37. Die Rache eines Piraten, der sich als Furie ausgab
Nick Fury war so wütend wie schon lange nicht mehr, als er im Triskelion eintraf. Er hatte sich von einem kleinen, unsicheren Mädchen übertölpeln lassen! Er, der Leiter der mächtigsten Geheimorganisation der Welt, war erpresst worden, von einem Kind, dass keine Ahnung hatte, wie das Geschäft eigentlich lief. Von einem kleinen Mädchen, das keine Ahnung davon hatte, wie clever es wirklich war. Es war kein Wunder, dass jeder, der Fury so sah, so schnell wie möglich Schutz suchte und ihm aus dem Weg ging. Er war dafür bekannt, in einer solchen Laune allzu schnell fristlose Kündigungen zu verteilen. Es war also ziemlich gut verständlich, dass der kleine Angestellte, bei dem Fury auf einmal auftauchte, vor Schreck beinahe vom Stuhl gefallen wäre.
«Sie müssen etwas für mich tun», presste Fury zwischen den Zähnen hervor.
Der Mann rückte verschreckt seine Brille zurecht. «Ähm... sicher, Sir. Alles, was sie wollen.»
«Sie müssen eine Akte löschen. Unwiderruflich.»
«Unwiderruflich? Aber Sir...»
«Weigern Sie sich?»
Kurzes Schweigen, dann knickte der Mann ein. «Natürlich nicht, Sir. Um welche Akte geht es?»
«Um die Akte von Kayla Clyatt.» Der Mann gab den Namen ohne zu zögern in das Suchfeld ein und erstarrte kurz, als er erkannte, wie jung das Mädchen auf dem Bildschirm noch war. Als er allerdings Furys wütenden Blick, der wahrscheinlich von der Verzögerung herrührte bemerkte, arbeitete er hastig weiter. Er suchte sämtliche Links und Kopien der Akte heraus und löschte sie, eine nach der anderen. Für jeden anderen als SHIELD wäre das unmöglich gewesen, aber die Geheimorganisation hatte einige Tricks drauf, die andere nicht kannten. Das der ultimative Boss neben ihm sass, beflügelte den Angestellten. Er arbeitete schneller, als er es je für möglich gehalten hätte. Trotzdem sah Fury gefährlich genervt aus, als er fertig war.
«Alles erledigt, Sir, wie Sie gewünscht haben.»
Der Director sah auf seine Uhr.«Das hat aber ganz schön lange gedauert», knurrte er.
Der Angestellte wurde ganz klein. «Ich... Also... So geht das nun mal», murmelte er kleinlaut.
Fury hob eine Augenbraue. «Dann hoffen wir, dass sie nicht ganz so langsam im Akten anlegen sind.»
Der Angestellte erkannte den Wink mit dem Zaunpfahl und öffnete sofort die Standartvorlage für die Akten, die sie anlegten. «Sagen Sie mir einfach, was ich hereinschreiben soll, Sir», meinte er eifrig, hoffend, dass er seine langsame Arbeit zuvor wieder aufholen konnte. Fury nickte. «Name?», fragte der Mann am Computer.
«Kayla Antonia Stark.» Noch während des Tippens begann sich der Mann zu wundern. Stark? Wie in «Tony Stark»? Und hatte das Mädchen von vorhin nicht auch Kayla geheissen? Er wagte es aber nicht, zu fragen, denn er hatte zu grosse Angst, rausgeworfen zu werden.
«Geburtsdatum?»
«2. Mai 2002.»
«Familie?»
«Unbekannt: Vollwaise. Am 14. November 2012 von Tony Stark und Pepper Potts adoptiert.» Jetzt wunderte sich der Mann noch mehr. Wieso hatte er davon nichts erfahren? Seine Tochter liebte die Klatschpresse und berichtete immer die neuesten Gerüchte über die Promis, wenn sie von der Schule nach Hause kam. Sein kurzes Zögern schien Fury aufzufallen.
«Sind Sie soweit?», grummelte er.
«Natürlich, Sir», stotterte der Mann. «Haben Sie ein Bild von ihr?»
«Auf der Schulwebsite ist ein Klassenfoto, auf dem sie zu sehen ist. Nehmen Sie das.» Der Angestellte tat wie befohlen, wusste aber nicht recht, was er davon halten sollte. Wieso löschte man zuerst eine Akte, nur um sie dann wieder neu aufzulegen?
«Ich denke, die sonstigen Merkmale kann ich von dem Bild ablesen», stellte der Angestellte fest. «Haben Sie Daten zu ihrem IQ?» Als der Director die Nummer genannt hatte, stellten sich unwillkürlich sämtliche Härchen auf den Armen des Angestellten auf. Das hatte er überhaupt nicht erwartet. Es machte ihm sogar ein wenig Angst.
