen würden. Jetzt, wo alle Missverständnisse zwischen John und ihr aus dem Weg geräumt waren, konnte sie es kaum erwarten, mit dem Training zu beginnen.
Das Stück war sozialkritisch und hatte eine tiefe Message. Die Handlung war eine Übertragung von Shakespeares „Romeo und Julia" in das heutige Berlin. Die Liebesgeschichte spielte sich vor dem Hintergrund eines Bandenkriegs rivalisierender ethnischer Jugendbanden ab – der Streetboys und der Warriors. Sie würde in die Rolle der Anita schlüpfen und liebte sie bereits, bevor sie ihr überhaupt Leben eingehaucht hatte.
Die Show begann damit, dass sich die Gangs auf der Straße begegneten und es infolge eines Battles zu einer Auseinandersetzung kam, welche jedoch von einer Polizeistreife unterbunden wurde.
Cenk, der Anführer der Streetboys, schlug seiner Gang daraufhin einen klärenden Straßenkampf vor, für den er selbst seinen Freund Chico, den ehemaligen Gründer und Anführer der Gang, zurückgewinnen konnte. Während eines Club-Besuchs sollte nun Bernardo, der Anführer der Warriors, herausgefordert werden. Dabei kam es jedoch zu einem prekären Vorfall, durch den sich der Konflikt nur weiter zuspitzte: Chico und Bernardos Schwester Anita verliebten sich Hals über Kopf ineinander, als sie sich im Club begegneten und miteinander tanzten. Im Anschluss brachte Chico sie nach Hause und sie verabredeten sich für den nächsten Tag. Von da an nahm ihr tragisches Schicksal seinen Lauf.
Währenddessen trafen sich Cenk und Bernardo miteinander, um einen Zeitpunkt für den Zweikampf auszumachen. Bevor sie allerdings am darauffolgenden Tag gegeneinander kämpfen konnten, kam Chico aufgebracht hinzu und versuchte auf Anitas Bitte hin, den Kampf zu verhindern. Bernardo missverstand jedoch seine Absicht und stürzte sich auf ihn. Cenk ging dazwischen, dann zückten beide ein Messer. Inmitten des Tumults wurde Cenk von Bernardo erstochen. Daraufhin entstand ein heftiger Aufruhr, infolgedessen Bernardo von Chico getötet wurde.
Anita, die bereits vom Tod ihres Bruders erfahren hatte, machte Chico deshalb berechtigte Vorwürfe, doch er konnte sie davon überzeugen, dass der Tod ihres Bruders nicht beabsichtigt gewesen war und er sie aus dieser Gangrivalität herausholen würde.
Lola, Anitas Freundin, bemerkte die heimliche Beziehung zwischen ihr und Chico und versuchte sie ihr auszureden, immerhin, so Lola, habe Chico Anitas Bruder umgebracht; doch Anita hielt an ihren Gefühlen fest. Sie schickte Lola zu Chico, um ihm die Nachricht zu überbringen, sie wolle mit ihm fortgehen. Die Streetboys trauten Lola jedoch nicht über den Weg und ließen sie erst gar nicht zu Chico. Stattdessen versuchten sie, sie zu vergewaltigen. Aus Wut kehrte sie Anitas Nachricht unter den Tisch und behauptete schließlich vor Chico, als dieser doch noch von allein auf den Plan trat, um seine Gang zurückzupfeifen, Cenks Bruder Selim hätte Anita in einem blutigen Racheakt umgebracht. Chico versuchte daraufhin erfolglos, Anita zu erreichen, und machte sich beinah krank vor Sorge auf die Suche nach ihr. Er fand sie vor dem Club, in dem sie sich kennengelernt hatten, doch bevor er mit ihr sprechen konnte, tauchte Selim auf, völlig außer sich, weil sein Bruder gestorben war, obwohl Chico ihn hätte beschützen sollen, und erschoss ihn. Er starb in Anitas Armen.
Die Message der Show, wegen Konflikten keine Menschenleben zu opfern, gefiel Cassie, denn es war ein allgegenwärtiges und immer aktuelles Thema.
„Mittlerweile müsstest du das Skript bereits in- und auswendig kennen", riss Johns Stimme sie aus ihren Gedanken. Er saß auf dem Beifahrersitz und musterte sie über den Rückspiegel. Sie ließ das Skript in ihren Schoß sinken und seufzte.
„Ich will einfach vorbereitet sein", sagte sie. „Ich sollte zumindest meine Rolle kennen, damit ich weiß, wie ich sie tänzerisch am besten umsetzen kann."
„Sei froh, dass du kaum Text lernen musst", erwiderte John.
„Wieso? Traust du mir nicht zu, dass ich mir mehr als drei Worte merken kann?", grinste sie.
„Weil dich das noch mehr unter Druck setzen würde", entgegnete er.
„Ich mag neue Herausforderungen", sagte sie lächelnd und legte das Skript endgültig zur Seite. „Außerdem bekommen wir sogar etwas Schauspielunterricht."
„Denk bitte an uns, wenn du für den nächsten Grammy nominiert wirst", kommentierte Rome trocken.
John lachte auf.
„Du meinst den Golden Globe. Der Grammy ist ein Musikpreis."
„Eigentlich meinte ich den Oscar", korrigierte Rome grimmig und setzte den Blinker, um die Autobahn zu wechseln. Cassie verdrehte grinsend die Augen. Es war schön zu sehen, wie gut die beiden wieder miteinander klarkamen. Sie rechnete es John hoch an, dass er nicht weiter auf Romes Unaufmerksamkeit herumgeritten war, sondern sich auf die Zukunft konzentrierte. Es gab ihr ein gutes Gefühl, dass die beiden sie begleiteten, auch, wenn John bereits in zwei Tagen zurück nach Hamburg fliegen und erst in ein paar Wochen wiederkommen würde.
Die Produktionsfirma zahlte die Unterbringung des gesamten Teams in einem kleinen Hotel, in dessen unmittelbarer, fußläufiger Entfernung sich ein Tanzstudio befand. Dort würden sie die Choreografien erarbeiten und einstudieren. Währenddessen arbeitete die Crew am Bühnenbild, an den Kostümen und dem Sound für die Show.
„Ihr seid süß, aber ich glaube kaum, dass meine schauspielerische Performance so überwältigend sein wird, dass mir jemand eine Rolle in einem Hollywood-Blockbuster anbieten würde", schmunzelte sie.
„Sag niemals nie."
Und was haltet ihr von der Versöhnung der beiden? Hättet ihr so schnell nachgegeben?
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