5. Das Glück ist endgültig aufgebraucht

Ich liess mich auf mein Bett fallen. Tony Stark wusste es. Er wusste, dass ich es gewesen war, die sein System gehackt hatte. Oder wenigstens, dass ich etwas damit zu tun hatte. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich froh darüber, dass mich jemand unterschätzte. Ich fühlte mich zwar trotzdem, auch wenn ich wusste, wie dumm das war, etwas beleidigt, weil er mir nicht zutraute, es selbst zu schaffen, in sein System einzudringen, aber grösstenteils war ich unglaublich froh darüber, dass er es nicht herausgefunden hatte. Wahrscheinlich war ich momentan die Person auf dieser Welt, die das meiste Glück hatte. Allerdings kam noch einiges auf mich zu: Ich zweifelte nicht daran, dass Stark tatsächlich morgen hier auftauchte, genauso wenig, dass Peter morgen sicher wissen wollte, was Stark von mir gewollt hatte. Ich vergrub meinen Kopf in den Kissen. Ich beschloss, dass ich es hasste, erwischt zu werden, dass es nichts schlimmeres gab, als erwischt zu werden, auch wenn es mir beim Hacken erst einmal passiert war. Naja, einmal reichte auch völlig. Ich beschloss, den restlichen Tag nichts anderes zu tun, als an die Decke zu starren, aber irgendwie ging das nicht auf. Etwa um Drei Uhr nachmittags klopfte eine Betreuerin an die Türe, ganz aus dem Häuschen, und meinte, jemand wollte mit mir sprechen. Da das noch nie passiert war, konnte ich ihre Aufregung verstehen, aber ich war nicht sonderlich erfreut. Da sie nicht extra gesagt hatte, dass es Tony Stark war, der mich sehen wollte, hatte ich zwar noch ein wenig Hoffnung, aber ich machte mir keine Illusionen. Es ging ganz sicher um die Hackerangelegenheit. Grummelnd kämpfte ich mich aus meinem Bett, auch wenn die Betreuerin es offensichtlich seltsam fand, dass ich mich nicht über so ein Gespräch freute. Sie dachte schliesslich immer noch, es könnte sich eine Adoption daraus ergeben und nicht eine Gefängnisstrafe.

Der kleine Raum, in dem die Besucherin auf mich wartete, war wirklich hübsch eingerichtet. Ich hatte ihn noch nie gesehen und war tatsächlich überrascht darüber, wie er aussah. Es standen frische Blumen auf dem Tisch, an dem die Frau sass, vor ihr dampfte eine Tasse Tee und wenn man aus dem Fenster sah, konnte man die Strasse beobachten.

Das Problem war allerdings die Besucherin selbst. Ich kannte sie nicht, aber sie war wahrscheinlich eine Geschäftsfrau. Oder jedenfalls kleidete sie sich so. Sie sah beinahe gezwungen leger aus, als habe sie versucht, möglichst unauffällige Sachen auszusuchen, sei sich aber nicht gewohnt, so herumzulaufen. Sie lächelte der Betreuerin freundlich zu, dann wandte sie sich unmissverständlich an mich und meine Begleiterin machte sich diskret vom Acker. Ich wäre ihr am liebsten hinterhergerannt, vor allem, als sie die Türe hinter sich schloss. Die Frau vor mir schien mein Unwohlsein zu bemerken, sagte aber nichts dazu. "Mein Name ist Maria Hill", meinte sie nur, während sie ihre Haare zu einem dunklen Pferdeschwanz band. "Ich denke, du weisst, warum ich hier bin."

Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, einfach zu nicken, aber ich hatte noch nicht aufgegeben und ich beschloss, denen, für die sie arbeitete, so viel Ärger wie möglich zu machen, wenn sie schon hinter mir her waren. Und vielleicht täuschte ich mich ja und sie war doch nur eine nette Dame, die gerne ein Kind adoptieren wollte... Ich setzte mich ihr gegenüber hin. "Keinen Schimmer, Ms. Maria Hill. Ich dachte, ich bin hier, damit Sie es mir erklären!"

