40. Bekanntschaften
Ich lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Dass ich dabei die Sonnenbrille trug und mir die Zeit damit vertrieb, mit Dinge auszudenken, die ich vielleicht in Zukunft als Zeitvertreib tun konnte, war eher nebensächlich. Nachdem Hacken wegfiel, hatte ich keine wirkliche Herausforderung mehr und wusste irgendwie nicht recht, was ich sonst machen sollte.
«Wie wäre es mit... Bouldern?», fragte ich JARVIS gerade. Der elektronische Butler war, nach einigen Reparaturen meinerseits, die ich nicht als Hacken zählte, ein wenig selbstständiger geworden, auch in seinen Antworten.
«Vergiss es, Kayla», meinte er. «Bouldern liegt nicht in der Familie.»
«Vielleicht ist es ja genau das, was den Reiz ausmacht.»
«Und von wem willst du es lernen? Ja, es gibt eine Kletterwand im Tower, aber das nächste Kletterzentrum ist ziemlich weit weg. Dort hättest du vielleicht einen Coach gefunden, aber nach der Sache mit den Zeitungen werden die alle Angst haben, dass du so dumm bist, dass du ihnen aus den Seilen fällst.»
Ich verdrehte die Augen. «Ich schwöre dir, wenn du weiterhin so frech bist, dann lösche ich die Einträge zur Selbstständigkeit wieder heraus!»
«Du hast selbst eine Sperre eingerichtet, die verhindert, dass jemand meine Persönlichkeit löscht.»
«Ich kann sie wieder aufheben.»
«Das wäre definitiv hacken.»
Ich seufzte. «Langsam bereue ich mein Projekt wirklich. Das geschieht eben, wenn mir langweilig ist.»
«So viel du Mr. Stark erzählt hast, war die letzte Auswirkung deiner Langeweile dein Aufenthalt bei SHIELD.»
«Du vergisst mein Streitgespräch mit dem Piraten.»
«Natürlich», die Ironie in den Worten der KI war deutlich zu hören. «Ich scheine wirklich sehr vergesslich zu sein.»
Ich lachte leise. «Wenn du doch so clever bist, was schlägst du vor?»
«Vielleicht solltest du dich wie Mr. Stark an der Mechanik orientieren. Am physischen.»
Ich schnaubte. «Tony lässt mich doch keine zehn Schritte an seinen Iron Man Anzug ran.»
«Vielleicht solltest du auch zuerst die Grundlagen lernen», spöttelte JARVIS. Wo er den Humor plötzlich herhatte? Keine Ahnung.
«Die Grundlagen? Bitte, die habe ich schon ausprobiert.»
«Mr. Stark hat Jahre bis zur Perfektion, bis zu Iron Man gebraucht!», widersprach JARVIS. «Es ist nicht so, dass er dich unterschätzt. Er versucht nur, dir zu verstehen zu geben, dass du noch viel zu lernen hast.»
Ich schnaubte erneut. «Vielleicht hast du recht», lenkte ich ein.
«Ich habe immer recht. Ich bin ein Computer.»
«Und ich frage mich langsam wirklich, wieso ich überhaupt noch mit dir rede...», grummelte ich. Darauf gab mir JARVIS keine Antwort. Ich kaute auf der Innenseite meiner Wange herum.
«Ich könnte Chinesisch lernen. Oder Französisch», schlug ich vor.
«Je ne pense pas que ce soit bon pour toi.»
Verwirrt sah ich an die Decke. "Bitte, was?"
"我認為這不適合您。"
"Ich habe keine Ahnung, was du da machst, JARVIS, aber lustig ist es nicht. Was hast du gesagt?"
Ich glaube nicht, dass das für dich passt", übersetzte JARVIS. "Das habe ich auf Französisch und auf Chinesisch gesagt und du scheinst keines von beidem verstanden zu haben."
«Ich habe mich noch mit keinem von beiden befasst! Computersprachen habe ich schnell gelernt!», verteidigte ich mich.
«Das zählt nicht. Die sind auf Englisch aufgebaut.»
«Du denkst also nicht, dass ich eine neue Sprache lernen könnte?», fragte ich herausfordernd.
«Ich denke, du würdest es schnell wieder aufgeben. Vor allem Chinesisch.»
Zu meiner Schande musste ich zugeben, dass er recht hatte. Ich war nicht besonders begabt in Sprachen. «Aber mir fällt sonst nichts ein...», stöhnte ich.
«Du könntest ein Musikinstrument spielen», schlug JARVIS vor. «Oder mit Zeichnen anfangen.»
Ich lachte trocken auf. «Zeichnen ist nicht so meins. Ich bin kein künstlerischer Mensch.»
