17 - Matthias Green
So, hi :)
Nach ein paar technischen Problemen und einem Haufen Klausuren geht es endlich weiter. Ist es Dienstag? Vielleicht. Trotzdem wünsche ich ganz viel Spaß mit dem neuen Kapitel!
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Luoa Gabriella, genannt Gabe, erwartet mich wie immer mit einem Lächeln, das Stein schneiden könnte. Ihre Haare reflektieren das Licht ihrer Databrille, schimmern hellblau und orange in der Nachtluft. Dasselbe schummrig-blaue Licht trifft auch die schwere Bronzeglocke, unter der sie sitzt. Ich muss förmlich kriechen, um mich zu ihr unter das massive Ding zu gesellen und stoße dann an beiden Seiten mit den Schultern unangenehm an das Metall. Wenn man Gabe so sieht könnte man sie für ein nerdiges Kind halten und nicht für eine kriminelle Mastermind, die mir gerade wahrscheinlich mit ihrem Haufen treu ergebener Jünger den süßen Hintern gerettet hat.
„Greenbean", sagt sie, streckt mir eine Hand entgegen und verlagert dabei das Gewicht, sodass ihre Armreifen klimpern.
„Abend", grüße ich und nehme ihr Grinsen entgegen, wie einen Preis. Die Spur Bitterkeit, die darin mitschwingt, ignoriere ich für den Moment, während ich meine Beine unter mir zu einem Schneidersitz falte. Etwas beengend, so eine Glocke.
Gabe beobachtet mich stumm. Über die Datenchips, die als lange Ohrringe neben ihrem Hals baumeln, laufen in wiederkehrenden Schauern aus Licht Terrabytes an Daten.
Gabe ist Dealerin. Sie verkauft alles. Ihr Schwarzmarktnetzwerk ist engmaschig und vor allem auf das eine Gut ausgerichtet, das für mich und alle anderen Sunhunter so essenziell ist, wie eine mit genug Sauerstoff angereicherte Atmosphäre: hochgefährliche Informationen.
Ihre hinter den DataGlasses verschmitzt blitzenden Augen beobachten mich aufmerksam.
„Du bist zu spät. Das kostet dich extra."
Ich neige den Kopf hin und her, sehe schon die roten Zahlen auf meinem Kontoauszug am Ende dieses Monats. Falls mich das Phantom nochmal umbringen will, muss ich es zwischen zwei Schüssen um Rückerstattung für die entstandenen Kosten bitten.
„Ja, mir ist was dazwischen gekommen."
Sie dreht einen ihrer durchscheinenden gläsernen Armreifen, in dem Minicomputer fleißig arbeiten. Man soll Leute ja nicht nach ihren Berufen verurteilen, aber in diesem Fall könnt ihr das gerne tun.
Ich kenne die Frau, weil wir uns vor Jahren mit ihrem Boss angelegt haben und es ein positiver Nebeneffekt meines damaligen Auftrags war, dass dieser Boss irgendwann tot zwischen den Bubbels herumschwebte. Wie sich herausstellte hat er es davor aber noch fertig gebracht, ihre Mutter umzubringen. Lange harte Geschichte, jetzt sind wir jedenfalls Freunde und sie hat die Hoheit über einen der Mainplayer des IT-Schwarzmarkts des Cores. Wobei die Bezeichnung ‚Freunde' unsere Beziehung etwas überdehnt. Schließlich verlangt sie gerade fünfzig Creds pro Minute, um sich mit mir zu treffen. Und ganz nebenbei war höchstwahrscheinlich sie diejenige, die Ravenna und Elias die Codes verkauft hat, die den Kreuzer lahmgelegt haben. Darüber sprechen wir aber nicht heute, sondern irgendwann anders mal, denn es gibt Dinge, die ich momentan mehr brauche, als eine ohnehin nicht ernstgemeinte Entschuldigung.