«Und schreiben Sie >steigend< dazu», befahl Fury. Auf einen überraschten Blick des Angestellten antwortete er nur mit: «Das Gehirn ist erst mit 14 wirklich ausgereift, Mr. Wie heissen Sie eigentlich?»
«Evans, Sir.»
«Wie schön für Sie, Evans. Ich will, dass Sie noch etwas dazuschreiben.»
«Haben wir denn sonst keinerlei Daten über diese», er las den Namen von der Akte ab, «Kayla Antonia Stark?» Fury schien einen Moment nachzudenken. Er grübelte, ob er dem Mann befehlen sollte, die kleine Stark als Avenger eintragen zu lassen, aber er liess es dann doch sein. Sie durfte nicht mehr hacken und das einzige, was sie ausgezeichnete und ein Teil dieser Gruppe hatte werden lassen, war damit nicht mehr vorhanden. Jetzt waren es wirklich nur noch 6 Avengers. Junior war Geschichte.
«Oh, wir hatten genügend», knurrte der Director. «Die sind nun leider alle futsch. Aber keine Angst, wir werden sie wieder zusammenbekommen. Ich will allerdings, dass sie ihre Priorität hochsetzen.»
«Bitte?», Evans dachte, sich verhört zu haben. «Ihre Priorität... Aber Sir, das...»
«Sie ist ein potenzieller Code Red. Geben Sie das ein.» Evans bewegte sich nicht. Das konnte nicht sein: Das war ein kleines Mädchen!
«Machen Sie schon, Evans.» Als er sich immer noch nicht rührte, wurde Director Fury überraschend freundlich. «Ich kann sehr wohl ihre Bedenken und Fragen verstehen, Evans, aber ich mache keineswegs Scherze. Und ab und zu müssen wir auch Befehle befolgen, die wir nicht verstehen.»
Evans schluckte, dann nickte er hastig. «Ich... Natürlich, Sir. Entschuldigen Sie die Verzögerung.»
«Kein Problem. Ich kann es vollkommen verstehen.» Als Evans eintippte, was Fury von ihm verlangte, hatte er beinahe das Gefühl, etwas Falsches zu tun. Wer auch immer dieses Mädchen war, sie konnte keineswegs so bedrohlich sein, wie Fury sie beschrieb. Wenn jemand ihre Akte ansah, dann würde er sie sofort für eine Schwerverbrecherin halten. Vielleicht zerstörte er gerade ein Leben! Evans schob den Gedanken beiseite. Das war sein Job. Befehle zu befolgen, in der Hoffnung, dass derjenige, der sie gab, das richtige tat. Er sah ein letztes Mal zu Fury, der entschlossen nickte, dann bestätigte er die Akte und schloss sie. Kayla Antonia Stark war jetzt eine potenzielle Bedrohung. Eine weitere unter so vielen. So viel er wusste, stand diese Warnung auch unter den Akten der Avengers. Er hatte sie sich einmal angeschaut, aus reiner Neugierde natürlich. Es hatte ihn schon ein wenig erschreckt, die Idole seiner Kinder als Bedrohungen zu sehen. Aber natürlich sagte er nichts, denn er hätte sich die Akten eigentlich gar nicht ansehen sollen.
Fury sah sich um, dann beugte er sich vor und meinte leise zu Evans. «Wissen Sie was? Da wäre noch etwas, das Sie für mich tun könnten...» Als der Director geendet hatte, wünschte sich Evans nichts sehnlicher, als wieder ein kleiner Angestellter zu sein und ab und zu einen Plausch mit seinem Chef zu haben, wenn er wieder Mal zu viel Pac-man gespielt hatte.
Es war Sonntag und ich fühlte mich so ausgeruht wie schon lange nicht mehr. Ich hatte meine Ruhe. Kein Nick Fury mehr, der mir im Nacken sass, kein SHIELD, keine Angst vor dem Triskelion. Allerdings auch kein Hacken mehr, was jedoch ein vergleichsweise niedriger Preis war. Gähnend trampelte ich die Stufen zu der Gemeinschaftsetage herauf, immer noch im Schlafanzug, das Starkphone in der Hand. Ich checkte gerade das SHIELD-Intranet auf meine Akte: Ein letzter Hack. Tatsächlich waren alle Spuren meiner Akte verschwunden, egal, wie sehr ich auch danach suchte. Zufrieden schloss ich das Fenster wieder und stiess die Türe zum Stockwerk auf. Als ich die aufgeregten Stimmen hörte, wusste ich irgendwie, dass etwas nicht stimmte.