«Dann kann ich dir auch nicht mehr helfen, Kayla.»
Ich überlegte still weiter. Und dann kam mir die verrückte Idee. «Was ist, wenn ich trotzdem in die Richtung des Iron Man Anzugs gehe?», fragte ich.
«Du könntest genauso gut versuchen, mit Ms. Romanoff Kampfsporten zu üben. Vergiss es, Kayla. Mr. Stark wird dich nicht so schnell an den Anzug lassen.»
«Ich rede ja nicht davon, seinen zu benutzen. Was ist, wenn ich mir meinen eigenen mache?»
«Das schaffst du nie. Ausserdem würde Mr. Stark das nie im Leben erlauben.»
Ich richtete mich ruckartig auf. «Ich würde das hinkriegen. Vielleicht nicht sofort, aber ich würde es hinkriegen. Ausserdem... wer hat gesagt, dass Tony etwas davon wissen muss?»
«Du würdest Jahre brauchen, Kayla.»
Ich zuckte die Schultern. «Ich habe Zeit, JARVIS. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Amerikaners ist 79 Jahre.»
«78.69, um genau zu sein», korrigierte JARVIS.
Ich seufzte. «Du weisst, was ich meine.»
«Kayla, das ist viel zu viel für dich. Du frustrierst dich nur.»
«Ein Wort zu Tony und ich schwöre, ich schalte dich ab», drohte ich.
«Also kann ich dich nicht umstimmen?», fragte JARVIS.
Ich schüttelte den Kopf. «Manchmal muss man rennen, bevor man laufen kann.»
Als Harry aus dem Lift trat, war das Erste, was er hörte, laute Musik – wenn er sich nicht täuschte, dann war es ein Song aus den 80ern: Aber definitiv mit einer höheren Beatzahl und mehr E-Gitarre als im Original. Das 87. Stockwerk war gemütlich eingerichtet und er stand in einer Art Wohnzimmer und obwohl er sich interessiert umsah, entdeckte er Kayla nirgendwo. Hatte sie ihn etwa vergessen?
Dann hörte er jemanden fluchen. «Verflixte Shitakepilze! Wieso kann das nicht einfach funktionieren?»
Harry musste schmunzeln. So einen Fluch hatte er wirklich noch nie gehört. «Eigentlich mag ich Shitakepilze», stellte er fest, als er, der Stimme folgend, Kayla schlussendlich doch gefunden hatte. Sie stand mitten in einem weitläufigen Zimmer, alle Möbel an die Wand geschoben, eine grosse Sonnenbrille auf der Nase und fuhr mit den Händen in der Luft herum, als würde sie etwas sehen, das er nicht sah. Nach dem kleinen Hüpfer ihrerseits zu urteilen hatte er sie ganz schön erschreckt. «Hi!», grinste er und hob die Hand.
«Sieh mal einer an», kommentierte sie, «ohne diese grässliche Krawatte siehst du ja ganz anders aus, Harry.» Sie liess die Schultern, die sie vor Schreck hochgezogen hatte, wieder fallen und starrte die Decke wütend an.
«Du kannst die Musik jetzt abstellen. Und wieso hast du mich nicht dran erinnert, dass ich heute noch einen Termin haben?», fragte sie ein wenig genervt. Mit einem Schlag wurde es still.
«Du hast nicht gefragt, Kayla», antwortete eine elektronische Stimme.
Dieses Mal war es an Harry, den Hüpfer zu machen. «Wer ist das?», fragte er verwirrt.
Kayla zuckte die Schultern. «Das ist nur JARVIS.»
«Wie schön, geschätzt zu werden», ätzte die KI. «Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Osborn. Ich bin JARVIS, Just A Rather Very Intelligent System. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie mich nur.»
Harry starrte Kayla mit riesigen Augen an. «Ihr habt einen KI-Butler? Einen KI-Butler, der Witze reissen kann?»
«So hört sich Wertschätzung an, Kayla. Du solltest dir eine Scheibe von ihm abschneiden.»
Kayla verdrehte die Augen. «Ich habe dir definitiv zu viel Spielraum für Persönlichkeit eingeräumt, J. Du wirst übermütig», seufzte sie. Harry allerdings verfolgte ihr Gespräch beinahe schon euphorisch. Das hatte er noch nie gesehen. Kayla sah ihn schräg an. «Osborn also.»
«Stark also», schlug Harry zurück.
Kayla lachte. «Erwischt. Gestatten? Kayla Stark, neuerdings geistig zurückgeblieben und schulisch eine Niete, obwohl ich nur die besten Noten schreibe.»