„Und?", frage ich dementsprechend ungeduldig. Sie verzieht den Mund. Dass wir unter einer Glocke sitzen, ist kein Zufall. Die Informationen, die mir Gabe verkauft, sind teuer und gefährlich, wie gesagt. Versucht mal, jemanden durch mehrere Zentimeter solide Bronze abzuhören, ist wirklich deprimierend. Ideale Bedingungen also, um sich zu unterhalten.
„Viele Gerüchte, aber wenig Brauchbares. Ein paar Leute haben Wind davon bekommen, dass das Militär in dieser Bar war."
Meine Zähne mahlen. Das war zu erwarten. Ich hatte nur gehofft, es würde länger dauern.
„Was sagt Io?"
Blaues Licht flackert über Gabes Brille.
„Er war's nicht. Mehr sagt er nicht."
„Glaubst du ihm das?"
„Der Mann hat gedient, Hunter. Er mag ein Mörder und Regimeverachter sein, aber er war als Soldat in der Schlacht bei Ka'an. Dementsprechend hat er eine Heidenangst vor dem Department. Ihm schlottern die Knie, wenn er irgendwo eine Kindergartenzeichung von einer Sonne sieht. Der macht euch keinen Ärger. Sein Profil ist absolut unauffällig."
„Tipps?"
„Die Creha. Das ist so offensichtlich, dass es fast peinlich ist, dass ich es dir sagen muss. In der Bar waren in den Stunden, für die du dich interessierst, überwiegend Creha Familienmitglieder."
„Nein, die waren's auch nicht", seufze ich.
„Hm", macht sie, „Schön, dass du deinen anderen Quellen mehr vertraust als mir."
„Bist trotzdem mit Abstand die teuerste, falls es dich tröstet."
Sie verschränkt die Arme vor der Brust, während ich kurz überlege. Ich habe Gabe gebeten, sich die Bewegungsdaten der Söldnerclans zu beschaffen, die das Department nicht legal abfragen kann. Doch bis jetzt scheint es keine hilfreichen Auffälligkeiten zu geben. Viel Geld und Ärger für nichts.
„Irgendwas anderes? Bewegungen? Wer macht was, wer hat seinen Kurs geändert? Ich brauche mehr."
„Alle sind vorsichtiger", gibt sie zu, „Deutlich. Zwei große Crossdeals sind auf unbestimmte Zeit verschoben. Gestern sollte eigentlich die Hochzeit von Jowas Ältester stattfinden. Alles in letzter Minute abgesagt. Und mir habt ihr auch das ein oder andere Geschäft verhagelt mit eurer Politik."
Meine Zähne mahlen. Es ist also nicht so, als würde die kriminelle Szene nicht zumindest wissen, dass irgendetwas passiert ist.
„Weiß er genaueres?"
„Nicht wirklich, aber alle sind in Alarmbereitschaft. Man weiß, dass irgendwer von der Regierung abgemurkst wurde und jetzt haben sie Angst, dass jemand wie du auftaucht. Wobei du schon ein bisschen Overkill bist für den Fall, Greenbean. Musst du nicht irgendwo gerade einen Planeten vor der Auslöschung bewahren?"
Das ist alles gar nicht gut. Mir war klar, dass wahrscheinlich irgendjemand etwas weiß, aber wenn das gesamte kriminelle Netzwerk in Alarmbereitschaft ist, macht das meine Ermittlungen unnötig komplizierter. Denn natürlich geht es den Herrschaften nicht um Gerechtigkeit für das Mordopfer, sondern darum von uns nicht dafür verantwortlich gemacht und ausgeräuchert zu werden. Mit ‚uns' meine ich hier ausnahmsweise die Gesamtheit der Exekutive und nicht nur das Department. Normalerweise stochern Sunhunter nämlich - wie Gabe sagt - nicht im eigenen Ameisenhügel herum, sondern sprengen fremde Ameisenhügel in die Luft. Mittelmäßige Metapher, aber ihr versteht meinen Punkt.
„Hast du mir die Daten lokal abgespeichert?", frage ich.
Gabe sieht mich lange an.
