Weil ich euch so liebe, heute ein extra langes Kapitel zum Wochenende. Wünsche euch viel Spass. Freue mich natürlich immer über Kommentare ❤
2009
„Warum machst du das, Schatz?"
John hielt Cassies anklagendem Blick stand. Seine Augen funkelten im Licht der Sonne. Doch heute hatten dieses tiefe Blau keine beruhigende Wirkung auf sie.
„Es geht nicht anders, okay? Das ist echt wichtig", antwortete er entschieden.
Cassie stieß einen enttäuschen Laut aus, bevor sie ihren Blick durch den kleinen Park schweifen ließ, indem sie sich verabredet hatten. Sie hatte sich auf den gemeinsamen Nachmittag gefreut, schließlich verbrachte sie momentan viel Zeit mit Lernen und er hing oft bis spät in der Nacht mit seinen Freunden im Studio. Doch jetzt standen sie hier, mitten im Park auf einem von großen, grünen Bäumen gesäumten Gehweg, und diskutierten miteinander, weil John sein Wort nicht hielt. Dabei hatte er es versprochen. Sie konnte nicht glauben, dass John sie ausgerechnet an diesem Tag hängenließ.
„Klar, es ist ja schließlich immer wichtig", sagte sie beißend und schaute John wieder ins Gesicht. Er griff nach ihren Armen, die sie gerade noch abwehrend vor der Brust verschränkt hatte.
„Komm schon, Shorty, ich mache es wieder gut. Versprochen", beteuerte er, doch sie zog ihre Hände weg, als er sie mit seinen umfasste, um sie zu sich heranzuziehen.
„Wie du meinst", sagte sie enttäuscht, dann wandte sie sich von ihm ab und setzte sich in Bewegung. Er verdrehte die Augen, anschließend folgte er ihr.
„Wo willst du jetzt hin?", fragte er gereizt.
„Nach Hause", antwortete sie knapp.
„Übertreib doch nicht gleich so", erwiderte er.
Sie fuhr wütend zu ihm herum und ihre türkisfarbenen Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Ich übertreibe? Ich habe Geburtstag und du verabredest dich mit den Jungs. Das darf ich scheiße finden!", sagte sie entschieden.
„Wir müssen diese Chance nutzen und das Video so schnell wie möglich drehen, sonst denken die von 16bars, wir nehmen die ganze Sache nicht ernst. Aber wir holen das nach", beteuerte er.
Cassie seufzte lautlos. Natürlich wusste sie, dass die Gelegenheit, ein Musikvideo über eine solche Plattform zu veröffentlichen und damit eine größere Masse zu erreichen, nicht so schnell wiederkommen würde. Trotzdem fand sie, dass John sich zumindest etwas Zeit nehmen konnte.
„Wenn ich dann Zeit dafür habe", sagte sie bissig.
„Was soll das jetzt wieder?", fragte er genervt.
„Vielleicht gehe ich dann lieber mit meinen Freundinnen feiern", erwiderte sie beleidigt.
„Wo?"
„Kann dir doch egal sein, du kommst sowieso nicht mit", gab sie provokant zurück.
„Du gehst ganz bestimmt nicht mehr ohne mich auf diese Dancehall-Party im Lion", stellte er klar.
Das letzte Mal war sie mit ihren Freundinnen von ein paar Typen regelrecht belästigt und anschließend bis zur Haltestelle verfolgt worden. Sie wusste, dass er auf diese Nacht anspielte, schenkte ihm aber trotzdem einen abschätzigen Blick.
„Führen wir jetzt so eine Beziehung, ja?", fragte sie enttäuscht.
Er seufzte schwer, dann überwand er die letzte Distanz zwischen ihnen und schaute auf sie herab.
„Nein, natürlich nicht", sagte er versöhnlich, „Aber mir gefällt der Gedanke nicht, wie dich all diese Typen dort angeiern, wenn ich nicht dabei bin, um auf dich aufzupassen."
„Bevor wir zusammengekommen sind, konnte ich auch gut auf mich selbst aufpassen", konterte sie und reckte ihm trotzig ihr Kinn entgegen. Das leichte Lächeln auf seinen Lippen machte sie nur noch wütender.