Für einen kurzen Moment starrte sie mich an. Ich versucht, ihrem Blick standzuhalten, aber es klappte nicht und ich sackte auf meinem Stuhl ein wenig zusammen. Sie war irritiert, ganz sicher. Vielleicht hatte sie meinen ironischen Ton nicht erwartet, vielleicht war sie überrascht von dem, was ich ihr gesagt hatte. Allerdings hätte sie das eigentlich erwarten müssen. "Ich glaube, du hast da etwas falsch verstanden, Mädchen", meinte sie schlussendlich, ihr freundlicher Tonfall machte das Ganze nur umso bedrohlicher. "Ich bin hier, weil du es mir erklären sollst."

"Was denn, wie eine Adoption funktioniert?", ich lehnte mich zurück. "Ich habe die zweitausend Mal nicht aufgepasst, an dem man uns das gesagt hat. Googeln Sie es doch, wenn Sie es wissen wollen."

Sie starrte mich weiter an, worauf hin ich immer kleiner wurde. Es war ausserordentlich unangenehm, so angestarrt zu werden. Dann nickte sie langsam. "Wir wissen doch beide, dass es hier nicht um eine Adoption geht, Kayla. Es geht hier darum, dass du mit der Hilfe eines ziemlich begabten Hackers in ein Auto von Tony Stark eingebrochen bist."

Für einen kurzen Moment freute ich mich ungemein über das "ziemlich begabt", aber dann fiel mir wieder ein, dass die Dame mir gegenüber nichts davon mitbekommen durfte, da ich sonst wahrscheinlich in irgendeinem Jugendgefängnis landete. Oder einer Sonderschule oder so. Für einen kurzen Moment tat ich so, als würde ich nachdenken, dann schüttelte ich, nicht wirklich bedauernd, den Kopf. "Ich habe keine Ahnung, von was Sie reden, Ms. Hill. Aber es hört sich spannend an. Wie heisst denn der Film, aus dem Sie das haben?"

Sie zeigte immer noch keine Regung, aber ich war sicher, dass ich sie gerade zum Kochen brachte. Und das beste: Ich brauchte mich dafür nicht einmal dümmer zu stellen, als ich eigentlich war. Ich behauptete einfach, dass ich von der Hackeraffaire keine Ahnung hatte. "Es ist dir vielleicht nicht klar, Kayla, aber das ist eine ernste Sache. Du könntest grosse Probleme damit bekommen, aber ich und die Organisation, für die ich arbeite, wir können dir helfen, wenn du mir jetzt sagst, wer der Hacker ist. Dann wird nie jemand mitbekommen, dass du ein Teil dieser unschönen Sache warst."

"Das ist wirklich ein verlockendes Angebot", meinte ich, ohne zu zögern, "aber leider weiss ich nicht, wofür. Wie oft muss ich das noch wiederholen? Ich habe keine Ahnung, was sie von mir wollen. Sie haben die Falsche. Und deshalb gehe ich jetzt. Einen schönen Tag noch." Ich stand tatsächlich auf und machte mich auf den Weg Richtung Türe.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Frau ebenfalls aufstand. "Ich habe sehr wohl die Richtige gefunden, Kayla Clyatt. Und an deiner Stelle würde ich mir gut überlegen, ob ich jetzt durch diese Türe ginge. Das hier ist die angenehme Variante, aber wir können auch anders, wenn du uns nicht verrätst, wer dieser Hacker ist. Wenn du jetzt durch diese Türe gehst..." Das Beängstigenste war, dass sie immer noch sehr, sehr ruhig schien, als würde sie über das Wetter plaudern und nicht über einen gefährlichen Hacker.

Ohne zu zögern zog ich die Türe auf und trat über die Schwelle. Von der anderen Seite des Türblatts warf ihr einen mehr oder weniger verwirrten Blick zu. "Passiert ja gar nichts! Kein Weltuntergang, keine Aliens... Ich bin enttäuscht. Ich werde jetzt die Betreuerin informieren, dass Sie mich bedroht haben. An Ihrer Stelle würde ich verschwinden und zwar so schnell Sie können. Keinen schönen Tag noch." Damit drehte ich mich um und ging die Betreuerin suchen. Was wollte sie und ihre Organisation schon tun? Amerika war eine Demokratie und ich hatte nichts verbrochen.