«Also hat sich das die Presse wirklich nur ausgedacht?», hakte Harry nach.
Sie zuckte die Schultern. «Nicht die Presse, nein. Aber ja, jemand hat sich das ausgedacht.»
«Also mag dich jemand nicht», stellte Harry fest. Kayla sah ihn überrascht an. Er zuckte nur die Schultern. «Ich kenne das. Ist in den gehobenen Kreisen allzu oft so. Da behauptet jeder alles, um bei der Presse besser dazustehen.»
Kayla seufzte. «Ich finde es nur so... idiotisch. Einfach nur idiotisch.»
Harry nickte. «Ich weiss sehr gut, was du meinst. Deswegen gehe ich auf eine Privatschule. Meine Klassenkameraden haben allzu gerne Gerüchte an die Klatschpresse weitergegeben. Was machst du? Wechselst du die Schule?»
Sie sah beinahe ein wenig traurig aus. «Tony, Pepper und ich haben ausgemacht, dass ich Privatstunden bekomme.»
«Und ist das nicht ein Grund zu feiern?»
Sie seufzte. «Ich habe Freunde in der Klasse. Ich werde sie wahrscheinlich beinahe nicht mehr sehen.»
Harry lachte leise. «Weisst du, als ich im Kindergarten war, da hatte ich noch keine Ahnung von Privatschulen und besser und schlechter gestellten Menschen, von Geld und von der Firma meines Vaters. Die Kinder waren gemein zu mir, weil ich kleiner als sie war und ich habe es gehasst, dorthin zu gehen. Und dann, dann ist ein noch kleinerer Junge in den Kindergarten gekommen, als ich im zweiten Jahr war. Er ist ein Jahr jünger als ich. Wir haben uns angefreundet und weil wir plötzlich zu zweit waren, hat sich niemand mehr getraut, sich über uns lustig zu machen. Als mein Vater herausgefunden hat, dass die Kinder gemein zu mir waren, hat er mich sofort aus dem Kindergarten genommen. Ich habe geweint damals, weil ich meinen Freund jeden Tag wiedersehen wollte.» Er sah für einen kurzen Moment in die Ferne, als erinnerte er sich an diesen Tag. «Aber mein Vater hat mir versprochen, dass ich meinen Freund so oft sehen kann, wie ich will. Und das haben wir auch so gehalten: Wir sehen uns sogar jetzt manchmal noch. Es sieht vielleicht so aus, aber es ist kein Problem, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Sieh es als... Probe für eure Freundschaft.»
Sie lächelte. «Danke. Aber ich kann mir dich eigentlich gar nicht als kleinen Jungen vorstellen.»
Harry winkte ab. «Ich hatte ganz fürchterliche Pausbäckchen. Versuch es erst gar nicht.» Sie schwiegen kurz.
Kayla nahm vorsichtig die Sonnenbrille ab und legte sie auf eines der Möbelstücke, dass sie weggeschoben hatte. «Wahrscheinlich hast du recht. Peter wird trotzdem irgendwie enttäuscht sein.»
Harry sah überrascht auf. «Peter? Mein bester Freund heisst auch Peter.»
Sie grinste. «Es gibt viele Peters, weisst du? Meiner heisst Parker zum Nachnamen.»
Harry blieb die Luft weg. «Meiner auch! Er geht jetzt in die 6. Klasse, in dem Schulhaus...»
«In das auch ich gehe, oder? Braune Haare, braune Augen und nie pünktlich, dass ist er doch?»
«Ja!» Harry konnte es beinahe nicht fassen. «Das ist ja so was von unwahrscheinlich. Wir haben beide Peter Parker als besten Freund!» Sie strahlten sich gegenseitig an, enthusiastisch.
«Wir könnten mal was gemeinsam machen...»
«Wieso nicht? Liebend gern sogar!», lachte Harry. Dann fiel ihm etwas ein.
«Was, wenn wir ihn jetzt anrufen? Er bekommt sicher einen halben Herzinfarkt, aber trotzdem...»
Kayla grinste hocherfreut. «Weisst du was? Das ist eine wirklich fantastische Idee. Mit wessen Handy rufen wir ihn an?»
«Mit deinem. Von mir hat er viel zu lange nicht mehr gehört.» Kayla begann, nach ihrem Starkphone zu suchen.
«In der Ecke, Kayla», meinte JARVIS netterweise. «Neben deinem Pullover.»
«Dankeschön.»
«Immer gerne», spöttelte die KI. Harry war einmal mehr fasziniert davon, wie lebensecht der künstliche Butler wirkte. Als würde ein echter Mensch dahinterstehen. Kayla hatte ihr Handy endlich wiedergefunden und scrollte kurz darauf herum.
