12. Greenhorn
Seit Fury Captain America und Bruce Banner empfangen hatte, wurde ich ignoriert. Normalerweise wäre ich froh darum gewesen, aber jetzt kam es mir vor wie ein schlechter Scherz, als wollte sich der Director über mich lustig machen. Je länger ich nichts von ihm und Agent Hill hörte, desto nervöser wurde ich, desto weniger sicher war ich mir, wie meine Zukunft aussehen würde. Und ich hasste es, unsicher zu sein.
Ich war, nachdem ich mir "Raumschiff Enterprise" zu Ende angesehen hatte, auf "The next Generation" umgestiegen, konnte mich aber seit diversen Folgen immer noch nicht richtig auf die Handlung konzentrieren. Es war klar, dass ich nicht mehr einfach so nach Hause gehen können würde. Ich würde vielleicht nie wieder auf meinem eigenen Bett in meinem winzigen Zimmer im Waisenhaus liegen und meine Zimmernachbarn streiten hören. Ich würde mich nie wieder über die ekligen Sandwiches beschweren, die die beiden Köche zusammenstellten und ich würde nie wieder einen Pep-Talk meiner Lehrerin anhören müssen. Es war irgendwie zum Sterben komisch, dass ich auf einmal all das vermisste, was ich gehasst hatte. Das all diese kleinen Dinge, von denen ich gedacht hatte, sie würden mich in den Wahnsinn treiben, jetzt auf einmal so viel bedeuteten, wo sie nicht mehr da waren. Jetzt, da ich in diesem eckigen Glaskasten sass, abgeschnitten von all diesen Kleinigkeiten, wo es keine nervigen Gewohnheiten von irgendjemandem mehr gab, die ich ertragen musste, sondern nur die Langeweile. Es war so öde.
Es war ein Zufall gewesen, dass ich auf die Liveübertragung aus Stuttgart aufmerksam geworden war. Ich hatte ein wenig im SHIELD'schen Intranet herumgesurft, nachdem mir "The next Generation" schon wieder Kopfschmerzen beschert hatte. Natürlich war ich nicht in der Lage, die Sache mit diesem unheimlichen Fremden, der Clint... umgedreht und diese ganzen anderen Agenten angegriffen hatte, einfach ruhen zu lassen. Nicht nur, weil ich mich in meinem Stolz verletzt sah, so übertölpelt worden zu sein und keine Ahnung zu haben, wer mein "Gegner" überhaupt war, sondern auch, weil mich dieses irre Grinsen in meine Alpträume verfolgt hatte. Ich hatte, wortwörtlich, ein schlechtes Gefühl dabei, als wäre irgendetwas faul an der Sache. Wieso sollte Fury Captain America persönlich zu sich rufen, wenn es nicht richtig war? Natürlich konnte ich mich irren, es konnte um etwas ganz anderes gehen, als um den Irren, aber irgendwie war mir das zu viel des Zufalls, dass der Captain so schnell nach dem Ereignis in der SHIELD-Forschungsstelle auftauchte.
Ich war also nur halbwegs überrascht gewesen, als ich die Lifeübertragung aus Stuttgart entdeckt hatte, die verwackelten Handyvideos, auf denen der Eindringling selbstsicher und beinahe stolz durch eine panische Menschenmenge watete, als würde ihn das Ganze gar nichts angehen, als habe er die vollkommene Kontrolle. Wenigstens letzteres setzte er kurz darauf sogar in die Tat um. Der Fremde sah noch irrer aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ein lederner Brustschutz, ein grüner Umhang, ebenso grüne Gewänder und eine goldene Rüstung hätten an jedem Anderen lächerlich gewirkt, aber auch, wenn ich es nicht gerne zugab, sah er damit furchteinflössend aus. Allerdings machte sein Helm die ganze Wirkung wieder zunichte: Das Ding hatte vorne zwei riesige, gekürmmte Hörner aus massivem Gold. Es sah damit ein wenig aus wie ein aggressiver Ziegenbock, aber da mir dieser Spitzname zu lange war, entschloss ich mich, da ich nicht wusste, wer er wirklich war, mich mit «Greenhorn» zufriedenzugeben. Ich redete mir ein, dass ich mich keinesfalls vor ihm fürchtete, vor allem, dass ich mich auf keinen Fall vor ihm zu fürchten brauchte, aber ich glaubte es nicht eine Sekunde lang. Er war irre, dass sah man schon aus 10 Meilen Entfernung, konnte mit seinem Zepter-Speer-Dingsbums ein Polizeiauto durch die Gegend schleudern und eine verängstigte Menschenmenge auf die Knie zwingen. Wer auch immer er war, ich wollte mich auf keinen Fall mit ihm anlegen, auch wenn mir klar war, dass ich das schon längst getan hatte. Ich war ziemlich sicher, dass er wusste, wer ich war, wenn er mich schon im SHIELD-System bemerkt hatte.