„Schau mal, Shorty. Ich verstehe, dass du enttäuscht bist, aber ich verspreche dir, ich mache es wieder gut. Lass uns jetzt bitte nicht weiter streiten."
„Tun wir nicht, denn ich gehe jetzt nach Hause", sagte sie, bevor sie sich erneut von ihm abwandte. Er blieb stehen und atmete kurz tief durch. Dann folgte er ihr.
„Du musst mich nicht nach Hause bringen, um dein schlechtes Gewissen zu beruhigen", ließ sie ihn wissen, als er eine Weile schweigend neben ihr hergelaufen war und sie den Ausgang des Parks erreichten.
„Ich bringe dich nach Hause, weil ich auf dich aufpassen will", antwortete er.
Sie lachte auf.
„Klar. Am helllichten Tag. Keine Angst, Casanova, mir passiert schon nichts."
Als Cassie zwei Tage später nach Hause kam, war zu ihrer Wut auf John auch noch die Enttäuschung über ihre Freundinnen dazugekommen. Heute war ihr zwanzigster Geburtstag, aber niemanden schien das zu interessieren.
Ihre Mutter musste länger arbeiten, ihre Schwester hatte noch einen Förderkurs in der Schule und all ihre Freundinnen hatten ihr abgesagt; alle außer Alessa. Dabei hätten sie sich heute Nachmittag regulär zum Training getroffen. Cassie verdrängte ihre Enttäuschung, als sie die Wohnungstür aufschloss.
Sie zog ihre Sneakers aus, stellte ihren Rucksack ab und schloss die Tür hinter sich. Dann schloss sie ihre Augen und atmete tief durch. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal an ihrem Geburtstag so einsam gefühlt hatte.
Sie warf einen flüchtigen Blick auf die rosegoldene Uhr an ihrem Handgelenk, bevor sie ihre Jacke auszog und an die Garderobe hängte. Alessa würde erst in einer guten halben Stunde hier sein. Das ließ ihr genug Zeit, sich noch einmal frisch zu machen und den bunten 80er-Jahre-Pullover, den sie in ihre High Waist Jeans gesteckt hatte, gegen etwas anderes zu tauschen. Sie wollte gerade im Badezimmer verschwinden, als ein lautes Krachen sie zusammenfahren ließ.
Augenblicklich schlug ihr das Herz bis zum Hals. Erst vor ein paar Tagen hatten ein paar dunkle Gestalten in der Straße herumgelungert und kurz darauf war in das Haus gegenüber eingebrochen worden. Ihr Herz hämmerte so laut, dass sie nichts anderes mehr hörte, und als sie ihr Handy so leise wie möglich aus der Gesäßtasche ihrer Jeans zog, zitterten ihre Finger so sehr, dass sie glaubte, es gleich fallenzulassen. Doch bevor sie eine Nummer wählen konnte, stürmte plötzlich eine Gestalt aus der Küche und sie schrie panisch auf. Dabei rutschte ihr das Handy aus der Hand.
„Überraschung!"
Als sie Malia erkannte, atmete Cassie erleichtert auf. Ihr folgten Alessa, Paola und Esra. Erst jetzt verstand sie, dass all ihre Freundinnen sie nicht wirklich im Stich gelassen hatten, sondern sie einfach nur überraschen wollten, und schloss sie erleichtert in die Arme. Ihr Puls raste jedoch noch immer so schnell, dass sie glaubte, gleich umzufallen.
„Alles Liebe zum Geburtstag", sagten ihre Freundinnen fast zeitgleich in die Umarmung herein.
„Danke", sagte Cassie gerührt, als sie die Mädchen in einer Gruppenumarmung fest an sich drückte. In diesem Augenblick flachte die Aufregung ab – sie fühlte sich einfach nur geliebt und die Enttäuschung verblasste.
Als sie das Handy aufgehoben und auf etwaige Schäden inspiziert hatte, betrat sie die liebevoll dekorierte Küche, in der ihre Freundinnen einen Geburtstagstisch für sie hergerichtet hatten. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem glücklichen Strahlen. Ihre kleine Schwester Willow stand auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches und zündete gerade die letzte der brennenden Geburtstagskerzen an, die in der Mitte des Tisches um einen bunten, selbst gebackenen Kuchen herumstanden. Cassie ließ das Bild einen kurzen Augenblick auf sich wirken, während Esra unzählige Fotos machte.