"Das wird ein Nachspiel haben!", rief mir die Dame, die sich als Maria Hill vorgestellt hatte, hinterher. Ich ignorierte sie geflissentlich. Als ich aber mit der Betreuerin zurückkam, war sie schon längst weg.


Auch wenn ich weder Lust auf Schule hatte, noch darauf, Peter zu erklären, was Stark von mir wollte, machte ich mich am nächsten Morgen knapper als sonst auf den Weg in den Central Park, gerade noch früh genug, um noch auf der Bank zu lesen, von der ich ja behauptete, sie sei in der  Nähe eines schwarzen Loches. Ich war gerade erst auf Seite 123 meiner neusten Errungenschaft angekommen, als sich jemand neben mich setzte. Ich sah auf, erwartend, dass es Peter war, aber ich zuckte zurück.

Er war es nicht.

An seiner Stelle sass ein mittelalter Mann mit zurückweichendem Ansatz, die übriggebliebenen Haare flachgedrückt und mausbraun. Er gab sich für meinen Geschmack einen Tick zu gelassen, ausserdem bemerkte ich, dass er immer wieder zu mir hinschielte, die blauen Augen sonst möglichst unauffällig auf die Zeitung in seiner Hand gerichtet. Vielleicht war ich einfach nur paranoid nach gestern, aber das war mir echt unheimlich. Meine Inneren Alarmglocken schelten allesamt, weswegen ich auch etwas überstürzt aufstand und gezwungen normal davonging.

Ich zuckte zusammen, als eine braunhaarige Joggerin in engen Turnkleidern neben mir vorbeisetzte, Kopfhörer in den Ohren. An sich nichts verdächtiges, aber ich blieb trotzdem wie vom Donner gerührt stehen. War das nicht Maria Hill gewesen? Oder wurde ich langsam verrückt? Ich schlug erneut eine andere Richtung ein, hoffte, dass sie alle einfach verschwinden würden, ich mich irrte und Peter demnächst auftauchte, damit wir gemeinsam zur Schule gehen konnten. Der Gedanke daran, ihm alles zu erklären, war plötzlich ziemlich einladend. Ich fand eine weitere Bank und setzte mich hin, schlug das Buch wieder auf, im Stillen hoffend, dass Peter mich immer noch finden konnte, da wir uns eigentlich an der anderen Bank trafen. Aber dorthin würde ich ganz sicher nicht zurückgehen.

Ich kam keine drei Sätze weit, bis sich wieder jemand neben mich setzte. Ich traute mich beinahe nicht, aufzusehen, aber als ich es tat, bekam ich endgültig Panik. Es war wieder der Mann. Ein kleines Lächeln lag auf seinen Lippen, als liefe alles so, wie es sollte, als hätte er erwartet, dass ich weggehen würde. Ich stand so schnell ich konnte auf, rannte davon, mein Buch fest an mich gedrückt. Was war ich doch für eine Idiotin, dass ich mir kein neues Notfallhandy gekauft hatte, sonst hätte ich die Polizei verständigen können. Vielleicht hätte ich doch auf das Angebot eingehen sollen, vielleicht hätte ich Maria Hill gestern doch alles erzählen sollen, denn langsam war ich mir nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, die Organisation, die sie erwähnt hatte, zu verärgern. Von Demokratie schienen sie nämlich nicht viel zu halten.

