Kapitel 45 - Grüne Flamme

Shou

Licht blendete mich und Wärme umhüllte meinen Körper. Ich öffnete meine Augen langsam, wobei ich öfters blinzeln musste um mich an die Helligkeit zu gewöhnen. Meine Sicht war noch etwas verschwommen, doch eins sah ich deutlich. 

Rabenschwarze Haare, engelsgleiche Gesichtszüge und ein wundervolles Gesicht - direkt vor meiner Nase. Er hatte die Augen geschlossen, schien wohl zu schlafen, so wie ich auch bis eben. Langsam streckte ich meine Hand nach ihm aus, voller Erfurcht er könnte verschwinden wenn ich ihn berührte.  Millimeter vor seiner Wange hielt ich inne, zögerte. Vielleicht verschwindet er ja wirklich? Vielleicht ist das alles hier nur eine Illusion? Ich sollte mich damit begnügen ihn ansehen zu können, bevor er platzt wie eine Seifenblase. 

Gerade als ich meine Hand wieder zurückziehen wollte, öffnete er seine Augen. Ihre satte grüne Farbe zog mich sofort wieder in den Bann. "Guten Morgen" nuschelte er und schien meine immer noch ausgestreckte Hand zu bemerken. Seine Lippen verzogen sich zu einem sanften Lächeln und er hob seinen Kopf leicht an. In dem Moment wo meine Handinnenfläche seine Haare berührte, wurde mir ganz warm. Tränen stießen unangekündigt in meine Augen und ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. 

Vorsichtig streichelte ich durch sein Haar, das so seidig und weich wie immer war. "Was ist los?" fragte Maxime vorsichtig und legte seine zierliche Hand auf meine Wange. Sie war warm und lebendig. Sie war warm und nicht kalt. In ihr floss das Blut. "Du bist tot." hauchte ich leise, meine Stimme gerade so noch unter Kontrolle haltend. Ein kleiner Schluchzer fand dennoch seinen Weg über meine Lippen. Maximes Lächeln wurde sanfte und er rutschte etwas näher an mich. "Keine Sorge Shou, hier kann uns nichts mehr passieren." murmelte er melodisch gegen meine Lippen und seine grünen Augen versprühten Geborgenheit. 

Die Erkenntnis war nicht überraschend. Das hier war nicht real. Einbildung, mehr nicht. Mein Gehirn spielte mir einen Streich. Die Sehnsucht war deutlich spürbar und wickelte sich wie eine Dornenranke fest um mein Herz. Ich weinte ungehalten, drückte den Körper meines vermeidlichen Reiters fester an mich. "Weine nicht, du hast keinen Grund dazu." flüsterte Maxime beruhigend, doch es brachte nichts. 

"Ich konnte weder Taylor noch dich retten." schluchzte ich und vergrub mein Gesicht in seinem schwarzen Haar. Es roch nach Kokos. Der Geruch brachte mich erneut zum schluchzen. 

Ist das der Himmel, oder doch eher die Hölle? Ich weiß es nicht. Es gäbe sowieso keinen Ort mehr der schön wäre ohne Maxime. Selbst diese Einbildung, mag sie noch so real erscheinen, füllt die Lücke nicht in meinem Herzen. Sie war riesig und Schuldgefühle bohrten darin herum wie kleine Nadeln. 

"Jetzt ist alles okay Shou. Du warst mutig. Du hast alles getan um mich zu beschützen, vielleicht soll es nicht so sein." vernahm ich seine friedliche Stimme an meinem Ohr. "Es ist nichts okay! Verstehst du nicht?!" aufgebracht drückte ich ihn von mir. Seine grünen Augen sahen mich verblüfft, und doch voller ruhe und Mitgefühl an. "DU bist TOT! Taylor und Linus auch! Ich bin so ein Haufen Müll! Wäre ich doch etwas stärker gewesen, mutiger und tapferer.. aber nein! Ich musste wie ein Kleinkind reagieren!" warf ich mir vor und setzte mich auf. Ich erkannte nun meine Umgebung. Es war das Schlafzimmer der Berghütte in dem ich und Maxime vor kurzem waren, wo die Welt noch in Ordnung war. 