«Was sollen wir bloss machen?» Das war Tony gewesen. Ganz sicher.
«Und ihr seid sicher, dass ihr es niemandem gesagt habt?» Clint. Offensichtlich.
«Sie könnte es auch selbst gewesen sein», stellte eine etwas gelangweilt klingende Frauenstimme fest. Unverkennbar Natasha. In der Zeit, in der sie jetzt schon hier wohnte, hatte ich herausgefunden, dass sie sehr wohl Gefühle hatte, es nur hasste, sie zum Ausdruck zu bringen. Deswegen kam sie einem immer gelangweilt oder genervt vor.
«Ganz sicher nicht!», widersprach Pepper vehement. «Sie weiss, was sie tut.»
«Vielleicht war es Thor.» Dr. Banner. Ich wunderte mich kurz. Was machte der denn hier oben? Der kam doch kaum aus dem Labor raus...
«Er ist vielleicht etwas rückständig, aber keinesfalls dumm», verteidigte Steve den Donnergott. «Wir haben ihm eingeschärft, dass er nichts sagen sollte, also hat er auch nichts gesagt.»
«Und wieso bist du dir da so sicher, Captain Pancake?»
«Er ist sowieso beinahe nie auf der Erde! Ich habe ihn auch noch nie mit jemand anderem als seiner Freundin Jane oder uns sprechen gesehen», schoss Steve zurück.
«Vielleicht hat sich das ja geändert!», grummelte Clint. Ich konnte beinahe hören, wie Steve die Augen verdrehte. Ich stand jetzt direkt vor der Türe und lauschte. Sie hatten die Türe zum Wohnzimmer verschlossen, was sie sonst nie machten. Aber irgendwie schien dieses Gespräch wichtig zu sein. Um was es ging, hatte ich immer noch nicht so ganz begriffen.
«Wer es war, ist schlussendlich egal. Es geht nur darum, dass es jetzt öffentlich ist und wie wir damit umgehen», kam es von Tony.
«Vor allem, was wir dagegen tun, dass sie in die Schusslinie der Presse gerät», wieder Steve.
«Das ist sie doch schon! Wie auch immer das passiert ist, die Schlagzeilen sind alles andere als positiv: Sie haben alle aufgeboten, die sie nicht mochten, Interviews durchgeführt und sich eine vollkommen falsche Meinung gebildet: Sie halten sie sogar für dumm!», argumentierte Clint ziemlich ausser sich.
«Wir haben die Schlagzeilen alle gelesen, Clint! Wir haben alle die herumstehenden Reporter gesehen: Wir müssen das wieder geraderücken», antwortete Tony.
«Und wie wollen wir das anstellen? Wir wissen alle allzu gut, dass die Presseleute sich nicht so leicht umstimmen lassen, wenn sie sich entschliessen, jemanden nicht zu mögen!» Das war Bruce gewesen und er hatte sich gar nicht glücklich angehört, als hätte er einiges an Erfahrung damit. Irgendwie machte es das noch schlimmer. Ich wusste, es betraf mich und ich wusste, das es nicht gut war, aber es machte mich wahnsinnig, nicht zu wissen, um was es eigentlich ging. Was hatte die Presse bloss mit mir zu tun?
«Mein Gott, sie ist doch noch nicht einmal ein Teenager! Sie haben sie doch noch nie gesehen! Wie können sie da so über sie herziehen?», stöhnte Steve.
«Das ist die Presse, Steve», seufzte Tony.
«Deine Frauengeschichten haben die dir aber nicht angedichtet!», grummelte Natasha.
«Von wegen! Zuerst kamen die Gerüchte auf und dann, da mein Ruf sowieso zerstört war, habe ich beschlossen, dass ich das ebenso gut das tun kann, was die Presse mir nachsagt», gestand Tony. Überraschtes Schweigen folgte.
«Du hast mit deinen Frauengeschichten nur angefangen, weil die Klatschblätter deinen Ruf sowieso schon ruiniert hatten?», hakte Pepper entgeistert nach.
«Ich war damals noch um einiges jünger als jetzt, Pepps. Du weisst, dass ich, als ich jünger war, einige dumme Entscheidungen getroffen habe.» Kurze Stille. Dann waren Absätze auf dem Boden zu hören und die Türe ging auf.
«Du kannst reinkommen, Kayla», stellte Natasha fest.
Ich sah etwas schuldbewusst zu ihr auf. «Woher...»
Sie zuckte die Achseln. «Ich wusste es die ganze Zeit. Spionin und so.» Ich trat mit gesenktem Blick ein. Eigentlich hatte ich sie ja nicht belauschen wollen.