Gestresst sah ich zurück. Der Mann war auch aufgestanden. Langsam folgte er mir, als bräuchte er es nicht allzu eilig zu haben. Das machte mir beinhe noch mehr Angst, als das er mir überhaupt folgte. Ich bog scharf um die nächste Kurve, übersah dabei aber einen Mann in schwarzem Trenchcoat. Ich prallte gegen ihn, taumelte zurück, wäre sich auf dem Hintern gelandet, wenn er mich nicht am Arm gepackt und aufgefangen hätte. Ich wollte mich gerade bei ihm bedanken und ihn bitten, die Polizei zu verständigen, weil jemand mich verfolgte, als mir aufging, dass ich auch ihn schon einmal gesehen hatte. Ich sah ihm ins Gesicht und erkannte ihn. Er war dunkelhäutig, aber das, was mir am meisten Eindruck machte, war, dass er eine Augenklappe trug. Zyklop. Das Wort kam mir sofort wieder in den Sinn. Er war der Typ, den ich mit Stark gesehen hatte. Sofort versuchte ich, von ihm wegzukommen, aber er hielt mich weiterhin fest, sah sich kurz um und winkte dann dem Typen, der mir gefolgt war, hektisch zu. Ehe ich dazu kam, zu schreien, war der Andere schon bei mir, sah sich ebenfalls kurz um und presste mir dann ein feuchtes Tuch auf Mund und Nase. Ich wehrte mich weiterhin, wurde allerdings trotz der Tatsache, dass ich versuchte, die Luft anzuhalten, denn mir war klar, dass ich das Zeug nicht einatmen wollte, immer langsamer. Ich konnte mich beinahe nicht mehr auf den Beinen halten. Es fühlte sich an, als würde die Welt kippen, dann knickten meine Füsse weg und ich spürte, wie ich aufgefangen wurde. Über mir sah ich Maria Hill gemeinsam mit dem anderen Typen und dem Zyklopen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, sie zu beschimpfen und so laut zu schreien, wie ich nur konnte, aber meine Zunge fühlte sich schrecklich schwer an. Ich bemerkte nur noch von weit her, wie das Tuch aus meinem Gesicht verschwand. Für einen kurzen Moment dachte ich daran, dass ich Hill eben doch die Wahrheit hätte sagen sollen, dann wurde alles schwarz.


Das erste, was ich wahrnahm, war, wie mies ich mich fühlte. Mein Mund war trocken wie Zunder und meine Zunge klebte am Gaumen, ausserdem hatte ich Kopfschmerzen. Ich öffnete die Augen einen Spalt weit, in der Hoffnung, mich in meinem Bett wiederzufinden, nach einem besonders schlimmen Alptraum, aber ich brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass ich weder in meinem Zimmer, noch im Park lag. Kurz überlegte ich, ob es wohl eine dumme Idee war, zu zeigen, dass ich wach war, aber dann verwarf ich den Gedanken. Was sollte es schon bringen, mich schlafend zu stellen?

Ich richtete mich mit einiger Mühe auf und bemerkte als erstes, dass ich keinen Schulsack mehr trug. Das helle Licht um mich herum stach in meine Augen, so dass ich eine ganze Weile brauchte, um meine Umgebung zu erkennen. Ich sass in einem kleinen Raum, eckig und kahl, dessen Wände vollkommen aus Glas bestanden. Es gab hier, ausser dem Klappbett, auf dem ich geschlafen hatte, nur zwei Stühle und einen Tisch. Ich stand schwerfällig auf, schwankte ein bisschen, fand aber mein Gleichgewicht wieder. Wo war ich hier?

Ich betastete meine Taschen, fand aber nichts, noch nicht einmal das Eindollarstück, mit dem ich eine Packung Kaugummi kaufen wollte. Als ich auf meine Schuhe sah, bemerkte ich, dass auch meine Schnürsenkel weg waren, was mir einen eisigen Schauer den Rücken hinunter sandte. Irgendjemand hatte mich durchsucht und alles, was gefährlich sein konnte, entfernt. In was auch immer ich hier hereingeraten war, es war ernster, als ich gedacht hatte. Die Panik machte meine Gleichgewichtsprobleme nicht besser, so dass ich mich gezwungenermassen auf einen der zwei Stühle setzte. Tatsächlich war mir ein bisschen weniger schlecht, als ich sass und ich konnte etwas nachdenken.

Wer war der Zyklop? Stark konnte doch wohl keinen Reallife James Bond kennen, oder?

Ich sah auf, als ich Schritte hörte. Die Joggerin aka Maria Hill kam auf den Glaskasten zu, in dem ich sass. Ich kam mir ein bisschen vor wie ein Kistenteufel, ich vergass aber sofort die Beschwerde, die ich Ms. Hill an den Kopf hatte werden wollen, als sie ihre Hand auf das Glas legte. Nach einem leisen Piepen sah ich sprachlos zu, wie sich das Glas auf die Seite schob. Ich hatte vorher keine Tür erkennen können und es war wirklich beeindruckend, wie hochentwickelt mein Gefängnis zu sein schien. Normalerweise wäre ich fasziniert gewesen, aber gerade konnte ich nur daran denken, dass ich in etwas wirklich ernstes hereingeraten war, wenn diese Organisation, für die Hill arbeitete, so eine Technik besass.

