14. Nicht lustig

Noch einmal für's Protokoll: Es war nicht lustig, mit dem Zepter eines irren Gottes berührt zu werden. Um ehrlich zu sein, fühlte es sich absolut schrecklich an. Als ich einige Wochen später für irgendein Protokoll beschreiben musste, was genau ich erlebt hatte, war das die Stelle, an der ich am längsten zögerte, einerseits, weil es wirklich schwer zu beschreiben war, andererseits, weil ich mein Erlebnis nicht unbedingt erneut durchleben wollte. Schlussendlich hatte mich Agent Hill damit bestochen, mir für zwei Wochen etwas anderes als Nudeln zu Essen zu besorgte.

Auf jeden Fall hatte es sich angefühlt, als hätte sich irgendetwas in meinen Kopf geschlichen, dass da nicht hinsollte, etwas, dass ich dort nicht haben wollte und das, egal wie sehr ich mich anstrengte, einfach nicht wieder verschwand. Im Gegenteil, es verwob sich mit meinen Gedanken, versuchte, mir seinen Willen aufzuzwingen, seine verdrehte Weltansicht zu meiner zu machen, flüsterte mit Lokis Stimme in meinem Kopf. Ob es nun wirklich Loki war oder irgendetwas, das sich für ihn ausgab, es setzte sich in meinen Gedanken fest wie eine Zecke, überflutete mich regelrecht mit fremden Gedanken, Plänen über die Weltherrschaft, Worten, die ich nicht kannte, Erinnerungen, die nicht mir gehörten, und ich war kurz davor gewesen, unter der Flut von Einflüsterungen zusammenzubrechen, da hatte es plötzlich aufgehört. Es hatte wehgetan, körperlich, als hätte man mir etwas entrissen, das zu mir gehörte, aber es hatte aufgehört.

Ich war ziemlich sicher gewesen, dass Fury mich nach dieser Aussage für komplett irre erklären und in die Psychiatrie stecken würde, aber der Director, der nur ruhig zugehört hatte, nickte nur und verschwand dann wieder. Wie es weiterging, interessierte ihn scheinbar nicht sonderlich, auch wenn das für mich um einiges wichtiger war, als wie genau sich Lokis missglückter Zaubertrick angefühlt hatte.

Nachdem ich das Bewusstsein verloren hatte, ging es eine ganze Weile, bis meine Ohren wieder einigermassen funktionierten und ich panische Stimmen auseinandererkennen konnte, aber ich brauchte noch länger, bis ich einigermassen verstand, was gesagt wurde. Es war so etwas wie Intuition, dass ich denjenigen korrigierte, der Lokis Zepter als Stab bezeichnete, auch wenn ich selbst nicht wusste, wieso mir das so wichtig war, geschweige denn, wie ich die Kraft dafür hatte aufbringen können. Es war beinahe wie ein Zwang gewesen, diese Kleinigkeit zu korrigieren, als würde Loki immer noch irgendwo in meinen Gedanken hocken und sich beleidigt fühlen, wann immer jemand eines seiner Ausrüstungsgegenstände falsch bezeichnete. Es war seltsam, als hätte das Zepter irgendjemandem, irgendetwas Zugriff auf meine Gedanken gegeben, eine Art Verbindung aufgebaut, die zwar aus irgendeinem Grund sehr schwach war, aber immer noch bestand. Als stande entweder ich oder der andere in einem Funkloch.

  Wenn ich mich darauf konzentrierte, dann konnte ich ganz genau sagen, dass es noch da war, aber es fühlte sich eher an wie ein Schatten, wie die verschwommene Erinnerung an einen Albtraum, als wie etwas greifbares. Eines war aber sicher: Es war immer noch präsent, lungerte am Rande meines Bewusstseins herum, aber wenigstens war es endlich still.

Mein Kopf pochte, als hätte ihn jemand mit dem Vorschlaghammer bearbeitet, vor allem, wenn ich ins Licht sah. Ich erkannte Clint, der scheinbar wieder vollkommen er selbst war und selbst ein wenig mitgenommen wirkte, nur mit Verzögerung, aber irgendwie beruhigte es mich dann umso mehr. Wärend er versuchte, mir einzureden, dass alles wieder Friede, Freude, Eierkuchen war, unterbrach ich ihn, auch wenn ich ihm allzu gerne geglaubt hätte. Ich hätte in diesem Moment alles getan, um wieder im Waisenhaus zu sein, von Loki und SHIELD überhaupt nichts zu wissen und mich weiter in der Schule zu langweilen. Nichts war in Ordnung. Wenn der irre Gott, der sich in meinen Kopf geschlichen hatte, die Welt tatsächlich so in seine Gewalt brachte, wie er es geplant hatte, dann wäre das wohl das Ende. Ich war überrascht, wie nüchtern diese Feststellung klang, und ziemlich verwirrt, dass ich wusste, was Loki plante. Oder dass ich wenigstens Teile davon kannte.

