45. Unerwartetes Wiedersehen
«Das kann doch nicht dein Ernst sein!», knurrte Stark.
«Leider ist es das, Tony», antwortete Natasha.
Der Milliardär fluchte wie ein Rohrspatz. «Ihr habt die Ringe besorgt? Die Einzigen, die er noch nicht hat, wollt ihr ihm einfach so zuspielen? Kayla ist nur in grösserer Gefahr, wenn er die Ringe auch noch hat!»
«Wir haben keine andere Wahl! Was willst du denn sonst machen? Abwarten und Kayla und Clint...»
Tony fuhr herum. «Wehe du beendest diesen Satz, Natasha. Ich weiss ja, dass du eine gefühlslose Superspionin bist, aber ich für meinen Teil mache mir Sorgen um meine Tochter!»
Natasha starrte ihn an. Beinahe meinte er, sie verletzt zu haben, aber er versicherte sich, dass sie als Spionin ein viel zu dickes Fell hatte, um etwas verletzend zu finden. «Ach», meinte sie kühl, «dachtes du etwa, ich würde mir keine Sorgen um meinen besten Freund machen?»
«Oh, jetzt ist er auf einmal dein bester Freund? Hast du das Cap schon gesagt? Ich wette, er wäre ganz schön enttäuscht. Was soll das werden? Eine Dreiecksbeziehung?»
«Du hast keine Ahnung, von was du redest, Tony.»
«Und du hast keine Ahnung, von was du sprichst! Seit ich ein kleiner Junge war, wurde mir beigebracht, wie ich reagieren sollte, wenn ich oder jemand, der mir nahesteht, entführt wird. So macht man das eben mit Milliardärssöhnen. Und weisst du was? Das Allerletzte, was man tun sollte, ist, den Entführern zu geben, was sie wollen.»
«Ich glaube, du vergisst, dass ich eine Spionin bin, Tony. Denkst du etwa, du bist der Einzige, der so etwas weiss?»
«Momentan scheint es mir so, ja.»
«Oh, tut es das? Wie schön für dich.» Die Beiden standen Nase an Nase voreinander, während Cap und Banner ihnen wenig glücklich zusahen.
«Wollen wir das nicht anders regeln?», fragte Banner. «Ich weiss nämlich nicht, auf wessen Seite sich der grosse Grüne stellen würde.»
«Wer sagt denn, dass Nat und ich das nicht alleine regeln können?»
Die Spionin sah ihn nur kalt an. «Ich hätte dich ja für cleverer gehalten, Tony, als dir eine Tracht Prügel einzuheimsen gerade dann, wenn deine Tochter dich braucht.»
«Ach, du willst es also wirklich drauf ankommen lassen?», knurrte Stark und machte eine unauffällige Handbewegung, um den die Anzugteile, die er benutzen konnte, griffbereit zu haben, sollte die Diskussion eskalieren. «Denkst du etwa, ich würde nicht gewinnen?»
«Das werden wir sehen, Tony. Aber ich habe dich gewarnt. Wir könnten das auch friedlich regeln, dem Mandarin seine Ringe bringen und Clint genauso wie Kayla abholen.»
«Und dann zerstört der Mandarin uns alle zusammen mit seinen Ringen? Das rettet Kayla und Clint auch nicht!»
«Und was schlägst du vor?»
«Wir finden heraus, wo sie sind und greifen von hinten an.» Tony lockerte mühsam seine Finger, die er zuvor zu Fäusten geballt hatte.
«Ach ja? Und die Gefahr für Clint und Kayla ist dann geringer?»
Die Beiden starrten sich eine ganze Weile in die Augen, keiner gewillt, als erster aufzugeben. Es war schlussendlich Bruce, der die gespannte Stimmung auflöste. «Ich schlage vor, wir machen beides. Wir versuchen herauszufinden, wo sich der Mandarin befindet, während wir Natasha und Steve mit einem Ring zum Treffpunkt gehen. Sie müssen den Mandarin hinhalten, während du und ich, Tony, sie überrumpeln.»
Steve und Natasha wechselten einen Blick. «Okay...», meinte sie schliesslich ein wenig zögerlich. «Damit könnte ich leben.»
Steve nickte nur zustimmend, sagte allerdings nichts dazu. Tony kaute nachdenklich auf seiner Lippe herum. «Sei nicht so ein Idiot, Tony», meinte Steve schlussendlich.