Ich hielt die Luft an, als auf der anderen Seite der Welt ein alter Mann aufstand und sich gegen den Möchtegernweltherrscher auflehnte. Als Greenhorn mit dem Zepter auf den Rebellen zielte, kniff ich die Augen ganz fest zusammen, während mir durch den Kopf ging, dass ich sicher niemals so mutig gewesen wäre und irgendwie versetzte mir das einen Stich in meinem Inneren. Dieser alte Mann wusste, dass er nich gegen Greenhorn gewinnen konnte und es war unbestreitbar dumm, es trotzdem zu versuchen, ohne irgendeine Chance auf Sieg oder Rettung, aber es war gleichzeitig auch unglaublich mutig und irgendwie bewundernswert. Dumm und bewundernswert. Vor ein paar Wochen hätte ich Jeden ausgelacht, der diese beiden Ausdrücke zusammen verwendet hatte. Bewundernswert, hätte ich gesagt, kann man nur sein, wenn man klug ist. Aber war es nicht viel schwerer, so etwas bewundernswertes zu tun, wenn man seine genauen Chancen kannte? Wurde es nicht, je cleverer man war, umso schwerer, mutig zu sein?
Als ich die Augen wieder öffnete, kämpfte Greenhorn mit Captain America. Für einen kurzen Moment konnte ich nur triumphierend daran denken, dass ich recht gehabt hatte, dass der Captain und Greenhorn etwas miteinander zu tun hatten, aber dann bemerkte ich den Mann, der Greenhorns Ziel gewesen war, wie er etwas verloren, verwirrt aber unverletzt daneben stand und fassungslos zuschaute, wie jemand anders sich mit Greenhorn prügelte. Obwohl mir klar war, wie dumm sich das anhören musste, war ich mir sicher, dass der Typ sich irgendwie um seinen grossen Moment betrogen fühlte. Er hatte es gewagt, aufzustehen und sich aufzulehnen, aber es war schlussendlich doch jemand anderes, den die Welt in Erinnerung behalten würde. Jemand anderes, dessen Chancen so viel grösser waren, Greenhorn zu erledigen, jemanden, der viel weniger Mut brauchte, um zu kämpfen. War es nicht irgendwie ironisch, dass es Superheld weniger mutig war als ein alter Mann?
Ich atmete tief durch. Mein Kopf war wieder mit mir durchgegangen, ich hatte beinahe nicht bemerkt, dass die zuvor noch kniende Menge bereits so gut wie aufgelöst hatte, in alle Richtung floh. Während sich Captain America und Greenhorn verkloppten, versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen, irgendetwas zu finden, mit dem ich dem Captain helfen konnte. Wenn ich schon zusah, dann musste ich doch irgendetwas tun können! Ehe ich auch nur irgendetwas versuchen konnte, wurde der Captain mit einer enormen Wucht von Greenhorn heruntergeschleudert und landete auf der anderen Seite des Platzes. Ehe ich mit einer überstürzten Aktion reagieren könnte, drehte sich Greenhorn für einen winzigen Moment zu der Person um, die in sicherem Abstand alles mit dem Handy aufnahm und ich war ganz sicher, gesehen zu haben, wie sein Mundwinkel einige Millimeter nach oben zuckten, als er direkt in die Kamera sah. Wie versteinert sass ich noch einige Momente da und starrte das Pad an, dann warf ich es in hohem Bogen von mir und verkroch mich zitternd in die Ecke meiner Zelle, meine Beine umklammernd. Ich wusste selbst nicht, was mich an dieser winzigen, wahrscheinlich sogar zufälligen Geste so verstörte, aber irgendetwas, irgendetwas daran liess mich beinahe wahnsinnig vor Angst werden.
