Kapitel 46 - Leere Welt
Maxime
Ich hörte Stimmen um mich herum. Sie klangen wie durch eine dicke Wolldecke gesprochen, weswegen ich nicht verstand was sie sagten. Das einzige was ich vernahm war das Schluchzen von jemanden und wie jemand dauernd über meine Hand streichte. Zwar fühlte sich alles noch etwas taub an, aber diese Berührung ließ mich mich entspannen.
Die Stimmen wurden deutlicher und langsam verstand ich über was sie sich unterhielten, und was noch um mich herum geschah. Ein Piepen drang an mein Ohr in gleichmäßigen Abständen und erinnerte mich sehr stark an ein Krankenhaus.
Da ich mich noch zu geschwächt fühlte, behielt ich meine Augenlider geschlossen und konzentrierte mich allein auf die zwei Stimmen die heftig miteinander diskutierten. "Das ist unmöglich! Er hatte ein riesiges Loch in der Brust! Er war schon fast unter der Erde." das war die aufgewühlte Stimme meines Vaters. "Ich sagte doch, Wunder geschehen." es war eine Stimme die ich zwar kannte, aber nicht identifizieren konnte. "Wunder.. ja genau.." mein Vater klang mindestens genauso erschöpft wie ich. "Psssht! Ist doch jetzt egal! Wichtig ist, dass er lebt!" diese Stimme war weiblich und ganz nah. Meine Schwester, ich erkannte diesen zickigen Unterton unter tausenden. Sie war es wohl auch, die meine Hand streichelte.
Ohne dass ich es wollte, driftete ich ein weiteres mal in schwärze ab. Als ich dieses mal jedoch erwachte, fühlte ich mich um einiges fitter und erholter. Ich hörte wieder klar und spürte auch alles normal auf meiner Haut. Der Geruch war sehr chemisch und steril, also war ich wahrscheinlich tatsächlich in einem Krankenhaus.
Langsam nahm ich die Kraft auf, meine Augen zu öffnen. Die Lider wogen viel, und es war schwer trotz meines verbesserten Zustands, die Augen offen zu halten. Jeder kannte das Gefühl. Wenn man mal wieder nur 4 Stunden geschlafen hatte, und früh aufstehen muss. Genauso fühlte es sich gerade an.
Mein Wille war jedoch stärker und benebelt sah ich mich in dem Raum um. Licht erhellte diesen, nicht blendend sondern warm. Das was jedoch sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zog, waren die beiden Gesichter rechts und links von mir. Meine Familie.
Ich lächelte gleich als ich sie wieder sah und Glücksgefühle überkamen mich. "Maxi" wimmerte meine Schwester und ihre Augen waren total rot. Sie war ungeschminkt, hatte ein Krähennest auf ihrem Kopf und sah blass aus. Mein Vater sah nicht gerade besser aus und auch er wurde von Tränen übermannt. "Du lebst wieder." hauchte Camilla und schloss ihre Hände um meine Hand. Sie hatte schön warme Hände, wenn auch etwas schwitzig, doch sehr zart. Mein Vater strich mir liebevoll über die Wange und durch mein Haar. "Ich war doch niemals weg." flüsterte ich. Meine Stimme war rau und kratzig, was wohl von meinem trockenen Hals kam. Ich räusperte mich um wieder vernünftig zu sprechen, doch es gelang mir nicht. Erst als mein Vater mir ein Glas Wasser reichte und ich dieses wie ein verdurstender leerte, gelang es mir meine gewohnte Stimme erklingen zu lassen.
"Natürlich warst du das Maxime.. fast zwei Wochen. Deine Leiche war schon fast unter der Erde. Wäre Aron nicht in die Beerdigung geplatzt und hätte deinen Leichnam nicht gestohlen, wärst du jetzt in einem Sarg verschachert." erklärte mir Camilla einfühlsam. "Aber.. was ist denn passiert?" fragte ich hauchend, meine Erinnerungen nicht mehr findend. Ich konnte mich nur wage an die letzten Ereignisse erinnern. "Du wurdest von einem Schwert durchbohrt, als du mit Shou auf Mission warst. Du warst sofort tot." kam es nun von meinem Vater, ernst und ruhig. Seine Augen fixierten mein Gesicht, als wolle er sicher gehen, dass ich wirklich sein Sohn war.