Der Milliardär warf ihm einen bösen Blick zu. «Idiot? Idiot? Ich will nur, dass meine Tochter nicht verletzt wird!»
«Wenn sie ihr auch nur ein Haar krümmen, dann kommen sie dran», versprach der Supersoldat. «Aber wenn wir nichts unternehmen, dann hilft ihr das auch nicht. Der Treffpunkt ist ganz schön weit weg. Wir müssten eigentlich jetzt schon in den Quinjet steigen, wenn wir so bald wie möglich ankommen und Kayla zurückholen wollen.»
Natasha sah Steve von der Seite an. «Und was ist mit Clint?»
Der warf ihr nur einen kurzen Blick zu. «Und natürlich auch Clint. Tut mir leid, Natasha, das habe ich ganz vergessen. Ich hatte eigentlich gehofft, er könnte auch sich selbst aufpassen, als ich ihn zu ihr geschickt habe.» Tony bemerkte nicht, wie sich Natashas Augen ein ganz klein wenig verengten. Da stimmte etwas nicht. Da stimmte etwas ganz gewaltig nicht. Ihre inneren Alarmglocken klingelten Sturm. Da war etwas mit Steve, irgendetwas war anders an ihm als sonst... Für einen kurzen Moment dachte sie daran, Tony einzuweihen, allerdings war da immer das Risiko, dass Steve sie hörte. Er hatte schliesslich ein Supergehör und sie konnte keineswegs einschätzen, wie weit das reichte. Ausserdem würde sich Tony ganz sicher auffällig verhalten und sich verraten und das war das Dümmste, was passieren konnte. Also blieb sie still.
Clint hatte Kopfschmerzen. Als er sich aufrichtete und an den Kopf fasste, fand er allerdings keine Wunde, von der sie herrühren könnten. Er sah sich um. Die Umgebung war ihm vollkommen unbekannt. Er musste wohl zusammengeklappt sein, nachdem er... abgehauen war. Ja, natürlich, er hatte sich gegen den Mandarin und seine Anhänger gewehrt, hatte versucht, Kayla zu befreien und dann... Er musste sich anstrengen, sich zu erinnern. Die Beifahrertüre des Wagens, in dem er und Kayla eingesperrt worden waren, hatte sich während dem Kampf geöffnet, weswegen Clint, der sich irgendwie losmachen und nach vorne hatte ziehen können, auch aus dem fahrenden Wagen gestürzt war. Beim Gedanken daran taten ihm alle Knochen weh. Seltsam, dass sein Gedächtnis so lange gebraucht hatte, um sich an so etwas Wichtiges zu erinnern. Er erinnerte sich immer gleich an alles, das war Teil des Agentendasein. Wenn man wichtige Informationen nicht schnell genug abrufen konnte, dann war man verloren! Clint klopfte sich den Staub von den Kleidern. Er war auf einer langen Ebene gelandet, mitten im Nirgendwo. Wenn er Glück hatte, dann war er schon in der Nähe des Schlupfwinkels des Terroristen. Es fragte sich nur, in welche Richtung er laufen sollte... Es sah nämlich überall gleich aus. Er sah auf sein Handgelenk, um mit seiner Uhr herauszufinden, wo Norden war, aber sie war verschwunden. Natürlich, sie war ihm doch abgenommen worden. Wann genau, konnte er allerdings nicht mehr sagen. Direkt, nachdem er in den Fängen des Mandarins wieder aufgewacht war? Hatte er sie da überhaupt noch getragen? Clint ärgerte sich. Scheinbar war das Mittel, dass sie ihm verabreicht hatten und der Schlag, als er aus dem Auto gesprungen war, zu viel für ihn gewesen. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, wurde er vielleicht langsam alt. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Wieso dachte er denn sowas? Er war doch erst... Seine Kopfschmerzen, die langsam abgeklungen kamen, schossen ihm erneut wie ein glühender Nagel durch den Kopf. Er biss die Zähne zusammen. Was war nur mit ihm los? Diese Kopfschmerzen, seine seltsamen Gedächtnisaussetzer... Was ihm am meisten Angst machte, war, dass er für einen kurzen Moment nicht mehr gewusst hatte, wie alt er war. Das war doch nicht normal! Das konnte er nicht einmal auf die Midlifecrisis schieben, auch wenn er die mit 41 wohl kaum schon hatte. Er wollte sich gerade auf die Suche nach den Spuren der Wagens machen, der ihn hergebracht hatte, als er ein vertraut leises Geräusch hörte. Er sah auf, drehte sich um die eigene Ache. Als er den Quinjet entdeckte, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Er beeilte sich, ihnen ein Signal mit den Armen zu geben, ihnen zu signalisieren, dass er es war, Clint, auch wenn der Jet es wahrscheinlich schon längst bestätigt hatte. Manchmal waren Tonys unnütze technische Spielereien doch zu etwas nutze. Tatsächlich landete der Jet direkt neben ihm und als sich die Laderampe öffnete, lief Natasha heraus. Nur weil Clint sie schon so lange kannte, konnte er die Erleichterung in ihren Zügen erkennen, bemerkte, dass sie zügiger auf ihn zuging als sonst, nicht ganz so kühl wirkte. Jemand anderes hätte all das so interpretiert, dass sie sich keineswegs nahestanden und Nat sich keinerlei Sorgen um ihn gemacht hatte. Aber Clint wusste, dass das nicht stimmte. Auch wenn Nat manchmal Probleme damit hatte, es zu zeigen, sie war seine beste Freundin und er wusste, wie gross die Sorgen waren, die sie sich um ihn gemacht hatte. Er ging ihr entgegen und liess sich von ihr umarmen.
