Kapitel 37 - Allein
Maxime
Die restliche Woche verging schnell, ohne große Vorkommnisse. Shou verhielt sich zwar etwas merkwürdig mir gegenüber und das Training mit dieser Schnepfe und Taylor war auch kein Zuckerschlecken, aber umso mehr freute ich mich auf nachher.
Dass mich Shou jemals auf ein Date einladen würde, hätte ich bis letztens niemals für möglich gehalten. Seine Beweggründe wusste ich nicht genau, doch sein Verhalten könnte ein guter Grund sein. Wie gesagt verhielt er sich komisch, versuchte nicht ganz so schroff zu mir zu sein und nannte mich hin und wieder auch 'Schatz'. Es rühte mich, dass er sich wirklich Mühe gab, und desto aufgeregter war ich wegen dem Date.
Konnte er überhaupt romantisch sein? Und was denkt er, was mir gefallen könnte?
Ich war ja so aufgeregt!
Ich durchwühlte ein weiteres Mal meinen Schrank, da ich immer noch nicht die richtige Hose fand. Mein Blick huschte in immer kürzer werdenden Intervallen zur Uhr und ich wurde langsam hektisch. Notgedrungen entschied ich mich dann einfach für eine weiße und schlüpfte in die Regenjacke, die mir der Drache einmal mitgab. Ich hatte entschlossen, sie zu meiner Lieblingsjacke zu machen. Ich durfte sie nur nicht so oft anziehen, da sonst sein Geruch verfliegen würde. Aber heute wollte ich sie anziehen, um ihn zu zeigen, dass ich sie immer noch hatte und sie mochte.
Kurz vor 8 erhielt ich dann eine Nachricht. Sofort fischte ich mein Handy vom Bett und entsperrte es so gleich. Sie war tatsächlich von Shou, und entgegen meiner Vermutung keine Absage, sondern lediglich eine Aufforderung.
Wir würden uns auf dem Platz treffen, da wir fliegen würden. Wo es wohl hingehen wird? Mein Herz flatterte vor Aufregung und schnell scannte ich mich nochmal im Spiegel ab. Mit einem letzten Abtasten, verließ ich mein Zimmer und schlenderte gut gelaunt durch die Flure. Niklas kam mir auf dem Weg entgegen, an seiner Seite die Schwarzhaarige Schönheit und Blondchens Freundin - Tracey soweit ich mich erinnere ist. Ich grinste ihm zwinkernd zu und hob den Daumen in die Höhe. Er bemerkte die Geste sofort und gab sie zurück. Wir haben wohl Beide noch eine ereignisreiche Nacht vor uns.
Schon als ich die glasige Doppelflügel Tür erblickte, erkannte ich die dahinter liegende Gestalt. Sein goldenes Fell schimmerte leicht, nicht so wie am Tag, aber dennoch schön. Kaum stemmte ich mich gegen die Tür um das Gebäude zu verlassen, hatte er mich bemerkt und seine gelben Augen lagen auf mir. Mit einem kleinen Grinsen legte ich die restlichen Meter zu ihm zurück und strich ihm einmal sanft über sein Bein. Ich sah wie er zögerte, doch letztlich gab er nach und senkte seinen Kopf. Gerührt von dieser Gestik streichelte ich ihm sanft über seine warme Nüstern. Sein Fell war hier deutlich weicher und dünner. Meine Hand fuhr seinen Nasenrücken hoch, über den glatten gelben Kristall und weiter zu seiner Stirn und von da aus über den Federkranz. Die Federn dort waren lang, stabil und hatten einen atemberaubenden Farbverlauf. Ich kraulte ihn leicht an seiner Wange, hinter der ersten Schicht Federnschicht.
Zufrieden stellte ich fest, das mein Vorhaben Frücht trug, denn er brummte dunkel. Es hörte sich sehr wie das Schnurren einer Katze an, nur war er etwas Größer als eine normale Hauskatze.
Geringfügig.
"Wollen wir hier Wurzeln schlagen? Du kannst mich gerne später noch kraulen. Meine Eier würden sich freuen" riss mich seine dunkle, und vor allem dreckig klingende Stimme aus dem Moment. "Pfff.." machte ich nur, nicht wissend was ich darauf erwidern sollte. Er ließ mich auf seinen Rücken steigen, wo ich auch dann bemerkte, dass er sich einen Gurt mit Taschen um sein linkes Vorderbein geschnallt hat. "Was ist da drin?" fragte ich neugierig, während der Drache unter mir sich langsam Richtung Startbahn begab. "Wirst du schon noch sehen." gab er knapp zurück und blieb am Anfang der freien Strecke stehen. Ein Start mit Anlauf war wesentlich angenehmer als ein ruckartiger Sprung vom Boden. "Bereit?" erkundigte er sich und seine Flügel breiteten sich leicht aus. Meine Hände gruben sich tief in sein Fell. Ich stieß auf Leder und packte dieses. "Wer hat dir den Gurt angelegt?" wollte ich überrascht wissen. "Deine Mudda." kam es wieder nur von ihm, nicht bereit meine Fragen zu beantworten.