Ich sah abrupt auf, als jemand meinen Namen sagte. Tony Stark stand vor mir und für einen kurzen Moment hatte ich keine Ahnung, was her hier tat und was er von mir wollte. Dann fiel mir wieder ein, dass er versprochen hatte, mich hier herauszuholen, auch wenn mir klar war, dass er, als Superheld, ganz sicher auch in die Loki-Sache verwickelt worden war. Hatte er nicht etwas über Stuttgart gesagt gehabt, als wir geschrieben hatten?

Irgendwie fühlte es sich mies an, zu wissen, dass er keinesfalls wegen mir hierhergekommen war. Trotzdem liess ich mich auf ein Gespräch mit ihm ein, ein Gespräch darüber, was Loki eigentlich wollte. Genau das, was ich gebraucht hatte.

Meine Finger brannten immer noch eiskalt und ich war ziemlich sicher, dass ich zitterte, aber ich hatte auf keinen Fall erwartet, dass er meine Hände in einer beinahe väterlichen Geste in seine nahm. Trotzdem half es, vertrieb die Kälte aus meinen Fingerspitzen und ich fühlte mich gleich ein bisschen besser.

Für einen winzigen Moment zuckte ein Gedanke durch meinen Kopf, ein Gedanke, der sich fremd anfühlte, als gehörte er nicht mir. Ich dachte, dass Starks Geste mich daran erinnerte, wie es war, zu sein wie alle anderen, noch geliebt zu werden. Vor allem von seinem Vater. Es war ein seltsamer Gedanke, aber mit unglaublich vielen Gefühlen verbunden, Hass, Trauer, Wut und vor allem Bedauern. Ich hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, aber es fühlte sich wichtig an. Allerdings kam ich nicht mehr dazu, weiter darüber nachzudenken.

Stark sah mich ein wenig befremdet an, als hätte ich etwas Seltsames getan.

«Was ist?», fragte ich ihn.

Er schüttelte nur den Kopf, als wolle er einen dummen Einfall wie eine Fliege verscheuchen.  «Nichts...», murmelte er. «Ich dachte nur... Deine Augen... Ach, vergiss es.»

Ich runzelte die Stirn, war aber viel zu beschäftigt damit, herauszufinden, was es mit den betrübten Gesichtern der Anderen auf sich hatte, um mich weiter mit seinem Kommentar zu beschäftigen. Dann fiel mir etwas ein. «Wer hat mich eigentlich hierhergebracht?»

Blicke wurden gewechselt, Blicke, die ich nicht deuten konnte. Stark sah von Fury zu mir und wieder zurück. Dann drückte er meine Hände ein letztes Mal bevor er sie losliess. «Ich denke, du solltest dich jetzt ausruhen. Es ist sicher nicht besonders angenehm, von einem Ziegenpeter bedroht zu werden.» Er versuchte zu scherzen, aber seine Stimme hörte sich rau an, als würde es ihn grosse Mühe kosten, es zu tun.

«Was ist passiert?» Ich hörte selbst, dass meine Stimme schärfer war, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte.

Ich versuchte an Stark vorbeizuschauen, aber er drehte sich so, dass ich das nicht konnte. Als wolle er nicht, dass ich einen bestimmten Teil des Raumes sah. «Nichts, Kayla. Nichts...»

Er wechselte mit Fury einen Blick, dann hob er mich hoch, setzte mich auf seine Schultern und trug mich aus dem Raum. Er duckte sich sogar unter dem Türrahmen, damit ich mir nicht den Kopf anschlug. Sie sorgten alle dafür, dass ich keine Möglichkeit bekam, einen Blick zurück zu werfen, Stark brachte mich so schnell er konnte in den Raum nebenan. Als auch die Anderen in den Raum folgten, war ich sicher, dass irgendetwas in diesem anderen Besprechungsraum gewesen war, von dem sie absolut nicht gewollt hatten, dass ich es zu Gesicht bekam. Aber so, wie sich die Gruppe aus Superhelden benahm, so eilig, wie sie es hatten, eine Türe zwischen sich und den Besprechungsraum zu bringen, war ich mir nicht mehr sicher, ob ich es überhaupt wissen wollte.

