Prolog

"Du isst ernsthaft immer noch Schlumpfeis?"

Ich grinste Ken von der Seite an. "Ach, halt doch die Klappe. Wir wissen beide, dass du süchtig nach diesen schrecklich schmeckenden Kirschbrausebonbons bist. Die mit diesem ausserordentlich verstörenden, lächelnden Baby auf der Verpackung."

Für einen kurzen Moment starrte mich der ehemalige CIA-Agent Ken Oklee nur an, dann rümpfte er ein wenig beleidigt die Nase. "Hast du schon wieder den Kassenzettel durchgelesen? Ich habe dir doch gesagt, du sollst dir keine Sorgen um unsere Finanzen machen! Wir haben mehr als genug, um alle Rechnungen zu bezahlen und..."

Ich liess ihn gar nicht erst ausreden. Ich wusste schliesslich, wie langatmig seine Predigten werden konnten. "Nein, ich bin nicht wieder alle unsere Rechnungen durchgegangen, um sicherzugehen, dass wir nicht aus der Wohnung gesetzt werden, weil Ross zu geizig ist. Und ich weiss, dass wir genug haben und dass wir in einem Notfall auch einen Weg finden würden, Tony zu fragen, ob er uns aushelfen kann." Ich seufzte leise, als ich daran dachte, dass ich ihn noch anrufen sollte.

Es war nicht, dass ich keine Lust hatte, mich mit ihm zu unterhalten, darauf freute ich mich schon seit Montag, schliesslich durfte ich ihn nur einmal die Woche anrufen, aber es wurde immer schwerer, ihn zu erreichen, ohne ihn in Gefahr zu bringen. Die CIA hatte schon seit ich vor etwa einem halben Jahr aus dem Raft ausgebrochen war, angefangen, ihn zu beobachten, als stünde er selbst unter Haft. Es half nicht gerade, dass er weiterhin diverse Projekte und Gruppen unterstützte, die versuchten, die Wahrheit über die Sokovia Abkommen ans Licht zu bringen.

Jedes Mal, wenn ich ihn anrief, konnte er weniger sagen, weniger lange sprechen, weniger Zeit mit mir verbringen, um keinen weiteren Verdacht zu erregen. Er war schliesslich der Einzige von uns allen, der noch irgendeine Chance auf Rettung hatte.

...Ich sprach einmal in der Woche mit ihm und Pepper und ich fühlte mich trotzdem schrecklich allein.

Klar, ich hatte Ken, der mir half, wieder auf die Beine zu kommen und sogar damit begonnen hatte, mir einige Grundprinzipien des Parkour beizubringen, der dafür sorgte, dass wir nicht gefunden wurden, aber trotz der Tatsache, dass er zu einem meiner besten Freunde geworden war, es war einfach nicht genug. Und er wusste es.

Ich schüttelte die dunklen Gedanken ab. "Ich weiss, dass du eine äusserst ungesunde Sucht nach Kirschbrausebonbons hast, weil ich dich dabei erwischt habe, wie du sie in unsere Einkaufstasche geschmuggelt hast, als du dachtest, ich würde nicht hinschauen. Ich weiss, dass du deine Zähne kaputtmachst, weil du so permanent nach künstlichen Kirschen riechst, dass ich mich schon wundere, warum meine Geruchsnerven nicht schon längst vollkommen abgestorben sind. Und ich weiss es auch, weil du sie in meiner Wohnung, unter der hohlen Diele im Eingang lagerst."

"Sie sind zuckerfrei!", protestierte er schwach. "Meinen Zähnen geht's super, danke der Nachfrage." Dann fiel ihm etwas auf. "Warte, woher weisst du von der hohlen Diele im Eingang?"

Für einen kurzen Moment starrten wir uns gegenseitig an, dann nahm ich einen viel zu grossen Bissen von meinem Eis und Ken seufzte, während er seine Geldbörse hervorholte und den Eismann, der mit seinem kleinen Wagen in dem etwas heruntergekommen Park halt gemacht hatte, zu bezahlen. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, die plötzliche Kälte hinter meinen Schläfen zu ignorieren. Ich fluchte leise vor mich hin, während ich verzweifelt versuchte, den Brainfreeze wegzubekommen.

