Midcredit
«Ich hasse Regen!», grummelte jemand über mir.
Ich machte mir noch nicht einmal die Mühe, aufzuschauen. «Dir auch einen guten Abend», stellte ich fest.
«Er ist kalt, nass und der ganze Anzug fängt an zu kleben», meckerte dieser jemand weiter.
Ich schmunzelte. «Mir geht's gut, danke der Nachfrage. Und selbst, Anakin?»
«Anakin? Wieso Anakin?», erkundigte sich die rotblaue Gestalt, die kopfüber von einem Dachvorsprung über mir hing. «Ich dachte, wir wären aus der Phase mit den dämlichen Spitznamen herausgewachsen, du Witzfigur», spöttelte er.
«Du hörst dich gerade an wie Anakin Skywalker aus Attack of the clones!», stellte ich fest. «Ich mag keinen Sand», zitierte ich, «er ist rau und...»
Der Typ im rot-blauen, spinnenorientierten Anzug, liess sich von dem überstehenden Dach fallen, der den strömenden Regen von dem Vorsprung, auf dem ich sass, abhielt und landete neben mir. Ich wurde zwar dank meiner Rüstung nicht nass, ganz anders als mein arachnider Partner, aber Regen hörte sich für mich immer an, als würde jemand ein Trommelsolo auf meinem Helm spielen. «Ach, hör doch auf», grummelte er. «So wehleidig bin ich jetzt auch wieder nicht.»
«Nein, gar nicht...», ich war mir ziemlich sicher, dass man den amüsierten Unterton trotz dem Stimmsynthetisierer in dem Helm, den ich trug, hörte. «Übrigens, ich habe alles dabei, was du dir gewünscht hast, Spidey. Und, Hunger?»
Er setzte sich neben mich und zog seine Maske bis zu Nasenspitze hoch. «Und wie. Ich habe übrigens auch deine Bestellung dabei, direkt aus der eigenen Kaffeemaschine: Dreifachkaffee mit Koffein und so viel Milch, wie reingepasst hat. Wie immer.» Er reichte mir eine Thermoskanne weiter, die er die ganze Zeit in der Hand gehalten haben musste.
Die Gelenke der Rüstung, die ich trug, surrten leise, als ich zugriff. «Danke, Netzkopf, du bist ein richtiger Lebensretter. Ich habe keine Ahnung, wie ich die Nächte ohne deinen Kaffee durchstehen würde. Er schmeckt zwar grauenhaft, nichts gegen dich, aber wenigstens hält er wach.»
«Du hast wirklich alles besorgt?», fragte er ungläubig, ohne auf meine Bemerkung einzugehen. «Ich hätte nicht gedacht, dass du so viel mitbringen würdest.»
Ich winkte mit einer prallgefüllten McDonalds Tüte, die ich den ganzen Weg hierher mitgenommen und extra für ihn bestellt hatte. «Alles, was du dir je gewünscht hast, ist hier drin, Spidey.»
Er nahm mir die Tüte aus der Hand und kramte drin herum, bis er den ersten Burger gefunden hatte. Ohne zu zögern packte er ihn aus und biss hinein. «Du glaubst ja nicht, was ich für einen Hunger habe», meinte er zwischen zwei Bissen. Seine Stimme war genauso technisch verändert wie meine. Wahrscheinlich hatte er den Stimmverzerrer in seinen Anzug eingebaut. Clever. Während mein Partner futterte, als hätte er einen ganzen Monat nichts mehr gegessen, klappte ich das Helmvisier nach oben, schob mir den Stoff der Maske über die Nase und nippte am Kaffee, auch wenn ihn am liebsten gleich wieder ausgespuckt hätte. Ich hasste Kaffee, aber es würde eine lange Nacht werden, in der ich wohl oder übel wachbleiben müssen würde und das beste Mittel dafür war immer noch Koffein. Gegessen hatte ich schon mit Tony und Pepper, weswegen ich meinem Superheldenkollegen auch ohne Futterneid zusehen konnte, wie er einen Burger nach dem anderen verputzte. Als er schlussendlich die letzte Fritte vernichtet hatte, seufzte er wohlig und drehte sich zu mir um, sah beinahe ein wenig schuldbewusst aus. «Du musst mich für ziemlich verfressen halten», murmelte er beschämt.
Ich lachte auf. «Irgendwie schon, ja.»
«Verschnellerter Stoffwechsel», versuchte er sich zu erklären. «Ist zwar hilfreich, wenn man kämpft, aber dafür hat man dauernd Hunger und kann nicht aufhören zu essen.»
«Wenigstens nimmst du nicht zu!», witzelte ich.
Er lachte leise und drehte sich zu mir um. Wir kannten beide das Gesicht des anderen nicht, trotz der Tatsache, dass er mich häufiger ohne Helm oder mit dem Visier oben sah. Nachdem ich mich einmal ziemlich schlimm verbrannt hatte, weil sich das Metall des Anzugs durch einen Kurzschluss zu sehr erhitzt hatte, trug ich unter der Rüstung einen hitzefesten Anzug, der natürlich auch den Kopf und die Haare einschloss. Nachdem ich Spidey kennengelernte, bekam die hitzefeste Maske noch eine zweite Funktion und zwar, mein Gesicht zu verdecken.
«Schweren Tag gehabt?», fragte er, als er bemerkte, dass ich abwesend in die Ferne starrte.
Ich grinste müde. «Du kennst mich einfach zu gut, Partner. Und du?»
«Genauso.» Er seufzte tief.
«Willst du darüber reden? Ich habe zwar eigentlich nicht vor, Psychologin zu werden, aber vielleicht finden wir irgendwo ein Sofa, wo du dich drauflegen kannst...»
Er lachte. «Dann bräuchtest du aber auch eins. Wollen wir mal gemeinsam ein Möbelgeschäft besuchen?»
«Ich freue mich schon drauf», lachte ich. Ehe wir unser Gespräch noch weiter ausbauen konnten, begannen Polizeisirenen durch die Strassenschluchten von New York zu schallen. Wir sahen uns gegenseitig an und seufzten synchron.
«Die Arbeit ruft», stellte er fest, stand auf und klopfte sich den Dreck vom Kostüm. Dass das nichts brachte, da er hoffnungslos nass war, ignorierte er gekonnt. «Ich bin gerade fürchterlich neidisch auf dich», stellte er fest. «Ich wette, in deiner Rüstung hast du sogar eine Heizung.» Und damit liess er sich vom Dach fallen. Natürlich nahm er die McDonaldstüte mit. Er war ein unverbesserlicher Idealist. Ich seufzte. Das würde wohl wieder eine stressige Nacht werden. Und dann sprang ich Spidey hinterher.
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