Ehe ich auch nur die Gelegenheit hatte, nachzuhaken, mischte sich schon Fury ein. «Da draussen treibt sich ein irrer Gott herum und das Einzige, das die mächtigsten Helden dieser Welt tun, ist, zu diskutieren und aus einem Raum zu flüchten. Darf ich Sie daran erinnern, dass das Schicksal von sieben Milliarden Menschen in ihren Händen liegt?»

Seine Worte schienen sich auf wie Gewichte auf die Schultern der Anderen zu legen. Und Clint schien überall hinschauen zu wollen ausser zu Fury. Er musterte die Computer, die sich, als wollten sie mich verspotten, in diesem Zimmer stapelten, ausführlich, aber auch die Anderen waren nicht scharf darauf, irgendetwas zu sagen.«Wo ist Thor?», fragte die rothaarige Agentin schliesslich in die Stille.

"Jetzt, wo wir unseren blonden Conan hätten brauchen können, ist er natürlich nicht da. Typisch", grummelte Stark.

Für einen kurzen Moment dachte ich an den blonden Bodybuilder, den Loki ausgetrickst hatte. «Ich bin mir nicht sicher, ob wir den gleichen Typen meinen, aber... Loki hat einen Muskelprotz in Rüstung und mit langen, blonden Haaren übertölpelt. Wenn wir den Gleichen meinenn, dann ist er an Stelle von Loki mit der Zelle in die Tiefe gestürzt», meinte ich leise.

Erschrockene Blicke wurden gewechselt. Scheinbar hatte ich ins Schwarze getroffen. «Was? Woher weisst du das?», Rotschopf sah mich so durchdringend an, dass ich Angst hatte, sie würde mich mit ihren Blicken durchbohren.

Ich beschrieb mich normalerweise nicht als schüchtern, aber unter ihrem Blick fühlte ich mich, wie ein Schüler, der einer viel zu strengen Lehrerin eine Antwort geben musste, auch wenn ich in so einer Situation normalerweise keinen Respekt zeigte. «Ich... Habe es gesehen. Ich habe in der Zelle nebenan gehockt.»

Ich war wirklich froh, als sie mit ihrem Blick von mir abliess und jemand anderen ansah. «Na wunderbar. Der Einzige, der Loki kennt und vielleicht unter Kontrolle hätte bringen können, ist tot.»

«Er ist ein Gott! Wir wissen nicht, was er alles aushalten kann», widersprach Fury ihr.

«Können nicht auch Götter sterben?», fragte sie ihn, ein kaltes Funkeln in den Augen. «Soviel ich weiss, sind gerade die nordischen Götter in den Legenden gestorben.» Fury antwortete nichts darauf.

Stark warf mir einen Blick zu. «Weisst du, was sein Plan ist?»

«Heisse ich Loki?», schnaubte ich. Er sah mich weiter unverwandt an, als wollte er mir versichern, dass ich das konnte und das er auf mich zählte. Schliesslich seufzte ich und zuckte die Schultern. «So halb. Ich habe nur... Bruchstücke gesehen. Ich weiss, dass er eine Armee hat und den Tesserakt dazu braucht, sie herzuholen. Ich weiss auch, dass er das über New York machen will und dass er ein hohes Gebäude dazu will.»

Stark nickte, mit den Gedanken schon wieder ganz wo anders. «Das bringt uns auch nicht viel weiter!», knurrte Fury. Er wetterte weiter, aber ich hörte gar nicht zu. Starks Augen wurden grösser, seine Lippen formten ein ungläubiges Oh. Und dann verzerrte sich sein Gesicht vor Wut. Auch die rothaarige Agentin hatte es bemerkt, musterte Stark überrascht.

«Ich hab's», meinte er schliesslich. Fury schwieg, als hätte ihm jemand das Wort abgeschnitten. Starks Augen funkelten vor Zorn. «Ein warmes Licht für die Menschheit. Das ich nicht lache. Und ich Idiot habe das selbst als Slogan gewählt.»

«Um was geht es hier?», fragte Captain America, seinen Schild immer noch im Anschlag.