Bei dem Namen 'Shou' veränderte sich meine Gefühlslage direkt. Mein Herzschlag wurde schneller als ich mich an das Bild in dieser abscheulichen Arena erinnerte.
~ FLASHBACK ~
Mit wild pochendem Herzen kam ich dem dunklen Eingang näher. Ich schwitzte heftig an meinen Händen als ich den Schrank von Türsteher erblickte, der zudem auch noch bewaffnet war. Wenn er erfährt, dass ich nicht wirklich der Hase bin, dann bin ich sowas von geliefert. Sie werden mich direkt töten, und dann war alles für umsonst.
Mit jedem Schritt näher wurde mir mulmiger, und ich hoffte man erkannte meine Angst nicht in meinen Augen, der Rest war ja zum Glück von der Maske bedeckt.
Keine Sorge Maxime, du schaffst das! Bleib einfach cool! Die anderen haben es auch geschafft!
Nun war ich dran. Ich trat vor und ließ mich von diesem ominösen Kerl abtasten auf mögliche Waffen. Er warf einen prüfenden Blick in mein Gesicht und seine dunklen Augen gruben sich tief in meine. Mein Herz begann bereits wieder zu rasen, aus Befürchtung jetzt aufzufliegen. "Krasses grün." bemerkte er und richtete sich wieder auf. Ich stieß die angehaltene Luft wieder aus meinen Lungen und nickte einmal knapp. Mr. Breiter-als-das-Clubgebäude trat bei Seite und ließ mich passieren.
Viel lockerer als vorher folgte ich den anderen in den spärlich beleuchteten Bunker direkt auf die Tribünen. Die Atmosphäre war immer noch beklemmend und ich fühlte wie viel Tod in der Luft lag, auch spürte ich ganz leicht angst. Es war nicht meine eigene, sondern die von Shou, der irgendwo hier war.
Ihn setzte das wohl wirklich zu, auch wenn er tapfer losgezogen ist. Er hat sich nichts anmerken lassen als er die Schule verließ, während ich ein reines Nervenbündel war - obwohl es ja mein eigener Plan war. Dennoch hätte viel schief gehen können, doch bisher lief alles nach Plan.
Sobald er Taylor gefunden hat, wird er die Wachen manipulieren, die Drachen befreien und den restlichen Sondermüll hier entfernen.
Wird schon schief gehen.
Ich erreichte die hölzernen Sitzreihen, die ein paar Meter über der eigentlichen Arena ragten. Sie war kleiner als ich mir vorgestellt hatte. Drachen konnten hier unmöglich fliegen, höchstens ein wenig an den Wänden klettern. Ich ließ mich in ein der hintersten Reihen nieder und knetete unsicher an dem Saum meines Shirts. Die anderen Leute, deren Gesichter ebenfalls durch die unterschiedlichsten Tiermasken verschleiert waren, setzten sich in die vordersten Reihen und fingen an sich zu unterhalten. Abartig wie sie untereinander Wetten abschlossen, welcher Drache denn gewinnen mag gegen den 'Champion'.
Lange blieb ich jedoch nicht allein, und eine weibliche Stimme erweckte meine Aufmerksamkeit. "Darf ich mich zu dir setzten?" fragte eine Frau mit einer Wolfsmaske, die nur die obere Hälfte des Gesichts verdeckte, und deutete auf den Sitz neben mir. "Aber natürlich." nickte ich so lässig wie möglich und beobachtete sie, wie sie sich elegant neben mich setzte. Sie trug ein wunderschönes eng anliegendes dunkelrotes Kleid. Das jedoch herausstechenste waren jedoch ihre Augen, an denen man sofort erkannte, dass sie unmöglich ein Mensch war. Sie waren giftig grün und hatten einen gelblich schimmernden Ring außen herum. Solche außergewöhnlichen Augen habe ich noch nie gesehen, aber die Tatsache dass sie ein Drache war erstaunte mich mehr. "Du bist das erste mal dabei, oder?" fragte sie mich in einer melodischen, doch zugleich aus kalten Stimme. Ich nickte sacht und wendete meinen Blick wieder nach vorne. "Ich kann deine Aufregung verstehen, das erste mal ist immer ganz spannend." lächelte sie und ich spürte ihren Blick auf mir.