Es war eine ganze Weile gegangen, bis ich mich wieder einigermassen beruhigt hatte, und noch viel länger, bis ich mich endlich getraut hatte, das Pad wieder anzurühren. Zu meinem Glück war der Bildschirm nicht gesplittert, aber das war noch nichts gegen die Erleichterung, die mich überkam, als mir aufging, dass das Video, das irgendjemand in Stuttgart aufgenommen hatte, zu Ende war. Das der Captain und Greenhorn schon lange fort waren. Was ich allerdings nicht erwartet hatte, war, dass alles von nun an nur noch schlimmer kommen würde, dass eine Eskorte mit Greenhorn in der Mitte vor meiner Zelle auftauchen würde.
Ich war ziemlich sicher, dass ich leise wimmerte, als erneut dieses flüchtige, verstörende Lächeln über seine sonst ausdruckslosen Züge huschte. Was machte er hier? Wieso hatten sie ihn hergebracht? War das irgendein morbider Scherz, den ich nicht verstand? Ich wimmerte erneut, als die Agenten Anstalten machten, Greenhorn in die bis jetzt leere Zelle neben mir einzuschliessen. Das durfte doch nicht wahr sein. Das konnten sie nicht tun! "Hey!", brüllte ich, hämmerte mit den Händen schmerzhaft fest gegen die Glaswand. "Nehmen Sie ihn wieder mit!" Ich wurde ignoriert, aber das ich gab nicht auf, trommelte immer weiter gegen das Glas, viel verzweifelter als je zuvor, denn irgendwie ahnte ich, dass etwas passieren würde. Dass es einfach nicht gut sein konnte, dass Greenhorn in meiner Nähe war. "Gehen Sie nicht weg!", flehte ich, immer verzweifelter. "Bitte! Lassen Sie mich nicht mit ihm alleine!"
Die Agenten ignorierten mich in kühler Professionalität, aber es blieben tatsächlich ein paar vor Greenhorns Zelle stehen, als wollten sie ihn überwachen, als hätten sie mich doch gehört und Mitleid gehabt. Meine Illusion wurde allerdings nur allzu bald zerschlagen, als Fury hereinkam und den Agenten zunickte. Erschrocken musste ich dabei zusehen, wie auch die letzten der Agenten verschwanden, wie Fury als Letzter übrigblieb, der zwischen mir und Greenhorn stand. Ich hatte nie gedacht, dass ich einmal dafür betteln würde, dass Director Fury blieb, aber genau das war jetzt der Fall. Obwohl ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, um Fury nicht einen Grund zu geben, früher zu gehen, obwohl ich mit zitternden Finger "The next Generation" auf meinem Pad suchte und die Lautstärke so hoch drehte, dass die Stimmen der Schauspieler durch meine ganze Zelle drangen, konnte ich doch nichts dagegen machen, dass meine Panik nur noch grösser wurde. Irgendetwas an Greenhorn, an seinem verdammten irren Lächeln, an der Tatsache, dass er immer wusste, wann ich ihn und die Situation beobachtet hatte, war einfach nicht normal, fühlte sich so schrecklich falsch an.
Furys Gespräch mit Greenhorn war meiner Meinung nach viel zu schnell zu Ende und als er an meiner Zelle vorbeiging, versuchte ich, seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, hämmerte erneut gegen das Glas, obwohl meine Hände schon rot waren, sich unangenehm heiss und wund anfühlten. Er hielt noch nicht einmal an. Einen kurzen Blick wagte ich in Greenhorns Richtung, als der Director weg war, wandte aber sofort wieder den Blick ab, als ich Blickkontakt mit ihm herstellte und er in Begriff war, erneut sein, mit jetzt beinahe hämisch vorkommendes, Grinsen aufblitzen zu lassen. Ich verkroch mich in der Ecke meiner Zelle, die am weitesten von ihm entfernt war, drehte "Next Generation" noch ein bisschen lauter, in der Hoffnung, meine eigenen Gedanken übertönen zu können.
