19 | Gewitterwölkchen
Ich bin immer noch ganz aus dem Häuschen, dass Wolke 7 die 100.000 Leser überschritten hat. Vielen, vielen Dank. An der Stelle geht es jetzt weiter mit Cassie & John. Viel Spaß.
2012.
„Manchmal geht es mir wirklich auf die Nerven", seufze Cassie und strich sich frustriert durch ihre Locken.
„Kann ich verstehen", antwortete Alessa und rührte in ihrer Tasse Milchkaffee herum. Cassie ließ währenddessen ihren Blick durch das große Panoramafenster auf die belebte Fußgängerzone schweifen. „Und wenn du nochmal mit John darüber redest?"
Sie zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht", erwiderte sie frustriert, „Ich habe nicht das Gefühl, dass das etwas ändern wird. Außerdem möchte ich auch nicht, dass er glaubt, ich würde nicht mehr hinter ihm stehen; es läuft endlich mit der Musik und ich möchte nicht diejenige sein, die ihm das schlechtredet."
„Aber du redest doch nichts schlecht. Du fühlst dich einfach nur als Freundin vernachlässigt. Es ist dein gutes Recht, etwas zu sagen", ermutigte Alessa sie lächelnd.
„Natürlich ist es mein gutes Recht. Aber ich möchte auch nicht die Zeit, die er sich für mich nimmt, mit Diskussionen verschwenden. Dazu ist er mir einfach viel zu wichtig."
Ihre Augen wurden traurig, als sie an ihre letzte Auseinandersetzung mit John zurückdachte.
„Ihr streitet momentan ziemlich häufig, oder?"
Sie schluckte, als Alessa sie eindringlich musterte.
„Ja, schon. Ich fühle mich einfach vernachlässigt, gerade jetzt, wo er bis über beide Ohren in der Vorbereitung für die Free-Gzuz-Tour steckt. Dabei habe ich ihn die ganze Zeit dazu ermutigt, alles zu planen und unterstütze ihn noch bei der Vorbereitung. Mich enttäuscht es einfach, dass er sich für mich keine Zeit nimmt. Aber vielleicht ändert sich das auch wieder nach der Tour."
„Vielleicht ist das gerade wirklich alles etwas viel", räumte Alessa ein.
Cassie trank einen Schluck aus ihrem Latte-Macchiato-Glas, dann atmete sie tief durch und schaute ungeduldig auf ihr Handy. Noch immer hatte John sich nicht gemeldet, dabei hatte er versprochen, dass sie sich heute noch einmal sehen und Zeit miteinander verbringen würden. Sie war hin- und hergerissen. Ein Teil in ihr wollte ihm schreiben, ihn fragen, ob er es schaffen würde. Ein anderer Teil in ihr wollte ihm nicht hinterherlaufen. „Sollen wir vielleicht ins Kino gehen?"
„Und was ist mit deinem Treffen mit John?"
Cassie zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Er hat mir immer noch nicht geantwortet. Was weiß ich, wann er sich heute von den Jungs trennen kann. Aber ich habe auch keine Lust, allein zuhause rumzusitzen. Also kann ich genauso gut ins Kino gehen, mir mit dir eine schöne Zeit machen und mich ablenken."
„Eigentlich wirklich etwas blöd von ihm, dich so in der Luft hängen zu lassen. Immerhin weiß er doch, dass du nicht mehr gut allein zuhause sein kannst", sagte Alessa und trank ihren letzten Schluck Milchkaffee.
