2 | 13 | Ablenkung

Eigentlich wollte ich noch etwas mit dem Kapitel warten, aber stattdessen habe ich überlegt, heute spontan ein paar Kapitel rauszuhauen. Was haltet ihr von der Idee? :)

John blies den Rauch aus und schaute gedankenverloren in die Dunkelheit hinaus. Bereits vier Tage war es jetzt her, dass Cassie gegangen war. Seit ihrer Flucht hatte sie sich nicht mehr gemeldet. Er wusste ganz genau, dass sie darauf wartete, dass er den ersten Schritt machte.

Er konnte es ihr nicht verübeln, immerhin hatte er diesen unnötigen Streit vom Zaun gebrochen. Er hatte seine Eifersucht nicht mehr im Griff. In den vergangenen Monaten fiel es ihm immer schwerer, seine Emotionen zu kontrollieren. Er wusste, dass er eine Grenze überschritten hatte. Natürlich hatte er im ersten Moment eher zufällig auf Cassies Handy geschaut, weil es genau in dem Augenblick aufgeblinkt hatte, in dem er das Licht ausschalten wollte. Die Nachricht jedoch zu lesen und sie anschließend derart aufgebracht zur Rede zu stellen, war sonst nicht seine Art. Er wusste nicht, woher die Verlustangst kam, die er in der letzten Zeit entwickelt hatte. Sie war einfach da.

Vermutlich lag es daran, dass Cassie vor einer gefühlten Ewigkeit eine Affäre mit Marten gehabt hatte. Obwohl er das Gegenteil behauptete; auch nach über zwei Jahren nagte es immer mal wieder an ihm. Er wusste, dass er keinen alleinigen Anspruch auf sie hatte. Sie hatte gerade in der langen Trennungsphase ein Anrecht auf ein eigenes Leben gehabt und praktisch machen können, was und mit wem sie wollte. Trotzdem hatte es ihn verletzt zu erfahren, dass ausgerechnet diese beiden in dieser Zeit zusammengefunden hatten. Er wusste, dass keiner von ihnen ihm etwas Böses gewollt hatte. Es hatte sich einfach aus der Verzweiflung heraus ergeben. Beide wollten ihren Schmerz des Verlustes betäuben; jeder auf seine Art und Weise. Marten kämpfte noch immer mit dem Tod seiner ersten und bisher einzigen großen Liebe und Cassie hatte ihre Trennung bis zu dem Zeitpunkt nur oberflächlich verarbeitet.

Er wusste nicht, ob es leichter für ihn gewesen wäre, hätte sie sich mit jemand anderem über ihre gescheiterte Beziehung hinweggetröstet. Wahrscheinlich nicht. Ihm war bewusst, dass sich die Dinge anders entwickelt hätten, hätte er sich nicht von ihr getrennt, sondern für ihre Liebe gekämpft. Umso tiefer saß der Stachel, der sich seit etwas mehr als zwei Jahren in sein Herz bohrte. Meist gelang es ihm, das Pieken zu ignorieren, doch an manchen Tagen brannte es besonders in der Wunde. Er hatte mit Cassie nie darüber gesprochen, denn er hatte nicht das Gefühl, dass sie etwas daran ändern konnte, dass er sich hin und wieder so fühlte.

„Kommst du, Diggi?"

Martens Stimme ließ ihn herumfahren. Er stand bereits an seinem Wagen und musterte John fragend. Ohne zu antworten, schloss er die Tür seines Tattoo-Studios ab und folgte Marten zum Auto, setzte sich auf den Beifahrersitz und ließ das Fenster herunter, als sein Cousin den Motor startete. Er war bereits den gesamten Tag mit ihm unterwegs und versuchte, sich von seinen Gedanken rund um Cassie abzulenken, doch es wollte ihm nicht gelingen.

„Carlos hat geschrieben. Wir treffen uns gleich noch und ziehen um die Häuser. Bist du dabei?", fragte Marten und setzte den Blinker, um rechts abzubiegen.

„Nee, keinen Bock heute auf das Gesabbel der Leute und tausend Fotos mit Fans", grummelte John und zog ein letztes Mal an seinem Joint, bevor er ihn aus dem Fenster warf.

„Okay, soll ich dich wo anders absetzen?", fragte Marten und bog in eine Hauptstraße ein.

„Weiß nicht. Warte", antwortete er, zog sein iPhone aus der Tasche seiner Jogginghose und tippte darauf herum. Eine ganze Weile sendete er Nachrichten an die verschiedensten Leute, versuchte, jemanden zu finden, der auch keinen Bock hatte, rauszugehen, bis er endlich fündig wurde.

„Kannst du mich bei Maxwell absetzen?", fragte er und warf Marten einen fragenden Blick zu.

„Ja. Sicher."

Als er eine Dreiviertelstunde später Maxwells Wohnung betrat, war es ihm endlich gelungen, die quälenden Gedanken rund um Cassie beiseite zu schieben. Seine Laune war gut und besserte sich automatisch noch etwas mehr, als Maxwell die Flasche Hennessy herausholte.

Bisher hatte er nur Marten und Rome davon erzählt, dass er sich mit Cassie gestritten hatte und sie übergangsweise ausgezogen war. Er hatte nicht vor, das jetzt zu ändern. Er fiel auf die Couch im Wohnzimmer, schüttete sich etwas vom Hennessy in ein Glas und machte es sich gemütlich. Maxwell machte einen mindestens genauso unglücklichen Eindruck wie er selbst.

„Was ist los mit dir?", wollte John wissen.

„Nichts, Digga", antwortete Maxwell und daddelte sein Playstation-Spiel weiter.