Eine ganze Weile war es erstaunlich ruhig, dann sah ich aus dem Augenwinkel, wie eine überaus hübsche, rothaarige Agentin in einem hautengen Bodysuit an meiner Zelle vorbeistiefelte, mir nicht einmal einen kurzen Blick zuwerfend. Da mir klar war, dass auch sie mit Greenhorn sprechen wollte, versuchte ich, alles auszublenden, was ausserhalb meines Pads passierte. Es gelang mir nicht besonders gut, vor allem, da mich allzu bald ein donnernder Schlag erschreckte und als ich mich, trotz all meiner Vorsätze, zu Greenhorn und Rotschopf umdrehte, erkannte ich, dass es Greenhorn gewesen war, der die Faust gegen das Glas gedonnert hatte. Vollkommen von der Rolle wandte ich mich wieder ab, versuchte, das Bild der geknickten, zusammengesunkenen SHIELD-Agentin vor der Zelle zu vergessen, zu verdrängen, wie siegessicher Greenhorn ausgesehen hatte, wie der Herr der Situation. Als ich die Agentin erneut aus dem Augenwinkel davonstiefeln sah, wagte ich es nicht, aufzuschauen, um nicht mitansehen zu müssen, wie sie vollkommen aufgelöst und nach Fassung ringend vor Greenhorn davonrannte. Hätte ich in diesem Moment aufgeschaut, ich wäre von der aufrechten, stolzen Haltung der Agentin überrascht worden.
Nachdem sie verschwunden war, blieb es wieder eine Zeit lang ruhig. Obwohl ich jede Sekunde mehr zitterte, auf etwas wartete, von dem ich selbst nicht wusste, was es war, blieb es ruhig, beinahe zu ruhig. Dann, wie aus dem Nichts, sprach Greenhorn mich an. Ich wusste nicht, wie er das machte, aber ich hörte ihn so deutlich, als stände er neben mir, obwohl das eigentlich gar nicht möglich sein sollte. Obwohl uns zwei dicke Glaswände trennten, obwohl er mehrere Meter von mir entfernt war, füllte seine Stimme die ganze Zelle und machte es unmöglich, sie zu ignorieren oder auch nur zu versuchen, an etwas anderes zu denken. «Da bist du also", stellte Greenhorn beinahe zufrieden fest, "das Mädchen, dass sich in kleinen Kästen versteckt und die Welt beobachtet."
Ich sah nicht auf, wagte es nicht einen Blick in seine Richtung zu werfen, drehte das Pas nur noch lauter, in der Hoffnung, ihn übertönen zu können. Was ich nicht erwartete, war, dass sich das Pad, genau wie die Kameras damals in der SHIELD-Forschungseinrichtung, einfach ausschaltete, schwarz wurde, als wäre es von einem Moment auf den anderen nutzlos und funktionsuntüchtig geworden. Greenhorn hatte dafür gesorgt, dass ich ihm meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte und das nützte er aus. "Aber du versteckst dich nicht nur in Kästen, du bist auch in einen eingesperrt, du tigerst darin herum wie ein Tier in einem Käfig." Seine Feststellung hatte eine seltsame Wirkung auf mich. Obwohl ich ihn am liebsten angeschrien hätte, er solle mich in Ruhe lassen, mich einfach aus allem herauslassen, wollte ich doch zustimmend nicken und ihm rechtgeben. Obwohl ich ihn nicht ansah, war mir sehr wohl klar, dass er seine Wirkung auf andere genau kannte und ausnutzte. Obwohl seine Worte eigentlich reines Gift waren und nur unschöne wahre Tatsachen darlegten, hatten sie doch noch etwas anderes, etwas sehr einnehmendes, an sich. Ich konnte es erst benennen, als er langsam, bedacht, weitersprach. "Du bist mächtig, mächtig für einen deiner Art. Wieso lässt du das mit dir machen?» Seine Art und Weise zu sprechen, war wie Honig, süss und klebrig, schmeichlerisch, heuchlerisch und gleichzeitig bedacht und so schlau, dass sie einen, ohne das man es merkte, festsetzten, einfingen und unwiderbringlich in seinen Bann schlugen.
Ich konnte ihn vielleicht nicht ignorieren, aber ich hatte seine Masche durchschaut. Ich würde mich nicht einfach so übertölpeln lassen. «Ein Schmeichler ist gerngesehen, gerngehört, aber niemand wird ihm je vertrauen." Ich sah immer noch nicht auf, denn ich war mir sicher, dass ich nichts weiter mehr von mir geben konnte, als ein verängstigtes Wimmern, wenn ich ihm ins Gesicht sah.
«Einen Schmeichler nennst du mich? Du bist wirklich ein kluges kleines Menschlein oder aber, du kannst gut raten. Aber was bist du, wenn du dich noch nicht einmal traust, mir in die Augen zu schauen?»