"Red nicht so schlecht über dich. Du bist all das. Du hast dich sehr gewandelt." versuchte mich die Einbildung meines Kleinen aufzumuntern. Seine Hand legte sich warm auf meine Schulter und füllte mich mit Trost. Ich ließ mich schlaff zur Seite, an seine Schulter fallen und starrte gegen die Holzwand vor uns, an denen Bilder von verschiedenen Orten hingen. 

"Ist das der Himmel, oder die Hölle?" sprach ich die Frage aus, die ich mir gerade eben selber gestellt hatte. Meine Stimme war vom vielen Weinen belegt und meine Nase lief unermüdlich weiter. Ich sah wahrscheinlich beschissen aus, aber da mich sowieso keiner sah... 

"Ich weiß wirklich nicht wie ich die Belohnen soll." ein seufzen drang aus seiner Kehle und Maxime drehte sich zum Bettrand, aus dem er stieg. Die Wärme nahm er gleich mit sich, und der Verlust kam zurück. 

"Was laberst du denn jetzt?" fragte ich nicht ganz verstehend und fiel in meiner eigenen Haltung etwas zusammen. "Shou. Ich habe dich schon länger im Auge, seit dem du auf Zephyr getroffen bist. Du warst wirklich kein ehrenhafter Drache, so wie du mit den Menschen umgesprungen bist. Ich hatte schon fast alle Hoffnung in dich verloren, bis dieser junge Mann in dien Leben gestolpert ist. Ob es durch meine Hand war, oder das Schicksal die Finger im Spiel hatte bleibt natürlich ein Geheimnis, doch wichtig ist, dass du dich verändert hast. Du wurdest offener, und hast angefangen zu vertrauen." fing er an zu erzählen und klang dabei so weise wie ein alter Knacker. 

Er klang so wie der Gott dieser verfluchten Welt. Was ist das denn für ein abgedrehter Traum? 

"Tatsächlich bin ich es.. euer aller Vater, der Urdrache wie ihr mich bezeichnet." stellte er sich vor, als hätte er meine Gedanken gelesen. Was er auch wahrscheinlich hat. Ganz große Klasse! Und gerade war ich noch der Meinung, dass mich keiner so sehen würde.. und BAM - Gott persönlich steht vor einem... in dem Körper von Maxime.. Nackt. 

Die Stimmung reichte aber für solche Gedanken nicht aus, weswegen ich einfach nur nickte als Zeichen, dass ich es zur Kenntnis genommen habe. "Aber weiter im Text. Ich war froh, dass dieser junge Mann dich veränderte. Eure Liebe verlief nicht glücklich und entspannt, was ihr beide nicht verdient habt. Deswegen ermögliche ich dir eine einmalige Gelegenheit." sein Blick wurde ernst und er hob beide Handflächen, fast so als wolle er etwas abwiegen. 

Drei kleine Flammen flimmerten auf und ließen mich staunen. Er konnte feuer Bändigen.. 

Eine knallig rote Flamme tanzte mit einer dunkleren blauen Flamme, die kaum Licht versprühte und weder Feurig noch heiß wirkte. Sie war ruhig und bewegte sich gleichmäßig, nicht wie die rote Flamme, die wild tanzte und ihre Funken versprühte. Allein der Anblick der beiden Flammen in seiner linken spendeten mir Trost und etwas Vertrautheit. 

Die Flamme zu seiner rechten hatte viele verschiedene Grüntöne in sich und tanzte ebenso wie die rote flamme, doch nicht ganz so unkontrolliert, eher wie ein geschmeidiger Walzer. Sie war faszinierend anzusehen und hatte die selbe Wirkung wie die beiden anderen Flammen auf mich. 