„Erzähl", forderte John, in der Hoffnung, dass die Probleme seines Freundes ihn von seinen eigenen ablenken würden. Maxwell stoppte das Spiel, nahm sich eine Zigarette aus der Schachtel auf dem Wohnzimmertisch und zündete sie sich an. Dann blies er den Rauch aus und schaute John ins Gesicht.

„Es ist wegen Nika."

"Was ist mit ihr?", fragte John interessiert.

„Sie ist komisch", stellte Maxwell fest.

„Was heißt das?", wollte John wissen.

„An dem Abend vor ein paar Tagen-"

„An dem wir uns alle an der Tanke getroffen haben?", hakte John ein.

„Genau. Ich war vorher mit ihr was essen und wir haben geredet. Irgendwas stimmt nicht mit ihr. Ich glaube, sie verheimlicht mir was."

John seufzte lautlos und trank einen weiteren Schluck Hennessy. Vermutlich war es keine gute Idee, ihn darüber aufzuklären, dass Marten bereits in ihrem Hafen angelegt hatte. Mehrmals. Regelmäßig.

„Ihr habt euch lang nicht gesehen. Vielleicht muss sie erstmal wieder mit dir warmwerden", wiederholte John das, was Maxwell ihm bisher über Nika erzählt hatte.

„Kann sein. Keine Ahnung. Ich habe ja nicht mal damit gerechnet, sie nochmal wiederzusehen, nachdem der Kontakt abgerissen ist", erzählte Maxwell und zog an der Zigarette. „Früher haben wir über alles miteinander gesprochen. Ist komisch für mich, dass es jetzt anders ist, Digga."

„Vielleicht hängt sie noch an ihrem Ex", sagte John irgendwann scheinheilig.

„Ja, kann sein. So, wie sie ausgeflippt ist wegen diesem Mädchen, kann es auch sein, dass sie noch nicht über ihn hinweg ist", entgegnete Maxwell.

„Möglich", grinste John und schnappte sich den zweiten Controller. „Komm, Diggi, lass nicht mehr über Frauen reden."

Als John am nächsten Nachmittag die Augen aufschlug, fühlte er sich durchwachsen. Die Nacht bei Maxwell und der viele Alkohol hatten seine Spuren hinterlassen. Auch eine Dusche brachte ihn nicht wirklich auf Touren, also fand er sich etwas später in einem Jogginganzug faul auf der Couch wieder, den Blick auf das iPhone in seiner Hand gerichtet. Marten hatte ihm gerade geschrieben, dass er auf dem Weg zu ihm war. John tippte einen Daumen-hoch-Emoji zurück, ehe er die restlichen Cornflakes in sich hineinschaufelte. Er hatte gerade die Schüssel zur Seite gestellt, als Rome hereinkam. Auch er wirkte müde; so, als hätte er eine lange Nacht hinter sich.

Als Cassie gegangen war, hatte John ihm einen Haustürschlüssel gegeben, unter der Voraussetzung, dass er keine fremden Weiber mehr anschleppte. Seit John mit ihm darüber gesprochen hatte, dass sich einige Kleinigkeiten ändern mussten, hielt sein Freund sich strikt an die neuen Absprachen. Rome fiel erschöpft neben John auf die Couch.

„Alles gut?", fragte er und legte die Beine hoch.

„Ja", log John, obwohl er sich gerade vor ein paar Minuten dabei erwischt hatte, wie er Cassies Bild betrachtet und darüber nachgedacht hatte, endlich über seinen eigenen Schatten zu springen. Sie fehlte ihm.

„Hat sie sich inzwischen mal gemeldet?", fragte Rome und musterte ihn eindringlich.

„Nee", sagte er kopfschüttelnd. Zum Glück klingelte es, bevor Rome ihn in ein Gespräch rund um Cassie verwickeln konnte. John stand auf, um Marten hereinzulassen. Als er ihm die Tür öffnete, stutzte er. Den Blessuren in seinem Gesicht nach zu urteilen hatte er eine körperliche Auseinandersetzung hinter sich, hatte jedoch schon deutlich schlimmer ausgesehen.

„Hat der andere seine Zähne noch?", hakte John nach und machte einen Schritt nach hinten, um seinen Cousin hereinzulassen.

„Message ist angekommen", antwortete er trocken und folgte John über die Küche ins Wohnzimmer, wo er Rome mit einem Handschlag begrüßte.

„Was ist passiert?", wollte John wissen, doch Marten schüttelte den Kopf.

„Nicht wichtig", antwortete er kurz angebunden, stand noch einmal auf und verschwand wieder in der Küche, um sich etwas zu trinken zu holen. Als er zurückkehrte, musterte er John prüfend und fiel auf die weiche Couch zurück. „Hast du was von Cassie gehört?"

Sofort hob John hellhörig seinen Blick.

„Wieso?"

„Hast du oder nicht?", fragte Marten, statt auf seine Rückfrage einzugehen, und schüttete sich ein Glas Cola ein. John seufzte genervt. Es war offensichtlich, dass Marten auf etwas Bestimmtes hinauswollte.

„Nee. Sie hat sich nicht gemeldet. Warum?"

Marten wurde ernst, stellte die Flasche Cola auf den Tisch zurück und sah zu John herüber.

„Versprich mir, dass du dich nicht aufregst."

Ja, da wird der gute Marten ja vielleicht noch etwas ausplaudern, oder was meint ihr? Ich weiß, es war fies, erstmal einen Cut im letzten Kapitel zu machen und euch jetzt noch etwas länger auf die Auflösung warten zu lassen, aber eigentlich bleiben ja jetzt auch nicht mehr so viele Optionen, oder?

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