«Und wieso hast du nichts gesagt, Nat?», fragte Banner überrascht.
«Ich dachte, sie sollte gleich zuhören, dann müssen wir ihr nicht alles noch einmal erklären.»
Ich setzte mich auf eines der Sofas neben Pepper und Tony. «Also... Ich habe schon zugehört, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich verstanden habe.» Blicke wurden gewechselt. Blicke, die ich als Wie-sagen-wir-es-ihr-nur interpretierte und die damit meine Befürchtungen bestätigten.
«In diesem Gespräch ging es um dich, Kayla», bestätigte Romanov.
«Jemand hat den Medien zugespielt, dass Tony und Pepper dich adoptiert haben. Das hat natürlich ziemlich grosse Wellen geschlagen, vor allem nach den «Entdeckungen» der Zeitschriften», seufzte Steve.
Tony verzog bei dem Wort «Entdeckungen» das Gesicht. «Seid ihr sicher, dass sie das sehen sollte? Ich war, als ich wirklich ins Rampenlicht gerückt bin, 21 und schon damals hat es mich ziemlich aus der Bahn geworfen», argumentierte er. Blicke wurden gewechselt.
«Sie wird nicht darum herumkommen», kam es von Banner. «Es steht auf jedem Titelblatt und läuft ziemlich vielen Nachrichtensendern.»
«Was soll ich nicht sehen?», fragte ich und sah von einem zum anderen. «Um was geht es jetzt schon wieder?»
Clint atmete tief durch. «Wenn wir dir die Schlagzeilen zeigen, versprichst du dann, nicht auszuflippen?», fragte er.
«Okay...?», es wirkte eher wie eine Frage als eine Feststellung oder ein Versprechen. Clint schluckte und sah dann zu Tony und Pepper, die ihm wenig erfreut zunickten. Also nahm Clint die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher im hinteren Teil des Zimmers an. Mir stockte der Atem, als ich hörte, was die Reporterin gerade berichtete. Ich spürte die Blicke der Avengers auf mir, die versuchten herauszufinden, was ich gleich tun würde.
«Wenn es dir dann besser geht, kannst du den Fernseher auch demolieren», bot mir Tony schuldbewusst an. «Das ist alles meine Schuld. Ich hätte die Adoption besser geheimhalten sollen. Ich bin so ein ver...», er verstummte, als er Steves Blick sah, "...flixter Idiot", beendete er den Satz.
Ich kochte vor Wut und versuchte gleichzeitig, nicht allzu sehr darüber nachzudenken, was der Reportertyp gesagt hatte. Es war so viel einfacher, einfach alles mit Wut zu überspielen und an nichts anderes zu denken, als daran, das ich sehr sehr wohl wusste, wer das gewesen war und wessen Nachspiel wir hier gerade spielten. «Das ist nicht deine Schuld, Tony. Und es wäre doch schade um den Fernseher, würde ich meine Wut daran auslassen. Das hat jemand ganz anderes verdient.»
Tony runzelte die Stirn. «Wen meinst du?»
Steve allerdings schien sehr wohl zu verstehen. «Kayla...», er brauchte gar nichts zu sagen, ich verstand auch so, dass es eine ausdrückliche Warnung war. Ich verdrehte die Augen. Ich würde nichts Dummes tun, ich konnte Fury schliesslich nicht vorwerfen, seinen Teil der Abmachung nicht eingehalten zu haben. Das hiess allerdings nicht, dass ich mir nicht ausmalen konnte, wie ich SHIELDs ganzes Intranet in Stücke riss.
Und, habt ihr das erwartet? Was habt ihr euch unter Furys Rache vorgestellt? Was, denkt ihr, werden die Folgen dieser Enthüllung sein? Was genau haben die Medien aus Kaylas Geschichte gemacht? Wir nähern uns langsam aber sicher dem Ende der Geschichte. Das heisst aber nicht, dass ab jetzt alles in Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung laufen wird, nein, ich habe noch ein paar Plottwists für euch bereit. Ich hoffe, sie kommen schlussendlich auch unerwartet, aber das findet ihr dann in ein paar Wochen heraus. Was, denkt ihr, wird Kayla jetzt tun, anstatt zu hacken? Wollt ihr in einer Kayla-Geschichte eigentlich einen Spider-Man sehen?
Mir ist übrigens gerade aufgefallen, dass ich Rhodey vergessen habe. Ups. Was denkt ihr, soll er noch zu den Avengers stossen?
Also, auf jeden Fall bis nächste Woche, wie immer am Montag
Aeide_thea
Überarbeitet.
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