"Shou entscheide dich! Wer soll wieder  ins leben treten: Maxime oder Linus und Taylor? Entscheide dich für Maxime und er wird seine Erinnerungen an dich verlieren, komplett. Alle anderen ebenfalls, also auch Aron und Zephyr. Es wäre so, als hättest du niemals existiert. Entscheide dich für Linus und Taylor und die beiden erwachen wieder zum Leben, und alle anderen können sich an dich erinnern." meinte er mit fester Stimme. 

Es war keine schwere Entscheidung. Natürlich waren mir meine Freunde wichtig, doch sie hätten die Erinnerungen an mich, und Taylor würde sich für meinen Tod verantwortlich fühlen. Wer weiß wie lange meine Väter trauern werden, wenn sie von meinem Tod erfahren. 

Außerdem, kann Maxime so wieder leben. Sein Leben ist kürzer als das von zwei Drachen, doch wertvoller für mich. Er würde mich zwar vergessen, aber - auch wenn es mir nicht gefallen würde - er könnte ein neues Leben beginnen und glücklich werden. Zephyr und Aron würden ebenfalls unbeschwert weiter machen und ganz das verliebte Paar sein wie sie es früher waren. Es wäre für alle leichter. 

"Maxime." sprach ich deshalb mit überzeugter Stimmlage aus und sah dem vermeidlichen Gott in die Augen. "Ich verstehe..." sprach er ruhig und ließ die zwei Flammen in seiner Hand verschwinden. Eine goldene trat an ihren Platz und funkelte in ihrem eigenen Licht. Sie war ungestüm und Wild, sah aus als würde sie niemals vergehen, aber jedes Feuer erlischt irgendwann mal. 

"Und wenn du zwischen dir und Maxime entscheiden müsstest. Diesmal ist es jedoch anders. Maxime und die anderen behalten ihre Erinnerungen wenn du ihn wählst, doch wenn du dich für dich selber entscheidest, verlierst du alle an Maxime. Und mit dir natürlich alle anderen." stellte er mich wieder vor die Wahl. 

Der Arsch hat meine Gedankengänge studiert, nur deswegen stellt er mich vor eine zweite Wahl. Was ist das hier? Ein Test? 

"Meine Entscheidung bleibt gleich. Ich will in keiner Welt leben in der er nicht existiert, selbst wenn alle Indizien auf ihn ausgelöscht wären. Er allein ist mein wahres Glück, kein anderer. Ich will keinen anderen" entschied ich mich ohne groß zu überlegen, während mein Blick Sehnsüchtig auf der grünen Flamme lag. "Bist du dir sicher, mein Sohn?" wollte er eindringlich wissen und zeigte mir nochmal die Flamme, die mich darstellte. "Du könntest wieder leben, ohne ein gebrochenes Herz." versuchte er mich zu überreden, doch es gelang ihm nicht. Ich schüttelte stur meinen Kopf und presste fest meine Lippen aufeinander. 

"Na gut." meinte er und schloss die Hand mit meiner Flamme. Sie erlosch augenblicklich. "Aber Vater.. oder.. eh.. Gott.. Naja wie auch immer. Pass bitte auf ihn auf. Ich habe angst er könnte Dummheiten begehen." bat ich ihn noch inständig. Sacht nickte das Abbild meines Schatzes vor mir und warf die Flamme in die höhe. Wie ein Luftballon trudelte sie davon, durch die Decke ins Irgendwo. 

"Also doch in der Hölle." lächelte ich traurig. "Dieser Ort ist weder Himmel noch Hölle. Du allein entscheidest was es für dich ist. " lächelte er warm und verließ den Raum. 

Habe ich mich richtig entschieden? Von meinen Gefühlen überrumpelt, zog ich mich ins Bett zurück und schloss ein wenig die Augen. 


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Wie hättet ihr euch an Shous Stelle entschieden? Und wie denkt ihr, geht es weiter?

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