Ich schluckte. "Wenn du mich einen Feigling nennst, dann kannst du dich einen Verlierer nennen, denn du wurdest von einem alten Mann mit einem Frisbee verprügelt." Ich wusste selbst nicht, woher ich den Mut nahm, ihn zu provozieren, aber es passte mir gar nicht, dass er mich für feige hielt, auch wenn es wahrscheinlich stimmte. Ich hatte ihn, unbewusst, geduzt, was mir sofort wie ein grosser Fehler vorkam, aber es war zu spät, es zurückzunehmen.
Anders als gedacht, schien er keineswegs wütend zu sein. Als er eine ganze Weile nichts sagte, schoss ich all meine Vorwürfe in den Wind und drehte mich zu ihm um. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt, stand genau in der Mitte seiner Zelle und lachte tonlos. Es lief mir kalt den Rücken herunter, trotz der Tatsache, dass ich keinen einzigen Ton hören konnte. Vielleicht war auch genau das das Problem. Kaum, dass er sich wieder gefangen hatte, drehte ich mich erneut weg, um einem Blickkontakt aus dem Weg zu gehen.
«Oh, das ist wirklich köstlich, Menschenmädchen. Du scheinst so schüchtern zu sein, so zurückhalten, aber eigentlich bist du wie ein Kistenteufel, nur darauf lauernd, zum richtigen Zeitpunkt zuzuschlagen.» Ich spürte seinen Blick überdeutlich auf mir, wie er mich beinahe ein wenig herablassend musterte, aber gleichsam doch neugierig war. Als sei ich ein Versuchsobjekt, ein fremdartiger Käfer und kein Lebewesen. "Die Frage liegt dir auf der Zunge, Menschenmädchen, das spüre ich doch. Stell sie. Komm, mach es uns beiden einfacher. Du willst ganz verzweifelt wissen, wer ich bin." Ich schwieg beharrlich. Ich würde ihm, obwohl er ganz richtig geraten hatte und ich endlich wissen wollte, wer er war und woher er kam, dass er mich immer "Menschenmädchen" nannte, ganz sicher nicht die Genugtuung gönnen wollte, mir etwas befohlen hatte. Es schien ihn, zu meinem Verdruss, aber keineswegs zu überraschen oder auch nur zu stören, dass ich nicht antwortete, er sprach einfach weiter, führte seinen Monolog weiter aus. «Stur bist du also auch, Menschenmädchen. Du könntest mir von grossem Nutzen sein. Aber ich werde, trotz deinem Versäumnis, zu fragen, deine Fragen beantworten." Er machte eine Kunstpause. "Ich bin Loki Laufeyson, der Gott des Schabernacks und der Lügen, zukünftiger Herrscher über Asgard und rechtmässiger Thronerbe.» Seine Stimme bekam einen harten Klang, wütend und so voller Hass, dass ich zurückzuckte. Hätte jemand anderes das gesagt, ich hätte ihn für durchgeknallt erklärt, aber nicht Greenhorn. Irgendetwas an ihm liess mich nicht an seinen Worten zweifeln.
Er hatte diese Aura von Macht und Überheblichkeit, etwas, das sich tatsächlich anfühlte, als wäre es nicht von dieser Welt. Einerseits faszinierte mich das und andererseits war es ebenfalls etwas, das ich an ihm fürchtete. Normalerweise hätte ich jetzt einen frechen Spruch herausgehauen, aber er blieb mir im Hals stecken, als ich ihn ansah, so von seiner Rede eingenommen, dass ich ganz vergessen hatte, das ich das nicht hatte tun wollen. Aber auch das verschwand aus meinem Kopf, als wäre es ausradiert worden. Ich wusste generell nicht mehr wirklich, was ich sagen sollte und das geschah nicht oft. Greenhorns kaltes Lächeln kam zurück, als er bemerkte, wie unwohl mir war, wie sehr er mich verunsichert hatte. Er wollte gerade erneut etwas sagen, aber der Boden unter unseren Füssen, und damit der Helicarrier, bebte so stark, dass ich gegen die Zellenwand stürzte. Irgendwie brach das den Bann, unter dem ich gestanden hatte, und ich konnte endlich wieder klar denken. Schleunigst nahm ich den Blick von dem Fremden Wesen mir gegenüber. Obwohl auch Greenhorn beinahe umfiel, wurde sein Lächeln breiter. «Sie sind hier.»