«Ich wusste, du würdest da rauskommen», meinte Nat und musterte ihn, als wolle sie sichergehen, dass alles gut war. «Allerdings dachte ich, du würdest es nicht tun, weil du Kayla nicht alleinlassen willst.»
«Es war eher ein Unfall als geplant», gab Clint zu. «Ich bin aus dem Wagen gefallen.»
«Das ist dir noch nie passiert», stellte Natasha fest.
«Es gibt für alles ein erstes Mal», verteidigte sich Clint.
Natasha sah sich um. «Sieht aus, als würden wir gerade rechtzeitig kommen. Hast du eine Ahnung, wo sie Kayla hingebracht haben? Wir kennen nur den ungefähren Ort, vor allem, weil Tony nicht bei uns ist.»
«Was macht er denn?»
«Er ist vorrausgeflogen. Er meinte, er wäre weniger auffällig alleine. Er wollte sich bei uns melden, wenn er den Treffpunkt gefunden hat. Kayla müsste auch am Treffpunkt sein.»
Clint nickte verstehend. «Hört sich gar nicht so dumm an.»
«Er ist halb wahnsinnig vor Sorge über Kayla. Ich hoffe nur, er macht nichts Dummes, wenn er sie sieht. Ich habe schon einige trainierte Agenten gesehen, die beim Anblick eines Kindes in Gefahr einfach durchgedreht sind, egal, ob es ihr eigenes war oder nicht.»
«Er wird schon vorsichtig sein», beschwichtigte Clint sie. «Ist ja nicht sein allererstes Abenteuer.»
«Das Allererste, bei dem seine Tochter in Gefahr ist!», murmelte Nat so leise, dass Clint sie nicht hörte. Sie wollte ihn nicht auch noch mit ihren Befürchtungen wahnsinnig machen.
«Solange der Mandarin nicht alle Ringe hat, ist er gar nicht so gefährlich.»
Nat sah auf. «Und woher willst du das wissen?»
«Seine Männer haben sich darüber unterhalten.»
«Über ihren Boss, der gar nicht so stark ist, und das vor einem Gefangenen, von dem sie wissen, dass er ein Spitzenagent ist, der zu den mächtigsten Helden der Welt gehört?»
«Keine Ahnung, was in deren Köpfen vorgegangen ist», verteidigte sich Clint. «Vielleicht haben sie das auch einfach vergessen. Du und ich, wir werden überraschend oft vergessen, wenn es um die Avengers geht.» Nat nickte zustimmend, liess ihn nicht merken, dass sie immer noch ein wenig misstrauisch war. Wahrscheinlich hatte Clint gar nicht gemerkt, dass er manipuliert worden war, auch wenn das ziemlich untypisch für ihn war. Ausserdem machte er sich überraschend wenig Sorgen um Kayla, vor allem, da er auf das kleine Mädchen aufpasste, als sei sie seine eigene Tochter. Sie wusste, wie er sich als Vater benahm und das kam dem, was sie kannte, erstaunlich nahe, wenn er sich mit Kayla unterhielt.
«Soll ich dich stützen?», hakte sie nach. «Du bist immerhin gerade aus einem fahrenden Auto gefallen.»