So sehr er sich auch anstrengen mag, wird er immer Shou bleiben - und das war auch gut so!
Er bewegte sich voran, erst langsam und dann arbeiteten seine Beine auf hochtouren. Ich spürte die Bewegung fließend unter mir und passte mich dieser an. Shou war bisher der erste Drache auf dem ich ritt, und mich richtig wohl fühlte. Wie von allein schloss ich meine Augen und schmiegte mein Gesicht dichter in sein Fell, was langsam wieder dünner wird. Ich fühlte mich sicher und frei. Nur durch die kräftigen Schläge der Flügel und die ausbleibenden Beinbewegungen erahnte ich wie wir uns in der Luft befanden.
Als ich meine Augen wieder öffnete, waren wir einige Meter in der Luft. Über uns war die endlose Dunkelheit, die gespickt mit ein paar wenigen Sternen war, und unter uns die hell erleuchtete Stadt. Wir näherten uns dem Meer und befanden und kurz darauf über diesem. Wir verlassen das Land. Sofort wehte mir der eisige und salzige Meerwind um die Ohren. Ich drückte mich enger an Shou. Er hob seinen Kopf, damit ich etwas im Windschatten lag. Trotzdem hätte er mir ruhig sagen können, dass ich meinen Helm mitnehmen soll. Reden war unmöglich bei diesem Wind.
Aber vielleicht wollte er auch genau das bezwecken.
Ich legte meinen Kopf dicht an sein Fell und beobachtete entspannt die endlose Weite des Himmels und des Meeres. Die Sterne waren nun deutlich sichtbar und verteilt wie Glitzerpuder auf schwarzer Pappe. Es war wundervoll, wenn auch ein bisschen kalt.
"Wir machen gleich einen kurzen Zwischenhalt, damit du dich aufwärmen kannst." informierte mich Shou nach einer Weile des Schweigens. Ich nickte nur gegen sein Fell gelehnt und schloss meine Augen.
Tatsächlich, zog sich der Ausdruck 'Gleich' doch schon in die Länge. Ich fragte mich wie lange wir wohl schon flogen, doch endlich erkannte ich dunkle Umrisse am Horizont. Blinkende Lichter wurden erkenntlich und deuteten auf einen Hafen hin. "Wir sind in Calais, Frankreich. Am Hafen bekommen wir die Möglichkeit einer kurzen Rast und Verpflegung. Wir machen aber gleich schon wieder los. Ich möchte gerne heute noch dort ankommen." informierte mich Shou und setzte zum landen an. Ich ersparte mir die wiederholte Frage, wohin es denn gehen soll, da ich bezweifelte, dass ich eine zufriedenstellende Antwort bekam.
Durch meine Körperhaltung bereitete ich mich auf die bevorstehende Landung vor, die etwas holprig wurde, aber das ist nun mal normal. Shou legte seine Flügel an und steuerte auf eine Halle zu. Sie war beleuchtet und beheizt, wie sich herausstellte als wir in dieser standen. Eine Raststätte für Drachen auf der Durchreise wie wir es waren. Großteils waren hier etwas jüngere Drachen wie Shou, die große Strecken noch nicht gewohnt waren.
Der gold schimmernde Drache zog sofort alle Aufmerksamkeit auf sich, von den Drachen die noch nicht schliefen. Sie musterten uns eingehend, zeigten jedoch kaum eine Reaktion. Wir wurden von einer netten Dame einem Platz zugewiesen, den Shou auch gleich annahm.
Die einzelnen Plätze waren mit Vorhängen unterteilt, damit wenigstens etwas Privatsphäre geboten war. Laut Drachen nicht nötig, aber das sah meine Rasse anders. Nachdem er sich hingelegt hatte, rutschte ich von seinem Rücken und streckte mich etwas. Ich seufze einmal entspannt aus und entledigte mich der Jacke, da es doch schon ganz schön warm war. "Du hättest mir ruhig sagen können, dass wir fliegen, dann hätte ich mir wenigstens meinen Helm angezogen" warf ich Shou vor und lehnte mich stehend gegen ihn. "Du hättest mich die ganze restliche Woche mit Fragen durchlöchert. " brummte er und legte seinen Kopf auf den harten Boden ab. Er machte mir deutlich, dass ich meine Klappe halten soll und das tat ich dann auch mal lieber. Am Ende setzt er mich noch aus.