Ms. Hill trat ein und ich stiess in meiner Hast, aufzustehen und so weit wie möglich von ihr wegzukommen, den Stuhl um. Ich verlor das Gleichgewicht und stürzte, aber ich krabbelte rückwärts weiter, um so viel Abstand wie möglich zwischen sie und mich zu bringen.  Mir war speiübel, aber ich versuchte, es zu ignorieren. "Sie... Sie verdammte...", suchte ich verzweifelt nach einem Schimpfwort, das schlimm genug für die Frau war. "Sie Miststück!", fluchte ich schlussendlich, auch wenn es mir nicht annähernd passend vorkam. Normalerweise konnte ich ziemlich gut fluchen, aber meine Gedanken waren immer noch in einem seltsamen Schwebezustand, so dass ich nichts besseres herausbekam.

Sie hob nur eine Augenbraue und setzte sich auf den zweiten Stuhl, als wäre es ganz normal, dass ich von ihr wegkommen wollte. Als sie keine Anstalten machte, mir näher zu kommen, zog ich mich langsam am Klappbett hoch und setzte mich darauf, froh, etwas zum festhalten zu haben. Was auch immer sie benutzt hatten, um mich zu betäuben, ich hatte es nicht sonderlich gut vertragen. "Ich hatte dich gewarnt, Kayla. Aber du wolltest ja nicht hören. Es ist wirklich eine Schande, eigentlich dachte ich, du lenktest ein. Vor allem, weil in deiner Schulakte steht, dass du ganz schön schlau bist."

"Das geht Sie einen Dreck an. Jetzt lassen Sie mich hier raus."

"Du bist nicht in der Lage, irgendetwas zu bestimmen, Mädchen. Ausser natürlich, du zeigst dich sofort kooperativ, erzählst mir, was es mit dir und dem Hack auf Tony Starks Auto auf sich hat, dann könnte ich vielleicht etwas für dich arrangieren."

"Ach ja?", ich schnaubte. "Ich habe es Ihnen schon gesagt. Ich habe keine Ahnung, von was Sie reden. Und Sie können mich hier nicht ewig festhalten. Man wird bemerken, dass ich verschwunden bin und dann haben Sie ein Problem."

Sie musterte mich einen Moment lang, dann schmunzelte sie plötzlich, als fände sie die Situation ausserordentlich amüsant. "Lass das unsere Sorge sein. Aber an deiner Stelle würde ich nicht darauf hoffen, gerettet zu werden."

"Es gibt mittlerweile genug Superhelden auf dieser Welt. In dieser Hinsicht bin ich positiv eingestellt."

Jetzt lachte Ms. Hill wirklich. "Es ist wirklich ein seltsames Gefühl, dir gegenüberzusitzen, Kayla", meinte sie, als sie sich wieder beruhigt hatte. "Normalerweise unterhalte ich mich mit den bösesten Jungs dieses Universums, aber du bist nur ein kleines Mädchen, dass zu stur ist, mit einer simplen Information herauszurücken. Und doch hast du mehr Humor als alle anderen."

"Ich habe nicht gescherzt", knurrte ich. "Sie werden erwischt werden. Und dann landen Sie im Gefängnis."

"Tja", meinte Hill, "Irgendwann vergeht allen der Humor. Ich an deiner Stelle wäre aber ein wenig freundlicher zu mir."

"Wären Sie freundlich zu Ihrer Entführerin, wenn Sie von Ihnen verlangt, Ihnen eine Information zu geben, die Sie nicht haben? Wären Sie freundlich, wenn Sie die Kopfschmerzen des Jahrhunderts hätten und am liebsten kotzen würden? Nein. Also hören Sie auf sich aufzuspielen und lassen Sie mich nach Hause."