Sie war also öfters dabei, was eine Verbündete ausschloss. "Mein Name ist Sanguis und deiner?" fragte sie und streckte mir ihre feminine Hand hin. Vorsichtig ergriff ich diese und drückte sie leicht. "Jonathan." log ich knapp und wagte es in ihre Augen zu sehen. Normalerweise konnte man einen Drachen nicht anlügen, doch die Tatsache das mein Herz sowieso raste und mein Gesicht von einer Maske verdeckt wurde, machte das ganze doch möglich.
"Ich nehme an Sie sind öfter hier?" spekulierte ich und erntete ein heiteres Lachen. "Ich bin die Veranstalterin." antwortete sie und ihre dunkel rot geschminkten Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. "Das überrascht mich." gab ich ehrlich doch beherrscht zu.
Fuck, das war gar nicht gut! Mein Puls verdoppelte sich schon fast und der Saum meines schwarzen Pullis wurde noch mehr in Mitleidenschaft gezogen.
"Weil ich ein Drache bin?" traf sie genau ins schwarze, was ich mit einem einfachen Nicken bestätigte. "Hm, Rachedürstige Drachen können grausam sein." säuselte sie nur, ihre Blicke nach vorne gerichtet. Von hier hinten sah man nur ungefähr die Hälfte der Arena, was mir ehrlich gesagt ganz recht war. "Rachedürstig?" fragte ich nach und schielte zu ihr rüber. Ihre Mundwinkel hoben sich nur noch geheimnisvoll und der Beginn des erstens Kampfs unterbrach unser Gespräch. Die Lichter auf den Tribünen wurden gedämpft, womit nur noch die Arena voll beleuchtet war.
Der Moderator kündigte irgendeinen Drachen an, dessen Namen ich nicht richtig verstand. Er war wohl der besagte 'Champion' und sein knurren und fauchen hörte sich wild und aggressiv an. Nur hin und wieder sah ich seinen schlanken Körper durch die Arena huschen. "Und nun sein Kontrahent! Im letzten Kampf hat er bereits sein Können bewiesen, doch kommt er auch gegen unseren Champion an? Meine Damen und Heeren, hier ist Taylor!" schallte die Stimme durch die Halle.
Ich zog leicht die Luft ein. Taylor.. er lebte! Also noch! Ich musste ihn sehen. Langsam erhob ich mich von meinem Platz und stellte mich zu den anderen Menschen an die Rehling. Vorsichtig sah ich herunter und erkannte den geschundenen Körper von Shous Freund. Er sah erschöpft aus, doch auch machte er den Anschein, als wolle er nicht einfach kampflos aufgeben.
Kaum hatte er sich verwandelt, nahm der blau gefärbte Wyrm ihn ins Visier. Taylor bekam ganz schön was ab, setzte aber hin und wieder auch ein paar gute Treffer. Es reichte jedoch nicht, da sich der schlanke Drache in dieser Arena viel besser bewegen konnte und so Taylor recht schnell auspowerte.
Gerade als es so schien, als würde der feurig rote Drache aufgeben, wurde das Tor geöffnet. Ich konnte meinen Augen nicht trauen als ich den gold blonden Schopf erblickte der die Arena mutig betrat. Sein Blick überflog uns nur kurz, ehe er sich Taylor zuwendete. Auch mein geliebter Drache schien nicht bei vollen Kräften zu sein. Seine Verwandlung sah schmerzhaft aus und dauerte... zu lang.