«Wer?»
Greenhorn ignorierte mich, wandte sich von mir ab, als sei ich nicht mehr wichtig. Er sah erwartungsvoll auf den Flur hinaus. Zuerst wunderte ich mich auf was er wartete, ob er jetzt vollkommen dem Wahnsinn verfallen war, aber dann trat ein Agent ins Licht und öffnete die Zelle, in der er sass mit geübten Handgriffen. Ich erstarrte, vollkommen verwirrt und verunsichert. Das konnte doch nicht wahr sein! Was war hier bloss los?
Greenhorn trat langsam aus seinem Gefängnis, als hätte er alle Zeit der Welt und streifte mich mit einem überlegenen Blick, dem ich so gut wie möglich auswich und mich erneut in die Ecke drückte, die am weitesten von ihm entfernt war. Während unseres Gesprächs war ich, ohne das ich es bemerkt hatte, immer näher an die Wand meiner Zelle getreten, die ihm zugewandt gewesen war und das machte mir beinahe genauso viel Angst wie die Tatsache, dass er nun frei war. Er winkte dem Agent, als sei dieser sein Untergebener, der aber nur nickte und davonlief, eine Waffe aus seinem Holster ziehend. Greenhorn schnippte währenddessen mit den Fingern und auf einmal war er verschwunden und stand wieder in der Zelle, deren Türe sich gerade öffnete.
Ich war so verwirrt, dass ich ihn einfach nur anstarren konnte, aber ehe ich dazu kam, die ganze Situation noch einmal zu überdenken, stürzte schon ein blonder Riese mit einem gefährlich aussehenden Hammer aus dem Gang.
«Nein!», brüllte er so laut, dass ich ihn sogar durch die Glaswände der Zelle verstand und stürzte sich auf den Mann in der Zelle, der prompt verschwand. Es war ein Trugbild gewesen, natürlich!
Die Türe schloss sich hinter dem Blonden und der wahre Greenhorn wurde wieder sichtbar. Ich sah, wie er, die Lippen, wie schon so oft, zu einem spöttischen Lächeln verzogen, etwas zu dem Blonden sagte, was ich aber dieses Mal nicht hören konnte. Ich war nur froh, dass dieses Lächeln dieses Mal nicht mir galt.
Der Mann in der Zelle hieb verzweifelt gegen die Glaswand. Ich erstarrte, als ich die Risse sah, die sich in der Wand der Zelle gebildet hatten. Der blonde Riese musste unglaublich stark sein, aber Greenhorn liess sich davon nicht beeindrucken und redete nur weiter auf ihn ein. Dann, mit grosser Geste, drückte einen grossen roten Knopf auf einem Kontrollpult neben der Zelle, der Boden öffnete sich und der Blonde stürzte zusammen mit seinem Gefängnis in die Tiefe.
Als wäre nichts gewesen, schloss sich das Loch wieder und nichts wies mehr darauf hin, dass die Zelle je dagewesen war. Ich starrte entsetzt auf den leeren Platz neben meiner Zelle, mein Herz raste und irgendwie wusste ich, dass ich jetzt erst recht in schlimmen Schwierigkeiten steckte. Greenhorn grinste mich überlegen an. Ein weiterer Agent kam wie auf Abruf angerannt, Greenhorns Speerdings in der Hand, dass der beinahe freudig entgegennahm.
Ohne weiter auf den davoneilenden Agenten zu achten, kam Greenhorn langsam auf meine Zelle zugeschlendert, immer noch so ruhig wirkend, als wäre das alles ganz normal. Ich konnte seinem Blick nicht mehr ausweichen, aber das hinderte mich nicht daran, mich verzweifelt an die hintere Wand meiner Zelle zu drücken, um so weit von ihm entfernt zu sein, wie ich nur konnte. Meine Bemühungen entlockten ihm nur ein etwas träges Grinsen.
Er blieb vor der Tür der Zelle stehen und legte, zu meiner Verwunderung, seine Hand wie selbstverständlich auf das Glas. Für einen kurzen Moment dachte ich, er hätte vielleicht den Agenten dabei beobachtet, wie er die Zelle mit seinem Handabdruck öffnete, dass er vielleicht dachte, er könnte das auch, aber dann begann das Glas rund um seine Hand zu gefrieren und mir wurde klar, dass er etwas ganz anderes vorhatte. Eiskristalle machten das Glas undurchsichtig, breiteten sich in alle Richtungen aus. Vielleicht täuschte ich mich ja auch, aber es wirkte, als sei seine Hand auf einmal blau.