Ken klopfte mir mitfühlend auf die Schulter, dann schaufelte er sich selbst ein wenig seines, was sollte es auch sonst sein, Kirscheis' in den Mund. "Thema erfolgreich gewechselt. Gratulation, Kayla, du bist ein Genie darin, unangenehme Gespräche unauffällig zu vermeiden." Er hielt inne, um zu Schlucken, dann grinste er, während er meinen Rollstuhl weiter Richtung unserer Lieblingsparkbank schob und ich immer noch verzweifelt versuchte, mich wieder aufzuwärmen. "Das Handy, das ich da drin vorgefunden habe, das war deins, oder? Deswegen ist es auch aus meiner Jackentasche verschwunden." Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

Ich grummelte etwas unverständliches, während ich unglücklich an meinen Fingernägeln zupfte. Obwohl ich in der Lage war, selbst zu gehen, sogar ohne Ken's Hilfe, sass ich die meiste Zeit, wenn wir in der Öffentlichkeit waren, immer noch im Rollstuhl, für den Fall, das etwas schrecklich schiefging und wir schnell verschwinden mussten: Denn Rennen konnte ich definitiv noch nicht und es war immer noch sehr, sehr anstrengend, so lange aufrecht zu stehen.

"Wen hast du angerufen, Kayla?", fragte Ken leise, als ich ihm keine richtige Antwort gab. "Du weisst, dass du dich in Gefahr bringst, wenn du irgendjemanden kontaktierst."

Ich starrte auf mein langsam schmelzendes, blaues Eis in der Waffel. Nicht mehr lange und es würde mir auf die Finger tropfen, aber mich beschäftigte etwas anderes. Die Farbe war beinahe die gleiche wie das dunkle Blau der Blue Phantom Rüstung und mir verging auf einmal der Appetit. "Du weisst doch selbst, wen ich anrufe, oder etwa nicht?", schnappte ich, auch wenn es mir sofort wieder leid tat. Ich entschuldigte mich trotzdem nicht.

Ken sah mich für einen kurzen Moment scharf an, dann seufzte er. "Du bist mit Spider-Man in Kontakt geblieben, oder?"

Eigentlich stimmte das nicht so ganz. Streng genommen war es schliesslich Peter, mit dem ich telefonierte, Peter, der, um die CIA, die ihn und May sicher überwachte, sein Spider-Man Handy benutzte, um mit mir zu reden. Ich nickte nur stumm.

Ken schien immer noch nicht befriedigt zu sein. "Hilfst du ihm immer noch mit Missionen? Bist du etwa noch sein Backup?"

Ich biss mir auf die Lippen. Ich wusste ehrlich nicht, was ich darauf antworten sollte. Wenn ich "Nein", sagte, dann würde Ken mich fragen, was ich denn sonst mit ihm besprach und das würde Peter in Gefahr bringen, aber wenn ich "Ja", sagte, dann würde Ken es mir sicherlich verbieten, da er dann bestimmt denken würde, dass "Spider-Man" mich ausnutzte.

Auf einmal seufzte Ken leise. "Du redest nicht mit Spider-Man per se, oder? Er hat sein Handy Peter gegeben, damit der nicht auf sein eigenes Gerät zurückgreifen muss, da das sicher von der CIA überwacht wird."

Ich starrte ihn mit offenem Mund an.

"Was? Ich bin auch nicht dumm! Kayla, ich wurde darauf trainiert, Lügen zu erkennen und Beziehungen herzustellen, dachtest du wirklich, ich würde das nicht herausfinden? Du hast mir selbst einmal gesagt, das Spider-Man Peter kennt, also war es wirklich nicht weit hergeholt, vor allem, wenn man bedenkt, das sie beide deine Freunde sind." Für einen kurzen Moment hielt er inne, als wollte er etwas mehr sagen, als wüsste er noch mehr, aber dann schloss er den Mund wieder. Als hätte er sich entschlossen, es für sich zu behalten.

Er wusste es definitiv.

Ich sah es in seinem geheimniskrämerischen Blick, in seinem verschmitzten Lächeln, aber ich sagte nichts dazu. Wenn er es mir nicht direkt sagte, dann würde ich ihn sicher nicht darauf ansprechen, dass ihm durchaus klar war, dass mein bester Freund und Spider-Man ein und dieselbe Person waren.

Und weil ich sowieso nichts vor ihm verbergen konnte, rückte ich endlich mit der Sprache heraus. "Ich will zurück nach New York, Ken", murmelte ich leise.

Er erstarrte mitten in der Bewegung, sein Eislöffel schwebte nur Zentimeter vor seinem offenstehenden Mund. Einige Sekunden blieb er genauso stehen, als wäre er in der Zeit stehen geblieben, dann fing er sich wieder und atmete tief durch. "Ich weiss, Kayla", gab er schliesslich zu. "Ich weiss." Das "Ich auch", schwebte zwischen uns in der Luft.