"Dein Freund, dieser Hacker, hat einen wirklich spektakulären Coup vorgeführt. Stark Industries ist ein harter Brocken. Er ist eine Bedrohung für uns alle. Er könnte alles tun, er könnte einige wichtige Server abstürzen lassen oder sich Millionen mit einem Bank-Hack verdienen."

"Oder er bleibt weiterhin im Hintergrund und veranlasst keinen Schaden", hielt ich dagegen. "Ich habe immer noch keine Ahnung, von was Sie reden, aber nicht jeder ist böse. Und nicht jeder ist so skrupellos wie Sie."

"Er ist eine Bedrohung", erklärte Maria Hill. "Solange wir ihn nicht kontrollieren können, gehört er zu den bösen Jungs."

Ich starrte sie an. "Na super", knurrte ich. "Wissen Sie was? Das ist Wahnsinn. Jetzt sind Sie nicht nur eine Entführerin, sondern auch ein Kontrollfreak."

"Besser einmal zu viel Trubel um etwas machen, als später das nachsehen zu haben, Kayla. Ich würde dich wirklich gerne gehen lassen, versteh mich nicht falsch, aber wir brauchen diese Information. Deswegen gebe ich dir jetzt einen Tipp: Finde dich mit dieser Situation ab und sei ein wenig freundlicher zu mir. Es bringt dir nichts, wenn du dich querstellst und einen Kleinkrieg mit mir vom Zaun brichst. Also. Ich frage dich noch einmal. Wer ist der Hacker?"

Ich zögerte. Sie hatte recht. Es brachte mir überhaupt nichts, wenn ich mich weiter querstellte, wenn ich weiterstritt, aber ich wollte nicht kampflos aufgeben und vor allem wollte ich ihr nich verraten, dass ich es gewesen war, die diesen Hack ausgeführt hatte. Obwohl sie mich unbewusst mit Lob über meine Programmierfähigkeiten überschüttet hatte, wünschte ich mir, zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich nur ein ganz normales Mädchen wäre. Dass ich nie einen Computer angefasst hätte. Dann wäre das alles nie passiert. Ich entschloss mich, ein Risiko einzugehen. "Ich kenne ihn nicht", meinte ich schlussendlich. "Habe ihn nie zu Gesicht bekommen. Wir haben per Zufall angefangen, miteinander zu chatten. Er hat immer wieder davon gesprochen, dass er gewisse Fähigkeiten hätte, mit denen er unseren Chat für Andere verschwinden lassen würde und dass er eine grosse Sache plante, einen riesigen Scherz. Irgendwann hat er mich dann gebeten, etwas für ihn auszuprobieren, hat mir Code auf mein Notfallhandy geschickt und mir gesagt, sollte ich einmal zufällig das Auto eines reichen Typen sehen, ich müsste das Handy diesen Code ausführen lassen. Einfach nur das. Und dann... Naja. Ich bin zufällig an Tony Starks Auto vorbeigekommen und dann... Ich bin neugierig geworden, wollte wissen, was dieses Programm, dass er mir gegeben hat, bewirkt, also habe ich einfach einmal ausprobiert, ob es sich öffnen lässt. Und siehe da: Es hat geklappt. Er hat mir zwar eingeschärft, danach sofort zu verschwinden, aber naja... Was hätten Sie denn getan, wenn Sie die Möglichkeit gehabt hätten, das Auto eines Superhelden zu inspizieren? Er hätte da seinen Iron Man Anzug versteckt halten können!"

Maria Hill hatte schweigend zugehört. Als ich geendet hatte, legte sie den Kopf schief. "Siehst du? Geht doch." Damit stand sie auf und ging.

"Hey!", rief ich ihr entsetzt hinterher, zuckte allerdings von der Lautstärke meiner eigenen Stimme zusammen. "Hey", wiederholte ich leiser, "Ich habe Ihnen alles erzählt! Lassen Sie mich nach Hause gehen!"

Panik begann in mir hochzukochen, als sie sich mit einem beinahe mitleidigen Ausdruck im Gesicht zu mir umdrehte. "So einfach geht das nicht. Wir müssen deine Geschichte zuerst noch bestätigen. Ich bin ziemlich sicher, dass du etwas verschwiegen hast, wenn du diese Dinge nicht aus dem Stegreif erfunden hast."