„Obwohl das wirklich langsam besser wird, seit ich mit John zusammengezogen bin. Außerdem möchte ich auch gar nicht, dass er jeden Abend extra nach Hause kommt, nur, weil ich vielleicht noch ein wenig daran zu knabbern habe", erwiderte Cassie. Sie konnte kaum glauben, dass seit der Eskalation mit ihrem ehemaligen Nachbarn bereits fast ein halbes Jahr vergangen war. Zu Beginn war das Zusammenleben in der kleinen, eher heruntergekommenen Wohnung eher gewöhnungsbedürftig gewesen, doch mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt, dass John gern einfach alles stehen und liegen ließ, während sie eher ordnungsliebend war. Die ganze Sache mit ihrem Nachbarn hatte sie wider Erwarten so sehr mitgenommen, dass sie monatelang schlecht geschlafen und sich verfolgt gefühlt hatte. Noch immer fühlte sie sich unwohl, wenn John abends nicht zuhause war; gerade jetzt, wo die Tage wieder kürzer wurden und es draußen früher dunkel war. Natürlich erwartete sie trotzdem nicht von ihm, dass er jeden Abend an ihrer Seite blieb und ihre Hand hielt. „Verstehe. Also, weißt du, welche Filme laufen oder sollen wir kurz nachsehen?"
Als Cassie ein paar Stunden später gemeinsam mit ihrer Freundin das Kino verließ, hatte sie ihre Gedanken rund um John bereits wieder verdrängt. Sie hatten sich einen lustigen Film angeschaut und unterhielten sich angeregt über die Handlung, während sie zu Alessas Auto liefen. Cassies Wagen war gerade in der Werkstatt, also hatte sie Cassie kurzerhand nach der Arbeit am Tanzstudio abgeholt. Erst, als sie auf der Beifahrerseite eingestiegen war und sich angeschnallt hatte, zog sie das Handy aus der Tasche ihres Wintermantels, um einen Blick darauf zu werfen. Sie hatte tatsächlich ein paar Nachrichten von John bekommen. Außerdem hatte er probiert, sie anzurufen – allerdings bereits vor zwei Stunden. Sie zog ihre Unterlippe zwischen die Zähne und tippte auf ihrem Handy herum, um die Nachricht zu öffnen.
„Bin zuhause. Wo bist du?"
„Shorty?"
Zuletzt hatte John einen misstrauischen Emoji gesendet. Sie hatte ihm nicht Bescheid gesagt. Wahrscheinlich war er jetzt sauer. Aber nachdem sie sich zwei Mal über den Tag bei ihm gemeldet und ihn nach der Planung für den heutigen Abend gefragt hatte, hatte sie darauf verzichtet, ihm nochmal zu schreiben. Erst jetzt tippte sie eine Antwort.
„War spontan mit Les im Kino. Sie bringt mich jetzt nach Hause."
Als Alessa sie eine halbe Stunde später vor dem großen Wohnblock absetzte, bedankte sie sich bei ihrer Freundin für ihre aufmunternden Worte und den schönen Abend, bevor sie sich ihre Sachen schnappte, den Schlüsselbund aus ihrer Manteltasche kramte und aus dem Auto stieg.
Auch, wenn es bereits kurz nach elf war, brannte in dem achtstöckigen Gebäude in den meisten der insgesamt 64 Wohnungen noch Licht. Sie schloss die Tür auf und betrat den dunklen Flur. Noch immer hatte sie sich nicht an den leicht modrigen Geruch gewöhnt. Während sie den schmalen Gang entlanglief, vorbei an Kinderwägen und Fahrrädern, ignorierte sie die vollgeschmierten Wände. Als sie die Taste für den Aufzug drückte, öffnete sich die quietschende Tür sofort. Obwohl die Türen öfter mal klemmten, war der Aufzug bisher noch nicht steckengeblieben. Sie drückte auf einen der großen, runden Knöpfe, zog ihr Handy nochmal aus der Tasche und tippte darauf herum, während der Aufzug sie in den siebten Stock brachte. Dort lief sie den langen Gang entlang an den großen, roten Türen vorbei bis zur letzten Wohnung auf der rechten Seite. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass es John tatsächlich gelungen war, sie davon zu überzeugen, hier einzuziehen. Aber jetzt, wo sie sich daran gewöhnt hatte, kam ihr die Wohnung gar nicht mehr so schäbig vor, wie ihre Mutter sie fand. Sicher gab es einige Mängel, doch über die konnte sie hinwegsehen. Dafür war der Preis okay und sie konnte sich andere Dinge leisten. Außerdem sollte es sowieso nur eine Übergangslösung sein, bis sie mit der Musik und dem neuen Job in einem anderen Tanzstudio so viel Geld verdienten, dass sie sich gemeinsam etwas Besseres leisten konnten.