Auch Harry hörte das leise Tuten. «Lass ihn mich zuerst nicht sehen», flüsterte er und stellte sich so hin, dass er von Peter aus nicht zu sehen sein würde.
Es ging nicht lange, dann nahm Peter ab. «Kayla! Ich dachte, du hättest heute etwas zu tun. Hast du dich doch umentschieden, mit mir Star Wars zu schauen?»
«Eigentlich rufe ich nicht deswegen an», redete sich Kayla heraus. « Aber wenn ich jemanden mitbringen darf gerne.» Sie drehte das Starkphone so, dass Harry gut zu sehen war.
Dem Jungen am anderen Ende der Leitung klappte die Kinnlade herunter. «Harry? Was machst du bei...»
«Kayla? Ihr einen Besuch abstatten. Wieso?»
«Ich...», Peter suchte sichtlich nach Worten, «Ich wusste ja gar nicht, dass ihr euch kennt!»
«Wussten wir ehrlich gesagt auch nicht. Mein Dad hat mich mal wieder auf eine seiner langweiligen Partys gezwungen und Kayla hat mir dabei Gesellschaft geleistet.»
Peter schüttelte ungläubig den Kopf. «Natürlich könnt ihr Beide zum Filmabend kommen. Ich fürchte allerdings, dass das Sofa ein wenig eng wird.»
Harry zuckte die Achseln. «Das wäre eine wirklich angenehme Abwechslung zu den Sofas in Übergrösse, die mein Dad immer aufstellt.» Für einen kurzen Moment wirkte Peter ein wenig traurig, aber er fing sich gleich wieder. Harry hatte das schon oft bei ihm bemerkt: Er vermutete seit Jahren, dass die Parker-Familie mit Geldproblemen zu kämpfen hatte, aber obwohl er Peter schon mehrere Male angeboten hatte, mit ihm darüber zu reden, falls es ihm in irgendeiner Weise nicht gut ging, hatte der das Angebot nie wahrgenommen. Die dumme Feststellung mit dem grossen Sofa tat Harry sofort wieder leid. «Ich sollte ihm wirklich einmal sagen, dass er sein Geld für nützlicheres aus dem Fenster werfen soll», lenkte Harry deswegen ein.
Peter schien es allerdings nicht wirklich etwas ausgemacht zu haben, was Harry gesagt hatte. Er strahlte wieder glücklich vor sich hin. «Und was willst du? Chips oder Popcorn?»
Harry warf Kayla einen amüsierten Blick zu. «Wie wäre es, wenn Kayla Chips mit Limette und Chilli mitbringt?», fragte er. «Ich bin sicher, wir werden danach um eine Lebenserfahrung reicher sein.» Und damit war es beschlossen. Kayla und Harry machten sich sofort auf den Weg, huschten an Pepper vorbei und sagten ihr kurz Bescheid. Sie lächelte nur und wünschte ihnen viel Spass. Kayla und Harry staffierten sich mit Kapuzen und Sonnenbrillen aus, um nicht erkannt zu werden, was bei Peter grosse Heiterkeit hervorrief. Sie sahen auch wirklich lächerlich aus. Tatsächlich war das Sofa ein wenig eng, aber das störte keinen. Dafür war Star Wars zu spannend und das Popcorn zu gut, denn trotz Kaylas Protest waren die Chips als absolut ekelhaft befunden und zurück in die Tasche befördert worden, mit der Kayla sie hergebracht hatte. Es war ein wunderbarer Abend und er würde sich noch sehr oft wiederholen.
Tja, und damit geht die Ruhe flöten. Das war das letzte Kapitel ohne grosse Spannung, dafür mit viel Harry. Ich habe immer noch keine Ahnung, wieso ihr Harry alle so gerne mögt, aber jedem das seine. Also, was haltet ihr von Chips mit Limette und Chilli? Oder Salz und Essig? Chips oder Popcorn? Oh Mann, ich kann nicht glauben, dass wir schon bei Kapitel 40 sind. Und das es nur noch 10 Kapitel sind, bis dieses Buch endet. Irgendwelche Vermutungen, wie es ausgehen wird? Und ja, ich konnte nicht wiederstehen, in meinem Profil ein Zitat aus Kapitel 49 aufzuschalten. Und wenn ihr nett fragt, dann könnte es sein, dass ich ein weiteres veröffentliche und zwar aus einem Kapitel, dass ihr euch wünschen könnt (auch aus Vergangenen, aber ich glaube nicht, dass euch das besonders viel nützen würde...)
Also, Ideen, Kritik, Wichtige Ankündigungen?
Bis nächste Woche
Aeide_thea
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