„Ihr seid so süß!", lächelte Cassie gerührt, bevor sie sich gemeinsam an den Tisch setzten.
Im Nachhinein fühlte sie sich sogar schlecht, weil sie so enttäuscht von ihren Freundinnen gewesen war.
„Mum kommt direkt nach der Arbeit", sagte Willow, während Malia den Kuchen anschnitt.
„Den hat Paola gebacken", sagte sie und gab Cassie das erste Stück.
Sie lächelte.
Paola wusste genau, wie sehr Cassie ihren selbstgebackenen Schokoladenkuchen liebte.
„Danke", sagte sie zu ihr.
„Bevor du isst, musst du dir erst was wünschen. Das ist Tradition", erinnerte sie Willow lächelnd.
Cassie erwiderte das Lächeln, dann pustete sie die Kerzen aus und versuchte dabei, sich die Erfüllung eines ihrer Herzenswünsche vorzustellen. Sie hatte wirklich die tollsten Freundinnen der Welt. Ihr Blick fiel auf ein paar herzlich verpackte Geschenke, doch wie immer verschob sie das Auspacken auf später.
„Hat er immer noch nicht geschrieben?"
Alessas Stimme riss Cassie aus ihren Gedanken, als sie ein paar Stunden später auf ihr Handy schaute. Sie schüttelte den Kopf. John hatte tatsächlich den gesamten Tag noch nichts von sich hören lassen. Doch sie hatte entschieden, sich davon nicht den schönen Geburtstag vermiesen zu lassen, den ihre Freundinnen ihr bereitet hatten. Außerdem war der Tag noch lang nicht vorbei.
Alessa hatte ihr einen gemeinsamen Mädels-Abend zum Geburtstag geschenkt, den sie noch heute einlösen würden. Da John sich tatsächlich keine Zeit für sie nahm, hatte Alessa vorab bereits entschieden, Geburtstagstraurigkeit entgegenzuwirken und den Abend minutiös durchgeplant.
Cassie hatte sich nach dem gemeinsamen Abendessen bereits in ein partytaugliches Outfit geschmissen und ein paar Klamotten zusammengepackt, da sie im Anschluss an die Dancehall-Party im Lion, zu der John sie nicht allein gehen lassen wollte, alle gemeinsam bei Alessa übernachten würden. Morgen früh würden sie nach einer langen Partynacht ausschlafen und gemeinsam frühstücken. Cassie war dankbar dafür, dass sie so tolle Freundinnen hatte.
„Du siehst echt mega aus", sagte Esra, als Cassie in der in rot-, gelb-, blau- und grüngemusterten Afrika-Leggings, dem dazu passenden bunten Top und ihren gelben Chucks aus dem Badezimmer kam. Ihre Locken trug sie offen.
„Wirklich", bestätigte Alessa, „John weiß gar nicht, was er heute verpasst."
„Scheiß auf John", gab Cassie gleichgültig zurück und suchte nach einer passenden Jacke an der Garderobe.
„Hast du einen Pullover eingepackt?"
Cassie fuhr zu Alessa herum.
„Wir gehen feiern. Ich glaube kaum, dass ich den brauche", erwiderte sie und entschied sich für einen gelben Windbreaker.
„Bei uns ist die Heizung ausgefallen und du frierst doch so schnell", gab Alessa zurück.
Cassie warf ihr einen misstrauischen Blick zu.
„Hast du wieder die Rechnung nicht bezahlt oder was?"
Doch statt zu diskutieren, packte sie direkt noch einen zweiten Pullover in die Tasche.
„Wir können los", sagte sie anschließend und verabschiedete sich von Willow und ihrer Mutter, die inzwischen von der Arbeit nach Hause gekommen war.
„Lass uns erst die Sachen zu mir bringen", sagte Alessa, als Cassie die Beifahrertür des VW Polo öffnete.
„Ja, wir haben eh noch Zeit, oder haben wir wirklich Bock, schon um elf Uhr dort aufzutauchen?", fragte Esra, als sie auf den Rücksitz kletterte. Cassie stieg zu den beiden ins Auto. Malia und Paola fuhren in Paolas Auto hinter ihnen her. Alessa drehte die Musik auf und sorgte für ausgelassene Feierlaune, während sie den Wagen durch den Verkehr lenkte.