Sie betrat die Wohnung, zog ihre Sneakers aus und hing ihren Mantel an einen der überfüllten Kleiderhaken an der Tür. Die Wohnung war nicht besonders groß. Links von ihr lag das Badezimmer mit Badewanne, rechts von ihr die kleine, spartanische Küche. Gegenüber der Wohnungstür gingen zwei Türen ab, die ins Schlafzimmer und ins Wohnzimmer mit angrenzendem Balkon führten. Bisher hatten sie außer einem Bett keine neuen Möbel gekauft, sondern Cassies Küche, ihre Wohnzimmereinrichtung sowie die Schränke aus ihrer alten Wohnung übernommen.
Als sie das Wohnzimmer betrat, saß John auf der Couch und telefonierte. Er musterte sie kurz mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck. „Ich ruf dich gleich nochmal an", wimmelte er seinen Gesprächspartner ab, bevor er das Telefonat beendete und sie mit seinen Augen fixierte. Sie beugte sich zu ihm, um ihm einen Kuss auf den Mund zu drücken.
„In welchem Film seid ihr gewesen?", fragte er, als sie sich von ihm löste. Seine Stimme war kühl.
„Hotel Transsilvanien."
„Du hast mich für einen Kinderfilm versetzt?", knurrte er.
„Was für versetzt? Du hast mir den ganzen Tag nicht geantwortet", gab sie zurück.
„Weil ich beschäftigt war", erwiderte er.
„Ja, wie immer momentan", seufzte sie frustriert, bevor sie sich von ihm abwandte.
„Was soll das jetzt heißen?", wollte er wissen und erhob sich, als sie das Wohnzimmer verließ. Er folgte ihr in die Küche. „Ich hab dich was gefragt, Cas."
Sie fuhr zu ihm herum.
„Dass du gerade oft unterwegs bist."
„Und?", fragte er provokant.
„Ich verstehe das, aber manchmal wünsche ich mir, dass du dir etwas mehr Zeit für mich nimmst. Wir machen seit Wochen nichts mehr zusammen", erwiderte sie.
„Ich bin heute extra für dich nach Hause gekommen – du warst nicht da."
„Ich wollte einfach nicht allein sein. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du ausgerechnet heute für mich früher nach Hause kommst", räumte sie leise ein und biss sich auf die Unterlippe. Johns Blick wurde weich. Er machte einen Schritt an sie heran und legte seine Hände an ihre Taille.
„Ich verspreche dir, nach der Tour nehme ich mir wieder mehr Zeit für dich. Gerade ist einfach alles ziemlich stressig", versicherte er ihr. Sie lächelte leicht, während er durch ihre Locken strich. Sie schlang unterdessen ihre Arme um seinen Hals und schaute zu ihm auf.
„Danke, dass du das extra für mich gemacht hast", lächelte sie.
Seine Lippen verzogen sich zu einem frechen Grinsen.
„Was?", fragte sie.
„Dann muss ich mir wenigstens gleich nicht selbst einen runterholen."
Sie lachte unwillkürlich auf.
„Du änderst dich nie", schmunzelte sie, bevor sie ihn zu sich herunterzog, um ihn zu küssen.
Ich weiß ja nicht, aber findet ihr, sie wirken so richtig glücklich? Könnt ihr verstehen, dass sie nicht nach Hause wollte? Findet ihr es nachvollziehbar, dass sie sich vernachlässigt fühlt? Oder dass er sauer war? Ich bin gespannt auf eure Meinung :D
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