Nachdem wir uns in eine Liste eingetragen haben, bot man uns auch was zu essen an. Shou lehnte ab, doch ich nahm den Kaffee und das Brötchen gerne entgegen. Koffein war genau das richtige für mich.
Wir ruhten uns nur für eine knappe Stunde aus, in der wir beide etwas dösten. Shou wollte die restlichen Meilen hinter sich bringen, und ich auch. Wo immer er hin wollte, es gab dort ein Bett, und auf dieses freute ich mich bereits.
Fertig zum Aufbruch, kletterte ich wieder geschickt auf den Rücken meines Drachens, diesmal jedoch weiter hinten. Während ich vor seinem Flügelansatz saß wenn ich kämpfen musste, war es schlauer bei langen Strecken hinter dem Ansatz zu sitzen, da ich mich dort länger machen kann. Ich liege lieber, als dass ich gebeugt sitze.
Tatsächlich war der Flug doch noch ganz schön lang. Ich fragte mich, wohin wir denn wollten und was es nicht in England gab. Ich versuchte mich selber bei Laune zu halten, indem ich mir einredete, dass es trotz des nervig langen Weges sehr viel Mühe von Shou verlangt hat.
Der gute Wille hielt eine weitere Stunde an, ehe die Frust langsam überhand nahm. Ich hatte Hunger, mir war kalt und ich hatte keine gemütliche Position zum liegen mehr. Meine Unruhe bemerkte wohl auch Shou. Ich hörte wie seine Flügelschläge kräftiger wurden und er sich länger machte. Fast dachte ich, wir wären beinahe da... doch der Landeanflug setzte erst nach 30 weiteren - nervenaufreibenden - Minuten ein.
Ich wusste nicht wo wir uns befanden, doch irgendwo in den Bergen. Nadelbäume ragten Meterhoch in den Himmel und besiedelten die riesigen Hügel und Berge der Landschaft. Shou steuerte einen freien Platz mitten im Wald an und ich dankte dem Herren, dass es nun endlich vorbei war. Die tiefe Nacht hüllte alles in ein undurchdringliches schwarz, ließ die Tannen noch imposanter wirken.
Kaum setzte Shou auf dem Boden auf, erblickte ich auch gleich unser Ziel. Eine Hütte wie es ganz danach aussah. Aber die gab es doch auch in England zu genüge! Wir hätten uns den langen Weg sparen können, wenn er mit mir einen Ausflug in den Wald machen wollte.
"Und dafür sind wir jetzt so lange geflogen" gab ich meinen Missmut kund und runzelte leicht die Stirn. Ich rutschte von seinem Rücken und fing mich geschickt.
Wie? Kein dummer Kommentar?
Verwundert sah ich zu meinem Drachen hoch. Erst jetzt bemerkte ich wie seine Beine zitterten, und er schwer atmete. Er ließ seinen Kopf leicht hängen und hechelte wie wild. "Shou?" fragte ich vorsichtig und legte mein Hand auf sein Vorderbein. Die Hitze die von ihm ausging erwärmte mir sofort meine Hand, und der Schweiß machte sie nass.
Aber warum ist er denn so erschöpft? War es wegen dem Sprint?
Ich wollte gerade fragen, da brach er zusammen. Mit letzter Mühe nahm er, und unter großen Schmerzen wie es aussah, seine menschliche Gestallt an. Ich rief voller Schock über diesen Zusammenbruch seinen Namen aus und eilte die wenigen Meter zu ihm. Er war total verschwitzt und atmete so heftig, als würde er gerade ersticken. Ich ließ mich neben ihm auf die Knie fallen und rüttelte ihn leicht an seinen Schultern. "Was ist los?" verlangte ich hektisch zu wissen, doch bekam keine Antwort, jedenfalls keine akustische. Schwach und mit zitternden Arm deutete er auf die Taschen die er bis eben um sein Bein trug und nun auf den Boden lag.
Sofort eilte ich dahin und suchte nach etwas. Was wollte er? Hatte er Asthma? "Was brauchst du?" ich zog die Tasche zu ihm rüber und holte ihren Inhalt hervor der sowohl aus Nahrung und Kleidung bestand. Bei einem Klimpern umschloss der Drache meinen Oberarm und nickte nur leicht.
Ich musterte den Schlüssel in meiner Hand und dann den blonden. Seine Atmung wurde etwas besser, doch noch immer schien er nicht genügend Sauerstoff zu bekommen. Der schweiß war mittlerweile getrocknet, aufgrund den frischen Temperaturen.
"Okay.. wenn es das ist was du willst" murmelte ich und lud ihn, so nackt wie er gerade war, auf meinen Rücken um ihn ins Innere zu bringen.
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