„Die werden vor einem Richter nie standhalten. Ich habe ungefähr dreißig Gesetze gebrochen, um dir das Zeug zu besorgen."
„Gib her jetzt."
Sie zuckt verstimmt mit den Schultern, zieht ihr linkes Hosenbein über den Knöchel und löst ein schmales blau vor sich hin glimmendes Fußband von ihrem Bein. Das Glas ist warm in meiner Handfläche. Sie beobachtet, wie ich es mir um das Handgelenk lege und dann den Handschuh wieder darüber ziehe.
„Dir ist klar, dass du bei einer Mordermittlung ein bisschen mehr das Gesetz respektieren musst?", fragt sie belustigt, „Das ist nicht dein gewöhnliches rhetorisches wie wortwörtliches Herumgeballer, bis du Recht hast."
„Generell nehme ich keine juristische Beratung von Menschen an, die selbst auf der schwarzen Liste der Regierung stehen."
„Nicht gleich beleidigt sein", sie grinst jetzt unverhohlen, „Aber schön, dass ich einen wunden Punkt getroffen habe."
„Ist der Rest da drauf?", ich deute in Richtung meines Handgelenks.
„Alles, was dein Herz begehrt hat", kommt es zurück.
Zur Antwort hebe ich meine Datawatch. Sie streift ihren Ärmel nach oben, offenbart nebeneinander drei verschiedene Watches und deutet auf die Mittlere. Ich überweise zähneknirschend einen Großteil meines letzten Gehalts.
„Dann Hals- und Beinbruch, Sherlock", sagt Gabe. Doch noch habe ich mich nicht bewegt. Einen Moment lang sitzen wir da, unter unserer Glocke. Da ist noch eine Sache, die ich fragen muss, aber die gefällt mir überhaupt nicht. Ich muss mir die Worte förmlich aus der Zunge schneiden.
„Gabe", spreche ich sie an und die Informationsdealerin sieht von ihrer Lieblingswatch auf, „Wenn Garcia dich kontaktiert, will ich das wissen."
Ihr Gesicht fällt etwas ein.
„Du weißt, dass ich nicht über meine Kunden spreche."
„Und du weißt, dass ich sehr gut zahle. Wenn er in der Sache mitdrinhängt, dann hat er ein massives Problem. Er hatte gerade erst eine Konfrontation mit uns. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht nur ich an dem Fall sitze, sondern noch ein oder zwei unabhängige Regierungsagenten außerhalb des Departments. Also wenn er auftaucht, sag' ihm, er soll sich gefälligst bei mir melden, sonst verliert er seinen hübschen Kopf."
Gabe hat angefangen Däumchen zu drehen, was sehr provokativ ist in Anbetracht dessen, dass es hier um Leben und Tod geht.
„Du willst ihm helfen."
Ich wiege den Kopf hin und her.
„Kommt darauf an, ob er es war. So oder so – sag ihm, ich bin seine beste Chance."
Sie verzieht den Mund. Nickt nicht, aber ich bin mir relativ sicher, dass sie es weitergeben wird, falls sie die Chance dazu bekommt.
„Da haben sie dir ja einen schönen Haufen Probleme geschenkt", sagt sie.
Ich bestätige nicht und verneine genauso wenig. Gabes Augen funkeln interessiert, was ich als Anlass nehme, mich zu verabschieden. Ihr Interesse zu wecken heißt schließlich, sich für ein paar Cyberangriffe zu prädestinieren. Ich danke stumm meiner Intelligenz dafür, dass sie mich gezwungen hat, meine Watch upzudaten und einmal durch die Hände der IT-Spezialisten wandern zu lassen, bevor ich hier aufgeschlagen bin.
„Willst du mir nicht noch ein bisschen mehr über deinen Fall erzählen?", lockt Gabe mit blitzender Brille. Das Ding wirkt manchmal, als hätte es ein Eigenleben.
„Bitte", mache ich nur und ducke mich unter der Glocke durch, „Für wie dumm hältst du mich?"
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