Als beinahe die ganze Wand auf seiner Seite vereist war, nahm er seine Hand vom Glas und schenkte mir ein weiteres überlegenes Lächeln, dass durch das Eis auf dem Glas in eine unheimliche, schiefe Fratze verwandelt wurde. Dann trat er ohne Vorwarnung die bis eben robuste Glaswand ein. Ich zuckte zurück, als eiskalte, scharfe Glassplitter von der Türe wegstoben. Als er in die Zelle trat, wurde es sofort einige Grade kälter und um ihn herum bildete sich feiner, eisiger Nebel. Das Speerdings in seiner Hand leuchtete beunruhigend blau und mir wurde klar, dass ich gerade in einer unhaltbaren Situation war. Ich hatte schon so gut wie verloren.
Greenhorn brauchte nur zwei Schritte, um die Zelle zu durchqueren. Während er mir beinahe sanft den Speer vor die Brust setzte, legte er mir die andere Hand fast freundschaftlich auf die Schulter. Ich zuckte zurück, konnte aber nirgends anders hin, schliesslich hatte ich immer noch die Wand im Rücken. Seine Hand war noch kälter als ich es erwartet hätte. «Jetzt hast du die Wahl, Menschenmädchen...», erklärte er mir, leise und mit einem beruhigenden Unterton in der Stimme. Das Lächeln auf seinem Gesicht vertiefte sich und war nur kurz davor, wieder zu dem irren Grinsen zu werden, dass ich schon so oft bei ihm gesehen hatte. «Du könntest mit deinen Fähigkeiten, dich in die vielen Geräte dieser Welt einzuschleichen, einiges Chaos stiften, Chaos, das ich nur allzu gut gebrauchen könnte. Ich überlasse dir die Enscheidung: Entweder, du schliesst dich mir freiwillig an oder... Sag mal, erinnerst du dich an unseren gemeinsamen Freund Barton?»
Ich atmete hektisch, abgehackt. Es war, als würde sich die Kälte seiner Finger von meiner Schulter in meinen ganzen Körper ausbreiten. Seine Worte wirbelten in meinem Kopf herum, viel zu rasant, um noch Sinn zu ergeben. Ich öffnete hilflos den Mund und versuchte irgendetwas zu sagen, aber ich bekam nichts als Luft heraus. Greenhorn sah mich nur mit schräggelegtem Kopf an, fast schon verständnisvoll, als wüsste er ganz genau, dass ich mich noch nie so gefürchtet hatte wie jetzt.
«Hey! Lass sie los!», brüllte jemand hinter uns. Ich versuchte zu erkennen, wer es war, der das gesagt hatte, wer mich retten würde, aber Greenhorn versperrte mir die Sicht. Erleichterung durchflutete mich, als mir klar wurde, dass da jemand war, der mir helfen konnte, der mir helfen würde, aber ich hatte meine Rechnung ohne den Gott vor mir gemacht.
Greenhorn zischte enttäuscht. «Zu langsam, Menschenmädchen. Ich hätte mehr von dir erwartet.» Ich sah nur noch, wie das Zepterdings blau aufleuchtete, dann bestand meine Welt nur noch aus Kälte. Ich versuchte, nach Luft zu schnappen, aber es ging nicht, als würde jemand anders die Kontrolle über mich übernehmen.
Ich hörte den Mann hinter Greenhorn etwas schreien, aber ich verstand es nicht, es war, als wäre ich bereits viel zu weit weg.
Bevor ich endgültig wegdriftete, hörte ich eine fremde Stimme in meinem Kopf: «Es heisst Loki, Menschenmädchen. Ich bin Loki Laufeyson. Vergiss das nie wieder.»
Tja, der Grund dafür, dass ich mir die Mühe mache, an euch alle zu schreiben, sind die 500 Reads. Meine Güte, ich hätte nie gedacht, dass ich auch nur 10 zusammenbekomme! Danke, an alle, die das hier lesen. Auch an alle, die zu faul sind, diese Fussnote zu lesen.
Bis nächste Woche
Euer Aeide_thea
P.S: Ihr könnt euch im nächsten Kapitel auf Tony Stark freuen. Und auf Agent Coulson!
Überarbeitet.
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