«Ist schon okay. Mir geht es ziemlich gut», stellte er fest und ging auf den Quinjet zu. «Kommst du, Nat? Wir haben eine Bedrohung auszuschalten.» Er hinkte noch nicht einmal.
Natasha sah ihm nach. «Ich komme gleich. Ich habe nur meinen Ohrstöpsel fallen lassen, als ich dich umarmt habe. Stark sollte sie wirklich besser anpassen.»
«Oh ja, mir sind sie auch schon einige Male aus den Ohren gerutscht.»
«Hast du den Stecker noch?»
Clint tastete nach seinem Ohr. «Ja, er ist wie durch ein Wunder dringeblieben.»
«Dann hast du aber Glück gehabt», stellte Nat fest. «Ich komme gleich.» Sie ging in die Knie und tastete das Gras ab, als suchte sie tatsächlich ihren Ohrstecker, der in Wahrheit fest in ihrem Ohr steckte. In Wahrheit suchte sie nach den Reifenspuren des Wagens, aus dem Clint behauptete, gesprungen zu sein. Auf dieser Ebene sollten sie unübersehbar sein. Clint hatte noch nicht einmal gefragt, woher sie den Treffpunkt kannten, den der Mandarin ihnen ebenfalls über Clints Ohrstecker hatte zukommen lassen. Und weshalb wollte er gar nicht wissen, was der Preis für Kaylas Freiheit war?
Währenddessen regte sich im Avengers Tower, im untersten Geschoss, gerade noch über der Garage, etwas. Zuerst war es nur ein erstickter Laut, dann begann eine massive Schranktür zu beben, als würde jemand sich mit vollem Gewicht dagegenlehnen, mit den Fäusten dagegentrommeln. Danach drang rhythmisches Klopfen nach draussen, SOS in Morsecode, immer schneller und schneller, als würde die Person im Schrank, denn es konnte ja nichts anderes sein, in Panik verfallen, dann knallte es erneut, als habe die Person ihre Bemühungen mit einem extraharten Schlag gegen die Wand des Schrankes aufgegeben. Niemand hörte es. Wer sollte auch? Alle, die ins Labor gekonnt hätten, waren fort, auf der Suche nach Kayla Stark und Clint Barton. Danach war es eine Weile still, als hätte die Person im Schrank begriffen, dass keine Hilfe kommen würde. Dass es einen anderen Plan brauchte, um aus dem Schrank herauszukommen. Die Pause zog sich überraschend lange, dann gab es eine Explosion. Der Schrank beulte sich gefährlich nach aussen, das dicke Metall verbeult wie Alufolie. Eine zweite Explosion folgte nur Momente später und mit einem Knall riss das Metall auf. Die Explosionen hatten einen relativ grosses, gezacktes Loch im Metall hinterlassen, aus dem Rauch quoll. Eine kleine, hustende Gestalt kletterte vorsichtig durch das Loch, darauf bedacht, sich nicht an den scharfen Metallspitzen zu verletzen. Der Rauch war so dicht, dass man von der kleinen Person nicht besonders viel sah, sie wirkte allerdings ein wenig schmal. Das Einzige, was man in dem ganzen Grau ausmachen konnte, waren entschlossen funkelnde braune Augen und eine seltsame Gerätschaft, die sich über den rechten Arm der Gestalt gelegt hatte. Ein wenig sah das Gerät aus wie eine Prothese, eine summende, rot-goldene Prothese, die ein einziges, strahlend weisses Licht auf der Handfläche aussandte.
Okay, so viel zu Kapitel 45. Erwartet, unerwartet? Wie viele Kapitel sollte Stark Chronicles 2 eigentlich haben? Ich bin übrigens schon ziemlich nah an einer Veröffentlichung von "Diaries of Rogers", ich habe mittlerweile schon 3 von 8 Kapiteln. Hoffen wir, ich kann mich weiterhin ranhalten. Ich habe übrigens ein Loch im Plot gefunden, dass ich prompt ausbügeln musste: Woher wussten Natasha und Co, dass der Mandarin die Ringe wollte? Aber egal. Ich hoffe, es ist bis jetzt keinem aufgefallen.
Ich wünsche euch auf jeden Fall einen schönen Ostermontag.
Gute Ideen, Kritik, Vermutungen, abschliessende Worte?
Bis nächsten Montag
Aeide_thea
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