Ich fragte nicht, woher. Ich wusste, dass es offensichtlich war, dass ich viel zu oft aus dem Fenster starrte und hoffte, etwas anderes zu sehen, als diese verdammte Kleinstadt, ich wusste, dass ich oft abdriftete und meinen Gedanken nachhing, ich wusste, dass es allzu klar erkennbar war, wie schlimm mein Heimweh war. Ich biss mir auf die Lippen. Nur, dass Heimweh nicht mein einziges Problem war.

Eine Weile schwiegen wir uns an, dann verdrehte Ken die Augen und schnaubte amüsiert. "Na los, spuck's aus. Was ist es? Was ist los? Um was geht's denn noch?"

Ich biss mir auf die Lippen, versuchte verzweifelt, in Worte zu fassen, was ich sagen wollte, ohne Ken dabei vor den Kopf zu stossen. "Es könnte... sein, dass Peter und ich uns treffen wollen", brachte ich schlussendlich hervor. "Und er kann sich kein Ticket kaufen, weil ihm sonst die CIA folgen würde, also muss er in New York bleiben. Ergo ist unsere einzige Möglichkeit, dass ich zu ihm komme und..."

"Und was tust? Warum wollt ihr euch denn so unbedingt treffen?" Seine Augenbrauen wanderten immer weiter nach oben.

Ich biss mir auf die Lippe und entschloss mich nach einigen angespannten Schweigemomenten, einfach die Wahrheit zu sagen. "Weil er mich vielleicht... um ein Date gefragt hat?" Mehr Frage als Antwort, unsicher, wie ich war. Ich hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren würde.

Für einen kurzen Moment starrte mich Ken einfach nur an. Dann blinzelte er irritiert und schaufelte sich weiter sein Kirscheis in den Mund. "Cool", murmelte er. "Einfach wunderbar. Du weisst schon, dass du gerade auf der Flucht bist und definitiv keine Zeit für eine Liebesgeschichte hast, oder? Und das weiss er auch?"

Ich kaute weiter auf meiner Lippe herum und sagte nichts dazu. Er musste schliesslich nicht wissen, dass auch Peter mehr als ein paar Regierungsagenten auf den Fersen hatte. Jedenfalls als Spider-Man.

Ken sah mich kurz von der Seite an, dann warf er den mittlerweile leeren Pappeisbecher in den Müll und setzte sich auf die Bank daneben. Ich knabberte weiter an den Überresten meiner Waffel.

"Ich meine", murmelte er irgendwann, "ich mache schon eine ganze Weile Witze auf deine und Peters Kosten, aber... magst du ihn wirklich? Auf... auf diese Art?"

Ich kaute unsicher auf den letzten Resten meiner Eiswaffel herum. "Hältst du mich für einen schlechten Menschen, wenn ich es nicht weiss und trotzdem ja gesagt habe?"

Ken lachte leise. "Nein! Kayla, du bist neugierig und bist dir noch nicht sicher. Erstens ist es dein allererstes Mal, jemanden so zu mögen und ich weiss aus eigener Erfahrung, dass man sich am Anfang immer unsicher ist und zweitens bin ich sicher, dass du es herausfinden wirst." Er schwieg kurz und sein Blick schweifte in weite Ferne. "Aber wenn du bemerkst, dass du ihn doch nicht auf diese Weise magst und er einfach nur dein bester Freund ist und bleibt, dann musst du ihm das sagen. Egal, wie schwer es ist."

Ich schnaubte. "Hört sich ja fast so an, als hättest du Erfahrung damit. Ken, der Beziehungsberater. Das ich das noch erlebe..."

Für einen kurzen Moment sah er aus, als wollte er noch etwas sagen, dann überlegte er es sich anders und lehnte sich grinsend zurück. "An diesen Titel könnte ich mich gewöhnen", erklärte er mir.


...

Bin ich ein schlechter Mensch, Ken?



Achtung für verirrten Leser: Das ist BAND 3 der Stark Chronicles Trilogie. Ohne euch irgendetwas vorschreiben zu wollen: Lest idealerweise zuerst Band 1 und 2, um wenigstens ein klein wenig zu verstehen, um was es hier eigentlich geht. Wenn ihr jemand seit, der sich gerne ans Unbekannte wagt, dann dürft ihr natürlich auch gleich weiterlesen, aber ein kleiner Tipp kann ja nicht schaden...

An alle anderen: Oh Mann, ich bin dermassen eingerostet... Das Kapitel gefällt mir überhaupt nicht, aber das ist eben das, was ihr bekommt! Willkommen zurück! Ich werde das definitiv noch einmal überarbeiten, wenn ich weniger Stress habe. Ich habe noch so viel zu tun.

Neuer Klappentext, neuer Anfang. Was meint ihr dazu?

Kommentare, Kritik, Ideen?

aeide_thea

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