Taylor wurde geschlagen. Ich konnte nicht hinsehen und starrte deshalb allein auf meinen Partner. Sein Ausdruck wechselte ins pure entsetzten. Ich fühlte mit ihm. Tränen stießen in seine Augen und er schrie aus vollen Hals als er sich verwandelte. So habe ich ihn noch nie gesehen. Nun schob sich der gegnerische Drache in mein Blickfeld und ich sah wie dieser dabei war, einen Angriff vorzubereiten. Shou, der seine Blicke immer noch auf Taylor fixierte, schien es nicht mitzubekommen.
"SHOU ACHTUNG!" schrie ich aus dem Affekt heraus als der Drache sich abstieß und mit seinen Pranken aus Shous Kopf zielte. Der Schlag wäre tödlich gewesen, doch mein Drache reagierte gerade noch rechtzeitig. Seine Blicke fanden mich und wir sahen uns Sekunden in die Augen. Plötzlich traf der schweif der Bestie seinen Kopf, der zur Seite geschleudert wurde. Aber das war nicht gerade meine einzige Sorge, denn die Leute um mich herum funkelten mich dunkel an. "Ein Eindringling! Bestimmt ein Soldat! Tötet ihn!" schrie ein Mann aufgebracht. Ich erkannte Panik in seiner Stimme und er drehte sein Gesicht von mir weg. Dieser Feigling! Er trug doch schon eine Maske!
Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte, doch meine Aufmerksamkeit wanderte immer wieder zu meinem Partner, der von dem Wyrm gerade zu Boden geworfen wurde. Triumphal stand er auf dem goldenen Drachen und fletschte aggressiv seine Zähne.
Ich musste handeln! Ich musste ihm helfen und fliehen!
Mutig zog ich mich auf das Gelände, schrie dabei seinen Namen. Er musste klar im Kopf werden! Jetzt war nicht die Zeit um aufzugeben! Ich stand unsicher auf dem schmalen Balken und blickte runter. Es war schon ein ganzes Stück, aber wenn ich mich abrolle, sollte ich es schaffen.
Ich zögerte, meine Beine wollten sich nicht bewegen. Mittlerweile kamen von den Seiten auch Wächter auf mich zu. Komm schon Maxime!
Erst als ich sah, wie der Wyrm die Zähne des Wyrms in Shous Fleisch herum wühlten und ganze Brocken heraus rissen, fand ich die nötige Motivation. Ich wollte mich gerade abstoßen, da traf mich ein schneidender Schmerz am Rücken. Voller Entsetzten erblickte ich die Klinge in meinem Sichtfeld, wie sie durch meine Brust ragte und von meinem eigenen Blut befleckt war. Doch lange konnte ich darüber nicht nachdenken, denn die Schwärze holte mich fast gleichzeitig ein.
~.~.~
Von meinen Erinnerungen getroffen, blickte ich ein paar Sekunden in die Leere. "Shou.. wo ist Shou?" fragte ich flüsternd. Ich traute mich nicht in die Gesichter meiner Familie zu blicken, aus angst, mein Verdacht würde sich bestätigen. Ich wollte nicht diese Trauer und das Mitgefühl sehen, welches sein verscheiden zollte. Ich wollte es auch eigentlich nicht hören, doch ich musste! Ich musste es wissen!
"Es tut mir leid Maxime.." flüsterte meine Schwester einfühlsam und streichelte wieder über meine Hand.
Es tut mir leid..
Mir auch Shou, wäre ich doch mutiger gewesen.
-----
Herzlichen Glückwunsch auch an Farbfleck!
Zwar nicht die Siegerin, aber der zweite Platz ^^ Ich hoffe ich habe Sanguis gut eingebracht, auch wenn es bisher eine sehr kleine Rolle ist, hat sie vielleicht für die Zukunft eine größere Bedeutung :)
Weswegen wohl ein Drache Drachenkämpfe leiten würde? ;o
Glg Keks ;*
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top