"Aber... Sie können mich doch nich einfach hier lassen!"

"Kayla...", sie zögerte kurz. "Was ist dein Lieblingsbuch?"

"Ich habe keines", meinte ich vollkommen verwirrt. "Wieso fragen Sie das?"

"Und dein Lieblingsschulfach?"

«Ich mag Schule nicht", antwortete ich. "Was sollen diese Fragen?"

Sie zuckte die Achseln und legte ihre Hand beiläufig wieder aufs Glas. Ich meinte, kurz ein Licht zu sehen, das sie abtastete, aber ich war so von der Rolle, dass ich mir das auch eingebildet haben konnte. "Du hast recht. Ich kann dich hier nicht einfach so alleine lassen. Deswegen werde ich dir jemanden schicken, der dir etwas zu lesen mitbringt. Du scheinst Bücher ja wirklich sehr gerne zu haben. Aber da du mir nur so vage Antworten gegeben hast, werde ich für dich aussuchen müssen. Damit du dich drauf einstellen kannst: Wahrscheinlich ein Biologielehrbuch und ein paar Kinderbücher. Weil du mir so viel erzählt hast." Der ironische Unterton im letzten Satz machte mir klar, dass sie mir kein einziges Wort geglaubt hatte. Ehe ich allerdings widersprechen konnte, war sie schon aus der Zelle getreten und das Glas schloss sich wieder hinter ihr. Für einen kurzen Moment war das Verlangen, gegen die gläsernen Wände meines Gefängnisses zu treten, unglaublich gross, aber ich ignorierte es. Mir war immer noch zu schwindelig, um aufstehen zu können.


Tony Stark stand vor dem Waisenhaus, dass Kayla Clyatts Zuhause war. Er war mit dem protzigen Wagen, in den sie eingestiegen war, hergefahren und lehnte gerade an dem teuren Auto. Immer und immer wieder schaute er auf die teuere Uhr an seinem Handgelenk. Die ersten Schüler trudelten schon im Waisenhaus ein, aber nicht sie. Nicht Clyatt. Obwohl sie, laut den Überwachungskameras rund um das Gebäude, sonst immer eine der ersten war. Eine halbe Stunde nach ihrem üblichen Eintreffen betrat Stark das Gebäude. Die Sonnenbrille auf seiner Nase machte es nur umso offensichtlicher, wer er war.

Auf die Frau, die auf ihn zugeeilt kam, schien sie die typische, einschüchternde Wirkung zu haben, denn sie stotterte beinahe, als sie ihn ansprach.«Mr. Stark? Oh mein Gott, Sie sind es wirklich. Wie kann ich ihnen helfen?»

Stark nahm die Sonnenbrille ab. «Ich suche ein Mädchen. Sie heisst Kayla Clyatt und wollte etwas mit mir besprechen. Sie sollte hier wohnen.»

Das Gesicht der Frau verfinsterte sich schlagartig, als er den Namen des Mädchen erwähnte. «Da kommen Sie aber zu einem schlechten Zeitpunkt. Kayla wurde auf dem Weg zur Schule von einem Lastwagen erfasst und liegt auf der Intensivstation im Krankenhaus. Keiner darf zu ihr, ich habe es auch schon versucht. Das arme Mädchen.»

Stark erstarrte. Autounfall. Das durfte doch nicht wahr sein. Er war so kurz davor gewesen, den Hacker zu finden. Natürlich tat ihm das Mädchen leid, es war schlimm, dass ihr so etwas passiert war, aber vor allem ärgerte er sich darüber, dass er sie am gestrigen Tag einfach gehen lassen hatte. Hätte er das nicht getan, dann wüsste er jetzt, wer der Hacker war und vielleicht hätte sie den Unfall nicht gehabt. Stark senkte den Kopf, damit die Frau die widerstreitenden Gefühle darauf nicht sah. «Das... Das wusste ich nicht. Ich... Ich denke, ich muss gehen. Danke, für ihre Auskunft.» Stark drehte sich hastig um und stiefelte aus dem Haus,  auf ein Auto zu.
Türe auf, Türe zu, Motor an.

Auf ins Krankenhaus.

Überarbeitet.

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