„Wollten wir nicht zu dir?", fragte Cassie, als Alessa an der nächsten Kreuzung statt links rechts abbog.
„Ja, aber ich muss kurz noch was erledigen", antwortete sie kryptisch.
Cassie lehnte sich entspannt zurück und ließ sich von den Klängen des Dancehall-Tunes einhüllen. Eigentlich war das einer der Songs, den sie mit John immer hörte, doch sie nahm sich vor, heute Abend keinen Gedanken mehr an ihn zu verschwenden; schließlich hatte er ihr bis jetzt nicht zum Geburtstag gratuliert.
„Vielleicht hat er es vor lauter wichtigem Videodreh auch vergessen", sprach sie ihre Gedanken laut aus.
„Wer? John?"
Esra musterte sie aufmerksam vom Rücksitz.
„Hmm", machte Cassie enttäuscht.
„Glaubst du wirklich?", fragte Alessa skeptisch.
„Welcher Freund gratuliert seiner Freundin den gesamten Tag nicht zum Geburtstag?", platzte es wütend aus Esra heraus.
„Ist echt so!", sagte Cassie und zog ein weiteres Mal ihr Handy aus der Tasche, um einen Blick auf das Display zu werfen. Noch immer kein Lebenszeichen von ihm.
„Habt ihr seit eurem Streit vor ein paar Tagen noch mal gesprochen?", wollte Esra wissen.
Cassie schüttelte den Kopf.
„Nee, ich habe seine Anrufe ignoriert."
„Manchmal bist du echt stur, Cas", sagte sie.
„Stur? Ich habe wirklich Verständnis für ihn. Ich weiß, wie wichtig ihm die Musik ist und momentan steckt er all seine Energie da rein, um endlich mehr Erfolg zu haben. Ihr wisst, dass ich ihn immer unterstütze. Aber das hier ist mein Geburtstag. Er hätte sich wenigstens mal eine Stunde Zeit nehmen können. Stattdessen hat er nicht mal eine Minute übrig, um mir zu gratulieren."
„Lass dir davon jetzt nicht den schönen Tag verderben", sagte Alessa und streichelte über ihren Arm.
Sie seufzte schwer, dann ließ sie ihren Blick durch die Scheiben in die Dunkelheit hinaus schweifen.
„Wo sind wir hier überhaupt?", fragte sie, als Alessa den Wagen am Straßenrand parkte.
Draußen hatte es zu nieseln begonnen. Das Wetter passte sich offenbar ihrer Laune an.
„Ich muss dir was sagen, Cas."
Alessas ernster Gesichtsausdruck verunsicherte sie.
„Was?"
„Du musst jetzt stark sein", fuhr Alessa fort und stellte den Motor ab.
Sie legte fragend den Kopf schief.
„Weil?"
„Ich weiß, du hast dich aufs Lion gefreut, aber das wird nichts", sagte Alessa.
„Willst du mich verarschen? Ich habe mich doch extra umgezogen", gab sie irritiert zurück.
Sie verstand gerade gar nichts mehr.
„Ich weiß, und du siehst wirklich bombe aus", antwortete Alessa.
„Aber?", wollte sie wissen.
„Aber du hast keine Zeit, mit uns ins Lion zu gehen, weil du nach Amsterdam fährst", mischte sich nun auch Esra vom Rücksitz aus ein.
„Was?"
Sie verstand überhaupt nichts mehr.
„Mit John", fuhr Alessa mit ihrem Verwirrspiel fort und deutete auf eine nah gelegene Bushaltestelle.
Erst jetzt sah sie ihn.
Er stand in dunklem Hoodie, dunkler Hose und dunkler Jacke im Regen an der Bushaltestelle. Er hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und schaute zu ihnen herüber.
Ja, ich weiss. Das Ende ist mal wieder fies. Aber ihr sollt euch ja aufs nächste Kapitel freuen. Ich hoffe, ihr wart nicht so böse auf John im Verlauf des Kapitels 😁 hat es euch trotzdem gefallen?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top