Stark beachtete ihn nicht. «Loki ist 'ne ausgewachsene Diva. Er will Blumen, er will Paraden. Er will ein Monument, das in den Himmel aufragt mit seinem Namen drauf – verfluchter Penner.» Und ohne eine weitere Erklärung stürzte er aus dem Raum. In der Türe blieb er kurz stehen, drehte sich um. «Ach übrigens, wo kann ich ihre fliegende Dose verlassen, Fury?»

Der warf ihm einen wütenden Blick zu. «Oberes Deck, Stark. Aber versuchen Sie, keinen meiner Jets zu zerstören, wenn Sie in ihrem Anzug starten.»

Der Kampfeswille in Starks Augen liess ihn um Jahre jünger aussehen. «Ich werde sehen, was sich machen lässt.» Und damit war er verschwunden.

Der Captain sah immer noch verwirrt aus. «Was soll das Ganze?»

«Der Stark-Tower.» Clint wirkte nicht sonderlich glücklich, als er es aussprach. «Loki will sein Gerät über dem Stark-Tower benutzen.»

Steve Rogers runzelte die Stirn. «Das hässlichste Gebäude von ganz New York?»

Trotz der eigentlich toternsten Situation erlaubte ich mir ein kleines Grinsen. «Wenn Sie das in Starks Gegenwart erwähnen, dann sind Sie ein toter Mann. Er ist sehr stolz darauf.»

Ein weiterer verwirrter Blick, dieses Mal in meine Richtung, aber er nickte. Dann wandte er sich wieder an Fury. «Wir können nicht alle fliegen. Wie kommen wir dahin?»

«Wie wäre es mit den Quinjets, die auf Ebene 4 stehen?», fragte ich zuckersüss, die Gelegenheit nutzend, um Fury eins auszuwischen. Der Blick, den mir der Director zuwarf, war es allemal wert.

«Was sind Quinjets?», fragte der Captain.

Fury starrte mich kalt an. «Ich bin sicher, dass sie Ihnen das viel besser erklären kann als ich.»

"Ich wurde gerade von einem irren Gott angegriffen und war bis vor ein paar Minuten noch bewusstlos", beschwerte ich mich. "Und jetzt verlangen Sie von mir, dass ich den Oberstreber markiere? Machen Sie das selbst, Director. Ich habe immer noch Kopfschmerzen." Wie um meine Worte zu unterstreichen, begann ich meine Schläfen zu massieren, in der Hoffnung, dass das Pochen hinter meiner Stirn besser wurde.

«Quinjets sind technisch weiterentwickelte SHIELD-Jets der neuesten Generation. Sie in einem hergeflogen.» Ein erzwungenes Lächeln schaffte es auf Furys Gesicht, als er sich tatsächlich dazu herunterliess, es dem Captain zu erklären. «Also, hopp, hopp, auf zum vierten Stock!»

Nur der Captain zögerte ein kleines bisschen, als wäre er nicht sicher, ob er Befehle von Fury annehmen wollte, ehe er sich, genau wie die Anderen, auf den Weg machte, genau wie der Director ihnen befohlen hatte.

Fury wartete einen Moment länger. Als alle aus dem Raum draussen waren, hob er mahnend den Zeigefinger. «Für heute kommst du noch davon, Kayla, aber glaub mir, wenn das alles überstanden ist, dann hast du Ärger am Hals. Und zwar grossen Ärger.» Ich zuckte zusammen, versuchend, mir nicht vorzustellen, in was für ein Gefängnisloch ich wohl verfrachtet werden würde. Das konnte ja was werden. «Aber momentan haben wir grössere Probleme und vielleicht, vielleicht kannst du dir einen Straferlass erwirken, wenn du uns hilfst. Aber glaub ja nicht, wir wüssten nichts von dem Handy in deiner Zelle.» Ich öffnete den Mund um zu protestieren, aber er zog nur eine Augenbraue nach oben und verschwand aus dem Raum. Dann wurde mir bewusst, was er gesagt hatte und ich sah mich um. Computer. Dieser Mistkerl von einem Spion musste das irgendwie geplant haben. Für einen kurzen Moment zögerte ich, wusste nicht, ob ich tatsächlich für Fury arbeiten sollte, aber dann verwarf ich den Gedanken. Es ging hier nicht um mich, es ging um die Welt. Und einen netten Bonus bekam ich auch, wenn ich half. Ich startete den Computer, der mir am nächsten war.

Auf mich wartete bereits eine Nachricht von einem gewissen Fury, Nicolas J. Und ich wusste ganz genau, was ich mit der langen Zahlenfolge zutun hatte, die er mir gesendet hatte.

Überarbeitet.

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